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Vermischtes

Grüner Strom statt Erdgas in der Textilindustrie

Um Treibhausgase und Erdgas einzusparen, ist die
verstärkte Nutzung von Strom nötig. Damit, wie dieses Problem speziell in
der energieintensiven Textilindustrie gelöst werden kann, befasst sich
aktuell eine bemerkenswerte Masterarbeit aus dem Studiengang „Sustainable
Textiles“ (Nachhaltige Textilien) der Hochschule Hof. Die Industrie zeigt
sich an der gefundenen Lösung sehr interessiert und hofft zudem auf
Zeitersparnis im Färbeprozess.

Die Energie für Heißluft und ihre Quelle ist derzeit eines der großen
Themen in der Textilveredelungsindustrie. „Mit der Heißluft werden
Textilien getrocknet und chemische Reaktionen hervorgerufen, die zur
Produktion notwendig sind. Allerdings ist Erdgas nicht nur durch den
Ukrainekrieg sehr teuer, sondern seine Verbrennung setzt zudem das
Treibhausgas CO2 frei. Schon deshalb wird derzeit sehr intensiv nach
Alternativen gesucht“, erläutert Prof. Dr. Michael Rauch. Der
Wissenschaftler leitet am Hochschulstandort Münchberg den Studiengang
„Sustainable Textiles“ und betreut das Lehrgebiet Verfahrenstechnik der
Textilveredelung. Eben eine solche gesuchte Alternative zur
Erdgasverbrennung könnte nun gefunden sein: „Unser Masterrand Andy Buobu
hat zur Lösung dieses Problems einen vielversprechenden Ansatz untersucht
– erfolgreich, wie es scheint“, so der begeisterte Studiengangleiter.

Färben mit Strahlung statt Heißluft

Konkret ging es bei der angesprochenen Arbeit darum, wie künftig
Dispersionsfarbstoffe auf PET (Polyethylenterephthalat)-Textilien fixiert
werden können, also wie das „Färben“ vor sich ging. „Bisher geschah dies
durch den Einsatz von aus Erdgas erzeugter Heißluft. Nun konnte gezeigt
werden, dass dies auch durch eine sogenannte aNIR-Strahlung möglich ist.
Diese wird mit Strom erzeugt“, so Prof. Dr. Rauch. NIR-Strahler, die
elektrische Energie in Strahlung umsetzen, werden teilweise in der
Papierindustrie für Trocknungsprozesse eingesetzt. Ein Einsatz in der
Textilindustrie erfolgte bislang aber nicht. Genau das könnte sich nun
schnell ändern:

Umfangreiche Fragestellung

Prof. Rauch erklärt im Detail: „Beim Färben von Polyester wird in der
Textilindustrie eine wässrige Farbstoffdispersion aufgetragen. Das
gefärbte Textil muss dann getrocknet und anschließend auf die
Färbetemperatur von 195-200°C erwärmt werden, damit der Farbstoff in die
Faser eindiffundiert. Als Energiequelle wird hierfür bisher Heißluft
verwendet.“ Die Fragestellungen der Masterarbeit seien deshalb nun unter
anderem gewesen, in wie weit NIR-Strahler für das Färben in einer
laufenden Produktion geeignet sind, wieviel Zeit dadurch eingespart wird,
wie beständig die Färbung im Vergleich zur konventionellen Färbung ist und
wie sich unterschiedliche Farbstoffe dabei verhalten, wenn sie mit NIR-
Strahlung konfrontiert werden.

Auch deutliche Zeitersparnis möglich

Die Ergebnisse der in der Masterarbeit getätigten Versuchsreihen seien nun
außergewöhnlich positiv, so der Studiengangleiter: „Erstens konnte das
Erdgas und damit auch klimaschädliches Kohlendioxid eingespart werden,
sofern Strom aus regenerativen Quellen wie Wasser-, Wind- oder
Solarenergie verwendet wird. Zum Zweiten ließ sich aber auch die Färbezeit
deutlich verkürzen, was Chancen auf eine gesteigerte Produktion eröffnet.“
Auch die Umsetzung im größeren Maßstab sei durchaus gut denkbar. NIR-
Strahler könnten zum Beispiel in bereits existierende Trocknungsgeräte
eingebaut werden. Als nächste Schritte am Campus Münchberg der Hochschule
Hof steht nun die Beschaffung einer optimierten Laborausrüstungsanlage an,
um den Färbeprozess noch tiefgehender zu untersuchen.

