Im Forschungsprojekt »Technologien und Lösungen für die digitalisierte
Wertschöpfung« hat das Fraunhofer IIS in den vergangenen fünf Jahren
praxisnahe Digitalisierungslösungen im Produktions- und Logistikumfeld von
kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erforscht und weiterentwickelt, um
dem Mittelstand so den Einstieg in und die Umsetzung von Industrie 4.0 zu
erleichtern. Anlässlich des Projektabschlusses wurden am 13. August 2021
die Forschungsergebnisse präsentiert.
Industrie 4.0 für den Mittelstand: Praxisnahe Lösungen aus Technologie-,
Organisations- und Managementsicht
Auf dem Weg zu Industrie 4.0 fehlt insbesondere KMU oft das Know-how,
Digitalisierungspotenziale im eigenen Betrieb zu beurteilen und
zielgerichtet umzusetzen. Die Hürde für die Einführung neuer
technologischer Lösungen scheint dort besonders hoch – sei es, weil das
Wissen um die richtige Technologieauswahl und eine effiziente
Einführungsstrategie fehlt, sei es, weil sich die Mitarbeitenden die
notwendigen Kompetenzen erst noch aneignen müssen oder weil der
finanzielle Mehrwert gegenüber dem Aufwand nicht eingeschätzt werden kann.
Dabei lässt sich bereits mit kleinen Mitteln viel erreichen – wenn man an
den richtigen Stellen ansetzt.
Somit war es Ziel des Projekts »Technologien und Lösungen für die
digitalisierte Wertschöpfung«, Anwendungen zu entwickeln, die KMU und ihre
Mitarbeitenden auf dem Weg in Richtung Industrie 4.0 unkompliziert
unterstützen können. Dafür setzte das Fraunhofer-Institut für Integrierte
Schaltungen IIS auf eine ganzheitliche Herangehensweise: Das Institut
verband im Forschungsprojekt seine wirtschaftswissenschaftlichen
Kompetenzen mit seiner Analytics-Expertise und seinem technologischen
Know-how. Für maximalen Praxisbezug konzentrierte es sich dabei auf
folgende Aspekte:
• eine praxisnahe Auswahl der zu digitalisierenden Anwendungen,
• passende IoT-Plattformen, mit denen Daten unkompliziert
ausgetauscht werden können,
• das Schließen von technologischen Lücken,
• die Berücksichtigung des Faktors Mensch bei der Einführung und
Umsetzung von Industrie 4.0,
• Werkzeuge und Methoden für das Management der digitalen
Transformation.
Als Basis für die Lösungsentwicklungen dienten klassische intralogistische
und industrielle Abläufe wie Transport-, Kommissionier- und
Montageprozesse, die aus Technologie- und Managementsicht analysiert und
effizienter gestaltet wurden.
In einem Gesamtdemonstrator wurde für ein vom Kunden individuell
konfigurierbares Produkt der gesamte Ablauf von der Bestellung über den
Wareneingang, die Lagerung, die Montage, die Verpackung bis hin zum
Warenausgang im Test- und Anwendungszentrum L.I.N.K. des Fraunhofer IIS
nachgebildet und so sukzessive in ein Cyber-Physisches System (CPS)
verwandelt. Wo möglich, wurden am Markt bereits verfügbare technische
Komponenten und Lösungen eingesetzt. An anderen Stellen im Prozess, an
denen die vorhandene Technologie die Anforderungen der Praxis noch nicht
erfüllte, wurden von den Fraunhofer-Forschenden neue Lösungen entwickelt
und in den Gesamtdemonstrator integriert. Im Ergebnis ist damit eine
dezentral gesteuerte und auf smarten Produkten und Services basierende
Wertschöpfungskette entstanden, die mit minimalem Aufwand eine vollständig
flexibilisierte Produktion ermöglicht.
Online-Präsentation der Forschungsergebnisse am 13. August 2021
Bei der digitalen Abschlussveranstaltung stellten Prof. Dr. Alexander
Pflaum, Leiter der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des
Fraunhofer IIS und Gesamtprojektleiter, sowie Jasper Jahn, Referent der
Bereichsleitung Lokalisierung und Vernetzung des Fraunhofer IIS, die
Forschungsergebnisse sowie die entwickelten Technologien und Lösungen vor.
