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Gesundheit

Triptane sind zur Therapie akuter Migräneattacken am effektivsten

Die aktuelle Metaanalyse eines internationalen Netzwerks, an dem auch die
Universität Duisburg-Essen beteiligt ist, zeigt, dass Triptane am
effektivsten gegen akute Migräneattacken wirken. Auch neuere
Migränemedikamente waren nicht überlegen. Dennoch nehmen nur gut sieben
Prozent der Betroffenen Triptane ein – trotz hoher Wirksamkeit, allgemein
guter Verträglichkeit und relativ geringer Therapiekosten. Die Deutsche
Gesellschaft für Neurologie appelliert an Ärztinnen und Ärzte, Betroffene
adäquat zu informieren und diese Substanzklasse breiter einzusetzen.

Die Migräne ist die mit Abstand häufigste neurologische Erkrankung. Nach
Erhebungen des Robert Koch-Instituts leiden 14,8 % der Frauen und 6 % der
Männer in Deutschland unter einer Migräne [1]. Bei Migräne kommt es zu
Attacken von heftigen, meist halbseitigen, pulsierenden und pochenden
Kopfschmerzen. Oft werden diese von Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Lärm- und
Geruchsüberempfindlichkeit und einem allgemeinen Krankheitsgefühl
begleitet. Die Migräneattacken können zwischen vier und 72 Stunden
anhalten. Viele Betroffene erleiden mehrmals im Monat Migräneattacken, die
Erkrankung ist daher mit einem hohen Leidensdruck verbunden. Für die
Lebensqualität ist es daher von hoher Wichtigkeit, dass die Attacken
schnell und wirksam bekämpft werden können.

Es gibt eine Reihe von Medikamenten zur Behandlung von akuten
Migräneattacken. Dazu gehören einfache, freiverkäufliche Schmerzmittel wie
Acetylsalicylsäure oder Paracetamol oder nichtsteroidale Antirheumatika
wie Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen. Es gibt aber auch spezielle
Migränemittel, die gezielt zur Behandlung akuter Migräneattacken
entwickelt wurden. Dazu gehören die sogenannten Triptane, eine
Wirkstoffgruppe, von der sieben verschiedene Substanzen in Europa zur
Behandlung akuter Migräneattacken zugelassen und verfügbar sind
(Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan,
Sumatriptan und Zolmitriptan). In den letzten Jahren wurden zusätzlich
neue Migränemittel entwickelt: Lasmiditan wirkt ebenfalls bei
Migräneattacken und hat gegenüber Triptanen den Vorteil, dass es keine
gefäßverengenden Nebenwirkungen hat. Neu entwickelt wurden auch die
sogenannten Gepante (Rimegepant, Ubrogepant), die gezielt an einem
Rezeptor (CGRP) andocken, der im Bereich des Gesichtsnervs (Nervus
trigeminus) und im Gehirn bei der Entstehung von Migräneattacken eine
wichtige Rolle spielt.

Es gibt eine Vielzahl von Studien, bei denen Schmerz- und Migränemittel
mit Placebos (Scheinmedikamenten) oder anderen Schmerz- und Migränemitteln
verglichen wurden. Eine Arbeitsgruppe von
Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern und Klinikerinnen/Klinikern der
Universitäten in Oxford (UK), der Universität Kopenhagen (Dänemark),
Harvard Medical School, Boston (USA) und der Universität Duisburg-Essen
hat jetzt erstmalig einen großen Vergleich der Schmerz- und Migränemittel
zur Behandlung akuter Migräneattacken durchgeführt. Die Studie [2] wurde
aktuell in der renommierten Zeitschrift British Medical Journal (BMJ)
publiziert.