Interesse der Industrie geweckt

Die Masterarbeit entstand aus einer Zusammenarbeit der Firma. Adphos
Digital Printing GmbH (aNIR-Strahler), des Unternehmens Dystar® Group
(DyStar Colours Distribution GmbH) (Farbstoffe) und der Firma Weitmann &
Konrad GmbH & Co. KG / RotaSpray GmbH (Auftragstechnik). Bereits jetzt
gebe es aus dem Bereich der Textilindustrie sehr viele Anfragen zum
Einsatz von NIR-Strahlern im Trocknungsprozess, so Prof. Rauch
abschließend.

Für nachhaltige Technologien: Fraunhofer AVIATION & SPACE eröffnet Innovationsforum im Bremer Forschungszentrum ECOMAT

Mit der Eröffnung des Fraunhofer-Innovationsforums AVIATION & SPACE im
ECOMAT kommen weiteres Know-how und Spitzentechnologien für
anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung nach Bremen. Der Standort
ist herausragend in der europäischen Luft- und Raumfahrt und das
Forschungs- und Technologiezentrum ECOMAT ein Leuchtturm, wenn es um öko-
effiziente Luft- und Raumfahrttechnologien geht. Durch den Einzug schafft
Fraunhofer Raum für Kooperationsmöglichkeiten zwischen Industrie und
angewandter Forschung, mit dem Ziel, gemeinsam Ideen und Technologien für
eine nachhaltigere Luft- und Raumfahrt zu entwickeln.

Die Luft- und Raumfahrt ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.
Die Luftfahrt erleichtert die globale Mobilität und ermöglicht so den
kulturellen und wirtschaftlichen Austausch. Die Raumfahrt fördert dies
durch Satellitennavigation und -kommunikation. Zudem können
weltraumgestützte Instrumente zur Erdbeobachtung Lösungen bei Fragen zum
Schutz des Klimas und der Umwelt beitragen. Aber wie müssen wir die Luft-
und Raumfahrtindustrie selbst umgestalten, um die vorhandenen Ressourcen
noch effizienter zu nutzen und unseren Planeten zu schonen? Wie können
klimaneutrales Fliegen und eine nachhaltige Raumfahrt gelingen? Mit
welchen Technologien trägt Fraunhofer hier zu Lösungen bei? Welchen
Herausforderungen muss sich die Luft- und Raumfahrt in Zukunft stellen und
welche Vorteile lassen sich aus den Synergien der beiden Branchen in
diesem Kontext ziehen?

Diese und viele weitere Fragen wurden während der Eröffnungsfeier am 13.
Dezember im Rahmen einer Podiumsdiskussion erörtert. Eröffnet wurde die
Veranstaltung mit den Grußworten von Kristina Vogt – Senatorin für
Wirtschaft, Arbeit und Europa des Bundeslandes Bremen, Fraunhofer-Vorstand
für Innovation, Transfer und Verwertung, Prof. Dr. Alexander Kurz und Dr.
Hubertus Lohner – Vorstand des ECOMAT e.V.. Im Anschluss daran folgte die
Diskussionsrunde »Aktuelle Herausforderungen für die Luft- und
Raumfahrtindustrie – Kooperative Lösungsansätze zwischen Industrie und
ange-wandter Forschung«.

Die beiden Direktoren von Fraunhofer AVIATION & SPACE, Prof. Bernd Mayer
und Prof. Michael Lauster, tauschten sich während der Podiumsdiskussion
intensiv mit namhaften Vertretern der Branche aus:

• Dr. Lutz Bertling – Vorstandsmitglied OHB SE
• Prof. Rolf Henke – Koordinator für Luftfahrt der Freien Hansestadt
Bremen (Moderation)
• Dr. Alexander Kopp – Gründer und CEO der POLARIS Raumflugzeuge GmbH
• Karl-Heinz Servos – COO der ArianeGroup GmbH
• Volker Thum – Hauptgeschäftsführer des BDLI
• Dr. André Walter – Vorsitzender der Geschäftsführung der Airbus
Aerostructures GmbH

Innovationen für klimaneutrales Fliegen – was kann die angewandte
Forschung beitragen?

