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Satelliten messen Trockenstress bei Pflanzen

Landwirtschaftliche Flächen, vom Satelliten aus mit der Wärmebildkamera betrachtet.  ConstellR
Landwirtschaftliche Flächen, vom Satelliten aus mit der Wärmebildkamera betrachtet. ConstellR

Mit einem Satellitensystem, das den Trockenstress von Pflanzen misst,
haben zwei Forscher aus dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik,
Ernst-Mach-Institut, EMI, jetzt das Spin-off ConstellR gegründet. Die
Technologie ermöglicht es der Landwirtschaft, die Bewässerung der
Anbauflächen zu optimieren und damit den Ernteertrag zu steigern. Das
erste Sensorsystem startet Anfang 2022 ins All, um an Bord der
Internationalen Raumstation ISS installiert zu werden.

Die Weltbevölkerung wächst und mit ihr der Bedarf an Nahrungsmitteln. Da
die Ackerflächen begrenzt sind, muss die Landwirtschaft künftig auf
derselben Fläche mehr ernten. Das bedeutet auch, dass der Anbau verbessert
werden muss. Ein wichtiger Hebel ist die optimale Versorgung mit Wasser.
Denn wenn Pflanzen in Wasserstress geraten, stecken sie weniger Energie in
ihre Früchte, und die Ernte fällt kleiner aus. Das Problem besteht darin,
dass sich der Zustand der Pflanzen auf den riesigen Ackerflächen weltweit
nur schwer messen lässt. Zwar nutzt man schon seit den 1970er-Jahren
Satellitendaten für den Überblick, doch sind diese relativ ungenau. Zum
Einsatz kommen bisher vor allem visuelle und sogenannte nah-infrarote
Sensoren, die den Pflanzenfarbstoff Chlorophyll erkennen. Das Chlorophyll
baut sich ab, wenn Pflanzen zu wenig gewässert werden. »Dann ist es aber
bereits zu spät«, sagt Dr. Max Gulde, Physiker am Fraunhofer-Institut für
Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI, in Freiburg. »Was wir brauchen,
ist eine Technologie, die innerhalb weniger Stunden verrät, ob Pflanzen
ausreichend mit Wasser versorgt sind.«

Algorithmen bestimmen Temperatur auf der Blattoberfläche

Genau diese Technologie hat Max Gulde gemeinsam mit seinem Kollegen Marius
Bierdel am Fraunhofer EMI entwickelt. Auch hier kommt Satellitentechnik
zum Einsatz. Das Forschenden-Team nutzt dabei eine weiterentwickelte
Wärmebildkamera im Satelliten. Spezielle Algorithmen werten die Daten aus
und bestimmen damit die Temperatur auf der Blattoberfläche der Pflanzen.
Daraus wiederum lassen sich Rückschlüsse auf deren Wasserversorgung
ziehen. Bei Wassermangel verringert sich die Verdunstung von Wasser über
die Blätter. Damit steigt die Temperatur an der Blattoberfläche.
»Innerhalb von zwei Stunden kann sich die Temperatur um zwei bis drei Grad
Celsius verändern«, sagt Max Gulde. »Unser Verfahren misst auf ein
Zehntelgrad genau und löst die Temperatur-Differenzen sehr fein auf.«
Technisch gesehen misst der Sensor die in Form von Photonen von den
Pflanzen abgestrahlte Energiemenge.

Eine Herausforderung bei der Entwicklung bestand darin, störende Wärme,
die von der Atmosphäre, der Erdoberfläche oder vom Satelliten selbst
abgestrahlt wird, herauszurechnen. Diese verfälscht die Temperaturdaten
von der Blattoberfläche. Auch das ist den Forschenden am Fraunhofer EMI
mit den Algorithmen gelungen. Die Nachricht, wie gut das System
funktioniert, kam von der Europäischen Weltraumorganisation ESA. »Wir sind
ganz unbedarft an die Sache herangegangen, bis die ESA uns mitgeteilt hat,
dass das ein echter Durchbruch sei. Das Problem der Temperaturmessung
hatte vor uns niemand auf so kompakte Weise lösen können«, sagt Max Gulde.
Die Daten werden von den Satelliten auf Bodenstationen heruntergeladen, in
Rechenzentren prozessiert, für den Anwender aufbereitet und schließlich
auf die App der landwirtschaftlichen Nutzer übertragen.

