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JRF-WissensLunch mit Constanze Schmidt "Klimafolgenanpassung als neuer Maßstab: Sicheres und gutes Leben im Klimawandel"

Die Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF) lädt Sie zum digitalen JRF-
WissensLunch ein. Regelmäßig am letzten Freitag eines Monats berichtet
ein/e JRF-WissenschaftlerIn über ein aktuelles Forschungsthema. Der
nächste JRF-WissensLunch findet am Freitag, den 25.10.2024 von 12:00-13:00
Uhr statt. Thema ist die "Klimafolgenanpassung als neuer Maßstab: Sicheres
und gutes Leben im Klimawandel" mit Constanze Schmidt vom JRF-Institut
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.



Die Folgen des Klimawandels zeigen sich immer deutlicher und stellen eine
Gefahr für Bevölkerung, lebenswerte Umgebungen und Wohlstand dar. Eine
übergreifende Klimafolgenanpassung ist daher unumgänglich – genauso wie
sie mit Klimaschutzmaßnahmen zusammenzudenken. In rund 20 Minuten wird
dieses Forschungsthema allgemeinverständlich vorgestellt. Anschließend
können Sie persönlich Ihre Fragen via Zoom stellen.

Das Angebot ist kostenfrei. Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig.
Weitere Informationen finden Sie hier:  https://t1p.de/epphy

Über den digitalen JRF-WissensLunch

Wissen Sie, was die WissenschaftlerInnen am EWI, DST oder BICC machen?
Wissen Sie, wie eine Wasserstofftankstelle funktioniert, die Mobilität von
morgen aussieht und wie wir unser Leben nachhaltiger gestalten können?
Die WissenschaftlerInnen der JRF-Institute sind ExpertInnen auf ihrem
Gebiet und wir möchten Sie gerne an diesem Wissen teilhaben lassen. Am
letzten Freitag eines Monats von 12:00-13:00 Uhr laden wir alle
Interessierten zu einem digitalen JRF-WissensLunch ein. Dabei wird ein/e
VertreterIn eines JRF-Instituts in rund 20 Minuten ein aktuelles
Forschungsthema allgemeinverständlich vorstellen und anschließend Ihren
Fragen beantworten. Hören Sie zu, stellen Sie Fragen und lernen Sie etwas
Neues beim Lunch.


Über die JRF

Die Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF) ist die
Forschungsgemeinschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Aktuell zählt sie
16 wissenschaftliche Institute mit mehr als 1.600 MitarbeiterInnen in NRW
und einem Jahresumsatz von über 124 Millionen Euro. Gegründet hat sich der
gemeinnützige Verein 2014 als Dachorganisation für landesgeförderte,
rechtlich selbstständige, außeruniversitäre und gemeinnützige
Forschungsinstitute.
Unter dem Leitbild „Forschung ‚Made in NRW‘ für Gesellschaft, Wirtschaft,
Politik“ arbeiten die JRF-Institute fachübergreifend zusammen, betreiben
eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, fördern wissenschaftlichen
Nachwuchs und werden von externen GutachterInnen evaluiert. Neben den
wissenschaftlichen Mitgliedern ist das Land NRW ein Gründungsmitglied,
vertreten durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft.

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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit

Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) sieht den Bedarf zu
einer Verbesserung der Vorbeugung und Versorgung von Herz-
Kreislauferkrankungen und unterstützt daher die Ziele des Gesetzes zur
Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz – GHG). Sie hat bereits
zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit Stellung
genommen. Ihre Anmerkungen haben jedoch überwiegend keine Aufnahme in den
Gesetzentwurf gefunden.

Zur Verbesserung der Vorbeugung und Versorgung von Herz-Kreislauf-
Erkrankungen muss ein Gesundes-Herz-Gesetz den Präventionsgedanken,
Lebensstiländerungen und die Detektion von Risikofaktoren ins Zentrum des
Regelungsvorhabens stellen. Die hohe Relevanz der Prävention, der
Früherkennung und der frühzeitigen Therapie der chronischen
Nierenkrankheit, als eine maßgebliche Ursache von Herz-
Kreislauferkrankungen, wurde dabei übersehen. Zumindest wird die
chronische Nierenkrankheit trotz ihrer Relevanz im Gegensatz zu anderen,
auch weniger relevanten Risikofaktoren im Gesetzesentwurf überhaupt nicht
erwähnt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll nicht einmal mit der
Prüfung des Themenkomplexes beauftragt werden.

