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Gesundheit

Nierenkrebs: Neue Leitlinienempfehlungen zu erblichen Tumoren

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat die S3-Leitlinie zum
Nierenzellkarzinom überarbeitet und neue Empfehlungen zu erblichen Tumoren
integriert, deren Diagnostik und Behandlung besondere Fachexpertise
erfordern. Die Leitlinie entstand unter Federführung der Deutschen
Gesellschaft für Urologie und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie
und Medizinische Onkologie sowie unter Mitwirkung von 33 weiteren
Fachgesellschaften und Organisationen. Finanziert wurde die Leitlinie von
der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie. Ziel
der S3-Leitlinie ist es, evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeiten
aufzuzeigen und die Therapie von Patient*innen mit Nierenkrebs zu
verbessern.

Laut dem Robert Koch-Institut erkranken jährlich etwa 14.000 Personen an
Nierenkrebs – Männer sind fast doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Die
Prognose ist vergleichsweise günstig, das relative 5-Jahres-Überleben von
Erkrankten liegt bei 79 Prozent für Frauen und bei 77 Prozent für Männer.
2020 verstarben etwa 5.100 Personen an Nierenkrebs. Bei der Entstehung
können unter anderem erbliche Faktoren eine Rolle spielen. Die Betreuung
dieser Patient*innengruppe und deren Angehörigen ist äußerst komplex und
geht weit über die urologische Versorgung hinaus. Die S3-Leitlinie wurde
daher um das Kapitel „erbliche Tumoren“ ergänzt.

„Wir gehen davon aus, dass fünf bis acht Prozent aller Fälle durch
vererbte Genveränderungen bedingt sind. Es gibt Kriterien, die auf eine
erbliche Variante hinweisen können, unter anderem das Erkrankungsalter vor
dem 47. Lebensjahr und die Erkrankung naher Familienangehöriger. Für das
Erkrankungsmanagement und die gezielte Therapieauswahl ist die
Identifikation von erblichen Nierentumoren äußerst wichtig. Daher soll
Betroffenen bei Verdacht auf einen erblichen Tumor eine genetische
Beratung und eine molekulargenetische Analyse angeboten werden“, so Prof.
Dr. Christian Doehn, Urologikum Lübeck. Zusammen mit Prof. Dr. Susanne
Krege, Kliniken Essen-Mitte, hat er die S3-Leitlinie koordiniert. Auch den
Angehörigen soll laut der Leitlinie eine genetische Beratung angeboten
werden.

„Das therapeutische Vorgehen bei erblichen Tumoren kann je nach Syndrom
sehr unterschiedlich sein“, ergänzt Krege. Und weiter: „Bei der
Therapieauswahl spielen die Tumorgröße, die Wachstumsgeschwindigkeit und
ein multifokales Auftreten eine wichtige Rolle. So kann in bestimmten
Fällen die sogenannte aktive Überwachung angebracht sein. In anderen
Fällen ist wiederum eine Operation oder eine gezielte fokale Therapie
vonnöten.“ Zur fokalen Therapie zählt unter anderem die
Radiofrequenzablation zur lokalen Zerstörung von Tumorgewebe durch Hitze.
Bei erblichen Nierentumoren soll die Nachsorge zeitlich unbegrenzt
fortgeführt werden.

Neben den erblichen Faktoren können auch Rauchen, Bluthochdruck,
Übergewicht und eine chronische Niereninsuffizienz die Entstehung von
Nierenzellkrebs begünstigen. Besonders betroffen sind nach einer
Nierentransplantation immunsupprimierte Patient*innen. Auch die brennbaren
Lösungsmittel Trichlorethen oder Trichlorethylen, die im Arbeitsumfeld
beispielsweise zur Metallreinigung angewendet werden, können die
Entstehung von Nierenkrebs begünstigen – weshalb Nierenzellkarzinome auch
als Berufskrankheit anerkannt werden kann.