Optimale Bewässerung fast in Echtzeit

Der entscheidende Vorteil der Technologie: Die Daten und Informationen
über die Wasserversorgung von Pflanzen liegen schon nach Stunden vor.
Landwirte und Landwirtinnen können damit praktisch in Echtzeit ihre
Bewässerung anpassen und gezielt jene Äcker oder Pflanzen wässern, die
besonders betroffen sind. Die punktgenaue Bewässerung hilft dabei auch,
Wasser zu sparen. Darüber hinaus lassen sich genauere Ernteprognosen
erstellen und dementsprechend Preise für landwirtschaftliche Produkte
frühzeitig kalkulieren, weil schon viele Wochen im Voraus zu erkennen ist,
wie stark eine Dürre eine Ernte schädigen könnte. »Das gibt den
landwirtschaftlichen Produzenten deutlich mehr Planungssicherheit«, sagt
Gulde.

Schon Anfang 2022 soll die neue Technologie im All an Bord der
Internationalen Raumstation in Betrieb gehen. »Ich freue mich sehr, dass
das erste Spin-off des Fraunhofer EMI mit den am Institut entwickelten
Technologien dazu beitragen wird, weltweit die Bewässerung von Feldern und
Äckern und damit den Ernteertrag zu optimieren. Sie verbessern die
Ernährungssicherheit für die Menschen und stellen deshalb gerade in Zeiten
des Klimawandels einen bedeutenden Fortschritt dar«, sagt Prof. Dr. Frank
Schäfer, Leiter der Abteilung Systemlösungen am Institut.

Der Weg zur Ausgründung ConstellR

Für die weitere Entwicklung und Vermarktung der Technologie haben Gulde
und Bierdel die Firma ConstellR gegründet. Seit 2015 sind die beiden
Wissenschaftler an Forschungsarbeiten zur Nanosatellitenmission ERNST
beteiligt, bei der eine kompakte Wärmebildkamera zum Einsatz kommt. Die
Idee, eigene Satelliten mit räumlich hochauflösenden Wärmebildkameras zur
Temperaturmessung auszustatten, hatten sie schon im Jahr 2017. Damals galt
es für junge Forscherinnen und Forscher im Rahmen des europäischen
Ideenwettbewerbs Copernicus Masters, den »kleinsten Satelliten mit dem
größten gesellschaftlichen Nutzen« zu konzipieren. Die Forscher am
Fraunhofer EMI wurden mit ihrer Idee in ein Existenzgründerprogramm –
einen Accelerator – aufgenommen. »In der Zeit haben wir das ganze
Einmaleins des Unternehmertums gelernt«, sagt Max Gulde. Doch erst eine
Förderung in Höhe von 1,8 Millionen Euro durch das Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie, an der sich das Fraunhofer EMI mit zehn Prozent
beteiligte, machte die Entwicklung des Satellitensystems und die Gründung
von ConstellR möglich.

Ende 2022 werden die beiden Experten die Fraunhofer-Gesellschaft
verlassen, um sich voll ihrer Entwicklungsfirma widmen zu können. Jetzt
schon sind aus ihrer Forschungsarbeit drei Patente hervorgegangen.

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Achtung Schimmelpilze: Fraunhofer-Lösung simuliert Feuchteverhalten von Bambus für den Bau

Bambus lässt sich ähnlich wie Holz zu stabilen Platten verarbeiten.  Fraunhofer
Bambus lässt sich ähnlich wie Holz zu stabilen Platten verarbeiten. Fraunhofer

Als schnell nachwachsender Rohstoff ist Bambus ein idealer Ersatz für
Holz. Doch bei Feuchtigkeit ist die Anfälligkeit für Schimmelpilze ein
Problem. Nun haben Fraunhofer-Forschende das Feuchteverhalten von Bambus
unter bestimmten klimatischen Bedingungen analysiert. Mithilfe einer
Simulations-Software können Bauherren Maßnahmen planen und umsetzen, die
das Auftreten von Schimmelpilzen verhindern.

In Zeiten des Klimawandels zählt die Bambusstaude zu den Hoffnungsträgern.
Bambus ist ein schnell nachwachsender Rohstoff, bindet CO2, lässt sich
ressourcenschonend verarbeiten und ist biologisch abbaubar. Deshalb setzt
auch die Baubranche zunehmend auf Bambus als Ersatzstoff für Holz, das
angesichts der weltweit steigenden Bautätigkeit knapp wird.