Die Netzwerk-Metaanalyse hat die Ergebnisse von 137 randomisierten und
kontrollierten Studien mit insgesamt 89.445 Patientinnen und Patienten
ausgewertet, in denen 17 verschiedene Medikamente oder Placebos zur
Therapie von akuten Migräneattacken eingesetzt wurden. Für die Wirksamkeit
wurde herangezogen, wie viele Patientinnen und Patienten zwei Stunden nach
Einnahme des entsprechenden Medikaments vollständig schmerzfrei waren. Ein
weiteres Erfolgskriterium war der Prozentsatz derjenigen, bei denen sich
die Kopfschmerzen in den zwei Stunden nach Einnahme deutlich besserten.
Die Besserung war definiert als ein Rückgang von schweren oder
mittelschweren Kopfschmerzen zu leichten oder keinen Kopfschmerzen.
Daneben wurden auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen erfasst.

Als Referenzsubstanz für diese große Metaanalyse diente Sumatriptan, das
Triptan, das in der Gruppe der Triptane in Deutschland mit großem Abstand
am häufigsten verschrieben wird. Für den Endpunkt „schmerzfrei nach zwei
Stunden“ war das wirksamste Medikament Eletripan, gefolgt von Rizatriptan,
Zolmitriptan und Sumatriptan. Die neueren Migränemittel Lasmiditan und
Gepante waren diesbezüglich weniger wirksam als die Triptane. Ihre
Wirksamkeit war vergleichbar mit Acetylsalicylsäure oder nichtsteroidalen
Antirheumatika. Am wenigsten wirksam war Paracetamol. Im Hinblick auf den
Endpunkt „Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden“ waren Triptane
ebenfalls überlegen. Sie waren wirksamer als die neuen Migränemittel und
die traditionellen Schmerzmittel.

Die herkömmlichen Schmerzmedikamente schnitten in dieser Erhebung
bezüglich der Nebenwirkungen etwas besser ab. „Allerdings muss bei den
Nebenwirkungen berücksichtigt werden, dass Symptome wie Übelkeit,
Müdigkeit oder Benommenheit auch Beschwerden im Rahmen der eigentlichen
Migräneattacke sein können, die manchmal nur dann von den Betroffenen
wahrgenommen werden, wenn sich die Kopfschmerzen durch die Behandlung
verbessert haben“, erklärt Migräne-Experte und Ko-Autor der Studie Prof.
Dr. Hans Christoph Diener. „Einzige wirkliche Limitation stellt die
gefäßverengende Eigenschaft von Triptanen dar. Die Verschreibung ist daher
bei arteriellen Gefäßerkrankungen kontraindiziert.“

Was sind nun die praktischen Konsequenzen für die Behandlung von
Migränepatientinnen und -patienten in Deutschland?

Die Daten einer repräsentativen bevölkerungsbezogenen Studie in
Deutschland des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2020 [1] zeigten, dass
lediglich 7,3 % der Betroffenen bei Migräneattacken die wirksamsten
Medikamente einnahmen, nämlich ein Triptan. Die meisten (46 %) behandeln
ihre Migräneattacken mit Ibuprofen, 17 % mit Paracetamol und 10 % mit
Acetylsalicylsäure. „Die Tatsache, dass Triptane so selten eingesetzt
werden, kann auch nicht mehr darauf beruhen, dass sie teuer sind. In der
Zwischenzeit sind alle Triptane nach Ablauf des Patentschutzes als
Generika erhältlich, einige sogar ohne Rezept“, erklärt Prof. Diener.

„Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Metaanalyse ist, dass wir in
Deutschland deutlich mehr Migränepatientinnen und -patienten mit den sehr
wirksamen und sicheren Triptanen behandeln sollten.  Dies gilt
insbesondere für die, bei denen Schmerzmittel wie Paracetamol oder nicht-
steroidale Antirheumatika nicht oder nicht ausreichend wirksam sind. Eine
Information, die für Betroffene, aber auch die Ärzteschaft relevant ist,“
erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit.

[1] Porst M, Wengler A, Leddin J, Neuhauser H, Katsarava Z, von der Lippe
E, et al. Migraine and tension-type headache in Germany. Prevalence and
disease severity from the BURDEN 2020 Burden of Disease Study. Journal of
Health Monitoring. 2020; 5(S6): 2–24.

