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Vermischtes

Vanille und Pfeffer made in Osnabrück: Forschungszentrum „Agrarsysteme der Zukunft“ der Hochschule Osnabrück eröffnet

Sebastian Deck, Andreas Ulbrich und Andreas Bertram nennen freuen sich mit weiteren Beteiligten.  Aileen Rogge  Hochschule Osnabrück
Sebastian Deck, Andreas Ulbrich und Andreas Bertram nennen freuen sich mit weiteren Beteiligten. Aileen Rogge Hochschule Osnabrück

Pfeffer made in Osnabrück? Im neuen Forschungszentrum Agrarsysteme der
Zukunft erforschen Wissenschaftler*innen der Hochschule Osnabrück, wie das
möglich wird. Auch Vanille, Salate und weiteres Gemüse wird in der neuen
Indoorfarm mit Dachgewächshaus am Campus Haste angebaut. Forschungs- und
Studi-Projekte nehmen dabei immer in den Blick, was die Pflanzen an
Nährstoffen und Licht benötigen und wie die Energieströme beim sogenannten
Vertical Indoorfarming nachhaltig optimiert werden können.

Bislang kommt Vanille zumeist aus Regionen um den Indischen Ozean zu uns
und auch Pfeffer wird bis heute nach Europa importiert. Das soll sich nun
ändern, denn im Forschungszentrum „Indoorfarm - Agrarsysteme der Zukunft“
am Campus Haste der Hochschule Osnabrück werden ab jetzt neue,
zukunftsorientierte und nachhaltige Anbaumöglichkeiten für diese und viele
weitere Kräuter- und Gemüsepflanzen erforscht. Professor Dr. Andres
Bertram, Präsident der Hochschule Osnabrück, unterstreicht bei der
Eröffnung die Bedeutung des Neubaus: „Es ist ein Vorzeigeprojekt, weil wir
zum einen wichtigen Fragen für unsere Gesellschaft und der Welt für morgen
nachgehen. Zum anderen ist auch die Art und Weise beispielhaft für unseren
Lehr- und Forschungsauftrag: Lehrende und Studierende arbeiten eng mit der
Praxis zusammen, um Ideen daraus zu generieren. Das verdeutlicht unseren
Mehrwert als Hochschule für Angewandte Wissenschaften.“

Maßgeblich verantwortlich dafür, dass die Indoorfarm nun an der Fakultät
Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Hochschule Osnabrück
steht, ist Professor Dr. Andreas Ulbrich, Professor für Gemüseproduktion
und -verarbeitung an der Hochschule Osnabrück. Er hatte vor rund sechs
Jahren mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Sebastian Deck und dem
Team der Forschungsgruppe „Growing Knowledge“ die Idee für das Gebäude
entwickelt: „Mich erfüllt es mit Stolz, dass wir das Gebäude heute
offiziell einweihen. Unser An-trieb war immer, dass wir von der Pflanze
aus denken. Das heißt, wir wollen absolut ideale Bedingungen für das
Wachstum der Pflanzen generieren. Das unterscheidet uns auch von vielen
weiteren Ansätzen, die sich weltweit positioniert haben.“ Gemeinsam mit
seinem Team wird Ulbrich in der Indoorfarm daran arbeiten, neue,
klimaunabhängige Anbaumethoden für die Gemüseproduktion in urbanen Räumen,
also auf wenig Fläche, zu entwickeln. Auch Studierende werden beteiligt
sein.

Sechs Indoorkammern und ein Dachgewächshaus ermöglichen
jahreszeitunabhängigen Anbau