Da es sich bei der Früherkennung der chronischen Nierenkrankheit um wenige
einfache und vergleichsweise kostengünstige Maßnahmen mit hoher Relevanz
für Patientinnen und Patienten handelt, sollten diese im weiteren
Gesetzgebungsprozess jedoch berücksichtigt werden. Die Nichtaufnahme in
den Gesetzesentwurf verwundert, da durch gezielte Screenings und die
frühzeitige Therapie der chronischen Nierenkrankheit das Auftreten von
Herzinfarkten um bis zu 50 % im Vergleich zu Personen, die nicht gescreent
werden, oder von Schlaganfällen um mehr als ein Drittel reduziert werden
könnte (7). Die Verhinderung von Herzinfarkten und Schlaganfällen ist
jedoch das erklärte Ziel des Gesetzes, welches die DGfN unterstützt.

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Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) – Chronische Nierenkrankheit (CKD) muss berücksichtigt werden

Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN) fordert in einer
soeben veröffentlichten Stellungnahme eine Berücksichtigung der
chronischen Nierenkrankheit (CKD) im „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG). Dieses
wurde vom Bundesministerium für Gesundheit erarbeitet und hat bereits am
28.08.2024 das Kabinett passiert. Dabei wird die DGfN unterstützt von der
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und der Deutschen
Gesellschaft für Kardiologie e. V. (DGK).

Enge Verbindung zwischen Nieren- und Herzerkrankungen - Prävention ist
daher entscheidend
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache und
für etwa 30 % aller Todesfälle verantwortlich. Ein wichtiger Risikofaktor
für diese Erkrankungen ist die chronische Nierenkrankheit (Chronic Kidney
Disease, CKD). Sie wird jedoch häufig übersehen. Schätzungen zufolge sind
in Deutschland etwa 10 Millionen Menschen von CKD betroffen. Die meisten
von ihnen, ohne es zu wissen, da die Krankheit im Frühstadium keine
Symptome verursacht. Ohne rechtzeitige Diagnose und Behandlung steigt bei
diesen Patientinnen und Patienten jedoch das Risiko für Herz-Kreislauf-
Komplikationen deutlich an. Studien zeigen, dass das Risiko, einen
Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, bei Nierenpatienten um ein
Vielfaches erhöht ist. „Wir wissen seit langem, dass bereits leichte
Einschränkungen der Nierenfunktion das Risiko für Herz-Kreislauf-
Erkrankungen signifikant steigern“, erklärt Professor Dr. med. Julia
Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN aus Mainz. „Eine CKD ist somit
ein eigenständiger Risikofaktor, der dringend in den Präventionsansatz des
GHG integriert werden muss.“

Deutlich mehr Patienten über 40 Jahre mit diagnostizierter CKD
Auch der soeben vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung
(Zi) veröffentlichte Versorgungsatlas „Trends der Prävalenz
diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten und der Inanspruchnahme der
Dialyse in der vertragsärztlichen Versorgung“ untermauert die Forderung
der DGfN. Die Prävalenz diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten ist
bei gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten ab 40 Jahren in den
letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Die vertragsärztlichen
Abrechnungsdaten zeigen zwischen 2013 und 2022 einen Anstieg von 4,43 auf
7,07 Prozent. Dies entspricht einem relativen Anstieg von über 60 Prozent.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im ambulanten Versorgungsalltag bei
immer mehr Patientinnen und Patienten bislang unentdeckte CKD erkannt,
diagnostiziert und behandelt werden. „Das Zi konnte zeigen, wie relevant
das Eisbergphänomen der unerkannten CKD ist“, so Weinmann-Menke. „Nach wie
vor wissen viele Patientinnen und Patienten nichts von ihrer beginnenden
CKD. Deshalb ist eine gezielte Suche nach CKD zur Früherkennung
notwendig“.