»Produkte müssen nachhaltig sein, Abfall reduziert und der
Ressourcenverbrauch mi-nimiert werden – so fordert es der Aktionsplan für
die Kreislaufwirtschaft der Europäi-schen Kommission«, erklärt Prof. Bernd
Mayer, Direktor des Geschäftsfelds Aviation bei Fraunhofer AVIATION &
SPACE. Zur Erfüllung dieser Anforderungen und der Zielsetzung des
klimaneutralen Fliegens sieht er großes Potenzial bei der Konstruktion im
Flugzeugbau. »Um die Kriterien der Kreislaufwirtschaft zu erfüllen, muss
der Lebens-zyklus eines Flugzeugs bereits in der Entwicklungsphase
berücksichtigt werden. Dies betrifft sowohl das Konstruktionsdesign, die
Auswahl der Materialien als auch die Füge- und Verbindungstechnologien.
Geht es um Werkstoffe, ist ein maßgeschneidertes Produktdesign notwendig,
um ausgewählte Bereiche für eine mögliche Demontage und ein Recycling am
Ende der Nutzungsdauer zugänglich zu machen – zum Beispiel durch die
Verwendung umformbarer Polymere oder biobasierter und biologisch
abbaubarer Materialien«, so Bernd Mayer.

»Bei der Kreislaufwirtschaft geht es aber nicht nur um die
Wiederverwendung von Materialien und Abfallvermeidung. Der
Herstellungsprozess von Flugzeugen hat auch einen erheblichen Einfluss auf
die Ressourceneffizienz. Der Energieverbrauch aller Verfahren, mögliche
Abfälle und Nebenprodukte und benötigte Lagerkapazitäten – all diese
Aspekte bestimmen nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern auch die
Ökoeffizienz des Flugzeugbaus. Um den Ressourcenverbrauch in der
Produktionsphase in den kommenden Jahren zu minimieren, müssen wir diese
vielschichtigen Einflussfaktoren analysieren. Der Schlüssel dazu wird die
Digitalisierung des gesamten Produktionsprozesses einschließlich digitaler
Zwillinge von ganzen Flugzeugsystemen sein«, ist sich Bernd Mayer sicher.

Für diese Ziele arbeitet Fraunhofer AVIATION & SPACE mit seinen Partnern
an neuen Materialien und Designkonzepten, sowie Fertigungsverfahren und
Robotik. »Ein weiteres sehr wichtiges Entwicklungsziel wird das
Wasserstoffflugzeug für die Dekarbonisierung der Luftfahrt sein. Hierzu
ist noch eine Menge Forschung und Technik notwendig, um ein Flugzeug mit
Wasserstoff-Brennstoffzellen auf den Markt zu bringen, das Passagiere
befördern kann«, ergänzt Bernd Mayer.

Nachhaltige Raumfahrt – Infrastrukturen in und aus der Umlaufbahn

»Auch die Raumfahrt unterliegt einem starken Veränderungsprozess. Schaut
man auf
aktuelle Krisen, wird sehr deutlich, dass die Gesellschaft auf die
Entwicklung und Aufrechterhaltung bestimmter Infrastrukturen angewiesen
ist. Kritische Infrastrukturen, wie beispielsweise Internet- oder
Kommunikationsleitungen müssen geschützt werden. Sie sind das
technologische Rückgrat der heutigen Gesellschaften,« betont Prof. Michael
Lauster, Direktor des Geschäftsfelds Space bei Fraunhofer AVIATION &
SPACE. »So erstrecken sich Kommunikationsleitungen in der Ostsee auf
mehreren Tausend Kilometern, was es unmöglich macht, sie vollständig zu
schützen. Weltraumgestützte Anwendungen bieten alternative Lösungen für
Kommunikations-, Zeit- und Navigationsdienste sowie Erdbeobachtung.
Satelliten können große Gebiete, insbesondere auf See, überwachen und
Störungen aufdecken«, erklärt Michael Lauster die Vorteile.

»Damit die Satelliten im Weltraum vor Beschädigungen beispielsweise durch
hochenergetische Teilchen und ionisierende Strahlung, aber auch
Weltraumschrott geschützt sind, bieten die Institute von Fraunhofer
AVIATION & SPACE Qualifizierungsdienstleistungen zur Verbesserung des
Schutzes und der Zuverlässigkeit von Raumfahrtsystemen vor Umweltgefahren
an. Das Technologieportfolio umfasst Forschung zu Strahlungssensoren und
Aufpralldetektoren, Softwareprodukte zur Qualifizierung von
Weltraumkomponenten gegen Umwelteinflüsse und Dienstleistungen wie
wissenschaftliche Modelle zur Beschreibung der Auswirkungen. Zu diesem
Zweck sind wir mit europaweit einzigartigen Versuchsanlagen ausgestattet«,
so Lauster.