Die aktualisierte S3-Leitlinie ist hier abrufbar: https://www
.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/nierenzellkarzinom

Zudem sind die Inhalte in der kostenfreien Leitlinien-App integriert.
Android-Smartphone- und iPhone-Nutzer können die Leitlinien-App hier
herunterladen: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/app/

Das Leitlinienprogramm Onkologie
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für
Leistungserbringer und Patient*innen zur angemessenen Vorgehensweise bei
speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument
zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar.
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die
Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten
Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung
und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und
praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen.
Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm 34 S3-Leitlinien, die zu einem
großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen.
Mehr unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/home

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU)
Mit rund 7.700 Mitgliedern ist die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.
V. (DGU) die größte Vertretung deutscher Fachärztinnen und Fachärzte für
Urologie. Als medizinische Fachgesellschaft fördert die DGU Wissenschaft,
Forschung, Innovation, Fort- und Weiterbildung in der Urologie. Damit
schafft sie die Voraussetzungen für eine flächendeckende hochqualifizierte
Versorgung urologischer Patientinnen und Patienten in Deutschland. Das
eigene Wissenstransferzentrum UroEvidence ermöglicht die systematische
Evidenzaufarbeitung und organisatorische Unterstützung für
Leitliniengruppen innerhalb der Urologie.
Mehr unter: https://www.urologenportal.de/

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie
(DGHO)
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V.
(DGHO) besteht seit über 80 Jahren und hat heute mehr als 4.300
Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und
onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-,
Fort- und Weiterbildung, dem Onkopedia-Projekt, mit der Wissensdatenbank
und der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit
ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die
hochwertige Versorgung von Patient*innen im Fachgebiet. In mehr als 30
Themen-zentrierten Arbeitskreisen engagieren sich die Mitglieder für die
Weiterentwicklung der Hämatologie und der Medizinischen Onkologie.
Informationen unter: https://www.dgho.de/

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Diabetes Typ 1 bei Kindern: Bessere Lebensqualität dank Früherkennung

Stiftung Kindergesundheit informiert über ein zunehmendes
Gesundheitsrisiko

Knapp 35.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland müssen täglich Insulin
spritzen, ihren Blutzucker messen und die Kohlenhydrate in ihrem Essen
berechnen: Sie sind zuckerkrank. Etwa 4.100 Heranwachsende erkranken jedes
Jahr neu an der Stoffwechselstörung Diabetes und es kommen immer mehr
dazu, berichtet die in München beheimatete Stiftung Kindergesundheit in
ihrer aktuellen Stellungnahme.

Wenn Ärzte bei einem Kind oder Jugendlichen eine Zuckerkrankheit
diagnostizieren, handelt es sich meist um einen Diabetes vom Typ 1.
„Dieser Typ von Diabetes mellitus gehört zu den häufigsten
Stoffwechselerkrankungen im Kindesalter“, berichtet Professor Dr. Berthold
Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Die Zahl der
Neuerkrankungen steigt weltweit an und besonders der Anteil der 10- bis
17-Jährigen nimmt dramatisch zu“, betont der Stoffwechselexperte der von
Haunerschen Kinderklinik der Universität München.

Warum das Hormon Insulin so wichtig ist
Bei einem Typ-1-Diabetes werden die für die Entstehung des Hormons Insulin
zuständigen Beta-Zellen in den sogenannten Langerhans-Inseln der
Bauchspeicheldrüse durch das körpereigene Immunsystem langsam zerstört.
Als Folge wird in den Inselzellen zu wenig Insulin gebildet.

„Insulin macht die aus der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate im Körper
nutzbar“, erläutert Professor Koletzko. Es lässt den aus Stärke gebildeten
Zucker (Glukose) in die Gewebe (z.B. in die Muskeln) übertreten, wo er als
Energielieferant dringend benötigt wird. Ohne Insulin kann der Körper die
Nahrung nicht verwerten und der Zucker sammelt sich im Blut an, anstatt
von den Zellen aufgenommen zu werden.