Früherkennung rettet Leben – einfache Maßnahmen, große Wirkung
Die Früherkennung einer CKD ist unkompliziert und vergleichsweise
kostengünstig. Durch einfache Blut- und Urintests, wie die Messung der
glomerulären Filtrationsrate (eGFR) und der Albumin-Konzentration im Urin
(UACR), können Erkrankte identifiziert und rechtzeitig behandelt werden.
Dennoch sind im aktuellen Entwurf des „Gesundes-Herz-Gesetzes“ keine
Maßnahmen zur Früherkennung von CKD enthalten. „Das ist besonders
überraschend, da Studien belegen, dass durch die Früherkennung der
chronischen Nierenkrankheit das Risiko von Herzinfarkten um bis zu 50 %
und von Schlaganfällen um mehr als ein Drittel gesenkt werden kann“,
betont Weinmann-Menke, Direktorin der Klinik für Nephrologie,
Rheumatologie und Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum
Mainz.

Neue Therapien zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs
Mit neuen Medikamenten wie den SGLT-2-Hemmern, die bei allen CKD-Patienten
eingesetzt werden können, und anderen vielversprechenden Substanzen ist es
heute möglich, das Fortschreiten der CKD wirksam zu verlangsamen oder
sogar zu stoppen. Diese Therapien bieten einen enormen Vorteil nicht nur
für die Nierengesundheit, sondern auch für den Schutz vor kardiovaskulären
Komplikationen. Umso wichtiger ist es, dass das neue Gesetz diesen
Fortschritten Rechnung trägt und entsprechende Maßnahmen zur Früherkennung
und Behandlung der CKD festlegt.

Forderungen der DGfN an den Gesetzgeber
Die DGfN spricht sich daher für eine explizite Berücksichtigung der CKD
bei den im Rahmen des „Gesundes-Herz-Gesetzes“ vorgesehenen Check-up-
Untersuchungen aus. Ab dem 40. Lebensjahr, spätestens jedoch ab dem 50.
Lebensjahr, sollen routinemäßig Blut- und Urinuntersuchungen zur
Früherkennung der CKD angeboten werden. Personen mit Risikofaktoren wie
Bluthochdruck oder Diabetes sollten jährlich untersucht werden.
Zudem regt die DGfN an, die CKD auch in die Disease Management Programme
(DMP) aufzunehmen. Ziel ist die frühzeitige Einleitung einer Therapie,
bevor die Nieren vollständig ihre Funktion verlieren oder es zu einem
relevanten kardiovaskulären Ereignis kommt. Eine Schulung der Patienten
ist unerlässlich. All dies könnte insbesondere in einem strukturierten
Behandlungsprogramm erfolgreich abgebildet werden.

„Der Schutz der Nieren ist ein unverzichtbarer Bestandteil der
Herzgesundheit“, schließt Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin der
DGfN. „Wir fordern den Gesetzgeber auf, dies im weiteren
Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen und die Prävention und
Früherkennung von CKD in den Mittelpunkt zu stellen.“

Weitere Informationen:

Holstiege J, Kohring C, Dammertz L, v. Samson-Himmelsstjerna F, Akmatov M,
Müller D, v. Stillfried D. Trends der Prävalenz diagnostizierter
chronischer Nierenkrankheiten und der Inanspruchnahme der Dialyse in der
vertragsärztlichen Versorgung. 10.20364/VA-24.03, 2024

World Health Organization. Preventing Chronic Diseases: A Vital
Investment: WHO Global Report. 2005. 2008-2013 action plan for the global
strategy for the prevention and control of noncommunicable diseases:
prevent and control cardiovascular diseases, cancers, chronic respiratory
diseases and diabetes.

