Bei den Amphibien und Reptilien ist der Anteil
bestandsgefährdeter Arten höher als in jeder anderen Artengruppe in
Deutschland. In den letzten 20 Jahren hat sich die Situation für die
meisten dieser Arten weiter verschlechtert. Jede zweite der 20
untersuchten Amphibienarten ist in ihrem Bestand gefährdet, bei den
Reptilien liegt der An-teil mit neun von 13 noch höher.
Dieses Resümee zieht das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit dem
Rote-Liste-Zentrum (RLZ) anlässlich der Veröffentlichung der neuen Roten
Listen der Amphibien und Reptilien.
Die negativen Entwicklungen überwiegen in beiden Gruppen deutlich. Bei
allen Reptilien- und fast allen Amphibienarten ist der Bestand in den
vergangenen 120 Jahren zurückgegangen. „Für drei Viertel der
Amphibienarten und mehr als zwei Drittel der Reptilienarten wurden auch in
den vergangenen 20 Jahren weitere Abnahmen festgestellt. Damit hat sich
deren Bestandssituation weiter verschärft“, sagt Dr. Alfred Herberg,
Leiter des Fachbereichs II im BfN. „Hauptursache für die alarmierende
Gefährdungssituation der Amphibien und Reptilien ist der Verlust ihrer
Lebens- und Teillebensräume. Dazu gehören Brut- und Laichbiotope,
strukturreiche Sommerquartiere und frostsichere Überwinterungsplätze.
Insbesondere die Auswirkungen der intensiven land- und
forstwirtschaftlichen Nutzung, die Zerschneidung von Lebens-räumen durch
Verkehrswege sowie die anhaltende Flächeninanspruchnahme durch neue Wohn-,
Gewerbe- und Verkehrsflächen sind für deren Verlust ausschlaggebend.“
In der aktuellen Roten Liste der Amphibien sind alle 21 in Deutschland
vorkommenden Arten und in der aktuellen Roten Liste der Reptilien alle 14
Arten erfasst. Hinsichtlich seiner Gefährdungssituation nicht bewertet
wurde der vom Menschen eingeschleppte Nordamerikanische Ochsenfrosch. Die
als eigene Arten anerkannten Barrenringelnatter und Ringelnatter wurden in
der Roten Liste der Reptilien gemeinsam bewertet. Erstmals standen für die
vorliegenden Roten Listen Auswertungen bundesweiter
Rasterverbreitungsdaten zur Verfügung, um die Bestandsentwicklung zu
ermitteln.
„Es ist uns gelungen, für diese Roten Listen einen sehr großen Teil der
Art-Expertinnen und -Experten Deutschlands zu gewinnen und damit einen
großen Erfahrungsschatz zu bündeln. 44 Autorinnen und Autoren haben in
einem eigens dafür gegründeten Rote-Liste-Gremium dieses Gemeinschaftswerk
erarbeitet. Die meisten Beobachtungsdaten sind Ergebnis ehren-amtlicher
Kartierungen – ohne das Engagement der ehrenamtlich tätigen Expertinnen
und Experten wäre die Erstellung der Roten Listen nicht in dieser Qualität
möglich gewesen“, er-läutert Dr. Steffen Caspari, Leiter des Rote-Liste-
Zentrums.
Viele Amphibien und Reptilien sind in Deutschland unmittelbar von der
Fortsetzung von Natur- und Artenschutzmaßnahmen abhängig. „In unserer
zunehmend monotonen und ausgeräumten Landschaft haben es Amphibien und
Reptilien immer schwerer. Ohne tiefgreifende Veränderungen in der Land-
und Forstwirtschaft werden wir einen Großteil der Arten zukünftig nur noch
in wenigen isolierten Schutzgebieten vorfinden. Wir brauchen dringend eine
natur-verträglichere Land- und Forstwirtschaft. Zudem müssen wir die
natürliche Dynamik in der freien Landschaft wieder zuzulassen und den
Flächenverbrauch im Verkehrs- und Siedlungsbereich reduzieren“, erläutert
Dr. Ulrich Schulte, Experte der Amphibien und Reptilien und Koordinator
der beiden Roten Listen.
Zu den besonders gefährdeten Amphibienarten zählen unter anderem die
Geburtshelferkröte und die Gelbbauchunke, ursprünglich Arten der Auen, die
heute hauptsächlich in Ersatzlebensräumen wie Abgrabungen zu finden sind.
Unter den Reptilien sind u.a. die an Fließgewässer gebundene Würfelnatter
besonders gefährdet sowie die Kreuzotter, die unterschiedliche
sonnenexponierte Offenland-Lebensräume, wie z.B. Sandheiden oder
Blockhalden, besiedelt. Aber auch bei den 10 nicht als bestandsgefährdet
eingestuften Amphibienarten wurde für die Hälfte in den vergangenen 20
Jahren Bestandsabnahmen festgestellt, bei den Reptilien waren es drei von
vier Arten, dazu zählen auch häufigere Arten wie der Feuersalamander oder
die Westliche Blindschleiche.