Allerdings hat die Bambusoideae (wiss. Name) aus der Familie der Süßgräser
aus bautechnischer Sicht ein Problem: Bäume entwickeln im Laufe ihres
jahrhundertelangen Lebens Abwehrstoffe gegen schädliche Bakterien und
Schimmelpilze. Die Lebensdauer einer Bambusstaude liegt bei nur 20 Jahren.
Dementsprechend hat sie weniger Abwehrstoffe und ist daher anfällig gegen
Schimmelpilzbefall.

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP stellt nun eine Lösung vor, die
das Feuchteverhalten von Bambus prognostizierbar macht und damit ein
effizientes Feuchtemanagement des Werkstoffs ermöglicht. »Ziel ist, das
Auftreten von Schimmelpilzen zu vermeiden, ohne dass man chemische Gifte
einsetzen müsste, die auch für den Menschen schädlich sind«, erklärt Prof.
Dr. Hartwig Künzel, Leiter der Abteilung Hygrothermik am Fraunhofer IBP.

Labortest ermittelt die Stoffkennwerte

Im ersten Schritt werden die hygrothermischen Stoffkennwerte von Bambus
unter bestimmten klimatischen Bedingungen ermittelt. Nach Untersuchungen
in China fanden weitere Tests auf dem Freilandversuchsgelände des
Fraunhofer IBP in Holzkirchen bei München statt. Hier wurden
Bambusprodukte der Witterung ausgesetzt und dabei die klimatischen
Bedingungen detailliert von einer meteorologischen Station protokolliert.
Anschließend untersuchte ein Expertenteam den Werkstoff im Labor. Wie viel
Wasser bzw. Wasserdampf nimmt Bambus auf? Wie viel gibt er wieder ab und
wie vollzieht sich der Feuchtigkeitstransport innerhalb des Werkstoffs?
Für Letzteres wurde das Material im Kernspintomografen untersucht, der
anzeigt, wie sich das aufgesogene Wasser innerhalb des Werkstoffs verteilt
und bewegt.

Simulations-Software für alle klimatischen Bedingungen

Technologisches Herzstück des Projekts ist die hygrothermische
Simulations-Software WUFI®. Es handelt sich um ein instationäres und
weltweit experimentell validiertes Rechenverfahren. Sie ermöglicht eine
realitätsnahe Simulation der Wärme- und Feuchteverhältnisse in Bauteilen
und Gebäuden. Mit den im Labor ermittelten Kennwerten simuliert die
Software das Verhalten von Bambus unter bestimmten klimatischen
Bedingungen und stellt die Entwicklung als animierte Grafik mit einem
zeitlichen Verlauf dar. Daraus lässt sich ableiten, wie hoch die
Wahrscheinlichkeit ist, dass Schimmelpilzbefall auftritt. Bei Bambus
beginnt der gefährliche Bereich typischerweise bei Umgebungsbedingungen
von 80 Prozent relativer Luftfeuchte. Ein Bauunternehmen, das Bambus für
den nachhaltigen Gebäudebau einsetzt, kann auf Basis der Software-Analyse
Maßnahmen einplanen, die für wirksame Rahmenbedingungen wie beispielsweise
den Schutz vor Feuchte sorgen.

»Die Software WUFI® liefert verlässliche und detaillierte Ergebnisse zum
Feuchteverhalten von Bambus. Bauunternehmen und Architekten können damit
baubiologisch einwandfreie und nachhaltige Gebäude mit Bambus als
Werkstoff planen und realisieren«, freut sich Künzel. Daneben können die
Erkenntnisse auch genutzt werden, um neue Anwendungsgebiete für
unterschiedliche Bambuswerkstoffe zu erschließen.

Die Simulationssoftware hatten die Forschenden schon vor Jahren
entwickelt. Angesichts des aktuell steigenden Bedarfs an Holzersatzstoffen
haben die Fraunhofer-Forschenden die Software nun auch für den Werkstoff
Bambus validiert. »Je nach Anwendung und Anspruch stehen verschiedene
Varianten von WUFI® zur Verfügung, die wir auch an internationale Partner
lizenzieren«, sagt Künzel. Als Ersatzstoff für Holz ist Bambus bestens
geeignet. Der faserige Werkstoff ist leicht, bietet enorme
Langzeitstabilität und lässt sich ähnlich wie Holz zu Platten verarbeiten,
etwa für Wandverkleidungen. Da Bambus sehr hart ist, eignet er sich auch
als Fußboden. Aufgrund seiner Flexibilität ist Bambus für Gebäude in
Erdbebengebieten ideal.