Durch den zunehmenden Mangel an Insulin steigt der Blutzuckerspiegel
übermäßig an. Bei zu hohem Blutzucker scheiden die Nieren Glukose mit dem
Urin aus. Daher auch der Name der Störung: Diabetes mellitus, zu Deutsch
Zuckerharnruhr oder Honigharnruhr (lat.: mellitus – honigsüß).

Diabetes – oft ein Problem der ganzen Familie
Dieser Vorgang kann bei Kindern, die hiefür eine genetische Veranlagung
geerbt haben, durch umweltbedingte Faktoren ausgelöst werden. Auch nahe
Verwandte von Typ-1-Diabetikern haben ein erhöhtes Diabetes-Risiko, betont
die Stiftung Kindergesundheit: Geschwisterkinder haben ein Risiko von etwa
4–8 %, eineiige Zwillinge mit 30–50 % ein noch höheres Risiko. Das
Diabetes-Risiko eines Kindes mit einem Elternteil, der an Typ-1-Diabetes
leidet, liegt bei etwa 10 %, wenn der Vater betroffen ist, und bei etwa 4
%, wenn die Mutter erkrankt ist.

Dennoch haben über 80 % der betroffenen Kinder und deren Eltern keine
Verwandten mit Typ-1-Diabetes. Das hat zur Folge, dass viele Familien kaum
etwas darüber wissen und nur unzureichend oder gar nicht mit den Symptomen
beim Ausbruch der Stoffwechselerkrankung vertraut sind.

Frühe Zeichen: großer Durst, viel Urin, Gewichtsverlust und Müdigkeit
Die Symptome eines Typ-1-Diabetes können sich innerhalb weniger Wochen
oder sogar Tagen entwickeln. Oft haben die Kinder ständig Durst, trinken
mehr als sonst und haben häufigen Harndrang. Manche von ihnen nässen auch
ins Bett. Einige Kinder verlieren an Gewicht und sind abgeschlagen – die
Haut ist trocken, die Lippen sind rissig. Unter Umständen riecht der Atem
obstähnlich nach Aceton. „Bei derartigen Problemen sollten Eltern dringend
den Rat eines Kinder- und Jugendarztes einholen“, empfiehlt Professor
Koletzko.

Bei mehr als einem Drittel aller Betroffenen wird ein Typ-1-Diabetes zu
spät entdeckt, also zu einem Zeitpunkt, an dem bereits eine schwerwiegende
Stoffwechselentgleisung mit einer potenziell lebensbedrohlichen
Übersäuerung des Bluts, der diabetischen Ketoazidose, aufgetreten ist.

Entscheidend sind eine frühe Diagnose und Behandlung der Krankheit, da
eine verzögerte Erkennung die Lebenserwartung deutlich verringern kann,
betont die Stiftung Kindergesundheit. Eine optimale Einstellung des
Stoffwechsels von Beginn an hilft dagegen, langfristige Komplikationen zu
vermeiden.

Frühzeitig vorbereitet
Ein Screening auf Typ-1-Diabetes bei Kindern ermöglicht es, die Entstehung
der Krankheit frühzeitig zu erkennen, noch bevor klinische Symptome
auftreten. Wenn sich bei einer Blutuntersuchung bestimmte
Inselautoantikörpern nachweisen lassen, kann das auf ein Frühstadium der
Autoimmunerkrankung hinweisen. Das Screening auf Typ-1-Diabetes mittels
Inselautoantikörpertest wird seit 2015 in Bayern als Modellprojekt im
Rahmen der „Fr1da-Studie“ angeboten. Diese Studie wurde bereits auf die
Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Sachsen ausgeweitet. Das
kostenlose und freiwillige Screening wird Kindern hier im Rahmen einer
Vorsorgeuntersuchung (U7 bis U11) oder eines Kinderarztbesuches im Alter
zwischen 2 und 10 Jahren angeboten. Die Untersuchung kann Familien
emotional entlasten und vor einem meist traumatischem Erlebnis, wie der
lebensbedrohlichen diabetischen Ketoazidose, die sofortige
Notfallmaßnahmen erfordert, bewahren.

