Neuer Koalition fehlt klare Strategie zur Dekarbonisierung im Gebäudebereich DEN: „Wir vermissen Perspektiven für mehr Klimaschutz im Gebäudesektor“
Der zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarte Koalitionsvertrag trifft im Deutschen Energieberater-Netzwerk DEN e.V. auf differenzierte Einschätzungen. „Es ist klar, dass ein Koalitionsvertrag große Linien und nicht detailreiche Einzelregelungen aufzeigen soll,“ sagt dazu DEN-Vorständin Dipl.-Ing. Marita Klempnow. „Trotzdem hinterlässt dieser Vertrag aus unserer Sicht einige Fragen.“ DEN-Vorstandssprecherin Stefanie Koepsell stimmt ihr zu: „Wir vermissen große Linien und klare Ziele. Man beschreibt zwar, wie man bisherige Regelungen entschärfen und akzeptabler gestalten will. Aber es wird an vielen Stellen nicht klar, was man wie erreichen will. Am Ende steht der Kunde ratlos im Heizungskeller.“
Die künftige Bundesregierung müsse den Spagat bewältigen zwischen dem hohen Bedarf an Wohnraum in Ballungsräumen, dem demographischem Wandel und den Klimaschutzzielen, erkennen die Ingenieurinnen an. Dies sei keine einfache Aufgabe. Deshalb sei es zu begrüßen, wenn der Vertrag bürokratische Entschlackung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren ankündige.
„Doch was heißt ‚schnelles und effizientes Bauen‘ in der Praxis?“, fragte Marita Klempnow. „Ist damit gemeint, möglichst schnell geförderten Wohnraum zu erstellen mit verminderten Qualitätsanforderungen? 400.000 neue Wohnungen waren das Ziel der alten Regierung; im jetzigen Koalitionsvertrag wird keine Zahl genannt. Sollen die Neubauanforderungen aufgeweicht werden? Wie wird man mit der Umnutzung und Modernisierung von Bestandsgebäuden umgehen? Dies bleibt unklar.“
Das gleiche gelte für die Aussage ‚Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen‘, moniert Marita Klempnow. „Was bedeutet diese Ankündigung praktisch? Sie sorgt zunächst einmal für Verunsicherung bei Industrie, Handwerk und Endkunden. Wir vermissen außerdem Aussagen zum künftigen Umgang mit Wärmepumpen. Die Klimaziele im Gebäudebereich erreicht man nur mit Energieeffizienz plus Erneuerbaren Energien! CO2-Vermeidung als alleinige Steuerungsgröße gibt keine ausreichenden Anreize, um beide Schwerpunkte voranzubringen. Quartierslösungen sind keineswegs falsch und grundsätzlich zu begrüßen. Aber trotzdem muss jedes Gebäude nach wie vor als einzelnes betrachtet und optimiert werden.“
DEN-Vorstandssprecherin Stefanie Koepsell verweist auf einen weiteren wichtigen Aspekt: „Hier verbirgt sich eine gefährliche Falle, insbesondere für die kommunalen Haushalte. Sie würden nämlich – insbesondere bei Transferleistungsempfängern – die hohen Betriebskosten bezahlen müssen bei Gebäuden, die keine optimale Energieeffizienz aufweisen. Es führt kein Weg daran vorbei, die Energieeffizienz im Gebäudebereich mit modernsten Mitteln und Methoden zu steigern. Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit bei Energieträgern darf nicht bedeuten, dass wir weiter mit Gas heizen. Eine klare Strategie ist an dieser Stelle leider auch nicht zu erkennen.“
Vielmehr sei die Rede von „Technologieoffenheit“ mit Blick auf ein neues Gebäudeenergiegesetz und Klimaschutz. „Was bedeutet dieser nicht näher erläuterte Begriff? Dass man sich alle Optionen offenhalten will? Es ist wahr, dass das bisherige GEG zu detailreich war. Aber die besten Techniken für hohe Energieeffizienz bei Neubau und Sanierung sind doch bekannt.“
Die beiden Energieberaterinnen sprechen sich dafür aus, mehr Selbstbewusstsein in Bezug auf das bisher Erreichte zu zeigen. „International wird das deutsche GEG hoch gelobt“, stellt Stefanie Koepsell fest. „Wir sollten ein im Grundsatz gutes Gesetz deshalb nicht zerreden lassen und unsere Standards bei den Klimazielen womöglich relativieren. Die Frage bleibt: Wie können wir bis 2045 klimaneutral werden in Deutschland?“
Marita Klempnow vermisst im Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zur Wärmewende, lobt aber die angekündigte Unterstützung bei kommunalen Wärmeplanungen. Mit Blick auf private Investitionen sei die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für energetische Sanierungen ererbter Immobilien zur begrüßen, allerdings müssten auch die Haushalte mit wenig Einkommen unterstützt werden. „Wir sind gespannt, wie diese Ankündigungen des Koalitionsvertrages in konkrete Gesetze gegossen werden. Es reicht nicht, nur viel Geld zur Verfügung zu stellen. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen sowohl für Bauherren, Planer, Industrie und Handwerk Sicherheit und Verlässlichkeit geschaffen werden. Nur so können wir Maßnahmen zum Klimaschutz zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor machen und auch Energiesicherheit in Deutschland gewährleisten“, so Marita Klempnow.
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