Go AS, Chertow GM, Fan D, McCulloch CE, Hsu CY. Chronic kidney disease and
the risks of death, cardiovascular events, and hospitalization. N Engl J
Med.351:1296-305, 2004

Tonelli M, Wiebe N, Culleton B, House A, Rabbat C, Fok M, McAlister F,
Garg AX: Chronic kidney disease and mortality risk: A systematic review. J
Am Soc Nephrol 17: 2034–2047, 2006

Hillege HL, Fidler V, Diercks GFH, Gilst WH van, Zeeuw D de, Veldhuisen DJ
van, Gans ROB, Janssen WMT, Grobbee DE, Jong PE de; for the PREVEND study
group. Urinary albumin excretion predicts cardiovascular and
noncardiovascular mortality in general population. Circulation;
106:1777-82, 2002

Klausen K, Borch-Johnsen K, Feldt-Rasmussen B, Jensen G, Clausen P,
Scharling H, Appleyard M, Jensen JS. Very low levels of microalbuminuria
are associated with increased risk of coronary heart disease and death
independently of renal function, hypertension, and diabetes. Circ
110:32-35, 2004

Astor BC, Hallan SI, Miller ER 3rd, Yeung E, Coresh J. Glomerular
filtration rate, albuminuria, and risk of cardiovascular and all-cause
mortality in the US population.Am J Epidemiol;167, 1226-33, 2008

Rao, N et al., Impact of CKD screening in high-risk populations and
guideline-directed therapy on CV event occurrence and costs in Europe: an
IMPACT CKD analysis. Nephrol Dial Transplant 2024, 10.1093/ndt/gfae069.038

Satko SG, Freedman BI, Moossavi S. Genetic factors in end-stage renal
disease. Kid-ney Int Suppl 2005; (94): S46-9

Satko SG, Sedor JR, Iyengar SK, Freedman BI. Familial clustering of
chronic kidney disease. Semin Dial 2007; 20(3):229–36

Freedman BI, Parekh RS, Kao WHL. Genetic basis of nondiabetic end-stage
renal disease. Semin Nephrol 2010; 30(2):101–10

Cornec-Le Gall E, Alam A, Perrone RD. Autosomal dominant polycystic kidney
dis-ease. Lancet 2019; 393(10174):919–35

National Institute for Health and Care Excellence. Chronic kidney disease:
Assessment and Management. London; 2021

Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin. Nationale
VersorgungsLeitlinie (NVL) Hypertonie [Stand: 15.12.2023]

Mancia G, Kreutz R, Brunström M, Burnier M, Grassi G, Januszewicz A et al.
2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task
Force for the management of arterial hypertension of the European Society
of Hypertension: En-dorsed by the International Society of Hypertension
(ISH) and the European Renal Association (ERA). J Hypertens 2023

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Das Landeszentrum Gesundheit NRW analysierte 14228 Entlassrezepte

Patientinnen und Patienten, die nach einer stationären Behandlung auf
Arzneimittel angewiesen sind, erhalten von den Krankenhäusern und Kliniken
sogenannte „Entlassrezepte“. Das Landeszentrum Gesundheit NRW untersuchte
in einer sozialpharmazeutischen Analyse knapp ein Jahr lang, warum die
Einlösung dieser Rezepte in Apotheken oftmals nur verzögert funktioniert.
Simone Dirkmann, Mitarbeiterin der Fachgruppe Sozialpharmazie, beleuchtet
die Hintergründe und erklärt, warum Betriebsstättennummern und Vorgaben zu
Packungsgrößen die Hauptprobleme darstellen.

Redaktion: Im Fachbereich „Arzneimittelsicherheit, Sozialpharmazie“ des
Landeszentrums Gesundheit NRW (LZG.NRW) wurde zuletzt die Versorgung im
Rahmen des „arzneimittelbezogenen Entlassmanagements“ (aEM) in Apotheken
untersucht. Wie kam es zu diesem sozialpharmazeutischen Projekt?