Fraunhofer AVIATION & SPACE bündelt die Forschungskraft der Fraunhofer-
Gesellschaft für eine klimaneutrale und nachhaltige Luft- und
Raumfahrtindustrie von morgen

Mehr als 30 Institute der Fraunhofer-Gesellschaft verbinden innerhalb der
Allianz Fraunhofer AVIATION & SPACE ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der
industriellen Luft- und Raumfahrttechnik. Die Institute verfolgen dabei
einen ganzheitlichen Ansatz: Synergistische Forschungsthemen betreffen
u.a. nachhaltige Materialien und Prozesse, Technologien für
fortschrittliche Luftmobilität, Simulation und Digitalisierung sowie
Cybersicherheit. Es bestehen umfassende Kompetenzen in verschiedenen
Technologie-feldern wie Optik, Sensorik, Kommunikation, Automatisierung
sowie Digitalisierung und KI.

Mit seinem breiten Kompetenzportfolio unterstützt Fraunhofer AVIATION &
SPACE die Strategien der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie und
hilft, ihre Wettbewerbsposition zu sichern und auszubauen. Hierfür leistet
Fraunhofer wichtige Beiträge zu nationalen und europäischen
Forschungsförderungsprogrammen (z.B. das Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo
Klima) der Bundesregierung, InnoSpace Masters, Clean Sky 2, Clean
Aviation, ESA-Raumfahrtprogramme und Horizon Europe). Fraunhofer arbeitet
zudem eng mit entsprechenden Verbänden zusammen, zum Beispiel BDLI, BDI
und EASN.

Fraunhofer AVIATION & SPACE ist das Tor zum Technologieportfolio von
Fraunhofer
für die Luft- und Raumfahrtindustrie. Hier finden Wirtschaft, Wissenschaft
und Politik den Zugang zu den Innovationen der Fraunhofer-Gesellschaft für
diese Branchen.

Notstand in der Kinderintensivpflege: „Kinder tragen schwere Folgeschäden davon“

Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF) warnt vor prekärer Situation
in der Kinderintensivmedizin und den Folgeschäden für schwer herzkranke
Kinder mit Bedarf an intensivmedizinischer Versorgung

Die kritische Lage auf Kinderintensivstationen an Deutschlands
Kinderkliniken verfolgt das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF)
mit höchster Besorgnis. Dem Bündnis gehören alle sechs bundesweit tätigen
Patientenorganisationen an. Der chronische Personalmangel in den
Pflegediensten der Kinderkrankenhäuser in Deutschland sorgt bereits seit
Jahren zu einem nicht tragbaren Notstand in der Kinderintensivpflege. Vor
allem auf den Kinderherz-Intensivstationen ist eine dramatische
Unterbesetzung der Pflegedienste zu beklagen. Bereits vor der Corona-
Pandemie mussten Kinderherzzentren im Schnitt 30 Prozent der
Intensivbetten wegen Pflegekräftemangels sperren. Jährlich kommt es in
Deutschlands Kinderherzkliniken zu fast 26.000 Klinikaufnahmen für die
Behandlung von angeborenen Herzfehlern.
Besonders alarmierend sind Zahlen der jüngsten Umfrage der Deutschen
Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zur
aktuellen Situation der Kinderintensivmedizin in Deutschland (1). Der
Erhebung (Ad-hoc-Umfrage) zufolge hatten von 110 Kinderkliniken zuletzt 43
kein Bett mehr auf der Normalstation frei. In ganz Deutschland gab es
gerade einmal 83 freie Betten auf Kinderintensivstationen, also lediglich
0,75 pro Klinik. Es gibt Räumlichkeiten und sogar Ärzte, aber kein
Pflegepersonal. Grund für die Sperrung von fast 40 Prozent der
Intensivbetten für Kinder ist laut DIVI hauptsächlich der Personalmangel.