[2] Karlsson WK, Ostinelli EG, Zhuang ZA et al. Comparative effects of
drug interventions for the acute management of migraine episodes in
adults: systematic review and network meta-analysis. BMJ 2024 Sep 18; 386:
e080107. doi: 10.1136/bmj-2024-080107. PMID: 39293828.
https://www.bmj.com/content/bmj/386/bmj-2024-080107.full.pdf

Pressekontakt
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Pressesprecher: Prof. Dr. med. Peter Berlit
Leiterin der DGN-Pressestelle: Dr. Bettina Albers
Tel.: +49(0)30 531 437 959
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der
gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 12.300 Mitgliedern
die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu
verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre,
Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der
gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden
gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

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Was die Klimakrise mit der Gesundheit macht

Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Uniklinikum lädt zur 25.
Jahrestagung nach Dresden. | Konferenz verdeutlicht die Auswirkungen auf
die körperliche und seelische Gesundheit.| Expertinnen und Experten
beobachten körperliche Auswirkungen, Ängste, veränderte Lebenspläne junger
Menschen und psychische Störungen.

„Fühlen – Denken – Handeln. Klimakrise und Gesundheit“ – unter diesem
Motto findet am 20. und 21. September 2024 die 25. Jahrestagung der Klinik
und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden statt. Expertinnen und
Experten aus ganz Deutschland tauschen sich dabei über die Auswirkungen
von extremen Wetterereignissen, dem damit einhergehenden Verlust von
Lebensräumen und einer allgemeinen Unsicherheit über die Zukunft auf die
seelische und körperliche Gesundheit aus. „Die unmittelbaren
gesundheitlichen Auswirkungen sind ein oft übersehener Aspekt der
Klimakrise“, sagt Klinikdirektorin Prof. Kerstin Weidner, „Wir müssen
verstehen, dass die Auswirkungen der Klimakrise nicht nur physischer Natur
sind, sondern auch unsere Psyche stark belasten können.“ „Es liegt in der
Verantwortung der Hochschulmedizin Dresden, aktuelle Krankheitsbilder auch
immer vor dem Hintergrund von gesellschaftlichen und globalen
Entwicklungen zu betrachten. Deshalb ist es entscheidend, dass wir den
Klimawandel und seine Folgen auch auf die seelische Gesundheit in den
Mittelpunkt unserer Diskussionen rücken“, sagt Prof. Michael Albrecht,
Medizinischer Vorstand am Uniklinikum Dresden.

Die Klimakrise ist nicht nur eine Herausforderung für die Umwelt, sie hat
auch tiefgreifende Auswirkungen auf die körperliche und seelische
Gesundheit der Menschen. Um diese wichtigen Themen zu beleuchten, findet
vom 20. bis 21. September 2024 in Dresden die 25. Jahrestagung der Klinik
und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik am
Universitätsklinikum Dresden mit dem Titel „Fühlen – Denken – Handeln.
Klimakrise und Gesundheit“ statt. Expertinnen und Experten aus
verschiedenen Disziplinen werden sich mit den körperlichen und seelischen
Auswirkungen der Klimakrise auseinandersetzen und Lösungsansätze
diskutieren. Dabei sind sich die Organisatorinnen und Organisatoren einig:
Die Klimakrise führt nicht nur zu extremen Wetterereignissen und dem damit
einhergehenden Verlust von Lebensräumen. Sie ist Auslöser für eine
allgemeine Unsicherheit über die Zukunft. „Diese Veränderungen können zu
unmittelbaren körperlichen Problemen, Ängsten, Depressionen und anderen
psychischen Erkrankungen führen. Die Konferenz zielt darauf ab, das
Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schärfen und die Notwendigkeit
einer integrativen Betrachtung von Umwelt- und Gesundheitsfragen zu
betonen“, sagt Prof. Kerstin Weidner, Direktorin der Klinik und Poliklinik
für Psychotherapie und Psychosomatik am Uniklinikum Dresden.

