Achtung Schimmelpilze: Fraunhofer-Lösung simuliert Feuchteverhalten von Bambus für den Bau


Als schnell nachwachsender Rohstoff ist Bambus ein idealer Ersatz für
Holz. Doch bei Feuchtigkeit ist die Anfälligkeit für Schimmelpilze ein
Problem. Nun haben Fraunhofer-Forschende das Feuchteverhalten von Bambus
unter bestimmten klimatischen Bedingungen analysiert. Mithilfe einer
Simulations-Software können Bauherren Maßnahmen planen und umsetzen, die
das Auftreten von Schimmelpilzen verhindern.
In Zeiten des Klimawandels zählt die Bambusstaude zu den Hoffnungsträgern.
Bambus ist ein schnell nachwachsender Rohstoff, bindet CO2, lässt sich
ressourcenschonend verarbeiten und ist biologisch abbaubar. Deshalb setzt
auch die Baubranche zunehmend auf Bambus als Ersatzstoff für Holz, das
angesichts der weltweit steigenden Bautätigkeit knapp wird.
Allerdings hat die Bambusoideae (wiss. Name) aus der Familie der Süßgräser
aus bautechnischer Sicht ein Problem: Bäume entwickeln im Laufe ihres
jahrhundertelangen Lebens Abwehrstoffe gegen schädliche Bakterien und
Schimmelpilze. Die Lebensdauer einer Bambusstaude liegt bei nur 20 Jahren.
Dementsprechend hat sie weniger Abwehrstoffe und ist daher anfällig gegen
Schimmelpilzbefall.
Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP stellt nun eine Lösung vor, die
das Feuchteverhalten von Bambus prognostizierbar macht und damit ein
effizientes Feuchtemanagement des Werkstoffs ermöglicht. »Ziel ist, das
Auftreten von Schimmelpilzen zu vermeiden, ohne dass man chemische Gifte
einsetzen müsste, die auch für den Menschen schädlich sind«, erklärt Prof.
Dr. Hartwig Künzel, Leiter der Abteilung Hygrothermik am Fraunhofer IBP.
Labortest ermittelt die Stoffkennwerte
Im ersten Schritt werden die hygrothermischen Stoffkennwerte von Bambus
unter bestimmten klimatischen Bedingungen ermittelt. Nach Untersuchungen
in China fanden weitere Tests auf dem Freilandversuchsgelände des
Fraunhofer IBP in Holzkirchen bei München statt. Hier wurden
Bambusprodukte der Witterung ausgesetzt und dabei die klimatischen
Bedingungen detailliert von einer meteorologischen Station protokolliert.
Anschließend untersuchte ein Expertenteam den Werkstoff im Labor. Wie viel
Wasser bzw. Wasserdampf nimmt Bambus auf? Wie viel gibt er wieder ab und
wie vollzieht sich der Feuchtigkeitstransport innerhalb des Werkstoffs?
Für Letzteres wurde das Material im Kernspintomografen untersucht, der
anzeigt, wie sich das aufgesogene Wasser innerhalb des Werkstoffs verteilt
und bewegt.
Simulations-Software für alle klimatischen Bedingungen
Technologisches Herzstück des Projekts ist die hygrothermische
Simulations-Software WUFI®. Es handelt sich um ein instationäres und
weltweit experimentell validiertes Rechenverfahren. Sie ermöglicht eine
realitätsnahe Simulation der Wärme- und Feuchteverhältnisse in Bauteilen
und Gebäuden. Mit den im Labor ermittelten Kennwerten simuliert die
Software das Verhalten von Bambus unter bestimmten klimatischen
Bedingungen und stellt die Entwicklung als animierte Grafik mit einem
zeitlichen Verlauf dar. Daraus lässt sich ableiten, wie hoch die
Wahrscheinlichkeit ist, dass Schimmelpilzbefall auftritt. Bei Bambus
beginnt der gefährliche Bereich typischerweise bei Umgebungsbedingungen
von 80 Prozent relativer Luftfeuchte. Ein Bauunternehmen, das Bambus für
den nachhaltigen Gebäudebau einsetzt, kann auf Basis der Software-Analyse
Maßnahmen einplanen, die für wirksame Rahmenbedingungen wie beispielsweise
den Schutz vor Feuchte sorgen.
»Die Software WUFI® liefert verlässliche und detaillierte Ergebnisse zum
Feuchteverhalten von Bambus. Bauunternehmen und Architekten können damit
baubiologisch einwandfreie und nachhaltige Gebäude mit Bambus als
Werkstoff planen und realisieren«, freut sich Künzel. Daneben können die
Erkenntnisse auch genutzt werden, um neue Anwendungsgebiete für
unterschiedliche Bambuswerkstoffe zu erschließen.
Die Simulationssoftware hatten die Forschenden schon vor Jahren
entwickelt. Angesichts des aktuell steigenden Bedarfs an Holzersatzstoffen
haben die Fraunhofer-Forschenden die Software nun auch für den Werkstoff
Bambus validiert. »Je nach Anwendung und Anspruch stehen verschiedene
Varianten von WUFI® zur Verfügung, die wir auch an internationale Partner
lizenzieren«, sagt Künzel. Als Ersatzstoff für Holz ist Bambus bestens
geeignet. Der faserige Werkstoff ist leicht, bietet enorme
Langzeitstabilität und lässt sich ähnlich wie Holz zu Platten verarbeiten,
etwa für Wandverkleidungen. Da Bambus sehr hart ist, eignet er sich auch
als Fußboden. Aufgrund seiner Flexibilität ist Bambus für Gebäude in
Erdbebengebieten ideal.
Forschungsfelder Raumklima, Bautechnik, Biohygrothermik
Ein weiterer umweltfreundlicher Holzersatz, den das Fraunhofer IBP bereits
erforscht hat, ist Rohrkolben (Typha), der als stabiler, dämmfähiger und
nachwachsender Baustoff für Wände gute Dienste leistet. Das Know-how im
Bereich der Holzersatzstoffe ist aber nur ein Teil der Kompetenzen des
Fraunhofer IBP. Das Institut mit Standorten in Stuttgart und Holzkirchen
verfügt über langjährige Expertise auf den Gebieten der Bauphysik. Dazu
gehören beispielsweise Bautechnik, Raumklima und Biohygrothermik – immer
auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. So erforschen die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch das Raumklima in Flugzeugen
oder das Feuchtigkeitsmanagement bei Verpackungen. Aktuell ist ein Projekt
geplant, bei dem die Möglichkeiten für einen klimastabilen Transport von
empfindlichen Waren geprüft werden.