Neuer Test verbessert Diagnose von Allergien
Forschende der Universität Bern und des Inselspitals, Universitätsspital
Bern, haben einen Test entwickelt, der die Diagnose von Allergien
vereinfachen soll. Dessen Wirksamkeit wurde nun mit klinischen Proben von
Kindern und Jugendlichen, die an einer Erdnussallergie leiden, bestätigt.
Die Ergebnisse könnten die klinische Diagnostik von Allergien künftig
grundlegend verbessern.
Nahrungsmittelallergien stellen weltweit ein bedeutendes
Gesundheitsproblem dar. In einigen Ländern sind bis zu 10% der Bevölkerung
betroffen, in erster Linie Kleinkinder. Insbesondere die Erdnussallergie
gehört zu den häufigsten Erkrankungen und äussert sich oft in schweren,
potenziell lebensbedrohlichen Reaktionen. Die Belastung durch
Nahrungsmittelallergien wirkt sich nicht nur auf die betroffenen Personen
aus, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen auf deren Familien, das
Gesundheitssystem und die Lebensmittelindustrie. Der orale
Provokationstest, bei dem die Betroffenen das Allergen (z. B.
Erdnussextrakt) unter Aufsicht einnehmen, um die allergische Reaktion zu
testen, gilt nach wie vor als der Goldstandard in der Diagnostik. Die
Methode ist jedoch aufwändig und birgt gesundheitliche Risiken. Auch der
Allergen-Prick-Hauttest und der Bluttest sind oftmals nicht sehr genau,
was zu Fehldiagnosen und unnötiger Nahrungsmittelvermeidung führen kann.
Ein Team von Forschenden unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Eggel
vom Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und der
Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie, Inselspital,
Universitätsspital Bern, und Prof. Dr. Thomas Kaufmann vom Institut für
Pharmakologie der Universität Bern, hat 2022 einen alternativen Test
entwickelt. Dieser ahmt die allergische Reaktion im Reagenzglas nach und
bietet somit eine attraktive Alternative zu gängigen Tests. In einer
klinischen Studie haben die Berner Forschenden in Zusammenarbeit mit
Partnern vom Hospital for Sick Kids in Toronto, Kanada nun die Wirksamkeit
des Tests an Proben von Kindern und Jugendlichen mit bestätigter Erdnuss-
Allergie und einer gesunden Kontrollgruppe geprüft. Sie konnten zeigen,
dass der neue Test eine höhere diagnostische Genauigkeit hat als die
bisher verwendeten Methoden. Die Studie wurde jüngst im European Journal
for Allergy and Clinical Immunology (Allergy) publiziert.
Mastzellaktivierungstest als geeignete Alternative
«Die häufigsten Nahrungsmittelallergien gehören zu den Typ I Allergien.
Sie entstehen, wenn der Körper als Reaktion auf eigentlich harmlose Stoffe
(Allergene), Antikörper der Klasse Immunglobulin E (IgE) bildet», erklärt
Alexander Eggel. Diese Antikörper binden an spezifische Rezeptoren auf den
sogenannten Mastzellen. Dabei handelt es sich um spezialisierte Zellen des
Immunsystems, die eine wichtige Rolle bei allergischen Reaktionen und
Entzündungen spielen. Sie befinden sich hauptsächlich im Gewebe, etwa in
der Darmschleimhaut, und werden durch die Bindung der Antikörper auf das
Allergen vorbereitet und sensibilisiert. Bei erneutem Kontakt mit dem
Allergen bindet dieses direkt an die mit Antikörpern beladenen Mastzellen,
wodurch diese aktiviert werden und eine allergische Reaktion auslösen.
«Bei dem von uns entwickelten Hoxb8 Mastzellaktivierungstest (Hoxb8 MAT),
werden im Labor gezüchtete Mastzellen mit Blutserum von Allergikerinnen
und Allergikern in Kontakt gebracht. Die Mastzellen binden die IgE
Antikörper aus dem Serum und werden dadurch sensibilisiert. Anschliessend
können wir die Mastzellen mit verschiedenen Mengen der zu testenden
Allergene stimulieren» so Eggel. Die Quantifizierung der aktivierten
Mastzellen lässt darauf schliessen, wie allergisch ein Patient oder eine
Patientin auf das getestete Allergen ist, ohne dass er oder sie das
Nahrungsmittel einnehmen muss.