Im Erdgeschoss des neuen Forschungszentrums befinden sich sechs getrennte
Indoorfarm-Kammern, in denen der Anbau unterschiedlicher Gemüse- und
Gewürzpflanzen erforscht wird. Die einzelnen Kammern sind so konzipiert,
dass eine effiziente Flächennutzung in die Höhe (sogenanntes Vertical
Farming) ermöglicht wird. Darüber hinaus lassen sich alle not-wendigen
Umweltfaktoren wie Licht, Temperatur, CO2-Gehalt, Wasser sowie Nährstoffe
genau kontrollieren und steuern. Dies führt zu einer verlässlichen,
wetterunabhängigen Produktqualität. So kann außerdem erforscht werden, wie
viel Licht und wie viele Nährstoffe für den optimalen Anbau einer jeden
Pflanze notwendig sind. Auf dem Dach des Forschungszentrums steht ein 160
Quadratmeter großes Dachgewächshaus, in dem ebenfalls verschiedene
Kulturarten erforscht werden – unter anderem bereits meterhoch gewachsene
Vanille- und Pfefferpflanzen. Eine Besonderheit: „Man sieht an einer
Pfefferpflanze Blüten, Blüten mit weiterentwickelten Pfefferkörnern und
erntereife Ähren – das ist in den ursprünglichen Anbauländern in dieser
Form sehr selten zu beobachten“, verdeutlicht Ulbrich. Es gehe jedoch
nicht nur darum exotische Pflanzen anzubauen, sondern auch darum, das neue
Wissen an die Anbauländer weiterzugeben. Pfeffer und Vanille sind zudem
erst der Anfang von vielen weiteren Kulturen, die hier zukünftig angebaut
werden – unter anderem Süßkartoffeln,
Salate und viele weitere Gemüsepflanzen.

Effiziente Energienutzung dank intelligentem Kreislaufsystem

Im neuen Forschungszentrum wird nicht nur an den idealen Anbaubedingungen
verschiedenster Gemüse geforscht. Auch das Thema nachhaltige
Energienutzung in Indoorfarmen nimmt das Forschungsteam um Ulbrich und
Deck in den Blick. „Der Kubus ist mit einem intelligenten
Energiekreislaufsystem ausgestattet, das die Anzuchtkammern der Indoorfarm
mit dem gläsernen Gewächshaus auf dem Dach verbindet. Wir wollen
beispielsweise die Energie der LEDs der Kammern im Erdgeschoss für die
Wärme im Dachgewächshaus nutzen“, so Deck. „Für all die Forschungsprojekte
werden wir mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedensten weiteren
Fachbereichen der Hochschule zusammenarbeiten. Außerdem sind bereits
einige Unternehmen aus der Region daran beteiligt, viele weitere haben
Interesse an-gemeldet“, erläutert Ulbrich. Das Ziel für alle: zu
erforschen, wie Indoorfarmen zukünftig in urbanen Räumen genutzt werden
können und damit die Lebensmittelversorgung von morgen klimaunabhängig zu
sichern.

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Wie Menschen trotz radikaler Ungewissheit entscheiden

Der Ökonom und Psychologe Prof. Dr. David Tuckett sieht Narrative als ein zentrales Mittel, folgenschwere Entscheidungen zu treffen. Er kommt am 5. Dezember für einen Uncertainty-Talk nach Bielefeld.  University College London
Der Ökonom und Psychologe Prof. Dr. David Tuckett sieht Narrative als ein zentrales Mittel, folgenschwere Entscheidungen zu treffen. Er kommt am 5. Dezember für einen Uncertainty-Talk nach Bielefeld. University College London

Die Welt ist komplex, dynamisch und vernetzt. Das führt dazu, dass Folgen
von Entscheidungen häufig nicht kalkulierbar sind. „Dennoch müssen wir oft
Entscheidungen von enormer Tragweite treffen“, sagt der international
renommierte Ökonom und Psychologe Professor Dr. David Tuckett, der am
University College London ein Institut zur Erforschung von
Entscheidungsunsicherheit leitet. Wie Menschen unter Bedingungen radikaler
Ungewissheit entscheiden, erläutert Tuckett am kommenden Montag, 5.
Dezember, um 18.30 Uhr in einem Vortrag der neuen Reihe „Uncertainty-
Talk“.

Der Eintritt zu dem englischsprachigen Vortrag im Hauptgebäude der
Universität Bielefeld (Hörsaal 14) ist kostenlos.

„Entscheidungen in der realen Welt unterscheiden sich in vielerlei
Hinsicht von denen, die in Labors und Lehrbüchern analysiert werden“, sagt
David Tuckett. „Wir müssen oft folgenschwere Entscheidungen fällen, obwohl
wir dafür nur unvollständige Informationen haben, die Wahlmöglichkeiten
mehrdeutig sind und die zukünftige Entwicklung nicht der vergangenen
ähnelt.“ Wie gelingt es Menschen unter solchen unsicheren Bedingungen
trotzdem, zu Entscheidungen zu gelangen? Das erklärt David Tucket mit
seiner Conviction Narrative Theory (Theorie der Überzeugungsnarrative,
CNT).