Forschungsfelder Raumklima, Bautechnik, Biohygrothermik

Ein weiterer umweltfreundlicher Holzersatz, den das Fraunhofer IBP bereits
erforscht hat, ist Rohrkolben (Typha), der als stabiler, dämmfähiger und
nachwachsender Baustoff für Wände gute Dienste leistet. Das Know-how im
Bereich der Holzersatzstoffe ist aber nur ein Teil der Kompetenzen des
Fraunhofer IBP. Das Institut mit Standorten in Stuttgart und Holzkirchen
verfügt über langjährige Expertise auf den Gebieten der Bauphysik. Dazu
gehören beispielsweise Bautechnik, Raumklima und Biohygrothermik – immer
auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. So erforschen die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch das Raumklima in Flugzeugen
oder das Feuchtigkeitsmanagement bei Verpackungen. Aktuell ist ein Projekt
geplant, bei dem die Möglichkeiten für einen klimastabilen Transport von
empfindlichen Waren geprüft werden.

Umweltfreundliche Herstellung von Batterieelektroden

Auf der schneller rotierenden Walze bildet sich ein feiner Beschichtungsfilm.  © Fraunhofer IWS Dresden
Auf der schneller rotierenden Walze bildet sich ein feiner Beschichtungsfilm. © Fraunhofer IWS Dresden

Herkömmliche Prozesse zur Herstellung von Batterieelektroden sind auf den
Einsatz von meist toxischen Lösungsmitteln angewiesen und benötigen viel
Platz und Energie. Nicht so DRYtraec® – ein neu entwickeltes
Trockenbeschichtungsverfahren des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und
Strahltechnik IWS. Die Technologie ist umweltfreundlich und
kosteneffizient, kann breit eingesetzt werden und hat so das Potenzial,
die Batterieelektrodenherstellung zu revolutionieren.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) prognostiziert für
das Jahr 2030 in Deutschland einen Energieverbrauch von etwa 655
Terawattstunden – und damit einen Anstieg um fast 20 Prozent im Vergleich
zu heute. Eine entsprechende Studie hatte die Prognos AG im Auftrag des
BMWi durchgeführt. Die Zahl stellt eine erste Abschätzung dar, endgültige
Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen. Doch klar ist, dass der
gesamtgesellschaftliche Energiebedarf kontinuierlich zunimmt. Gerade im
stark wachsenden Elektromobilitätssektor wird daher nach neuen Wegen
gesucht, um den Energiebedarf bei der Herstellung von Batterien zu
reduzieren und somit so kosteneffizient und gleichzeitig so
umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Mit DRYtraec® hat ein
interdisziplinäres Forschungsteam am Fraunhofer IWS in Dresden hierfür
eine vielversprechende Lösung entwickelt, die bei der Herstellung der
Batterieelektroden ansetzt.

Elektroden sind ein zentraler Baustein jeder Batterie und bestehen in der
Regel aus einer Metallfolie, die mit einer dünnen Beschichtung überzogen
ist. Die Beschichtung enthält dabei die aktiven Komponenten, die für die
Energiespeicherung verantwortlich sind. Ȇblicherweise erfolgt der
Beschichtungsprozess nass-chemisch mit sogenannten Slurry-Ansätzen«,
erklärt Dr. Benjamin Schumm, Gruppenleiter Chemische
Beschichtungsverfahren am Fraunhofer IWS. Aus Aktivmaterial, Leitrußen und
Bindern wird zusammen mit einem Lösungsmittel eine Art Paste hergestellt,
mit der zunächst eine nasse Schicht auf der Metallfolie erzeugt wird.
»Damit das Lösungsmittel anschließend wieder verdampfen kann, werden
riesige Anlagen mit sehr langen Trocknungsstrecken benötigt. Diesen
Prozess können wir mit DRYtraec® effizienter gestalten.«