Engpässe in den Kinderkrankenhäusern: „Für alle ein unhaltbarer Zustand“
„Aufgrund der jetzigen Situation ist davon auszugehen, dass Kinder in
Notfallsituationen – das kann eine Komplikation aufgrund eines angeborenen
Herzfehlers sein - schwere Folgeschäden davontragen und im schlimmsten
Fall versterben, wenn sie wegen fehlender Intensiv-Pflegekräfte nicht
rechtzeitig intensivmedizinisch versorgt werden. Dies ist für alle ein
unhaltbarer Zustand, auf den sofort reagiert werden muss“, betont der
Notfall- und Intensivmediziner Prof. Dr. med. Stefan Hofer,
Interessensvertreter der Eltern herzkranker Kinder im Vorstand der
Deutschen Herzstiftung. Alarmierend sind die Appelle und Hilferufe von
Kinderintensivmedizinern unmittelbar aus den Kliniken, die eine
intensivmedizinische Versorgung von Kindern als nicht mehr gewährleistet
einstufen. Dr. med. Michael Sasse, Leitender Oberarzt der Abteilung für
Pädiatrische Intensivmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
und Leiter des Pädiatrischen Intensivnetzwerks (PIN) an der MHH: „Die
Zustände in den Kinderkliniken sind für mich und mein Team beinahe
unerträglich geworden und wir leiden sehr unter der Unterversorgung der
uns anvertrauten Kinder.“ Im Rahmen der DIVI-Umfrage etwa berichten 51
Kliniken von abgelehnten Patientenanfragen. Somit berichten 46,4 Prozent
der an der Umfrage teilnehmenden Kliniken von insgesamt 116 abgelehnten
Patientinnen und Patienten – an nur einem Tag.

Radikaler Rot-Stift in der Kinderkrankenpflege rächt sich mit prekärer
Notlage
Gerade in der kinderkardiologischen und kinderherzchirurgischen
Intensivpflege sind ein fundiertes Fachwissen und viel Erfahrung gefragt,
um den hohen Ansprüchen an die Versorgung schwerstkranker Neugeborener,
Kinder und Jugendlicher gerecht zu werden. Dass in den letzten Jahren
nicht nur mehrere Zehntausend Pflege-Stellen abgebaut wurden, sondern auch
zahlreiche Kinderkrankenpflegeschulen dem Rotstift zum Opfer fielen, ist
einer der Hauptgründe für die Notlage des Pflegedienstes in Kinderkliniken
und besonders in der Kinderintensivpflege. „So kann der dringende Bedarf
an neuen Pflegerinnen und Pflegern in den Kinderkliniken nicht gedeckt
werden“, gibt Kai Rüenbrink, Sprecher des ABAHF, zu bedenken. Wie dringend
der Handlungsbedarf ist, macht der Kinder- und Notfallmediziner aus
München PD Dr. med. Florian Hoffmann, DIVI-Generalsekretär, deutlich: „Das
sind derzeit katastrophale Zustände. Ein Armutszeugnis für Deutschland.“
Angesichts zahlreicher nicht besetzbarer Planstellen bleibt den Kliniken
oft nichts anders übrig, als Intensivbetten unbelegt zu lassen. Müssen
Notfälle aufgenommen werden, müssen bei den Patienten mit planbaren
(elektiven) Eingriffen oft lange geplante Operationen verschoben werden.
„Für das Kind und die Eltern, die sich vom Arbeitgeber eigens haben
beurlauben lassen, ist das eine Katastrophe“, so ABAHF-Sprecher Rüenbrink.
Internationale Studien (3) zeigen, dass eine Unterbesetzung im
Pflegedienst das Risiko für Schädigungen der Patienten durch sogenannte
unerwünschte Ereignisse erhöht. Werden diese schweren Komplikationen
aufgrund einer Überlastung des Pflegepersonals zu spät oder gar nicht
erkannt, kann das zum Tod im Krankenhaus führen.
„Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, die Thematik
Pflegenotstand ernst zu nehmen und die Versorgung
intensivpflegebedürftiger Kinder schnellstmöglich in den Griff zu
bekommen“, betonen Herzstiftungs-Vorstand Prof. Hofer und ABAHF-Sprecher
Rüenbrink. Das ABAHF folgt den Forderungen der Intensivmediziner des DIVI,
u. a.
- eine Optimierung der Arbeitsbedingungen durch Ausfallkonzepte im Bereich
der Kinderkrankenpflege (geplante Freizeit bleibt Freizeit, Urlaub bleibt
Urlaub) sowie durch Entlastung von pflegefernen Aufgaben (MFA,
Pflegeassistenz, Hostessen, Reinigungskräfte),
- eine Optimierung der Ausbildungsbedingungen und die Verpflichtung der
Kinderkliniken, Kinderkrankenpfleger*innen auszubilden.