Durch die frühe Diagnose erhalten Eltern die Möglichkeit, sich besser auf
den Umgang mit der Krankheit vorzubereiten. Sie können gemeinsam mit
Ärzten rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, Schulungen zur Insulintherapie und
Blutzuckerkontrolle besuchen und sich schrittweise an die neue
Lebenssituation anpassen. Das reduziert Unsicherheiten und Ängste, die oft
mit einer plötzlich diagnostizierten chronischen Krankheit einhergehen.
Eltern, Ärztinnen und Ärzte können präventiv handeln und die Gesundheit
des Kindes überwachen, was das Risiko eines plötzlichen
Krankheitsausbruchs und damit verbundene Notfallsituationen senkt.

Fazit der Stiftung Kindergesundheit: Eine frühzeitige Erkennung und
rechtzeitige Behandlung der Krankheit kann die Gesundheit und die
Lebensqualität der betroffenen Kinder deutlich verbessern und ihnen und
ihren Familien helfen, sich auf die Herausforderungen einer lebenslangen
Insulintherapie vorzubereiten. „Eine Ausweitung des Screenings auf ganz
Deutschland wäre deshalb wünschenswert“, so Professor Koletzko.

Hier gibt es mehr Rat und Hilfe:
Weitere Informationen zu den Problemen von Kindern und Jugendlichen mit
Diabetes bieten im Internet folgende Seiten:

http://www.fr1da.de/

www.kindunddiabetes.de

www.diabetikerbund.de

www.bund-diabetischer-kinder.de

www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de

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Millionen Menschen mit Schmerzen unzureichend behandelt - Fachgesellschaften fordern Umdenken in der Versorgung

In Deutschland fehlt häufig eine vernetzte und abgestufte
interdisziplinäre Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen.
Betroffene warten oft Jahre auf eine Diagnose und erhalten dann auch meist
nur eine unzureichende Therapie, da der Schmerz als zentrales Symptom
vernachlässigt wird. Dieses Versorgungsproblem steht im Mittelpunkt des
Deutschen Schmerzkongresses 2024, der vom 16. bis 19. Oktober 2024 in
Mannheim stattfindet. Er wird von der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V.
und der DMKG ausgerichtet. Auf der hybriden Pressekonferenz, morgen, am
17.10.2024, präsentieren Expertinnen und Experten Lösungsansätze, um die
Versorgung von Millionen Betroffenen in Deutschland zu verbessern.

Anmeldung hier:
https://us06web.zoom.us/webinar/register/WN_PmqgRzJURRm3wNgnrYpnzw#/registration

„Der Umgang mit Schmerzen ist nach wie vor unzureichend. Es gibt eine
deutliche Kluft zwischen der hohen Relevanz des Themas und dem mangelnden
gesundheitspolitischen Interesse – trotz steigender Betroffenenzahlen und
enormer gesundheitlicher Kosten“, erklärt Professor Dr. med. Joachim
Erlenwein, Kongresspräsident und stellvertretender Leiter der
Schmerzmedizin an der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin
Göttingen.