Spezieller Binder und Scherkräfte durch rotierende Walzen

Für das neue Beschichtungsverfahren werden grundsätzlich ähnliche
Ausgangsstoffe wie in den Slurry-Ansätzen verwendet. Die Trockenvariante
des Fraunhofer IWS kommt dabei ohne Lösungsmittel aus, setzt dafür aber
auf einen speziellen Binder. Zusammen bilden die Materialien ein Pulver,
das in einen Kalanderspalt, also einen Spalt zwischen zwei entgegengesetzt
rotierende Walzen, gegeben wird. Entscheidend ist, dass sich eine der
Walzen dabei schneller dreht als die andere. So entsteht eine Scherkraft,
die dafür sorgt, dass der Binder fadenförmige Netzwerke, sogenannte
Fibrillen, ausbildet. »Man kann sich das in etwa wie ein Spinnennetz
vorstellen, das die Partikel mechanisch verankert«, beschreibt Schumm. Auf
der schneller rotierenden Walze bildet sich durch Druck und Bewegung ein
feiner Film. Dieser wird anschließend in einem zweiten Kalanderspalt auf
eine Stromableiterfolie übertragen. Hierbei können ohne großen Mehraufwand
auch beide Seiten gleichzeitig beschichtet werden. Im letzten Schritt wird
die entstandene Rolle dann je nach Bedarf zugeschnitten und die einzelnen
Teile entsprechend gestapelt, um so die fertige Batteriezelle zu erzeugen.

Erfolg durch gebündelte Kompetenzen in Chemie und Produktionstechnik

Mit DRYtraec® ergeben sich somit im Vergleich zu bisherigen
Batterieelektrodenbeschichtungsverfahren klare ökologische und ökonomische
Vorteile. Der Wegfall von toxischen Lösungsmitteln und langen,
energiefordernden Trocknungsanlagen kommt der Umwelt zugute. Indem das
neue Verfahren die Produktion beschleunigt und die Anlage nur ein Drittel
der Fläche einer herkömmlichen Lösung einnimmt, entstehen zudem auf
vielfältige Weise Einsparungseffekte.

Den Erfolg des DRYtraec®-Verfahrens sieht Schumm vor allem in der breit
gefächerten Expertise des Forschungsteams am Fraunhofer IWS begründet. So
gebe es Kollegen mit Expertise im Fachbereich Chemie, die an der optimalen
Pulvermischung gearbeitet haben, genauso aber auch Experten aus der
Produktionstechnik, denen es gelungen sei, die Anlagen so zu entwickeln,
dass der Trockenfilm nie selbsttragend ist und somit stabil bleibt.

Breite Anwendungsmöglichkeiten

Im Rahmen des Förderprojekts »DryProTex« wurden bereits erste
DRYtraec®-Prototypenanlagen in Betrieb genommen. Hierbei zeigte sich, dass
eine kontinuierliche Elektrodenherstellung möglich ist – und das auch
unabhängig vom jeweiligen Batterietyp: »Das Einsatzspektrum der
Technologie ist nicht auf eine bestimmte Zellchemie beschränkt«, betont
Schumm. »Die Anwendung bei Lithium-Ionen-Zellen ist genauso möglich wie
bei Lithium-Schwefel- oder Natrium-Ionen-Zellen. Auch Feststoffbatterien
haben wir mit im Blick. Diese werden in Zukunft eine immer größere Rolle
spielen, aber die Materialien vertragen keine nass-chemische Verarbeitung.
Hier liefern wir mit DRYtraec® einen vielversprechenden Ansatz.«

Das Interesse der Industrie ist groß. Derzeit laufen Gespräche mit
mehreren Automobil- und Zellherstellern, um die Realisierung von diversen
Pilotanlagen zu planen. Über die Elektrodenherstellung mit DRYtraec®
hinaus betrachten die Fraunhofer-Forschenden anhand vieler weiterer
Projekte die gesamte Prozesskette der Batteriezellenentwicklung
ganzheitlich, um so die Zukunft der Batterie maßgeblich mitzugestalten.

Universitätsmedizin Magdeburg gewinnt Spitzenforscherin

Prof. Dr. med. Verena Keitel-Anselmino  Sarah Kossmann  Universitätsmedizin Magdeburg
Prof. Dr. med. Verena Keitel-Anselmino Sarah Kossmann Universitätsmedizin Magdeburg

Die ausgewiesene Expertin für Erkrankungen der Leber und Gallenwege am
Universitätsklinikum Düsseldorf, Prof. Dr. med. Verena Keitel-Anselmino,
ist dem Ruf nach Magdeburg gefolgt und besetzt seit 1. September den
Lehrstuhl für Gastroenterologie, Hepatologie und lnfektiologie an der
Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die
44-Jährige übernimmt damit die Leitung der Klinik für Gastroenterologie,
Hepatologie und lnfektiologie Magdeburg. Nach dem Wechsel 2019 von Prof.
Dr. med. Ali Canbay nach Bochum leitete Prof. Dr. med. Jochen Weigt
kommissarisch die Klinik.

