Nach Herzinfarkt oder, Herz-Op: Kann Sex gefährlich fürs Herz sein?
Wie viel Belastung verträgt das Herz noch? Wann ist Sex nach einem Herz-
Eingriff wieder möglich? Bei herzkranken Menschen herrscht oft
Unsicherheit, die auch Beziehungen belastet.
Ein Kardiologe erläutert, was
Betroffene für eine unbeschwerte Sexualität tun können
Der Herzinfarkt ist gut behandelt worden, der Eingriff am Herzen geglückt.
Doch trotz der guten herzmedizinischen Versorgung stehen Patienten im
Alltag vor diversen Herausforderungen. Selbst so schöne Momente wie Sex
mit dem Partner/der Partnerin sind für viele Betroffene oft nicht mehr
ohne Besorgnis und Unsicherheit erlebbar. Dabei zählen Liebe und
Sexualität zu den wichtigsten Bedürfnissen des Menschen. Nach Schätzungen
hat mindestens jeder zweite Herzpatient/jede zweite Herzpatientin
Schwierigkeiten mit der Sexualität. „Oft lähmen Unsicherheit und Scham so
sehr, dass Patientinnen und Patienten sich eher zurückziehen anstatt offen
mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin über ihre Ängste zu sprechen.
Das kann eine Partnerschaft erheblich belasten und eine Rückkehr in ein
gemeinsames erfülltes Sexualleben erschweren“, berichtet der Kardiologe
und Reha-Spezialist Dr. Markus Wrenger, Ärztlicher Direktor der Fachklinik
Weserland in Bad Pyrmont, im aktuellen Herzstiftungs-Podcast „Wann ist Sex
gefährlich fürs Herz?“ unter https://herzstiftung.de/podcas
herz
Der Podcast widmet sich gezielt den Fragen und Sorgen, die Betroffene
manchmal beim Arzt äußern, viel häufiger aber verschweigen. Außerdem
informiert der kostenfreie Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“ (94
Seiten) der Herzstiftung über das Leben nach dem Herzinfarkt und was in
punkto Autofahren, Reisen und Sex geht und was nicht. Der Reha-Ratgeber
für Herzpatienten kann unter
955128-400 angefordert werden. „Besonders die kardiologische
Rehabilitation mit ihren längeren Verweildauern bietet Patientinnen und
Patienten den nötigen Zeitrahmen, um das Thema Sexualität im Arzt-Gespräch
in Ruhe offen anzusprechen“, erklärt Herzstiftungs-Experte Dr. Wrenger.
Gefahr durch körperliche Belastung beim Sex?
Besonders nach einem Herzinfarkt, nach Implantation eines Stents, eines
Herzschrittmachers oder implantierbaren Defibrillators (ICD) befürchten
Patienten ein Risiko für ihr Herz aufgrund der körperlichen Belastung beim
Sex. Dr. Wrenger gibt hierzu Entwarnung: „Die körperliche Belastung beim
Sex wird sehr häufig überschätzt“, betont er und erklärt: „Bei den meisten
Menschen steigt der Puls nicht über 130 Schläge pro Minute, der obere
Blutdruckwert nicht über 170 mmHg. Wer also noch zwei Stockwerke Treppen
steigen kann oder zügig Spazierengehen – ohne dass es zu Herzschmerzen
oder Atemnot kommt –, der ist auch fit genug für sexuelle Aktivitäten.“
Das statistische Risiko eines Herzinfarktes oder einer anderen
schwerwiegenden Störung der Herzfunktion während sexueller Aktivität sei
„ausgesprochen gering“, so der Kardiologe.
In welchen Situationen ist sexuelle Enthaltsamkeit geboten?
Nach bestimmten Komplikationen wie Herzinfarkt oder operativen Eingriffen
raten Herzexperten allerdings zunächst zu folgenden Ruhephasen:
- Nach einer Bypassoperation wird empfohlen, sechs bis acht Wochen mit
erneuter sexueller Aktivität zu warten, bis das Brustbein verheilt ist.
- Nach anderen Eingriffen ohne Eröffnen des Brustbeins wie
Stentimplantation, kathetergestützte Aortenklappen-Implantation (TAVI),
Schrittmacher-/Defibrillator (ICD)-Implantation oder nach einem
Herzinfarkt sind meist nur wenige Tage Pause nötig, bis keine Symptome und
Beschwerden mehr bestehen. Die Wunden sollten nach den o. g. Eingriffen
verheilt sein. Nach Schrittmacher- bzw. Defibrillator-Implantation
empfiehlt es sich, den Arm, auf dessen Seite operiert wurde, für ca. 6
Wochen zu schonen und nicht über 90 Grad, also nicht über das
Schulterniveau, anzuheben.
- Nach einer Herzkatheteruntersuchung wird dazu geraten, etwa zwei Tage
auf größere Anstrengungen und auf Sex zu verzichten.