Junge Menschen sind in diesem Zusammenhang besonders gefährdet. Sie zählen
zu den vulnerablen Gruppen, die besonders vom Klimawandel und seinen
Folgen betroffen sind. Kinder und Jugendliche sind geboren in der
Klimakrise und zeigen verschiedenste Reaktionen darauf. 85 Prozent der
sechs bis 19-Jährigen, die vom Klimawandel wissen, sind überzeugt, dass
der Klimawandel sie betreffen wird. Es entwickeln sich unter anderem
Sorgen, Empörung, Verzweiflung, Trauer und Klimaangst. Während diese
Klimagefühle durchaus angemessene Reaktionen auf potentielle Konsequenzen
des Klimawandels sind, so stellt sich die Frage, ab wann die
Auseinandersetzung mit der Klimakrise zu starkem Leidensdruck führt und
behandlungsrelevant wird.

Fühlen –Denken –Handeln. Klimakrise und Gesundheit

Themen der Jahrestagung sind unter anderem:

•       Klimakrise, emotionale Krise: Psychische Herausforderungen im
Umgang mit der Klimakrise
•       Zukunftsängste bei Kindern und Jugendlichen – welchen Stellenwert
hat die Klimakrise?
•       Planetare Gesundheit – die Klimakrise und psychologische
Hindernisse verstehen
•       Auswirkungen der Klimakrise auf die körperliche und seelische
Gesundheit und: was jetzt zu tun ist!

Die Jahrestagung bietet Vorträge von Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen
und Psychologen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die ihre
Erkenntnisse und Erfahrungen teilen. Darüber lernen die Teilnehmenden in
Workshops Strategien zur Bewältigung der psychischen Belastungen, die
durch die Klimakrise hervorgerufen werden -anwendbar im eigenen
praktischen Umfeld. Die Tagung richtet sich an Fachleute aus den Bereichen
Medizin, Psychologie, Umweltwissenschaften, Gesundheitswesen sowie an alle
Interessierte, die mehr über die Verbindung zwischen Klimawandel und
Gesundheit erfahren möchten.

Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es auf der
Website unter: www.ukdd.de/pso-jahrestagung

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Nephrologen fordern Basisscreening auf Nierengesundheit für alle

Mit 2 einfachen Tests aus Blut- und Urinproben könnte eine chronische
Nierenkrankheit (CKD) frühzeitig erkannt werden. Dies gewinnt zunehmend an
Bedeutung, da seit Kurzem mehrere neue Medikamente das Fortschreiten der
CKD wirksam aufhalten können. Die derzeitigen Check-up-Untersuchungen in
Deutschland erfassen diese Parameter jedoch nur unzureichend oder gar
nicht. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass selbst bei Vorliegen von
Hochrisikofaktoren für eine CKD – wie etwa ein Typ-2-Diabetes oder
Bluthochdruck – häufig keine Bestimmung der Albuminausscheidung im Urin
und der sogenannten geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) im
Blut erfolgt (1).

Um die Chancen einer frühzeitigen Diagnose und Therapie dieser
volkswirtschaftlich bedeutsamen Erkrankung zu nutzen, fordert die Deutsche
Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN) im Vorfeld ihrer 16.
Jahrestagung die Verankerung dieser kostengünstigen Untersuchungen in der
hausärztlichen und internistischen Versorgung. Die Tagung findet vom 26.
bis 29. September 2024 in Berlin (ECC) statt. CKD und Nierenscreenings
stehen auch auf der Agenda der hybriden Pressekonferenz am Freitag, 27.
September 2024, von 11:45 bis 13:00 Uhr.

Den Link zur Pressemitteilung finden Sie hier:
https:/www.dgfn.eu/pressemeldung/neue-therapien-koennen-fortschreiten-der-
ckd-verhindern.html