Schmerz als vielschichtiges Problem – Vernetzung der Fachdisziplinen nötig
Große Volkskrankheiten, wie beispielsweise chronische Rücken- oder
Kopfschmerzen, werden oft isoliert vom jeweiligen Fachbereich aus
therapiert. Erst allmählich findet ein Umdenken hin zur interdisziplinären
Sichtweise auf Schmerzerkrankungen statt. „Dem Leitsymptom Schmerz muss
als eigenes Krankheitsbild mehr Beachtung geschenkt werden“, betont
Erlenwein. Schmerzen seien multifaktoriell – anatomische, psychologische
und soziale Aspekte spielten eine Rolle. „Deshalb muss die Schmerztherapie
nach einem bio-psycho-sozialen Ansatz erfolgen.“ Patientinnen und
Patienten erhalten häufig nur monomodale Therapien, die auf ein
Erkrankungssymptom abzielen. „Das kann zu einer Verschlimmerung der
Schmerzen und deren Chronifizierung führen“, ergänzt Professor Dr. med.
Dagny Holle-Lee, Kongresspräsidentin und Leiterin des Westdeutschen
Kopfschmerzzentrums am Universitätsklinikum Essen. „Chronische Schmerzen
sind jedoch komplexe Krankheitsbilder, die sich (meist) nicht schnell mit
einer OP, einem Gips oder einer Pille lösen oder gar heilen lassen.“ So
sollte die Therapie aus einem Zusammenspiel beispielsweise aus speziellen
ärztlichen Schmerztherapeutinnen und -therapeuten, Physiotherapie und
Psychologie bestehen, um Betroffene optimal zu behandeln. Die
Kongresspräsidenten sind sich einig: „Die Versorgung von Menschen mit
Schmerzen muss in Deutschland umgedacht werden, damit die Millionen
Betroffene die Versorgung erhalten, die sie benötigen. Dafür ist es
notwendig, chronischen Schmerz als eigenes Krankheitsbild zu sehen, das
eine eigene gezielte und interdisziplinäre Behandlung erfordert.“
Fehlende Versorgungsstrukturen verstärken Leidensdruck und Fehlversorgung
Die fehlende flächendeckende Versorgung verschärft das Versorgungsproblem
zusätzlich: „Patientinnen und Patienten warten oft Monate oder Jahre auf
eine adäquate Behandlung“, kritisiert Kopfschmerzexpertin Holle-Lee.
Notwendig sei ein abgestuftes, sektorenübergreifendes Versorgungssystem,
das den Zugang zu hochwertiger Schmerztherapie sicherstellt. „Für die
personelle Zukunftssicherung braucht es für Behandelnde berufliche
Chancen, Entwicklungsmöglichkeiten und attraktive Karrierewege“, ergänzt
Erlenwein.
Bessere Finanzierung und Fortbildung notwendig
Die Deutsche Schmerzgesellschaft und die DMKG fordern daher eine adäquate
Finanzierung und eine Sicherstellung verlässlicher politischer
Rahmensetzungen für eine flächendeckende, qualitativ hochwertige,
interdisziplinäre und multimodale Schmerztherapie, sowohl ambulant als
auch (teil-) stationär. „Die Versorgung der Betroffenen muss absolute
Priorität haben“, sagt Holle-Lee. Dies erfordere auch die Sicherstellung
ausreichender Aus- und Fortbildungsangebote für Ärztinnen und Ärzte, um
das Wissen über chronische Schmerzerkrankungen zu verbreiten. Zudem
brauchen wir einheitliche Qualitätsstandards, damit Patientinnen und
Patienten darauf vertrauen können, dass dort, wo Schmerzmedizin
`draufsteht´, auch Schmerzmedizin `drin´ ist“, so Erlenwein. Beide
Kongresspräsidenten sind überzeugt: „Wir müssen die Zukunft der
Schmerzmedizin aktiv gestalten und dafür sorgen, dass Menschen mit
chronischen Schmerzen bundesweit einheitliche Versorgungszugänge erhalten.
Hier sind Politik und Kostenträger in der Pflicht, entsprechende
Versorgungsstrukturen zu finanzieren und zu fördern.“
Bei Abdruck Beleg erbeten.

