From Farm to Chocolate Bar
Wissenschaftler auf Spurensuche nach dem perfekten Kakaoaroma
Es gibt sie mittlerweile in tausenden Variationen, mit sämtlichen Zutaten
versehen, in Form von Nikoläusen oder Osterhasen, in zartschmelzend oder
bitter: Schokolade.
Doch was steckt eigentlich hinter dem als „süße Verführung“ seit
Jahrhunderten konsumierten, beliebten Produkt aus der Kakaobohne, das
nebenbei auch noch glücklich machen soll? Dieser Sache soll das „Cocoa
Chain“-Projekt Quality improved Cocoa and Cocoa-based Products with
Flavour Profiles on Demand – ‘From Farm to Chocolate Bar’ in Peru und
Deutschland auf den Grund gehen.
Die Hochschule Geisenheim ist mit Dr. Christian von Wallbrunn,
Wissenschaftler am Institut für Mikrobiologie und Biochemie, an der
mikrobiologischen Charakterisierung der Kakaofermentation und der
Entwicklung einer zu testenden Starterkultur an diesem Projekt beteiligt.
Als Starterkultur werden zugesetzte Mikroorganismen wie zum Beispiel Hefen
bezeichnet, die einen Veränderungsprozess eines Lebensmittels gezielt in
Gang setzen.
Die Nachfrage nach Kakao – insbesondere in Asien – boomt. Es ist ein
Milliardengeschäft. „Deutschland ist einer der größten Schokoladenerzeuger
weltweit. Insbesondere die Nachfrage am Markt bezüglich hochwertigen
Pralinen, die von kleinen und mittleren Unternehmen produziert werden, ist
gestiegen. Schokoladenmanufakturen stoßen bei der Suche nach hochwertigem
Kakao mit gleichbleibender sensorischer Qualität oft auf Probleme“,
erklärt von Wallbrunn. Das Gros des Rohkakaos kommt aus afrikanischen
Staaten, gefolgt von der Karibik, Mittel- und Südamerika sowie Asien. Die
idealen Anbaubedingungen für Kakaobäume (Theobroma cacao L.) befinden sich
in Äquatornähe, denn sie benötigen gute Böden, eine
Durchschnittstemperatur von über 20 Grad Celsius sowie mindestens 1.500 mm
Niederschlag pro Jahr. Die Haupternte für Kakao ist in der Regel von
November bis Januar, in einigen Regionen Perus, der vermutlich
ursprünglichen Heimat des Kakaos, teilweise sogar bis März. „Forastero,
Criollo und Trinitario sind die Hauptsorten, wobei die Forastero-
Kakaobohne mit rund 80 Prozent an erster Stelle der weltweiten
Kakaoproduktion steht. Die Criollo-Kakaobohne hingegen zählt zu den
feinsten Bohnen und wird für Edelkakao verwendet“, so der Wissenschaftler
und ergänzt, dass der Handel mit Rohware und damit der Bedarf an
einwandfreiem Rohkakao weiter zunimmt.
Die Kakaofrucht wächst direkt am Stamm des Kakaobaumes. Sind die Früchte
reif, werden sie mit Macheten geerntet und halbiert, um anschließend das
Fruchtfleisch – die sogenannte Pulpe – und die Kakaobohnen zur folgenden
Fermentation zu entfernen. „Eine Kakaofrucht enthält 30 bis 50
Kakaobohnen, die ungefähr zwei Zentimeter breit und einen Zentimeter lang
sind. Das Fruchtfleisch selbst schmeckt je nach Varietät süßlich-bitter“,
so von Wallbrunn.
Hat sich in den vergangenen Jahren enorm viel im Bereich der
Weiterverarbeitung von Rohkakao getan, so scheint jedoch in Bezug auf die
landwirtschaftlichen Methoden zur Kakaogewinnung die Zeit stehen geblieben
zu sein. „Der Schlüssel zur späteren Schokolade sind die Samen des
Kakaobaumes, doch die letztendliche Qualität ist von vielen Faktoren
abhängig. Eine entscheidende Rolle spielen genetisch unterschiedliche
Varietäten des Kakaobaums, die Kultivierungsbedingungen, der
Erntezeitpunkt und letztendlich die Weiterverarbeitung durch Fermentation,
Trocknung und Rösten“, macht von Wallbrunn deutlich. „Der Einfluss und
insbesondere das Wechselspiel dieser Variablen auf das Aroma gilt es zu
erforschen“, ergänzt er.