Dirkmann: Die Amtsapotheker erhielten im Zuge ihrer Revisionen die
Rückmeldung vieler Apothekerinnen und Apotheker, dass die
Rezeptbelieferung nach Krankenhausentlassungen durch die sogenannten
Entlassrezepte mehr und mehr zu Verzögerungen in der Patientenversorgung
führt. Die Motivation des Projekts war es, zu untersuchen, ob die
Versorgung tatsächlich mit den beklagten Schwierigkeiten einhergeht und
falls ja, welche Stolpersteine es konkret gibt. Mit Unterstützung des
LZG.NRW können entsprechende anlassbezogene Erhebungen in den Kommunen
durchgeführt werden.

Redaktion: Können Sie die Zahlen, Daten und Fakten zur Projektdurchführung
zusammenfassen?

Dirkmann: Die Amtsapotheker des nordrhein-westfälischen
Gesundheitsdienstes (ÖGD NRW) wählten ein zweistufiges Verfahren.
Teilnehmende Apotheken sollten zunächst mithilfe eines Fragebogens über
subjektive Probleme, die sie bei der Belieferung von Entlassrezepten
retrospektiv über sechs Monate hinweg feststellen konnten, berichten. Aus
diesen zuvor gesammelten Problemfeldern, die von knapp 685 Apotheken aus
31 (von 53) Kommunen mitgeteilt wurden, ist dann eine zweite
Detailerhebung erstellt worden, anhand derer jedes in der Apotheke
vorgelegte Entlassrezept geprüft und dokumentiert wurde. Es wurde also bei
jedem eingehenden Entlassrezept festgehalten, ob und wenn ja, was für ein
Problem vorlag. Diese Dokumentation erfolgte über weitere sechs Monate.
Durch die Teilnahme von 345 nordrhein-westfälischen Apotheken an dieser
zweiten Phase konnten 14228 Entlassverordnungen ausgewertet werden. Mit 28
Kreisen und kreisfreien Städten haben sich mehr als die Hälfte der
Kommunen und fast jede zehnte Apotheke in NRW an dem
sozialpharmazeutischen Projekt beteiligt.

Redaktion: Welche Probleme hat die Untersuchung ergeben?

Dirkmann: Unsere Untersuchung zeigte, dass zwei von drei Patienten ohne
jede Verzögerung versorgt wurden. Dies bedeutet andererseits aber auch,
dass ein Drittel der Entlassverordnungen nicht direkt und problemlos
beliefert werden konnte, weil z.B. Unklarheiten bürokratischer Natur mit
den Krankenhausärzten geklärt werden mussten. Jeder dritte Patient konnte
folglich erst am nächsten Tag oder gar noch später mit seinen benötigten
Arzneimitteln versorgt werden. Die Hauptprobleme waren Vorgaben zu reinen
Formalitäten sowie zu den maximal zulässigen Verordnungsmengen.

Redaktion: Können Sie die beiden Punkte erläutern? Welche Formalitäten
sind konkret gemeint?

Dirkmann: Neben den üblichen Vorgaben gemäß
Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) erfordern Entlassrezepte auf
Grundlage der Rahmenvereinbarungen zwischen Kostenträgern und
Leistungserbringern die strenge Einhaltung formeller Details bezüglich
Betriebsstättennummer, lebenslanger Arztnummer, Statusziffer und
Facharztbezeichnung. Fehlen diese, entsprechen sie nicht den exakten
Vorgaben oder unterscheiden sich die Angaben, muss die Apotheke den
jeweiligen Mangel noch vor der Versorgung des Patienten aufdecken und
korrigieren. Da sie dies in den meisten Fällen nicht ohne Zutun des Arztes
kann bzw. darf, wird oftmals eine Rücksprache mit dem Verordner nötig,
obwohl diese inhaltlich für die Pharmakotherapie als solche gar nicht
erforderlich wäre.

Redaktion: Und warum gibt es Probleme mit den Verordnungsmengen?