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Terminhinweis:

Hybride Kongress-Pressekonferenz
im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses (16. bis 19. Oktober 2024) der
Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. und der Deutschen Migräne- und
Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG)

Deutscher Schmerzkongress 2024: „WIR! Gestalten Zukunft.“

Termin: Donnerstag, 17. Oktober 2024, 11:30 bis 12:30 Uhr,
Ort: Congress Center Rosengarten Mannheim, Bruno-Schmitz-Saal
Link zur Online-Anmeldung:
https://us06web.zoom.us/webinar/register/WN_PmqgRzJURRm3wNgnrYpnzw#/registration

Themen und Referierende:

VERSORGUNG

Was möchte die Deutsche Schmerzgesellschaft mit ihren
Innovationsfondsprojekten in der Regelversorgung verändern?
Professor Dr. med. Frank Petzke
designierter Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V., Facharzt
für Anästhesiologie und spezieller Schmerztherapeut an der Klinik für
Anästhesiologie am Universitätsmedizin Göttingen

Patiententag auf dem Kongress: Zukunft ohne Stigma – wie fühlen sich
Betroffene „versorgt“?
Heike Norda
Vorsitzende des bundesweiten Vereins UVSD SchmerzLOS e. V., Neumünster

Digitale Gesundheitsanwendungen – eine Chance in Zeiten des
Ressourcenmangels?!
Professorin Dr. med. Dagny Holle-Lee
Kongresspräsidentin des Schmerzkongresses 2024, Leiterin des Westdeutschen
Kopfschmerzzentrums Essen sowie des Schwindelzentrums Essen und Oberärztin
an der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen
und
Privatdozent Dr. med. Lars Neeb
Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG),
Chefarzt an der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Brandenburg
an der Havel GmbH

ZUKUNFTSSICHERUNG

Ambulantisierung, Krankenhaussterben und Nachwuchsmangel – was bleibt?
Professor Dr. med. Joachim Erlenwein
Kongresspräsident des Schmerzkongresses 2024, Leitung des Schmerzdienstes
und Oberarzt in der Schmerzambulanz und Tagesklinik, an der
Universitätsmedizin Göttingen (UMG)
und
Heike Norda

Schmerzpatientinnen und -patienten auch in Zukunft gut versorgen: Was die
Gesundheitspolitik leisten muss, um einen drohenden Versorgungsnotstand
abzuwenden
Professor Dr. med. Frank Petzke

DIGITALISIERUNG

Künstliche Intelligenz bis Virtual Reality – Von welchen digitalen Trends
profitieren Menschen mit chronischen Schmerzen schon heute, was dürfen wir
erwarten?
Privatdozent Dr. med. Lars Neeb

Bioethische Herausforderungen bei der Technologietransformation in
Diagnostik und Behandlung
Professorin Dr. med. Dagny Holle-Lee
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Neuartige App trackt Erkrankungen auf Reisen

Bei jeder dritten Reise wird jemand krank. Am häufigsten sind Magen-Darm-
Beschwerden und Atemwegs-Symptome. Dies zeigt eine Studie, die eine an der
Universität Zürich entwickelte Reise-App auswertet. In Zukunft soll die
App auch dabei helfen, Ausbrüche von ansteckenden Krankheiten früh
aufzuspüren.

Wer auf Reisen geht, sammelt unvergessliche Erlebnisse. Aber nicht nur
das: Oft lesen Weltenbummlerinnen und Weltenbummler unterwegs auch
gesundheitliche Probleme auf. Und das erstaunlich oft. Diese Erkenntnis
lieferten Daten einer Reise-App, die Forschende der UZH in Zusammenarbeit
mit der WHO entwickelt haben. Die App ist nicht nur für Reisende
hilfreich, sie kann auch dazu beitragen, das Auftauchen und die
Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Dengue-Fieber oder neuen Grippe-
Viren zu tracken.