In Deutschland leiden mehr als 10 Millionen Menschen an CKD. Dabei handelt
es sich um eine schwere und irreversible Erkrankung, die zu einem
fortschreitenden Verlust der Nierenfunktion führt. Im Endstadium sind die
Betroffenen auf eine regelmäßige Blutreinigung durch Dialyse oder eine
Nierentransplantation angewiesen. Darüber hinaus steigt mit abnehmender
Nierenfunktion das kardiovaskuläre Risiko stark an, also die
Wahrscheinlichkeit, etwa einen Herzinfarkt zu erleiden (2). Diabetes
mellitus und Bluthochdruck sind gleichzeitig die Hauptauslöser für eine
CKD. Viele Betroffene wissen jedoch nichts von ihrer Erkrankung, auch weil
bis zu 90 Prozent des Nierenfunktionsverlustes ohne Symptome verlaufen
können. Gleichzeitig ist die CKD trotz bekannter Risikofaktoren oft
dramatisch unterdiagnostiziert, eine leitliniengerechte Labordiagnostik
wird in deutschen Hausarztpraxen nicht ausreichend durchgeführt. Dies
belegt die jetzt veröffentlichte InspeCKD-Studie (1).

„Das ist tragisch, denn seit einigen Jahren stehen endlich wirksame
Medikamente zur Verfügung, mit denen wir das Fortschreiten der CKD vor
allem auch in frühen Stadien verzögern oder sogar stoppen können“, sagt
Professor Dr. med. Julia Weinmann-Menke, Sprecherin der DGfN und
Direktorin der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und
Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum Mainz. „Dazu müssen
wir die CKD aber rechtzeitig diagnostizieren.“

Die neuen Therapieoptionen schützen auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Mit den SGLT-2-Hemmern für alle Menschen mit CKD, den nicht-steroidalen
Mineralkortikoid-Rezeptor-Antagonisten für Diabetikerinnen und Diabetiker
mit CKD und mit der bevorstehenden Zulassung der GLP-1-Rezeptor-Agonisten
für CKD bei Typ-2-Diabetes stehen erstmals Therapieoptionen zur Verfügung,
die den Nierenfunktionsverlust verlangsamen (3, 4, 5, 6). „Mit diesen
Behandlungen kann auch die Prognose der Betroffenen für Herz-Kreislauf-
Erkrankungen verbessert werden“, sagt Weinmann-Menke. Denn beide
Erkrankungen hängen zusammen.

Albumin im Urin ist das erste Anzeichen für eine Nierenschädigung
Zur Diagnose einer CKD reicht die Kombination eines einfachen Bluttests
mit einem Urintest, bei dem die eGFR und die Proteinwerte im Urin bestimmt
werden. Die eGFR kann aus dem Kreatininwert im Blut einfach rechnerisch
ermittelt, „geschätzt/estimated“ werden. Doch die Nephrologin betont:
„Durch den Nachweis von Albumin im Urin ist es möglich, die Diagnose einer
CKD viel früher zu stellen als durch die alleinige Betrachtung der eGFR,
denn es ist häufig das erste Anzeichen für eine Schädigung der
Nierengefäße.“

Selbst Risikopatienten erhalten oft kein Nierenscreening
Neben einer Vielzahl internationaler Studien zeigte zuletzt die InspeCKD-
Studie auch für Deutschland: Nur bei 45,5 Prozent der Risikopatientinnen
und -patienten wurde der eGFR-Wert in der Hausarztpraxis bestimmt. Eine
Albuminbestimmung mit Teststreifen erhielten sogar nur 7,9 Prozent der
Patientinnen und Patienten und die UACR (quantitative Bestimmung der
Albuminausscheidung im Urin) wurde nur bei 0,4 Prozent der Betroffenen
bestimmt.

Für Gesundheitschecks von Nicht-Risikogruppen sind Urinteststreifen ein
guter erster Marker
Für die routinemäßige Früherkennung bei Nicht-Risikogruppen können
spezielle Urinteststreifen als Screening eingesetzt werden. Präziser ist
jedoch der sogenannte Albumin-Kreatinin-Quotient (UACR = Urin-Albumin-
Kreatinin-Ratio). Er errechnet sich aus der Albumin- und der
Kreatininmenge im Urin.