Dirkmann: Dicht gefolgt von Formfehlern sind nach Apothekenangaben
Verordnungen nicht existenter oder nicht verfügbarer Packungsgrößen.
Hintergrund: Im arzneimittelbezogenen Entlassmanagement dürfen
Krankenhäuser gemäß Arzneimittel-Richtlinie des gemeinsamen
Bundesausschusses (g-BA) i.V.m. § 39 Abs. 1a SGB V grundsätzlich nur eine
Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß sogenannter
Packungsgrößenverordnung verordnen. Dies stellt alle Beteiligten vor große
Hürden. Denn bei einer regelhaften Verordnung der kleinsten Normgröße muss
davon ausgegangen werden, dass das betreffende Arzneimittel grundsätzlich
auch durch einen Hersteller in dieser N1-Größe vertrieben wird. Zudem
setzt es das Wissen des Verordners zu Marktlage und
Packungsgrößeneinteilung voraus. Ist das eine oder andere nicht der Fall,
kann keine direkte Patientenversorgung stattfinden. Sollte das Präparat
von den zuletzt anhaltenden Lieferengpässen betroffen sein, führt auch
dies schnell zu Verzögerungen. Gibt es nur die Option, eine größere
Packung zu beliefern, bedarf dies wiederum einer ärztlichen
Rezeptänderung, falls die zuständige Krankenkasse die Mehrabgabe überhaupt
duldet. Nicht bei allen Kostenträgern ist es im Entlassmanagement möglich,
vertragskonform auf größere Packungen auszuweichen.

Redaktion: Könnten die Patienten daran etwas ändern und schon vor dem
Aufsuchen der Apotheke auf Formalia achten?

Dirkmann: Nein, die Zusammenhänge kann der Patient als Laie überhaupt
nicht nachvollziehen. Erst recht dann nicht, wenn das E-Rezept
flächendeckend umgesetzt ist und nur noch elektronisch verordnet wird.
Solange auch das Entlassmanagement hiervon noch nicht betroffen ist, ist
denkbar, dass ein Patient E-Rezepte auf der eGK gespeichert hat und
zusätzlich Rezepte in Papierform erhält. Bei einer Krankenhausentlassung
können Krankenhausärzte in bestimmten Fällen auch die benötigten
Arzneimittelmengen mitgeben. Für den Laien sind diese Konstellationen
nicht zu überblicken. Und wenn der vertragliche Handlungsspielraum von
Apotheken ausgeschöpft ist und die Kostenübernahme von Kassenrezepten
nicht gesichert ist, hat der Patient im schlimmsten Fall nur die folgenden
Optionen: das Arzneimittel selber zu zahlen oder den Hausarzt um ein neues
Rezept zu bitten. Beides birgt das Risiko, dass Patienten gänzlich auf
ihre Arzneimittel verzichten, sodass Verzögerungen oder sogar Lücken in
der Arzneimittelversorgung entstehen. Im Laufe dieses Jahres war in der
Fachpresse erneut zu lesen, dass sich die Selbstverwaltung auf keine
Vertragsanpassung einigen konnte. Das Vorliegen von Rezepten mit nicht zu
behebenden Formfehlern ist demnach ein reelles und – wie die Ergebnisse
des Projekts zeigen – quantitativ nicht zu vernachlässigendes Problem.

Redaktion: Worin sehen Sie die Ursache für die nur schwer umsetzbaren
Vorgaben?

Dirkmann: Schaut man sich die Daten der Erhebung an, kommt man zu dem
Ergebnis, dass die Eckpunkte, die gesetzlich und vertraglich vereinbart
wurden, in der apothekerlichen Praxis nur schwer oder auch gar nicht
umsetzbar sind. Das kann durch fehlendes Wissen der verschreibenden Ärzte
bei der Rezeptausstellung, aber auch schlicht durch das Marktangebot
bedingt sein. Aber auch sich ändernde Begleitumstände können dazu führen,
dass die Apotheken handlungsunfähig werden – man denke hier z.B. an die
ständig wechselnden COVID-19-Abgaberegelungen oder die begrenzten
Austauschmöglichkeiten bei Lieferengpässen.

Redaktion: Glauben Sie, dass sich die Versorgungssituation nun post-
pandemisch und mit abklingenden Lieferengpässen bessern wird?