Klimawandel und Pandemie fordern weitreichende Entscheidungen

„David Tuckett arbeitet stichhaltig heraus, dass Standardansätze der
ökonomischen Entscheidungstheorie das Verhalten vieler Menschen in
Situationen mit radikaler Unsicherheit, wie Entscheidungen zur Berufswahl
oder zum Umgang mit dem Klimawandel und der Pandemie, nicht vollständig
erklären können“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr.
Herbert Dawid von der Universität Bielefeld, einer der Organisator*innen
der Uncertainty-Talks. „Tucketts Theorie liefert durch die stärkere
Berücksichtigung psychologischer Aspekte wichtige Einsichten, wie Menschen
solche komplexen Entscheidungssituationen und die damit verbundene
Unsicherheit bewältigen“, sagt der Bielefelder Wissenschaftler. David
Tuckett geht in seiner Theorie davon aus, dass „Überzeugungsnarrative“ es
Individuen ermöglichen, sich auf die Ausführung bestimmter Handlungen
vorzubereiten, auch wenn sie nicht genau wissen können, wie diese ausgehen
werden. Die Narrative dienen den Akteur*innen zudem als einfaches Mittel,
um zu kommunizieren und die Unterstützung anderer für ihre ausgewählten
Handlungen zu gewinnen und um sich selbst zu rechtfertigen.

In seinem Vortrag an der Universität Bielefeld stellt David Tuckett die
Grundsätze seiner Theorie dar. Ebenfalls geht er darauf ein, welche
Anforderungen sich aus dieser Theorie für die Forschung und
Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft ergeben.

Vortragsreihe ist Teil einer neuen Forschungsinitiative

Professor Dr. Herbert Dawid organisiert die Uncertainty-Talks zusammen mit
der Geschichtswissenschaftlerin Professorin Dr. Silke Schwandt und dem
Konfliktforscher Professor Dr. Andreas Zick. Die Vortragsreihe wird in
Kooperation mit dem Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der
Universität Bielefeld veranstaltet. Hervorgegangen ist sie aus einer
Forschungsinitiative an der Universität Bielefeld, die die drei
Wissenschaftler*innen koordinieren. Der Zusammenschluss beschäftigt sich
intensiv mit Unsicherheit. Lange Zeit ist Unsicherheit als allgegenwärtige
Bedrohung betrachtet worden, die es zu kontrollieren und im Zaum zu halten
galt. Die neue Initiative strebt hingegen danach, die Forschung zu
Ungewissheiten und Unsicherheiten auf eine breitere Basis zu stellen und
voranzubringen. Dafür stellt sie die vielfältigen Arten der Navigation von
Unsicherheit in den Mittelpunkt. Die Uncertainty-Talks sollen durch
verschiedene Blickwinkel auf diese Analyse einen Beitrag zum
interdisziplinären Verständnis dieses Forschungsansatzes leisten.

Experte für die Auseinandersetzung mit radikaler Ungewissheit

Professor Dr. David Tuckett ist Ökonom, Medizinsoziologe, Lehr- und
Supervisionsanalytiker der British Psychoanalytical Society sowie Fellow
des Institute of Psychoanalysis, London. Er ist Direktor des Centre for
The Study of Decision-Making Uncertainty am University College London und
leitender Wissenschaftler im Netzwerk CRUISSE, das sich mit der
Auseinandersetzung mit radikaler Ungewissheit in Wissenschaft,
Gesellschaft und Umwelt befasst. In seinen Studien arbeitet er daran,
Erkenntnisse der Psychoanalyse, Soziologie, kognitiven Psychologie und
Wirtschaft zusammenzuführen. Er ist Begründer der Theorie der emotionalen
Finanzwirtschaft, die er in dem Buch „Die verborgenen psychologischen
Dimensionen der Finanzmärkte“ vorstellt.
Tuckett ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe für vergleichende klinische
Methoden der Europäischen Psychoanalytischen Föderation (EPF) und
langjähriger Hauptherausgeber (1988-2001) des International Journal of
Psychoanalysis sowie Gründungsredakteur der New Library of Psychoanalysis.
2007 erhielt er den Sigourney Award for Psychoanalysis. 2010 sprach er als
eingeladener Redner auf dem Weltwirtschaftsforum.