Höhere diagnostische Genauigkeit als gängige Tests
Für die Studie wurden Serumproben von insgesamt 112 Kindern und
Jugendlichen verwendet, die bereits an einer Studie in Kanada teilgenommen
hatten und für die eindeutige diagnostische Daten über ihren
Erdnussallergiestatus vorlagen. Die im Labor gezüchteten Mastzellen wurden
mit deren Serum sensibilisiert und anschliessend mit Erdnussextrakt
stimuliert. «Der zellbasierte Test war einfach durchzuführen und hat
einwandfrei funktioniert. Innert zwei Tagen waren alle Proben gemessen,
was sehr schnell war», sagt Thomas Kaufmann. Die Ergebnisse zeigten, dass
sehr viele Seren der Allergiker und Allergikerinnen eine Allergendosis-
abhängige Aktivierung aufwiesen, während fast alle Proben der nicht
allergischen Kontrollen die Mastzellen nicht aktivierten. «Aus diesen
Daten konnte eine aussergewöhnlich hohe diagnostische Genauigkeit von 95%
berechnet werden», ergänzt Eggel.
Zudem wurden die in der Studie gemessenen Daten im direkten Vergleich mit
anderen, in der Klinik etablierten, diagnostischen Methoden analysiert.
Dabei stellte sich heraus, dass der Hoxb8 MAT Test eine merklich höhere
Genauigkeit aufwies als die gängige Messung von Allergen-spezifischen IgE-
Antikörpern im Blut oder der oft angewandte Hauttest. «Der Quervergleich
mit anderen klinischen Tests war enorm wichtig, um herauszufinden welcher
von diesen die allergische Reaktion der Betroffenen am verlässlichsten
abbildet. Der neue Mastzellaktivierungstest hat den Vorteil, dass er
funktionell ist und dadurch viele Parameter, die für die Auslösung der
Allergie wichtig sind, mit einbezieht», sagt Thomas Kaufmann und fügt an:
«Der neue Test basiert zudem auf stabilem Blutserum, das mittels einfacher
Blutentnahme abgenommen und anschliessend im Gefrierschrank aufbewahrt
werden kann. Dadurch fallen herausfordernde logistische Hürden, wie sie
bei anderen Methoden auftreten, weg.» Die Studie konnte zudem zeigen, dass
der Hoxb8 MAT Test zu weniger falsch negativen Resultaten führt.
«Was in dieser Studie für die Diagnose von Erdnuss-Allergien gezeigt
wurde, kann auf einfache Art und Weise auch auf andere Allergien angewandt
werden. Die Technologie ist ein perfektes Beispiel, wie
Grundlagenforschung aus der Universität Bern zur klinischen Anwendung
gebracht werden kann, und schlussendlich Patientinnen und Patienten,
Ärztinnen und Ärzten das Leben vereinfachen könnte», sagt Eggel
abschliessend.
Zertifizierung des Tests durch spinoff Firma
Die beteiligten Forscher der Universität Bern haben die Technologie und
Methodik des HoxB8 MAT 2022 patentieren lassen. Anschliessend gründeten
Noemi Bachmeier-Zbären, Erstautorin der aktuellen Studie, Thomas Kaufmann
und Alexander Eggel zusammen mit dem emeritierten Harvard-Professor Jean-
Pierre Kinet, die in Bern ansässige spinoff Firma ATANIS Biotech AG. Für
ihre Geschäftsidee wurde das spinoff mit dem Stage Up-Award 2022
ausgezeichnet. ATANIS will den neuen Allergietest zertifizieren und
weltweit auf den Markt bringen. Die Firma, die mittlerweile über 20
Angestellte beschäftigt, hat zum Ziel, die Allergiediagnostik weltweit zu
revolutionieren.
Department for BioMedical Research (DBMR)
Das Department for BioMedical Research (DBMR) der Medizinischen Fakultät
der Universität Bern wurde 1994 von der Universität Bern und dem
Inselspital, Universitätsspital Bern gegründet. Das DBMR ist in 13
Forschungsprogramme mit rund 100 teilnehmenden Einzellabors und mehreren
unabhängigen Forschungslabors unterteilt, deren Forschung sich über alle
biomedizinischen Bereiche erstreckt. Um die Lücke zwischen Labor und
Krankenbett zu schliessen, fördert das DBMR klinische Forschung mit einem
starken Schwerpunkt auf der Entwicklung translationaler Ansätze, dem
Einsatz von «Omics» und anderen Spitzentechnologien sowie einer
umfassenden Zusammenarbeit zwischen laborgestützter und
patientenorientierter klinischer Forschung. Die DBMR setzt sich auch für
die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein.
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