Dirkmann: Das denke ich nicht. Die Schwierigkeiten bei der
Entlassmanagement-Versorgung wurden den Amtsapothekern schon seit Anbeginn
des Entlassmanagements gemeldet. Während der Pandemie und bei
Lieferengpässen hat sich die Situation eher noch verschärft. Die Erhebung
hat auch gezeigt, dass partielle Anpassungen in den Gesetzes- und
Vertragspassagen nur marginale und befristete Verbesserungen für das
Entlassmanagement zur Folge hatten. Leistungen müssen wirtschaftlich, aber
eben auch im Sinne des Versicherten ausreichend und zweckmäßig sein.
Dieser Spagat kann bei Rezeptbelieferungen sehr herausfordernd sein.
Konsequent und im Sinne einer schnellen Patientenversorgung wäre es daher,
die detektierten Punkte nochmals zu verifizieren, um dann in gemeinsamer
Runde tragbare Anpassungsmöglichkeiten zu prüfen.

Redaktion: Wer wäre Teil einer solchen Runde?

Dirkmann: Bestenfalls diejenigen, die zum einen die Grundlage für die
Belieferung geschaffen haben und zum anderen die Regelungen auch umsetzen
müssen. Das heißt der Gesetzgeber, der das Entlassmanagement durch das
GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (2015) implementiert hat; ferner der
Gemeinsame Bundesausschuss als höchstes Gremium der Selbstverwaltung zur
Richtlinienerstellung; und abschließend all diejenigen Leistungserbringer,
die die Machbarkeitsanalyse für ihren Versorgungsbereich vornehmen können,
d.h. die verschreibenden Krankenhausärzte und die versorgenden Apotheker.
Zurückliegend wurden bei der Einführung des Entlassmanagements die
gesetzliche Grundlage und die G-BA-Richtlinie erstellt, woraufhin dann ein
entsprechender Rahmenvertrag zwischen DKG, KBV, GKV-SV (2017) und später
dann noch die Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen (GKV-SV) und
Apothekerverbänden (DAV e.V.) für die Lieferverträge (2018) folgten. Wenn
diese Prozesse mit unterschiedlichen Parteien in derart kleinteiligem
Gebiet hintereinandergeschaltet werden, kann es passieren, dass das
Endergebnis weder mit der Versorgungsrealität noch mit den Interessen der
jeweiligen Vertragspartner kompatibel ist. Spätestens dann ist die
Unterstützung durch die Politik erforderlich, um die gesetzlichen und
somit auch die darauf aufbauenden vertraglichen Rahmenbedingungen wieder
so praxistauglich zu machen, dass die Arzneimittelversorgung im Sinne der
Bevölkerungsgesundheit und der gewollten Stärkung der GKV-Versorgung
vorgenommen werden kann.

Redaktion: Ist das auch das langfristige Ziel, was Sie mit dem Projekt
verfolgen?

Das wäre jedenfalls wünschenswert. Mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst
(ÖGD) existiert eine von wirtschaftlichen Interessen unabhängige
Institution, die über Berufsgrenzen hinaus zielgerichtet vermitteln und
Ergebnisse ehrlich hinterfragen kann, um den Entscheidungsträgern
tatsächlich relevante Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Projektergebnisse können Stellschrauben sichtbar werden lassen. Die
Überwachung durch die Amtsapotheker in NRW ist somit auch
Verbraucherschutz und führt oftmals zu einem gelungenen Austausch am Ort
des Geschehens. Begehungen in öffentlichen oder auch
krankenhausversorgenden Offizinen, auf Krankenhausstationen und in
dazugehörigen Krankenhausapotheken bieten großes Potential, sich nach
Schwierigkeiten neuer Regelungen zu erkundigen. Letztlich entstand auch
dieses erkenntnisreiche aEM-Projekt genau über diesen Weg. Der ÖGD kann in
den ambulanten und stationären Versorgungsbereichen Theorie und Praxis
abgleichen und dort, wo es erforderlich ist, die beteiligten Akteure und
Politikbereiche beraten.

Redaktion: Ist ein konkretes Folgeprojekt geplant?