«Reisende spiegeln sehr gut wider, was weltweit passiert», sagt die
Epidemiologin und Studienleiterin Patricia Schlagenhauf vom UZH Institut
für Biostatistik, Epidemiologie und Prävention. «Sie sind auch oft daran
beteiligt, Krankheiten in neue Regionen der Welt einzuschleppen.» Als
Beispiel nennt sie den aktuellen Fall von Mpox in Schweden, mitgebracht
von einem Reiserückkehrer aus Afrika.

Ausbreitung von Infektionen verfolgen
In der ITIT (Illness Tracking in Travellers) App beantworten Menschen auf
Reisen täglich einige Fragen zu ihrer Gesundheit. Die App zeichnet zudem
Informationen wie den Standort, Wetterdaten und Luftqualität auf. Das
Forschungsteam hat nun die Daten analysiert, die mit Hilfe der App
zwischen April 2022 und Juli 2023 gesammelt wurden. Die Analyse umfasste
insgesamt 470 Reisen von 609 Personen durch alle Kontinente. Überraschend
häufig kam es unterwegs zu Erkrankungen: Bei über einem Drittel der Reisen
gab es gesundheitliche Probleme.

Problemzone Nummer 1: Magen und Darm
Ganz oben auf der Hitliste: Magen-Darm-Beschwerden mit 19 Prozent der
Krankheitsfälle. Als Hotspot hat sich dafür Asien herauskristallisiert.
Bei Trips nach Afrika war dies hingegen weniger oft ein Problem. Zudem
berichteten deutlich mehr Frauen über Durchfallerkrankungen als Männer.
Warum das so ist, kann das Forschungsteam mit den vorliegenden Daten nicht
beantworten – möglicherweise sind Frauen anfälliger dafür oder sie sind
gewissenhafter bei der Eingabe der Informationen in die App.

Mit Atemwegserkrankungen wie Erkältungen (17 Prozent der Fälle) hatten die
Reisenden hingegen am häufigsten in Europa zu kämpfen. «Man sollte nicht
vergessen, auch bei Reisen in vermeintlich harmlose Länder wie Frankreich
oder Griechenland die Reiseapotheke einzupacken», so Schlagenhauf. Sie
rät, auf jeden Fall etwas gegen Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen und
Fieber mitzunehmen. Denn – auch dies zeigt die Auswertung – diese
Beschwerden schränken Menschen auf Reisen am meisten ein.

Reisen gesünder und sicherer machen
Das Team möchte nun noch mehr Menschen für die Nutzung der App
rekrutieren. Denn mit einem grösseren Datensatz wäre eine automatisierte
Auswertung durch Künstliche Intelligenz möglich − die beispielsweise bei
einem Ausbruch von Dengue oder Mpox frühzeitig Alarm schlagen würde.

«Dieser Bottom-up-Ansatz funktioniert praktisch in Echtzeit und ist damit
viel schneller als Top-Down-Meldesysteme», so Schlagenhauf. Selbst bei
einer gut organisierten Behörde wie dem BAG dauere es oft Monate bis
Fallzahlen vorliegen. «Mobile Technologien können die Art und Weise, wie
wir Krankheiten von Reisenden überwachen, revolutionieren. Dies führt
letztlich zu sichereren und gesünderen Reisen.»

KASTEN
Das Forschungsteam sucht weltweit noch mehr Menschen, die bei diesem
Projekt mitmachen wollen. Die ITIT App (Illness Tracking in Travellers)
ist gratis in den App Stores in 14 verschiedenen Sprachen verfügbar. Das
in der App erstellte persönliche Gesundheits-Tagebuch mit genauen
Ortsangaben kann helfen, aus dem Ausland mitgeschleppte Erkrankungen
besser zu diagnostizieren und zu behandeln. Als weiteren Bonus bietet die
App reiserelevante Informationen wie Impfempfehlungen sowie
Benachrichtigungen der «WHO Outbreak News» über aktuelle
Krankheitsausbrüche.

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