Laut einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung (2)
könnte u.a. eine Vielzahl PflegerInnen zurückgewonnen werden, wenn die
Arbeitsbedingungen verbessert und Teilzeitkräfte zur Aufstockung ihrer
Stundenzahl motiviert würden. Auch Berufsrückkehrer*innen mit jahrelanger
Erfahrung könnten so zurückgewonnen werden.

(wi)

Quellen:
(1) DIVI-Pressekonferenz: Aktuelle Situation der Kinderintensivmedizin
(01.12.2022) https://youtu.be/X4UcQ651dqQ
„DIVI-PM: Aktuelle Klinik-Umfrage belegt: Durchschnittlich kein freies
Intensivbett für kritisch kranke Kinder – Notfallmediziner fordern neue
Strukturen“ vom 01. Dezember 2022, abgerufen am 9.12.2022:
https://www.divi.de/presse/pressemeldungen/pm-aktuelle-klinik-umfrage-
belegt-durchschnittlich-kein-freies-intensivbett-fuer-kritisch-kranke-
kinder-notfallmediziner-fordern-neue-strukturen

(2) Auffenberg, J. et al., „Ich pflege wieder, wenn ...“, Potenzialanalyse
zur Berufsrückkehr und Arbeitszeitaufstockung von Pflegefachkräften, Ein
Kooperationsprojekt der Arbeitnehmerkammer Bremen, des Instituts Arbeit
und Technik Gelsenkirchen und der Arbeitskammer des Saarlandes, April 2022
(3) Aiken, Linda H et al. BMJ 2012;344:e1717, doi:
https://doi.org/10.1136/bmj.e1717; Kane RL, et al. Nursing Staffing and
Quality of Patient Care. Evidence Report/Technology Assessment No. 151
(Prepared by the Minnesota Evidence-based Practice Center under Contract
No. 290-02-0009.) AHRQ Publication No. 07-E005. In:
https://archive.ahrq.gov/downloads/pub/evidence/pdf/nursestaff/nursestaff.pdf

Das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF)
Um in der Öffentlichkeit mit einer Stimme für eine bessere Versorgung von
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern und
deren Familien einzutreten und ihnen noch effektiver zu helfen, haben sich
2014 auf Initiative der Deutschen Herzstiftung e. V. sechs bundesweit
tätige Patientenorganisationen zum „Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler“
(ABAHF) zusammengeschlossen. Die Organisationen sind: Bundesverband
Herzkranke Kinder e.V., Bundesverein Jemah e.V., Fontanherzen e.V.,
Herzkind e.V., Interessengemeinschaft Das Herzkranke Kind e.V. und die
Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung e.V.
Etwa 8.500 Neugeborene mit angeborenem Herzfehler kommen in Deutschland
jährlich zur Welt. Heute erreichen rund 90 % dieser Kinder dank der
Fortschritte der Kinderherzchirurgie und Kinderkardiologie das
Erwachsenenalter. Die Zahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler
(EMAH) wird auf über 300.000 geschätzt.

Wissenschaftsbarometer 2022: Mehrheit der Schweiz vertraut der Wissenschaft – teilweise auch kritische Stimmen

Das Interesse an Wissenschaft und das Vertrauen in Forschung war während
der Pandemie gewachsen. Nun hat es sich wieder auf dem Ausgangsniveau
eingepegelt, wie der Wissenschaftsbarometer Schweiz 2022 zeigt. Online-
Quellen und Instant Messenger haben als Informationsquellen für
wissenschaftliche Themen an Bedeutung gewonnen.

Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer findet, dass Forschung
inklusive Grundlagenforschung notwendig ist und ihr Leben verbessert. Laut
den neuen Ergebnissen des Wissenschaftsbarometer Schweiz stimmen 71 bzw.
67 Prozent der Befragten diesen Aussagen zu. Eine Mehrheit von 66 Prozent
ist ausserdem der Ansicht, wissenschaftliche Forschung solle staatlich
unterstützt werden. 54 Prozent der Bevölkerung meinen, dass politische
Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten.