In der Stadt Hamm in NRW hat sich ein Good Practice-Beispiel etabliert,
welches die eben erwähnte „gemeinsame Runde“ berücksichtigt. Hier hat die
zuständige Amtsapothekerin, Carola Hiltawsky, einen Arbeitskreis
gegründet, der Krankenhäuser, deren versorgende Krankenhausapotheken sowie
Hausärzte gemeinsam mit niedergelassenen Apotheken ins Boot holt, um die
Stolpersteine in der Versorgung nach Krankenhausaufenthalten
berufsübergreifend zu besprechen. Da die Probleme im Entlassmanagement
weiterhin bestehen, wird nun in diesem Arbeitskreis zur Verbesserung des
Entlassmanagments eine dritte Erhebung durchgeführt, um die vorherigen
Ergebnisse für die eigene Kommune zu verifizieren. Anders als zuvor wird
zusätzlich untersucht, inwieweit die Probleme auch Ressourcen in
Pflegeheimen und Arztpraxen bindet, z.B. durch Korrespondenzen mit Ärzten
und beliefernden Apotheken oder durch Neuausstellung von Rezepten. Hier
geht es nicht um Retaxationen oder Schuldzuweisungen, sondern um eine gute
Fehlerkultur. Die Resonanz der beteiligten Berufsgruppen ist laut
Hiltawsky durchweg und im besonderen Maße positiv. Sie sagte neulich in
einer Fachbesprechung der Amtsapotheker: „Es kostet viel Anstrengung und
Zeit, intersektorale Akteure an einen Tisch zu holen, aber es
funktioniert, wenn alle es wollen.“

Redaktion: Was wäre das langfristige Ziel im arzneimittelbezogenen
Entlassmanagement?

Dirkmann: Das Ziel ist dann erreicht, wenn Patienten unbürokratisch und
zuverlässig versorgt werden können und wenn davon ausgegangen werden kann,
dass dies in den bestehenden Strukturen flächendeckend gelingt. Für die
Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit ist es wichtig, einen optimalen
Medikationsprozess zu gewährleisten. Medikationsfehler – hierzu gehören
auch Fehlversorgungen und vermeidbare Therapieverzögerungen – stellen für
Patienten nicht unerhebliche Risiken dar und sind auf ein Mindestmaß zu
reduzieren. Das Entlassmanagement müsste zudem viel mehr noch als jetzt
für Versorgungs- und Betreuungsmanagement stehen. Denn bei all den in
unserem Gespräch getätigten Überlegungen muss man sich einer Sache bewusst
sein: Das Projekt „arzneimittelbezogenes Entlassmanagement“ konzentriert
sich allein auf den Prozess der Rezepteinlösung. Damit geht der
eigentliche Versorgungspfad an den Schnittstellen zwischen Apotheken,
Hausarztpraxen, weiterbehandelnden Kliniken, Pflegediensten, stationären
Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen erst richtig los: das Prüfen des
Medikationsplans, der Abgleich eines Entlassbriefes, die Durchführung
einer Polymedikationsanalyse, die Beantwortung ungeklärter Fragen etc. Für
einen reibungslosen Übergang von der stationären in die ambulante
Versorgung ist insbesondere mit Blick auf medikamentöse Umstellungen das
gesamte Setting zu betrachten. Langfristig müssen daher die Kommunikation
und Interdisziplinarität zwischen Apothekern, Ärzten und sonstigen
Gesundheitsprofessionen mehr in den Vordergrund rücken. Die verpflichtende
Einführung von Stationsapothekern in Niedersachen, der intersektorale
Austausch im Rahmen des NRW-Projekts „Stationsapotheker NRW“,
Informationskampagnen für den Medikationsplan (AKWL, KVWL), Arbeitsgruppen
zur Weiterentwicklung des Entlassmanagements (ADKA), die geplante
Einführung der elektronischen Patientenakte ab 2025 – all dies sind
bereits sinnvolle Ansätze, die einer adäquaten Anschlussversorgung der
Patienten und somit dem Patientenwohl gerecht werden können.

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