Zum Verzicht auf sexuelle Aktivitäten rät der Kardiologe auch in
Situationen, in denen sich der Gesundheitszustand gerade verschlechtert,
also die Erkrankung instabil wird. „Treten zum Beispiel Brustschmerzen wie
Angina pectoris oder Atemnot bereits bei geringer Belastung auf, dann wäre
das ein Signal, umgehend zum Kardiologen zu gehen und körperliche
Belastung wie etwa sexuelle Aktivitäten zu meiden“, betont Dr. Wrenger.
Auch wer eine fortgeschrittene Herzschwäche (NYHA-Klasse III) hat, sollte
sich vor Aufnahme sexueller Aktivitäten mit dem behandelnden Arzt oder der
Ärztin besprechen.
Schockgabe des Defibrillators: Gefahr für Partner oder Partnerin?
Nach der Implantation eines Defibrillators, kurz: Defi, haben viele
Patienten die Angst, dass aufgrund des erhöhten Herzschlags beim Sex Defi-
Schockabgaben ausgelöst werden können. „Grundsätzlich kann auch bei
sexueller Aktivität wegen der damit verbundenen körperlichen Belastung
eine Defi-Schockabgabe ausgelöst werden, so wie das auch bei anderen
körperlichen Belastungen der Fall sein kann“, erklärt Dr. Wrenger. Dennoch
sei mit einem Defi ein „ganz normales Sexualleben“ möglich. Und vor allem:
„Kommt es während des Geschlechtsverkehrs zu einem Defi-Schock, wird das
den Partner oder die Partnerin nicht gefährden“, beruhigt der
Herzstiftungs-Experte.
Medikamente bei Erektionsstörungen: Worauf sollten Patienten achten?
Medikamente zur Behandlung von Erektionsstörungen wirken über die
Erweiterung der Gefäße und verbessern dadurch die Durchblutung der Gefäße
im Penis, die oft infolge einer bestehenden Arteriosklerose mitleiden. Bei
diesen Medikamenten handelt es sich um sogenannte
Phosphodiesterase-5-Hemmer, kurz PDE-5-Hemmer (z. B. die Wirkstoffe
Sildenafil oder Tadalafil). Für Herzpatienten ist zu beachten, dass diese
Medikamente auch in anderen Arterien wirken, so dass der Blutdruck sinken
und eine Kreislaufschwäche verursachen kann. „Bei der stabilen koronaren
Herzkrankheit gelten die Medikamente jedoch im Allgemeinen als sicher“,
erklärt der Kardiologe Dr. Wrenger. Vorsicht sei jedoch bei der
gleichzeitigen Einnahme von Sildenafil/Tadalafil und sogenannten Nitraten
(Isosorbiddinitrat: ISDN, Isosorbidmononitrat: ISMN) geboten. Denn diese
Nitropräparate (Nitrospray, Nitrokapseln), die bei Angina-pectoris-
Beschwerden angewendet werden, verstärken die gefäßerweiternde Wirkung der
Potenzmittel. „Bei gleichzeitiger Einnahme von potenzsteigernden Mitteln
und Nitraten kann es zu kritischen, auch lebensbedrohlichen,
Blutdruckabfällen kommen, so dass man hier sehr zurückhaltend sein und
vorher ärztlichen Rat einholen sollte“, so Dr. Wrenger. Speziell beim
Nitrospray könne aufgrund der kurzen Wirkdauer allerdings meist schon ein
bestimmter Zeitabstand zur Einnahme des Potenzmittels helfen, einen
kritischen Blutdruckabfall zu vermeiden. Dennoch sollten sich Herz-
Kreislauf-Patienten unbedingt vor der Einnahme von Arzneimitteln zur
Therapie von Erektionsstörungen zunächst ärztlich beraten lassen, um
unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden und die Sexualität dann wirklich
unbeschwert genießen zu können.
(wi/ne)
Jetzt reinhören! Podcast „Wann ist Sex gefährlich fürs Herz?“
Der Podcast mit dem vollständigen Gespräch mit Dr. Markus Wrenger ist zu
hören unter: https://herzstiftung.de/podcas
Alle Podcasts können auf der Herzstiftungs-Website unter
https://www.herzstiftung.de/po
bei den einschlägigen Podcast-Anbietern wie Spotify und Apple iTunes zu
finden. Alle 14 Tage gibt es einen neuen „imPULS“-Podcast.
Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“
Der kostenfreie Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“ (94 Seiten) ist
ein umfassender Leitfaden, der alle Aspekte der Rehabilitation bei
verschiedensten Herz-Kreislauf-Erkrankungen beleuchtet. Dem Thema
Sexualität widmet sich der Artikel „Leben nach dem Herzinfarkt:
Autofahren, Reisen, Sex – Was geht und was nicht?“ Der Ratgeber kann
kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter https://herzstiftung.de
/reha-broschuere bestellt werden.
Aus der Herz-Sprechstunde: https://h