Neue Leitlinie empfiehlt Screening bei Diabetes und Herz-Kreislauf-
Erkrankungen
Wer sollte nun auf CKD untersucht werden? In der zuletzt aktualisierten
internationalen Leitlinie KDIGO ist nun die Empfehlung enthalten,
bestimmte Risikopersonen auf eine Nierenerkrankung zu untersuchen (7).
„Dazu gehören vor allem Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Adipositas, bekannte Nierenkrankheiten in der Familie, vorausgegangene
Nierenschädigung“, so Weinmann-Menke.

DGfN befürwortet Screening für alle und Aufnahme ins GHG
Die Aufnahme von Nierenerkrankungen in das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) wäre
ein entscheidender Schritt, um die Früherkennung zu verbessern,
Herzinfarkte und Schlaganfälle zu reduzieren und langfristig die
Gesundheitskosten zu senken", sagt Weinmann-Menke. Bisher sind die Nieren
im GHG jedoch nicht berücksichtigt, obwohl die DGfN über Stellungnahmen,
Teilnahme an der Anhörung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und
mediale Beiträge intensiv auf das kritische Fehlen der CKD im GHG
hingewiesen hat. Und die Nephrologin geht noch einen Schritt weiter: „Da
wir nicht genug betonen können, wie wichtig die Früherkennung von CKD ist,
plädieren wir für ein grundsätzliches Screening im Rahmen der von den
gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Gesundheitsuntersuchungen ab dem 35.
Lebensjahr.“

Weniger Dialysen durch frühes Nierenscreening
Eine Prognose zur Entwicklung der häufigsten Todesursachen aus dem Jahr
2018 zeigt, dass CKD zwischen 2016 und 2040 von der 16. auf die 5.
häufigste Todesursache vorrücken könnte (8). „Wenn es gelingt, regelmäßige
Früherkennungsuntersuchungen einzuführen, die Patientinnen und Patienten
über ein Disease-Management-Programm (DMP) zu begleiten und die
medikamentösen Optionen zu nutzen, ist davon auszugehen, dass es in
Zukunft weniger Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener CKD und
damit weniger Dialysen, Bluthochdruck, Schlaganfälle und weniger
Herzinfarkte geben wird“, sagt Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin
der DGfN. Weitere und genauere Daten darüber, wie und in welchem Ausmaß
Maßnahmen zur Erkennung, Risikostratifizierung und Behandlung von CKD die
gesundheitlichen Ergebnisse verbessern würde, könne ein Deutsches Zentrum
für Nierengesundheit erheben, so Helmbold weiter. „Auch deshalb setzen wir
uns für seine Gründung ein.“

Der neueste Stand zu CKD von Diagnose bis Therapie ist Gegenstand der 16.
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie sowie der im
Rahmen des Kongresses hybrid durchgeführten Pressekonferenz am Freitag,
27. September 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr.

Quellen:

(1)     Wanner, C., Schaeffner, E., Frese, T. et al. InspeCKD - Analyse
zur Nutzung von Labordiagnostik im Kontext der chronischen
Nierenerkrankung. MMW Fortschr Med 166 (Suppl 4), 9–17 (2024).
https://doi.org/10.1007/s15006-024-3684-y
(2)     Colombijn JMT, Idema DL, van Beem S, et al. Representation of
Patients With Chronic Kidney Disease in Clinical Trials of Cardiovascular
Disease Medications: A Systematic Review. JAMA Netw Open.
2024;7(3):e240427. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.0427
(3)     Mann, J.F.E., Rossing, P., Bakris, G. et al. Effects of
semaglutide with and without concomitant SGLT2 inhibitor use in
participants with type 2 diabetes and chronic kidney disease in the FLOW
trial. Nat Med (2024). https://doi.org/10.1038/s41591-024-03133-0
(4)     Hiddo J.L. Heerspink, Ph.D., Bergur V. Stefánsson, M.D., Ricardo
Correa-Rotter, M.D., Glenn M. Chertow, M.D., Tom Greene, Ph.D., Fan-Fan
Hou, M.D., Johannes F.E. Mann, M.D., et al. Dapagliflozin in Patients with
Chronic Kidney Disease. N Engl J Med 2020;383:1436-1446, VOL. 383 NO. 15.
doi: 10.1056/NEJMoa2024816
(5)     The EMPA-KIDNEY Collaborative Group. Empagliflozin in Patients
with Chronic Kidney Disease. N Engl J Med 2023;388:117-127, VOL. 388 NO.
2. doi: 10.1056/NEJMoa2204233
(6)     Agarwal, Rajiv, Filippatos, Gerasimos, Pitt, Bertram et al.
Cardiovascular and kidney outcomes with finerenone in patients with type 2
diabetes and chronic kidney disease: the FIDELITY pooled analysis. Eur
Heart J. 2022 Feb 10;43(6):474-484. doi: 10.1093/eurheartj/ehab777.
(7)     KDIGO-Leitlinien-Update Clinical Practice Guideline for the
Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease, Volume 105, Issue 4S,
April 2024. https://kdigo.org/wp-content/uploads/2024/03/KDIGO-2024-CKD-
Guideline.pdf

