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Vermischtes

Professor Wahlster als erster Informatiker mit Johannes Gutenberg- Stiftungsprofessur ausgezeichnet

Prof. Wolfgang Wahlster neben der Gutenbergbüste auf dem Forum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz  Stefan F. Sämmer, JGUKünstliche Intelligenz für den Menschen - Digitalisierung mit Verstand:
Die zweite Welle der Digitalisierung auf der Basis maschineller
Intelligenz steht für das Sommersemester 2017 im Mittelpunkt der 18.
Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur. Neben seinem Lehrstuhl für
Informatik an der Universität des Saarlandes und seiner Funktion als
Leiter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz wird
Professor Wolfgang Wahlster im Rahmen der Stiftungsprofessur zehn
Abendveranstaltungen in Mainz gestalten. Wahlster ist seit 2002 als
ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur
eng mit Mainz verbunden.

Die Ehrung als Stiftungsprofessor ist mit einer namentlichen Eintragung in
des Goldene Buch der Stadt Mainz und das Goldene Buch der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz verbunden, die bereits 1477 gegründet und nach
150-jähriger Pause 1946 wiedereröffnet wurde.

Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur waren bisher
Persönlichkeiten wie der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich
Genscher (2002), der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (2004)
oder Karl Kardinal Lehmann (2009) und Wissenschaftler wie der
Quantenphysiker Anton Zeilinger (2006), die Neuropsychologin Angela
Friederici (2010) sowie zuletzt der Biopsychologe Onur Güntürkün (2016).

Nachdem 2016 in der Vortragsreihe die menschliche Intelligenz im Mittel-
punkt stand, werden sich die Vorlesungen im Sommersemester 2017 auf die
Chancen und Risiken maschineller Intelligenz konzentrieren. Künstliche
Intelligenz (kurz KI) realisiert intelligentes Verhalten und die
zugrundeliegenden Fähigkeiten auf Computern. In zehn Abendvorträgen,
beginnend am 2. Mai, werden immer dienstags ab 18:15 aktuelle Fragen der
Künstlichen Intelligenz beantwortet: Wie können Maschinen lernen? Wie ist
Sprachverstehen durch Computer möglich? Können Computer auch menschliche
Emotionen verstehen? Wie können Menschen und Roboter im Team
zusammenarbeiten? Welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz in
Industrie 4.0, der vierten industriellen Revolution? Wie werden autonome
Autos, Züge und Schiffe die Mobilität der Zukunft sicherer machen?

Diese interdisziplinären Themen liegen einerseits an der Schnittstelle
zwischen Informatik und geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen
wie Linguistik, Psychologie, oder Medienwissenschaft. Anderseits werden
viele Schnittstellen zwischen Künstlicher Intelligenz und technik-
wissenschaftlichen Fächern wie Maschinenbau, Gebäudeautomatisierung oder
Automobiltechnik behandelt werden.

KI ist heute im Alltag angekommen: ob wir auf dem Smartphone
Sprachassistenzsysteme nutzen, um ein Restaurant in der Nähe zu finden,
eine koreanische Webseite automatisch auf Deutsch übersetzen lassen, in
unserem Fahrzeug Autopilotfunktionen aktivieren oder ob der Versuch einer
betrügerischen Nutzung unserer Kreditkartendaten vereitelt wird, immer
steckt KI dahinter. Das Forschungsfeld versteht sich als Avantgarde der
Informatik, da mit KI immer die aktuellen Grenzen der Digitalisierbarkeit
ausgelotet und überwunden werden sollen. Aber für uns in Deutschland ist
KI nicht nur als persönlicher digitaler Assistent wichtig, sondern
entscheidend, um die nächste Stufe der Digitalisierung unserer Wirtschaft
zu erreichen. Die Mensch-Technik-Interaktion kann durch die Einbettung von
KI in unsere technisierte Umwelt so gestaltet werden, dass sich der Mensch
nicht länger der Technik anpassen muss, sondern sich die Technik dem
Menschen individuell anpassen kann.