„Kakao und Wein haben viel gemeinsam“
„Das Projekt, welches für die Dauer von zwei Jahren anberaumt ist, bringt
viel Potenzial mit sich. Zum einen gibt es bisher wenige Untersuchungen
hinsichtlich der Kakaofermentation. Zum anderen fasziniert mich als
Mikrobiologe die Ähnlichkeit mit anderen Fermentationen wie beispielsweise
der alkoholischen Gärung beim Wein“, so von Wallbrunn. „Wenn man bedenkt,
was in den vergangenen Jahren im Bereich der Fermentation von Wein
geforscht wurde, gibt es bei der Kakaofermentation noch sehr viel
Potenzial für Untersuchungen. Zum Beispiel, was passiert, wenn man Enzyme
– zu den bereits in der Kakaobohne vorhandenen – zugibt? Oder: Wie lassen
sich die während der Trocknung verändernden Aromen beeinflussen? So hat
zum Beispiel ein Kakao, der nicht getrocknet wurde oder nur kurz, sehr
grüne, adstringierende, teilweise sogar blumige Noten. Letztere
verschwinden jedoch mit zunehmender Trocknung und schlagen dann eher die
Richtung schokoladig ein. Hier gibt es ebenfalls im Bereich der
Erforschung von Aromen interessante Ansatzpunkte, denn auch wie beim Wein
ist die Aromenwelt des Kakaos extrem vielfältig. Die Aromavorstufen,
welche später das typische Kakaoaroma bilden, entstehen unter anderem
durch die Fermentation der Kakaosamen. Momentan findet diese spontan,
sprich unkontrolliert statt. Qualität ist also nicht reproduzierbar und
falsch durchgeführte Fermentationen können durch Pilzbefall zu Problemen
mit Mykotoxinen (Schimmelpilzgifte) führen. Unser Fokus bei diesem Projekt
liegt insbesondere auf der Charakterisierung der Biodiversität der Hefen
in den Kakaofermentationen. Zum einen soll untersucht werden, welche
sogenannten wilden beziehungsweise natürlichen Hefen bereits vorhanden
sind, und zum anderen sollen die Auswirkungen auf das Aroma erforscht
werden, wenn Hefestämme zusätzlich zugeführt werden, um so die Gärung zu
steuern und gewünschte Aromen zu erhalten“, erzählt von Wallbrunn.
„Es gibt bisher wenige Untersuchungen zur Kakaofermentation“
Die Fermentation, die in der Regel zwischen drei und acht Tagen dauert,
erfolgt oft noch nach der traditionellen Methode – der Haufenfermentation.
Hier werden die Kakaosamen gemeinsam mit dem weißen Fruchtfleisch auf
Bananenblättern ausgebreitet und mit einer weiteren Schicht
Bananenblättern abgedeckt. Vermehrt findet die Gärung auch in Holzkisten –
als sogenannte Kastenfermentation – statt, was den Vorteil des geringeren
Schädlingsbefalls hat. Die anschließende Trocknung der Kakaobohnen, welche
während der Ernte weich und violett sind, erfolgt oft auf großen, mit
Planen ausgelegten Flächen – teilweise überdacht. Durch regelmäßiges
Wenden während der Trocknung erhält die Kakaobohne ihre bekannte braune
Farbe.
Im ersten Jahr des Projekts ist eine Charakterisierung spontaner
Kakaofermentationen geplant. Im zweiten Projektjahr soll dann die Zugabe
verschiedener Starterkulturen verglichen werden, um Unterschiede
hinsichtlich der Fermentationen und der Aromastoffe festzustellen. „Zur
Identifizierung der Hefen bedienen wir uns der FTIR-Spektrometrie
(Fourier-Transform-
Projektpartner in Deutschland sind die Universität Hamburg, die Hochschule
Hamburg und das Julius Kühn-Institut Berlin. Des Weiteren sind die beiden
peruanischen Universitäten in Lima, Universidad Peruana Cayetano Heredia
und Universidad Nacional Agraria La Molina, sowie weitere in Peru
ansässige Partner wie Kakaokooperativen an dem Projekt beteiligt.
Förderer ist die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen
„Otto von Guericke“ e. V. (AiF), welches für Deutschland verantwortlich
ist. Das Projekt läuft unter dem transnationalen Förderprogramm der AiF
„CORNET“ (Collective Research Networking).
Projektstart war der 1. Oktober 2016. Während der gesamten Projektphase
wird eine über das Projekt finanzierte Doktorandin in Geisenheim und in
Peru sein.
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