Vertrauenshöhepunkt während der Corona-Pandemie

Der Blick auf frühere Wissenschaftsbarometer-Erhebungen verdeutlicht, dass
das öffentliche Interesse an Wissenschaft und das Vertrauen in sie zu
Beginn der Corona-Pandemie sogar angestiegen waren. 2022 pendelten sie
sich aber wieder auf dem vergleichsweise hohen Ausgangsniveau ein. Während
2019 noch 56 Prozent der Befragten angaben, Wissenschaft und Forschung in
hohem oder sehr hohem Masse zu vertrauen, waren es Ende 2020, in einer
Hochphase der Pandemie, knapp 67 Prozent. Diese Zahl ist nun wieder auf 59
Prozent gesunken. «Das unterstreicht einerseits, dass die meisten
Schweizerinnen und Schweizer wissenschaftlicher Forschung positiv
gegenüberstehen», kommentiert Mike Schäfer, Professor für
Wissenschaftskommunikation an der Universität Zürich und Co-Leiter des
Wissenschaftsbarometer Schweiz. «Aber unsere Resultate machen auch
deutlich, was die teils hitzigen Diskussionen der vergangenen Monate
gezeigt haben: Es gibt durchaus kritische Stimmen.»

Kritische Stimmen haben teilweise zugenommen

Zwar findet immer noch eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung, dass
Forscherinnen und Forscher die Öffentlichkeit über ihre Arbeit informieren
sollten. Jedoch stimmen dieser Forderung im Jahr 2022 mit 69 Prozent
deutlich weniger Menschen zu als noch vor der Pandemie (79 Prozent). 22
Prozent der Befragten sind zudem der Ansicht, Wissenschaft, Politik und
Wirtschaft steckten unter einer Decke. Geteilte Meinungen finden sich bei
den Fragen, ob man sich im Allgemeinen zu sehr auf die Wissenschaft
verlasse (36 Prozent Ablehnung, 30 Prozent Zustimmung) oder ob
Wissenschaft ohne Einschränkung alles erforschen dürfe (43 Prozent
Ablehnung, 26 Prozent Zustimmung).

Internet-Quellen lassen Fernsehen und Printmedien hinter sich

Der Wissenschaftsbarometer zeigt zudem, dass die Schweizer Bevölkerung im
Jahr 2022 teils über andere Informationsquellen mit Wissenschaft und
Forschung in Kontakt kommt als noch vor einigen Jahren. «Wir sehen hier
einen Medienwandel», so Co-Studienleiterin Julia Metag, Professorin für
Kommunikationswissenschaft, «der sich schon in den vergangenen Studien
abgezeichnet hat, aber durch die Corona-Pandemie teilweise beschleunigt
wurde – etwa einen Trend hin zu Online-Quellen und Messengern». So haben
Internet-Quellen das Fernsehen und Printmedien mittlerweile eindeutig
hinter sich gelassen, wenn es um die Themen Wissenschaft und Forschung
geht. Zu den meistgenutzten Internet-Quellen zählen Websites und Apps von
etablierten Nachrichtenmedien, gefolgt von Wikipedia, Behörden-Websites
und Videoplattformen wie YouTube. Instant Messenger wie WhatsApp oder
Telegram haben als Informationsquellen während der Pandemie an Bedeutung
gewonnen. Dafür wurden persönliche und Live-Formate wie Ausstellungen,
Vortragsveranstaltungen oder öffentliche Diskussionen weniger besucht.

Erfahrungen mit Desinformation sind verbreitet

Die meisten Schweizerinnen und Schweizer stossen zumindest gelegentlich
auf Inhalte zu wissenschaftlichen Themen, die sie für Desinformation
halten – also Informationen, die sie selbst für falsch und eine gezielte
Täuschung halten. Nur ein kleiner Teil der Befragten gibt an, dies sei nie
der Fall. Die meisten Menschen gehen vorsichtig mit Inhalten um, die ihres
Erachtens Desinformation sind: Die Mehrheit derjenigen, die auf
Desinformation stiessen, war in der Folge skeptischer gegenüber der Quelle
dieser Inhalte (53 Prozent) und teilte sie nie oder nur selten mit anderen
(51 Prozent).