Außer dem Vortrag von Dawid Tucket am 5. Dezember stehen auf dem Programm
der Uncertainty-Talks aktuell zwei weitere Veranstaltungen:

- Montag, 19. Dezember 2022, 18.30 Uhr: Professor Dr. Armin Nassehi von
der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Soziologe spricht über das
Thema „Entscheidungen unter Unsicherheitsbedingungen. Ein Pleonasmus oder
ein steigerbarer Sachverhalt?“. Ort: Plenarsaal des Zentrums für
interdisziplinäre Forschung (ZiF).
- Montag, 30. Januar 2023, 18.30 Uhr: Professor Dr. Gerd Gigerenzer vom
Harding-Zentrum für Risikokompetenz an der Universität Potsdam. Der
Psychologe und Risikoforscher hält seinen Vortrag zum Thema „Der Umgang
mit Ungewissheit im digitalen Zeitalter“. Ort: Plenarsaal des ZiF. Der
Vortrag wurde in den Januar verschoben, nachdem er im November ausgefallen
war.

DBU startet Auswahlverfahren für den Deutschen Umweltpreis 2023

Große Freude: Traditionell überreichte auch dieses Jahr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt an die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger.  Peter Himsel/DBU
Große Freude: Traditionell überreichte auch dieses Jahr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt an die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger. Peter Himsel/DBU

Vorschläge für hochdotierte Auszeichnung bis 15. Januar.Er zählt zu den renommiertesten und höchstdotierten
Umwelt-Auszeichnungen Europas: der jährlich vergebene Deutsche Umweltpreis
der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Sitz in Osnabrück. Die
Ehrung in Höhe von insgesamt 500.000 Euro wird nächstes Jahr zum 31. Mal
und dann in Lübeck vergeben. Ab sofort läuft das Auswahlverfahren: Bis zum
15. Januar 2023 können Persönlichkeiten aus der mittelständischen
Wirtschaft sowie aus Wissenschaft, Forschung und Gesellschaft für diesen
Preis empfohlen werden. Gewürdigt werden dabei überragende Leistungen, die
Schutz und Erhalt von Umwelt, Klima und Biodiversität voranbringen.

Vierstufiges Auswahlverfahren

Zum festen Kreis der seitens des DBU-Kuratoriums bestimmten mehr als 200
Vorschlagsberechtigten gehören neben Einzelpersonen wie etwa frühere
Preisträgerinnen und Preisträger auch Institutionen – darunter
Forschungs-, Umwelt- und Naturschutzeinrichtungen, Arbeitgeber- und
Branchenverbände sowie Gewerkschaften, Kirchen und Medien. Nähere
Informationen zum vierstufigen Nominierungsverfahren finden sich unter
www.dbu.de/@UWPNominierung. Seit 1993 würdigt die DBU mit dem Deutschen
Umweltpreis hervorragende Leistungen und bahnbrechende Ideen für mehr
Klima-, Arten-, Umwelt- und Ressourcenschutz. Nach Ablauf der
Vorschlagsfrist prüft und bewertet zunächst die DBU-Geschäftsstelle alle
Vorschläge unter Einbindung externer Gutachten. Im nächsten Schritt gehen
die Empfehlungen an eine 16-köpfige hochkarätige Jury mit Expertinnen und
Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Aufbauend auf die
Bewertung der Jury trifft schließlich das DBU-Kuratorium die finale
Entscheidung.

„Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt will Mut machen für Lösungen im Kampf
gegen existenzielle Krisen“

„Mit der Vergabe des Deutschen Umweltpreises will die DBU jedes Jahr nicht
nur herausragende Leistungen zum Schutz des Planeten auszeichnen, sondern
auch Mut machen für künftige Lösungen im Kampf gegen existenzielle
Krisen“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Zum Zaudern und
Zweifeln haben wir nämlich angesichts der vielfältigen Herausforderungen
keine Zeit – von bedrohter Biodiversität übers Klima bis hin zu
Ressourcen- und Energiefragen.“ Gefragt seien „Ideen und vor allem
Tatkraft, um solche Vorhaben wirklich werden zu lassen“. Bonde weiter:
„Die in diesem Jahr mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichneten Menschen
haben gezeigt, was alles möglich ist, wenn wir anpacken und wenn wir
Brücken bauen, um scheinbar unüberwindbare Konflikte zu lösen.“ Geehrt
wurden dieses Jahr die beiden Schiffbau-Ingenieure Friedrich Mewis und
Dirk Lehmann für die Erfindung eines energiesparenden und klimaschonenden
Schiffsantriebs, der Biologe Dr. Christof Schenck als Kämpfer für mehr
Wildnis und besseren Artenschutz weltweit sowie die Ehrenpreisträgerinnen
Kathrin Muus und Myriam Rapior, die in der Zukunftskommission
Landwirtschaft für eine Verständigung zwischen Agrar- und Umweltinteressen
sorgten.

Träger des Deutschen Umweltpreises wurden später mit dem Nobelpreis geehrt

Neben dem Ingenieur-Duo Mewis und Lehmann sowie dem Biologen Schenck
erhielten den Deutschen Umweltpreis in den Vorjahren unter anderem die
Geschäftsführung der digitalisierten Blechwarenfabrik Limburg, Annika Roth
und Hugo Trappmann (2020), der Inhaber der Firma Werner und Mertz mit der
Wasch- und Reinigungsmittelmarke Frosch, Reinhard Schneider (2019), und
die Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (2018). Zuvor waren die
Gründerin des ersten Ökostromanbieters Deutschlands, Ursula Sladek (2013),
sowie die Klimawissenschaftler Prof. Dr. Mojib Latif, Prof. Dr. Johan
Rockström (beide 2015) und Prof. Dr. Joachim Schellnhuber (2007)
ausgezeichnet worden. Einige Träger des Deutschen Umweltpreises erhielten
gar Nobelpreise: Zum einen bekam der mittlerweile verstorbene Ozonforscher
Prof. Dr. Paul J. Crutzen (1994) den Nobelpreis für Chemie, und
Klimaforscher Prof. Dr. Klaus Hasselmann (1998) wurde im Dezember 2021 von
der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit
dem Physik-Nobelpreis für seine Klimamodellierungen gewürdigt.

Interview mit Professor Johannes Steinhaus zur Umweltbelastung durch Mikroplastik: „Das Waschen ist eine Hauptquelle"

Professor Dr. Johannes Steinhaus forscht an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zu Mikroplastikanalytik.  H-BRS
Professor Dr. Johannes Steinhaus forscht an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zu Mikroplastikanalytik. H-BRS

Die Verschmutzung unseres Planeten mit Plastik und Mikroplastik ist ein
globales Problem gewaltigen Ausmaßes. In Uruguay verhandeln aktuell
Regierungen und Organisationen auf Einladung der Vereinten Nationen über
ein Abkommen gegen Plastikmüll. Professor Johannes Steinhaus von der
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) beschäftigt sich in seiner Forschung
mit der Mikroplastikbelastung. Für das Problem der mikroskopisch kleinen
Partikel, die über das Abwasser der Waschmaschinen in die Flüsse und Meere
gelangen, hat der Wissenschaftler eine Idee.

H-BRS: Herr Professor Steinhaus, lassen Sie uns über Fußball reden: Das
Trikot, das die Spieler der deutschen Mannschaft tragen, sondert
offensichtlich bei den ersten fünf Wäschen im Schnitt 68.000 Mikroplastik-
Fasern ab. Die Forschungsgruppe Mikroplastik an der Universität Hamburg
hat dies herausgefunden. Überrascht Sie das?