(8)     Foreman KJ, Marquez N, Dolgert A, Fukutaki K, Fullman N, McGaughey
M, et al. Forecasting life expectancy, years of life lost, and all-cause
and cause-specific mortality for 250 causes of death: reference and
alternative scenarios for 2016-40 for 195 countries and territories.
Lancet. 2018;392(10159):2052-90

Interessenkonflikte:

Professor Weinmann-Menke hat Vortragshonorare von Astra Zeneca, Norvartis,
Chiesi, GSK, Boehringer-Ingelheim, Miltenyi, Bayer-Vifor, Fresenius und
Otsuka erhalten.

Terminhinweise:

16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN)
Motto: „Neue Nephrologie“

Termin: 26. bis 29. September 2024
Ort: ECC Berlin (Estrel Congress Center)
Adresse: Sonnenallee 225, 12057 Berlin
http://www.nephrologie-kongress.de

Hybride Pressekonferenz
Termin: Freitag, 27. September 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr
Ort: ECC Berlin (Estrel Congress Center), Raum X
Anmeldelink:
https://us06web.zoom.us/j/88298093213?pwd=5bXwkSwZDRvHggQgFTGlKylb5q57d9.1

Ausgewählte Sitzungen zu CKD auf der 16. Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Nephrologie e. V.

Chronische Nierenkrankheit (CKD) – Therapie
Termin: Freitag, 27. September, 11:00 bis 12:15 Uhr
Ort: ECC, Saal A
•       Ergebnisse zu renalen Endpunkten der FLOW- und SELECT-Studien
•       Wirkung der SGLT2-Inhibition auf die Körperzusammensetzung –
erklärt das den Nutzen?
•       Inflammation – neues therapeutisches Target bei CKD
•       KDIGO: CKD Evaluation and Management 2024
Link: https://www.nephrologie-kongress.de/index/programm/sitzung/ckd-
therapie.html


Altersübergreifende Therapie der chronischen Nierenkrankheit (CKD)
Termin: Freitag, 27. September, 16:30 bis 17:45 Uhr
Ort: ECC, Raum IV
•       CKD: Diagnosesicherung und Progressionshemmung bei Kindern und
Jugendlichen
•       Einfluss der primären Nierenerkrankung auf die Effekte von
Empagliflozin in Patienten mit chronischer Nierenerkrankung:
Sekundäranalyse der EMPA-KIDNEY
•       Altersübergreifende Leitlinien: Chancen und Limitationen
•       Therapie der CKD im hohen Alter
Link: https://www.nephrologie-kongress.de/index/programm/sitzung/alters%C3
%BCbergreifende-therapie-der-ckd.html


Chronische Nierenkrankheit (CKD) – Versorgung
Termin: Sonntag, 29. September, 8:15 bis 9:30 Uhr
Ort: ECC, Raum II
•       Versorgungskonzepte bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes
und Nierenerkrankungen
•       Die InspeCKD-Studie – Die chronische Nierenkrankheit in deutschen
Hausarztpraxen: Prävalenz, Diagnose und medikamentöse Therapie bei
Risikopatient:innen
•       Disease Management Programm Niere
•       ATLAS-CKD – Aktuelle Epidemiologie und Gesundheitskennzahlen von
CKD-Patient:innen in Deutschland
Link: https://www.nephrologie-kongress.de/index/programm/sitzung/ckd-
versorgung.html