Gemeinsam mit international bekannten Wissenschaftlern wird Wahlster
aktuelle, brisante und kontroverse Fragen der digitalen Transformation
erörtern. Denn der Erfolg von Technologien der KI wirft eine Vielzahl
ethischer, philosophischer, juristischer und sozialer Fragen auf, die
frühzeitig in der Gesellschaft diskutiert werden müssen, um das Gefühl des
Kontrollverlustes und damit Akzeptanzprobleme zu vermeiden.

Wolfgang Wahlster hat einen Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz an der
Universität des Saarlandes inne und leitet als Vorsitzender der Geschäfts-
führung mit dem 1988 gegründeten Deutschen Forschungszentrum für
Künstliche Intelligenz die weltweit größte Forschungseinrichtung auf
diesem Gebiet mit über 800 Wissenschaftlern in Saarbrücken,
Kaiserslautern, Bremen und Berlin. Seine Forschungen zur KI wurden
vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Zukunftspreis des Bundes-präsidenten,
mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse und drei Ehren-doktorwürden. Er
war Präsident des Weltverbandes für KI mit Sitz in Palo Alto sowie des
europäischen KI-Verbandes, Wahlster wurde auf die Wall of Fame als Pionier
der KI und die Hall of Fame der größten  IT-Persönlichkeiten aufgenommen.
Er ist auch Mitglied in der königlich-schwedischen Nobelpreisakademie, der
nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Akademie der
Technikwissenschaften Acatech sowie der Berlin-Brandenburgische Akademie
der Wissenschaften. Als Mitglied von Beratungsgremien der Bundesregierung
wie den Partnern für Innovation und der Forschungsunion hat er
Zukunftsprojekte wie Industrie 4.0, Smart Service Welt und Autonome
Systeme konzipiert. Mit über 70 erfolgreichen Firmenneugründungen leitet
er eines der gründungsaktivsten Forschungszentren und ist in zahlreichen
industriellen Aufsichtsräten und Beiräten tätig.

Über die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur
Aus Anlass des sechshundertsten Geburtstages von Johannes Gutenberg im
Jahr 2000 wurde die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur als
gemeinnützige Stiftung eingerichtet. Die Gastprofessur soll in Forschung
und Lehre neue Akzente setzen, der Öffentlichkeit das Bild einer
lebendigen Wissenschaft vermitteln und zugleich die Auseinandersetzung mit
aktuellen Problemstellungen ermöglichen. Die Stiftungsprofessur ist
Persönlichkeiten vorbehalten, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen
Leistungen oder ihrer Bedeutung im kulturellen und öffentlichen Leben in
der Lage sind, Fachperspektiven zu verbinden und übergreifende Einsichten
zu entwickeln. Die Stiftung finanziert die Stiftungsprofessur aus von
privater Seite gespendeten und gestifteten Mitteln und aus deren Erträgen.

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Aus Teradata Marketing Applications (TMA) wird Mapp Digital

Mapp Digital pixabay©WDnetStudio (CC0 1.0)Der alte Chef wird neuer CEO: Seit September ist es Gewissheit, dass der ehemalige Blue-Hornet-Chef Michael Biwer neuer CEO bei Mapp Digital wird – dem neuen globalen Technologieanbieter für digitales Marketing.

Der alte Chef wird neuer CEO: Seit September ist es Gewissheit, dass der ehemalige Blue-Hornet-Chef Michael Biwer neuer CEO bei Mapp Digital wird – dem neuen globalen Technologieanbieter für digitales Marketing.

„Wir arbeiten bereits an Plänen für die Konsolidierung unserer Software zu einer umfassenden Consumer-Engagement-Plattform, mit der unsere B2B- und B2C-Kunden ihre Kunden im Laufe der Zeit immer besser kennenlernen – vom ersten Kontakt bis zu ihrer Teilnahme am Kundenbindungsprogramm“ – so der bisherige Regional Leader Marketing International bei TMA und designierte Mapp-SVP Rolf Anweiler.

 

 

Ein alter Hase

 

Anweiler ist in der E-Mail-Marketing-Branche eine feste Größe. Er gehörte schon zum Gründungsteam der 1999 in München gegründeten eCircle, die später von Teradata übernommen wurde. Nach eigenem Bekunden steht im Fokus der Mapp-Strategie die Schaffung einer umfassenden Consumer-Engagement-Plattform, mit der B2B- und B2C-Kunden ihre Kunden im Laufe der Zeit immer besser kennenlernen können - vom ersten Kontakt bis zu ihrer Teilnahme am Kundenbindungsprogramm. Kunden-Interaktion auf einer ganz persönlichen Ebene steht denn auch im Zentrum aller Mapp-Bemühungen.

