Armut macht krank: Soziale Gesundheit stärken
Beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und
Familienmedizin (DEGAM) in Würzburg hat die DEGAM ein neues
Positionspapier zur Stärkung der sozialen Gesundheit vorgestellt.
Wie gesund oder krank jemand ist, hängt in Deutschland stark vom sozialen
und sozioökonomischen Umfeld ab. Oder anders formuliert: Armut macht
krank. Obwohl dieser Zusammenhang bekannt ist, wird die soziale Dimension
von Gesundheit und Krankheit auch heute noch zu häufig ignoriert. Dass es
auch anders geht, zeigt die DEGAM in ihrem aktuellen Positionspapier zur
sozialen Gesundheit, in dem aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse
zusammengefasst und Vorschläge gemacht werden, wie die soziale Gesundheit
gestärkt werden kann.
Seit Jahren nimmt die soziale Ungleichheit in Deutschland zu, damit wächst
auch die gesundheitliche Ungleichheit. Menschen mit sozialen Problemen
leiden häufiger unter psychischen Beeinträchtigungen, kardiovaskulären
Erkrankungen und Multimorbidität. Auch bei der Lebenserwartung klafft eine
Lücke: Der einkommensabhängige Unterschied der Lebenserwartung von Frauen
beträgt 4,4 Jahre und bei Männern sogar 8,6 Jahre. Gleichzeitig werden die
Ressourcen in unserem Gesundheitswesen überwiegend von denen in Anspruch
genommen, die in Bezug auf Bildung, Einkommen, Wohnsituation privilegiert
sind und oft weniger gesundheitliche Risiken haben.
Vor diesem Hintergrund fordert die DEGAM einen Perspektivwechsel: „Statt
immer mehr Maßnahmen zur Früherkennung anzubieten, müssen wir echte
Prävention in den Lebenswelten der Menschen machen, um alle sozialen
Milieus anzusprechen. Inzwischen ist wissenschaftlich gut belegt, dass
Früherkennungsmaßnahmen vor allem diejenigen erreichen, die sozial
privilegiert sind und geringere gesundheitliche Risiken haben“,
kommentiert Prof. Martin Scherer, DEGAM-Präsident. „Die sozial durchaus
heterogene Bevölkerung machen wir aber nicht mit noch mehr Früherkennung
gesünder, sondern mit mehr Prävention. Damit es keine Missverständnisse
gibt: Natürlich gibt es auch sinnvolle Angebote zur Früherkennung, aber
eben auch viele Maßnahmen, für die eine solide Evidenz fehlt.“
Im Positionspapier – federführend erarbeitet von der AG Soziale Gesundheit
– fordert die DEGAM: Es muss intensiver als bisher nach Wegen gesucht
werden, um medizinische und soziale Gesundheit gemeinsam zu denken.
Bestehende Hürden müssen vor allem für diejenigen abgebaut werden, die es
am meisten brauchen. Sozial und gesundheitlich benachteiligte
Bevölkerungsgruppen müssen intensiver, koordinierter und besser behandelt
werden. Dafür müssen die Rahmenbedingungen in der hausärztlichen Praxis
angepasst werden, so dass soziale Belastungen von Patientinnen und
Patienten stärker berücksichtigt werden können: Die sprechende Medizin
muss aufgewertet werden. Die zeitintensive Versorgung benachteiligter
Patientinnen und Patienten, die z.B. von Sprachbarrieren oder finanziellen
Schwierigkeiten betroffen sind, muss adäquat vergütet werden.
Kooperationen zwischen Praxis und sozialer Beratung müssen flächendeckend
ausgebaut werden.
Gleichzeitig stellt die DEGAM klar, dass soziale Herausforderungen nicht
allein in der Hausarztpraxis gelöst werden können. „Mit dem ungerecht
verteilten Risiko, krank zu werden, darf sich ein reiches Land wie
Deutschland nicht abfinden. Politisches Handeln ist gefragt, damit die
vorhandenen Ressourcen effizienter und gerechter verteilt werden. Politik,
Kommunen, Selbstverwaltung, Krankenkassen, Klinik und Praxis müssen sich
gleichermaßen für die Gesundheitsversorgung von Menschen mit niedrigem
Sozialstatus einsetzen“, kommentiert Dr. Thomas Kloppe, Sprecher der AG
Soziale Gesundheit. Dr. Claudia Mews, ebenfalls Sprecherin der AG Soziale
Gesundheit, ergänzt: „Gerade das Bemühen um eine stärkere Umverteilung
vorhandener Ressourcen benötigt eine breite gesellschaftliche
Unterstützung und dauerhaftes politisches Engagement.“
Das Positionspapier „Armut macht krank – soziale Gesundheit stärken“
finden Sie hier: https://www.degam.de/pressemit
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