Die aktuellen Roten Listen der Amphibien und Reptilien konnten für keine
Art in den vergangenen 20 Jahren deutliche Zunahmen der Bestände
feststellen. Bei lediglich zwei Amphibien- und bei vier Reptilienarten
haben sich einzelne Vorkommen stabilisiert, was überwiegend auf Natur- und
Artenschutzmaßnahmen zurückzuführen ist: Der Springfrosch profitierte
beispielsweise von der Förderung des Laubwaldanteils in Wäldern und der
Neuanlage von Ge-wässern, die Östliche Smaragdeidechse profitierte von
Maßnahmen zur Erhaltung und Aufwertung der Offenland-Lebensräume sowie
günstigen Witterungsphasen in den vergangenen 20 Jahren.
Neben der Gefährdungssituation haben die Autorinnen und Autoren in den
aktuellen Roten Listen auch die nationale Verantwortlichkeit für die
weltweite Erhaltung von Arten mit bedeutenden Vorkommen in Deutschland
ermittelt. Eine erhöhte Verantwortlichkeit Deutschlands besteht für neun
Arten der Amphibien und sieben Reptilienarten, darunter auch Arten, die in
ihrem Bestand abnehmen wie der Laubfrosch und die noch häufigste
Reptilienart Deutschlands, die Westliche Blindschleiche. Für den national
ebenfalls noch häufigen Bergmolch schätzen Expertinnen und Experten, dass
Deutschland fast ein Drittel der weltweiten Vor-kommen beherbergt.
Fotos stellt das BfN auf Anfrage an presse@bfn.de gern zur Verfügung.
Einen ausführlichen Pressehintergrund zur aktuellen Roten Liste gibt es
unter: https://www.bfn.de/presse/hintergrundinfos.html
Die Roten Listen der Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands
In den bundesweiten Roten Listen wird der Gefährdungsstatus von Tier-,
Pflanzen- und Pilz-arten für den Bezugsraum Deutschland dargestellt. Von
den etwa 72.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Deutschlands werden in den
Roten Listen mehr als 30.000 auf ihre Gefährdung hin untersucht. Die Roten
Listen sind zugleich Inventarlisten für einzelne Artengruppen und bieten
Informationen nicht nur zu den gefährdeten, sondern zu allen in
Deutschland vorkommenden Arten der untersuchten Organismengruppen. Arten,
die in eine der vier Gefährdungskategorien (Vom Aussterben bedroht, Stark
gefährdet, Gefährdet oder Gefährdung unbekannten Ausmaßes) eingestuft
werden, gelten als bestandsgefährdet.
Die Autorinnen und Autoren bewerten die Gefährdung anhand der
Bestandssituation und der Bestandsentwicklung. Die Grundlagen für die
Gefährdungsanalysen werden von einer großen Zahl von ehrenamtlichen
Artenkennerinnen und Artenkennern ermittelt. Die Roten Listen selbst
werden von den Autorinnen und Autoren ebenfalls in weiten Teilen
ehrenamtlich er-stellt. Sie werden dabei vom Rote-Liste-Zentrum (RLZ) im
Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) fachlich begleitet. Die
Methodik für die Bewertung der Arten wurde vom BfN gemeinsam mit
Autorinnen und Autoren entwickelt. Die fachliche Endabnahme und Herausgabe
der Roten Listen erfolgen durch das BfN.
Für den Schutz der Artenvielfalt in Deutschland stellen Rote Listen eine
entscheidende Grundlage dar. Sie dokumentieren den Zustand von Arten und
mittelbar die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur. Damit sind
sie Frühwarnsysteme für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und
zeigen auf, wo Handlungsbedarf besteht. Sie ermöglichen es,
Naturschutzmaßnahmen zu gewichten, bei der Umsetzung Prioritäten zu setzen
und weisen zugleich auf Forschungsbedarfe hin.
Die Roten Listen sind in Buchform erhältlich unter:
https://bfn.buchweltshop.de/rote-listen
Die Roten Listen der Amphibien und Reptilien stehen zusätzlich kostenfrei
als elektronische Veröffentlichung bereit unter: https://www.bfn.de/themen
/rote-liste.html
sowie unter https://www.rote-liste-zentrum.de/de/Download-
Wirbeltiere-1874.html.
Weitere Informationen und Daten aus den Roten Listen gibt es auf den
Internetseiten des Bundesamtes für Naturschutz und des Rote-Liste-Zentrums
unter:
https://www.bfn.de/themen/rote-liste.html
https://www.rote-liste-zentrum.de/
Das Rote Liste Zentrum
Das Rote-Liste-Zentrum (RLZ) koordiniert seit Dezember 2018 im Auftrag des
Bundesamtes für Naturschutz (BfN) die Erstellung der bundesweiten Roten
Listen. Das Bundesumweltministerium fördert das Zentrum mit jährlich 3,1
Millionen Euro. Es ist am Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) in Bonn angesiedelt und wird fachlich vom BfN betreut.
Das Rote-Liste-Zentrum unterstützt die Autorinnen und Autoren sowie
weitere beteiligte Fachleute der Roten Listen, indem es sie bei der
Erstellung fachwissenschaftlich begleitet und Kosten für die Koordination,
die Arbeitstreffen der Fachleute und andere vorbereitende Arbeiten
übernimmt.
Weitere Informationen zum Rote Liste Zentrum: https://www.rote-liste-
zentrum.de