In seinem Vortrag gab Prof. Alexander Pflaum aus Technologie-,
Organisations- und Managementsicht einen ganzheitlichen Überblick über die
unterschiedlichen Konzept- und Lösungselemente, die im Projekt entstanden
sind. Er erklärte, wie wichtig es sei, Unternehmensprozesse in die oft
rein technikgetriebene Betrachtung des Industrie-4.0-Kontextes
einzubeziehen und dabei die Bedeutung des Faktors Mensch bei der
Entwicklung von Industrie-4.0-Anwendungen nicht zu vergessen. Ebenso
wichtig sei es, neue Konzepte für Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu
entwickeln, z. B. sogenannte datengetriebene Geschäftsmodelle: denn diese
seien die Grundlage für den Erfolg jeder digitalen Transformation. Er
stellte u. a. die entwickelten Hardware-Komponenten einschließlich der
dazu passgenau ausgewählten Technologien sowie die leistungsfähige und
nutzerfreundliche Software vor, mit der CPS-Daten aggregiert und auf
Informationsbasis ausgewertet werden können. Außerdem erläuterte Alexander
Pflaum die Bedeutung von Datenschutz und Datensicherheit, die es bereits
bei der Konzeption möglicher Lösungen zu berücksichtigen gilt.
Jasper Jahn ging in seinem nachfolgenden Vortrag auf die im Projekt
fokussierten Industrie-4.0-Anwendungen aus den Bereichen
Behältermanagement, innerbetrieblicher Transport, Werkzeugnutzung und
Kommissionierung näher ein. Für diese wurden im Projekt kostengünstige,
autarke technologische Lösungen entwickelt, die auch im Kleinen umsetzbar
und iterativ erweiterbar sind, und die sich deshalb insbesondere für KMU
eignen.
Eine solche beispielhafte Anwendung ist das drahtlos funktionierende Pick-
by-Light-System für die smarte Lagerkommissionierung. Mit diesem System
können Fachanzeigen flexibel angebracht werden, was eine schnelle
Umgestaltung von Entnahmefächern ermöglicht. Aus dessen Weiterentwicklung
ist TRILUM hervorgegangen, ein mobiles Pick-by-Light-System zur beleglosen
Kommissionierung und Montageunterstützung, das zur Marktreife gebracht
wurde.
Der physische Gesamtdemonstrator zum virtuellen Entdecken: Interaktives
Wimmelbild »Industrie 4.0 in der Anwendung«
Der im Projekt entstandene Gesamtdemonstrator wurde in ein interaktives
»Wimmelbild« übersetzt, das die wesentlichen Projektergebnisse
verständlich vermittelt und sich auch nach Projektende zum selbstständigen
Entdecken im Internet eignet: Dieses Bild zeigt am Beispiel des
exemplarischen Produktions- und Logistikprozesses des physischen
Demonstrators die zwei Ebenen der Lösungsfindung: Die entwickelten
technologischen Anwendungen wie auch die Unterstützungsmöglichkeiten aus
Organisations- und Managementsicht. Das Wimmelbild ist ebenfalls
Bestandteil des Abschlussberichts, der am Ende der Veranstaltung an den
Fördermittelgeber überreicht wurde.
Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des Projekts »Technologien und
Lösungen für die digitalisierte Wertschöpfung« vom Bayerischen
Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert.
Innerhalb der Initiative BAYERN DIGITAL ist es Bestandteil der
Themenplattform Digitale Produktion.
Für das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und
Energie fasste Staatssekretär Roland Weigert, MdL, die Bedeutung des
Projekts zusammen: »Mit dem Forschungsprojekt ›Technologien und Lösungen
für die digitalisierte Wertschöpfung‹ sollen insbesondere kleine und
mittlere Unternehmen bei der Einführung von Industrie-4.0-Lösungen im
Bereich Produktion und Logistik unterstützt werden. Und das Fraunhofer IIS
zeigt, wie es gehen kann. Es ist beeindruckend, was hier am Institut – u.
a. auch mit der Unterstützung des Freistaates – in den vergangenen Jahren
alles vorangebracht wurde.«
Den Wandel erfolgreich managen
Alexander Pflaum meinte dazu: »Eine der größten Herausforderungen der
digitalen Transformation ist tatsächlich, den richtigen Einstieg zu
finden, der eine effiziente Umsetzung erlaubt, ohne dabei den
ganzheitlichen Blick auf das Unternehmen mitsamt seinen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern zu vernachlässigen. Hier benötigen KMU Unterstützung –
und zwar durch technologische und methodische Lösungen, die flexibel
einsetzbar sind, ineinandergreifen und die entscheidenden Technologie- wie
Managementfragen gleichermaßen berücksichtigen. Diese Lösungen haben wir
im Projekt entwickelt.«