Chronische Niereninsuffizienz I
Termin: Sonntag, 29. September, 8:15 bis 9:30 Uhr
Ort: ECC, Raum II
•       Glomerulonephritiden
•       Knochen- und Mineralstoffwechsel
•       Management Nephroprotektion
Link: https://www.nephrologie-kongress.de/index/programm/sitzung
/chronische-niereninsuffizienz-i.html

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Leinen los: Mit innovativer Therapie die Autoimmunerkrankung hinter sich lassen

FAU-Forschungsteam gelingt ein entscheidender Durchbruch

Unter dem Motto „Lichtet den Anker und segelt der Erkrankung davon!“ hat
ein Team der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie
(Direktor: Prof. Dr. Georg Schett) im Deutschen Zentrum für Immuntherapie
im Uniklinikum Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (FAU) ein innovatives Behandlungskonzept für
Autoimmunerkrankungen gefunden. Erstmals wurde eine Methode entwickelt,
die den „Anker“ löst, der Patient/-innen bisher in ihrer Erkrankung
festhält und herkömmliche Therapien ineffektiv macht. Die Ergebnisse
wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of
Medicine veröffentlicht*.

„Es bringt nichts, Volldampf zu geben oder alle Segel zu setzen, wenn der
Anker nicht gelichtet ist“, erklärt Prof. Georg Schett, Direktor der
Medizinischen Klinik 3. „So kommen viele Patientinnen und Patienten mit
Autoimmunerkrankungen nicht weiter, weil Therapien wie Kortison und andere
Immuntherapien keine Linderung verschaffen.“ Dieses Gefühl des
Feststeckens ist für viele Betroffene zermürbend, sowohl aufgrund der
anhaltenden Symptome als auch wegen der fehlenden Hoffnung auf Besserung.

Das Forschungsteam konnte jedoch im Rahmen einer klinischen Studie einen
entscheidenden Durchbruch erzielen. „Wir haben einen dieser Anker
identifiziert und es geschafft, ihn zu lichten“, berichtet Prof. Dr.
Ricardo Grieshaber-Bouyer, der Leiter der Studie. Im Fokus standen
Patient/-innen mit schweren Autoimmunerkrankungen, bei denen bisher keine
Therapie Erfolge zeigte. Dazu gehörten Erkrankungen wie rheumatoide
Arthritis, autoimmune Muskelentzündung, systemische Sklerose sowie das
Sjögren-Syndrom, bei dem die Tränen- und Speicheldrüsen durch Entzündungen
geschädigt werden.

Die Forschungen ergaben, dass die Erkrankung tief in einer Art von
Immunzellen – den Plasmazellen – verankert ist, die sich mit herkömmlichen
Methoden schwer neutralisieren lassen. Um diesen „Anker“ zu lösen,
entwickelten die Wissenschaftler/-innen einen speziellen Ansatz. Sie
setzten ein Medikament ein, das wie ein „Engager“ wirkt und die
körpereigenen Immunzellen aktiviert, um die krankhaften Plasmazellen zu
erkennen und zu zerstören. „Der Effekt war verblüffend“, berichtet Dr.
Melanie Hagen, Erstautorin der Studie. „Nach der Behandlung verbesserte
sich der Zustand der Patienten rasch.“
Mit diesem neuen Ansatz eröffnen sich vielversprechende Perspektiven für
Patientinnen und Patienten, die an schweren Autoimmunerkrankungen leiden.
Die Methode ergänzt zudem die bereits am Uniklinikum Erlangen erprobte
CAR-T-Zelltherapie und erweitert das Spektrum innovativer
Behandlungsansätze.

Die Studie wurde am Deutschen Zentrums für Immuntherapie durchgeführt, das
sich auf die Erforschung neuer Behandlungswege für Autoimmun- und
chronisch-entzündlicher Erkrankungen spezialisiert hat.

* www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc2408786

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