Als Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie liegt ihr Fokus
auf der molekularen, translationalen und klinischen Untersuchung von
Leber- und Gallenwegserkrankungen und hier insbesondere auf dem Gebiet der
cholestatischen Lebererkrankungen, bei denen es durch eine gestörte
Gallebildung und -ausscheidung zu einer Ansammlung von toxischen
Inhaltsstoffen der Galle im Körper kommt. Die gebürtige Baden-
Württembergerin gilt mit ihrer Forschung als Spezialistin auf diesem
Gebiet und engagiert sich mit ihrer Expertise in zahlreichen nationalen
und internationalen Forschungsverbünden. „Meine aktuellen
Forschungsprojekte befassen sich mit der Bedeutung von Gallensäuren und
ihrer Transportproteine sowie Rezeptoren bei Leberschädigung und
regenerativen Prozessen inklusive Tumorentwicklung. In unseren Arbeiten
untersuchen wir die Rolle von Gallensäuren als Botenstoffe unter
physiologischen Bedingungen als auch bei verschiedenen Lebererkrankungen
und befassen uns zudem mit angeborenen Lebererkrankungen und dem Einfluss
von genetischen Varianten auf die Entstehung und den Verlauf von
Lebererkrankungen. Letzteres gehört in den Bereich der Präzisionsmedizin
und wird uns hoffentlich in Zukunft durch individualisiertes
Risikomanagement und maßgeschneiderte therapeutische Ansätze eine noch
bessere Versorgung unserer Patientinnen und Patienten erlauben“, erläutert
Prof. Keitel-Anselmino. Zu diesem Themengebiet leitete sie zuletzt das
Düsseldorfer Cholestase-Labor und die Cholestase-Ambulanz, eine national
und international ausgewiesene Spezialeinrichtung für die Diagnostik und
Betreuung von Patient:innen mit angeborenen cholestatischen
Lebererkrankungen.

Die Spitzenforscherin freut sich auf die neue Aufgabe: „Ich habe mich
bewusst für den Wechsel nach Magdeburg entschieden, da ich hier auf ein
klinisch und wissenschaftlich hervorragendes Umfeld treffe, das eine
exzellente medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie
innovative interdisziplinäre Möglichkeiten in Forschung und Lehre bietet.“

Prof. Keitel-Anselmino studierte in Heidelberg, London und Durham (USA)
Medizin. Vor dem Wechsel an die Universitätsmedizin Magdeburg war sie als
leitende Oberärztin der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und
Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf tätig. Daneben leitete
sie zudem das Leberkrebs- und Viszeralonkologische Zentrum und war
Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des Universitätstumorzentrums
(UTZ). Prof. Keitel-Anselmino war über Jahre Leiterin des integrierten
Graduiertenkollegs des Sonderforschungsbereiches 974 „Kommunikation und
Systemrelevanz bei Leberschädigung und Regeneration“ und förderte so
direkt die strukturierte Ausbildung der naturwissenschaftlichen und
medizinischen Doktorand:innen an der Universität Düsseldorf. Zudem ist die
neue Klinikdirektorin in zahlreichen nationalen und internationalen
Fachgesellschaften tätig und damit immer auf dem neuesten Stand der
Forschung und Behandlungsmöglichkeiten in ihrem Tätigkeitsfeld. Als
Anerkennung für ihre Forschungsleistung wurde Prof. Keitel-Anselmino von
2013 bis 2015 in das Junge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der
Wissenschaften und der Künste aufgenommen.

Hintergrund:
Um in Sachsen-Anhalt eine Professur an einer Universität zu erlangen, muss
gemäß §36 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA) ein
Berufungsverfahren durchgeführt werden. Geeignete Kandidat:innen
durchlaufen dabei ein umfangreiches Verfahren. Eine mit mehreren Experten
besetzte Berufungskommission begutachtet die Leistungen der Kandidat:innen
in Forschung, Lehre und Krankenversorgung.