Johannes Steinhaus: Nein, nicht unbedingt. Die Zahl von 68.000 ist zwar
ungewöhnlich hoch, und der Hersteller täte gut daran herauszufinden, warum
das so ist. Allerdings waschen wir alle sehr viele Kleidungsstücke, die
aus Synthetikfasern wie zum Beispiel Polyester, Acryl, Nylon oder Elastan
bestehen. Die Fasern, die sich dabei abreiben – typischerweise eher um die
2000 Fasern pro Kleidungsstück und Wäsche – gelangen ungehindert in unsere
Kläranlagen und in der Folge zum Teil in den Klärschlamm und zum anderen
Teil in unsere Gewässer. Der Grund ist, dass sich die Fasern aufgrund
ihrer Größe schlecht aus dem Abwasser filtern lassen. Da Klärschlämme auch
gerne als Dünger auf Ackerflächen ausgetragen werden, kann man davon
ausgehen, dass ein Großteil dieser Fasern in der Umwelt landet. Das
Waschen von synthetischen Kleidungsstücken ist die Hauptquelle für
sekundäres Mikroplastik, also entstanden durch Abrieb und Zerfall größerer
Kunststoffprodukte.

H-BRS: Was bedeutet das für die Umwelt? Und wie könnte eine Lösung
aussehen?

Steinhaus: Die Auswirkungen all dieser Mikroplastikfasern auf die
verschiedenen Ökosysteme sind noch relativ unklar. Das Ärgerliche daran
ist, dass man einfach nur alle Waschmaschinen mit einem Filtersystem
ausstatten müsste, die den Eintrag der Fasern von Anfang an verhindern
würden. Da die Waschmaschinenhersteller das aber nicht in vorauseilendem
Gehorsam machen möchten – ein Nachrüstfilter kostet zirka 80 Euro –
müssten da gesetzliche Auflagen her. Am besten EU-weit.

H-BRS: Kunststoffe finden sich nicht nur in Textilien, sondern wir
begegnen ihnen in unserem Alltag ständig. Täuscht der Eindruck, oder wird
immer mehr Kunststoff produziert?

Steinhaus: Nein, der Eindruck täuscht leider nicht. Laut Statista lagen
wir weltweit um die Jahrtausendwende bei etwa 200 Millionen Tonnen
Kunststoff-Jahresproduktion. Heute haben sich die Mengen bei einem
linearen Trend etwa verdoppelt. Ein wesentlicher Faktor ist sicherlich der
ungebrochene Trend, Waren in Kunststoff zu verpacken.

H-BRS: Vor allem unsere Supermärkte sind voll von Verpackungen aus
Kunststoff. Da wir alles brav in die gelbe Tonne werfen: Wird die Masse
der Verpackungen recycelt?

Steinhaus: Könnte man denken. Jedoch wird ein großer Teil des
Kunststoffmülls leider immer noch verbrannt. Der Kunststoffeintrag in die
Umwelt ist in unseren Breiten durch das Abfallmanagement sicher niedriger
als etwa in Asien oder Südamerika. Alles entsorgen wir in Europa aber
sicher nicht korrekt, wie sich an unserer Umwelt erkennen lässt. Außerdem
vergisst man dabei gerne, dass wir Unmengen Mikroplastik über Reifenabrieb
und Waschabwässer generieren. Zudem exportieren wir hierzulande große
Mengen an Kunststoffmüll nach Südostasien. Das ist der Teil, der sich nur
aufwändig oder gar nicht recyceln lässt. Dort wird der Müll auch eher
nicht ordnungsmäßig recycelt, sondern oft auf wilden Deponien gelagert
oder offen verbrannt. Und so gelangt auch der Müll aus der gelben Tonne in
unsere Umwelt.

H-BRS: In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich unter anderem mit
Mikroplastikanalytik und der Simulation und Lebensdaueranalyse von Gummi-
Bauteilen. Was genau ist Gegenstand Ihrer Forschung, und was kann die
H-BRS zur Lösung des Problems beitragen?

Steinhaus: Meine aktuelle Forschung im Bereich der Mikroplastikanalytik
bezieht sich auf die Aufbereitung von Strand-, Erd- und Sedimentproben. Es
ist tatsächlich sehr schwer, die vielen Studien über die
Mikroplastikbelastung der weltweit genommen Proben miteinander zu
vergleichen, da die Probenaufbereitung teils unter sehr unterschiedlichen
Bedingungen erfolgte und auch die sogenannte Wiederfindungsrate der
Mikroplastikpartikel signifikant streut. Wir forschen unter anderem in
Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut/Helmholtz-Zentrum für
Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven daran, möglichst einfache
Verfahren zu entwickeln, die möglichst überall auf der Welt umsetzbar
sind.

Interview: Martin J. Schulz

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