Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) – Chronische Nierenkrankheit (CKD) muss berücksichtigt werden
Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN) fordert in einer
soeben veröffentlichten Stellungnahme eine Berücksichtigung der
chronischen Nierenkrankheit (CKD) im „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG). Dieses
wurde vom Bundesministerium für Gesundheit erarbeitet und hat bereits am
28.08.2024 das Kabinett passiert. Dabei wird die DGfN unterstützt von der
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und der Deutschen
Gesellschaft für Kardiologie e. V. (DGK).
Enge Verbindung zwischen Nieren- und Herzerkrankungen - Prävention ist
daher entscheidend
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache und
für etwa 30 % aller Todesfälle verantwortlich. Ein wichtiger Risikofaktor
für diese Erkrankungen ist die chronische Nierenkrankheit (Chronic Kidney
Disease, CKD). Sie wird jedoch häufig übersehen. Schätzungen zufolge sind
in Deutschland etwa 10 Millionen Menschen von CKD betroffen. Die meisten
von ihnen, ohne es zu wissen, da die Krankheit im Frühstadium keine
Symptome verursacht. Ohne rechtzeitige Diagnose und Behandlung steigt bei
diesen Patientinnen und Patienten jedoch das Risiko für Herz-Kreislauf-
Komplikationen deutlich an. Studien zeigen, dass das Risiko, einen
Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, bei Nierenpatienten um ein
Vielfaches erhöht ist. „Wir wissen seit langem, dass bereits leichte
Einschränkungen der Nierenfunktion das Risiko für Herz-Kreislauf-
Erkrankungen signifikant steigern“, erklärt Professor Dr. med. Julia
Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN aus Mainz. „Eine CKD ist somit
ein eigenständiger Risikofaktor, der dringend in den Präventionsansatz des
GHG integriert werden muss.“
Deutlich mehr Patienten über 40 Jahre mit diagnostizierter CKD
Auch der soeben vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung
(Zi) veröffentlichte Versorgungsatlas „Trends der Prävalenz
diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten und der Inanspruchnahme der
Dialyse in der vertragsärztlichen Versorgung“ untermauert die Forderung
der DGfN. Die Prävalenz diagnostizierter chronischer Nierenkrankheiten ist
bei gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten ab 40 Jahren in den
letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Die vertragsärztlichen
Abrechnungsdaten zeigen zwischen 2013 und 2022 einen Anstieg von 4,43 auf
7,07 Prozent. Dies entspricht einem relativen Anstieg von über 60 Prozent.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im ambulanten Versorgungsalltag bei
immer mehr Patientinnen und Patienten bislang unentdeckte CKD erkannt,
diagnostiziert und behandelt werden. „Das Zi konnte zeigen, wie relevant
das Eisbergphänomen der unerkannten CKD ist“, so Weinmann-Menke. „Nach wie
vor wissen viele Patientinnen und Patienten nichts von ihrer beginnenden
CKD. Deshalb ist eine gezielte Suche nach CKD zur Früherkennung
notwendig“.
Früherkennung rettet Leben – einfache Maßnahmen, große Wirkung
Die Früherkennung einer CKD ist unkompliziert und vergleichsweise
kostengünstig. Durch einfache Blut- und Urintests, wie die Messung der
glomerulären Filtrationsrate (eGFR) und der Albumin-Konzentration im Urin
(UACR), können Erkrankte identifiziert und rechtzeitig behandelt werden.
Dennoch sind im aktuellen Entwurf des „Gesundes-Herz-Gesetzes“ keine
Maßnahmen zur Früherkennung von CKD enthalten. „Das ist besonders
überraschend, da Studien belegen, dass durch die Früherkennung der
chronischen Nierenkrankheit das Risiko von Herzinfarkten um bis zu 50 %
und von Schlaganfällen um mehr als ein Drittel gesenkt werden kann“,
betont Weinmann-Menke, Direktorin der Klinik für Nephrologie,
Rheumatologie und Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum
Mainz.
Neue Therapien zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs
Mit neuen Medikamenten wie den SGLT-2-Hemmern, die bei allen CKD-Patienten
eingesetzt werden können, und anderen vielversprechenden Substanzen ist es
heute möglich, das Fortschreiten der CKD wirksam zu verlangsamen oder
sogar zu stoppen. Diese Therapien bieten einen enormen Vorteil nicht nur
für die Nierengesundheit, sondern auch für den Schutz vor kardiovaskulären
Komplikationen. Umso wichtiger ist es, dass das neue Gesetz diesen
Fortschritten Rechnung trägt und entsprechende Maßnahmen zur Früherkennung
und Behandlung der CKD festlegt.
Forderungen der DGfN an den Gesetzgeber
Die DGfN spricht sich daher für eine explizite Berücksichtigung der CKD
bei den im Rahmen des „Gesundes-Herz-Gesetzes“ vorgesehenen Check-up-
Untersuchungen aus. Ab dem 40. Lebensjahr, spätestens jedoch ab dem 50.
Lebensjahr, sollen routinemäßig Blut- und Urinuntersuchungen zur
Früherkennung der CKD angeboten werden. Personen mit Risikofaktoren wie
Bluthochdruck oder Diabetes sollten jährlich untersucht werden.
Zudem regt die DGfN an, die CKD auch in die Disease Management Programme
(DMP) aufzunehmen. Ziel ist die frühzeitige Einleitung einer Therapie,
bevor die Nieren vollständig ihre Funktion verlieren oder es zu einem
relevanten kardiovaskulären Ereignis kommt. Eine Schulung der Patienten
ist unerlässlich. All dies könnte insbesondere in einem strukturierten
Behandlungsprogramm erfolgreich abgebildet werden.
„Der Schutz der Nieren ist ein unverzichtbarer Bestandteil der
Herzgesundheit“, schließt Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin der
DGfN. „Wir fordern den Gesetzgeber auf, dies im weiteren
Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen und die Prävention und
Früherkennung von CKD in den Mittelpunkt zu stellen.“
Weitere Informationen:
Holstiege J, Kohring C, Dammertz L, v. Samson-Himmelsstjerna F, Akmatov M,
Müller D, v. Stillfried D. Trends der Prävalenz diagnostizierter
chronischer Nierenkrankheiten und der Inanspruchnahme der Dialyse in der
vertragsärztlichen Versorgung. 10.20364/VA-24.03, 2024
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