 

Darüber hinaus sollen die Wunschprojekte Predictive Analytics und strategisches Reporting im Rahmen einer ausgeklügelten und speziell entwickelten Technologie endlich Realität werden. Krönender Abschluss einer im Dezember anvisierten ersten Programmphase soll die Implementierung der „NexGen Commerce Segments"-Funktionalität werden, die leistungsstarke, intuitive Segmentierungen möglich machen soll.

 

Anweiler ist denn auch der Wortschöpfer des neuen Firmennamens: Einerseits steckt in der Namensgebung das Wort „map“, das eine Reminiszenz an die alte Landkarte darstellen soll. Sie steht für die langjährige Erfahrung der Mitarbeiter, symbolisiert durch die jahrhundertealte Nutzung der Karte. Andererseits soll „Mapp“ an die Anfangsbuchstaben der Wörter „Marketing“ und „Applications“ erinnern.

 

Die Fusion

 

Die Fusion soll den neuen Player im Online-Marketing zu einem der weltweit größten unabhängigen Technologieanbieter für digitales Marketing machen. Bereits Ende 2015 hatte das internationale WertpapierunternehmenMarlin Equity Partners („Marlin“) den amerikanischen E-Mail-Marketingdienstleister und Anbieter von SaaS-Software Blue Hornet übernommen, dessen Büros nicht nur Heimat der neuen Mapp-Zentrale sind: Auch der neue Mapp-Chef kommt von dort. CEO Michael Biwer stand bislang an der Spitze von Blue Hornet. Dort hatte er eine Expertise in den Bereichen Online-Marketing-Services, Big Data, Marketing und Analytics erworben, nachdem er Group Vice President bei der Acxiom Corporation gewesen war.

 

Digitale Kundenkommunikation in Deutschland 2016

 

Am 9. November hatte Mapp Digital seine Studie „Digitale Kundenkommunikation in Deutschland 2016“ vorgestellt, welche die Auswertung der Aktivitäten von 50 führenden deutschen E-Commerce-Unternehmen in den Sparten E-Mail, Mobile Apps und Social Media zusammenfasst. Vier Wochen lang waren sie gescreent worden. Danach ist die Mail nach wie vor „das Arbeitspferd“ der Onlinebranche. Nahezu alle Befragten erheben E-Mail-Adressen, neun von zehn Unternehmen nutzen das Medium extensiv in der Kundenkommunikation, fast genauso viele mobile optimierte E-Mails. In heutiger Zeit sollten Nachrichten auf allen Devices lesbar sein.

 

Die Studie konnte außerdem ein anhaltendes Grundproblem in der Unternehmenskommunikation aufdecken. Danach bietet nur fast jedes zweite Unternehmen personalisierte Inhalte auf ihrer Webseite, nur 23 Prozent der Unternehmen personalisieren ihre E-Mails und lediglich 19 Prozent nutzen personalisierte Inhalte in ihren Apps.

 

Weitere festgestellte Mankos waren:

 

-          Keine thematisch-saisonale Anpassung der E-Mails in knapp der Hälfte aller Fälle (52 Prozent)

-          Keine Apps zur direkten Ansprache in knapp der Hälfte aller Unternehmen (48 Prozent)

-          Weitgehendes Fehlen von individualitätsstiftenden Präferenz-Centern (86 Prozent

-          Mangelnde Nutzung von direkter Push-Kommunikation (27 Prozent)

 

So zieht Rolf Anweiler ein ernüchterndes Fazit aus den Untersuchungsergebnissen und sieht dringenden Handlungsbedarf angesichts fortschreitender Digitalisierung und individualisierten Marketings. Es sei wichtig, dass die Verbraucher über diverse Online-Kanäle mit den Unternehmen kommunizieren könnten, um Kundenbindung erzielen zu können. Kundenkontakte seien ein wertvolles Wirtschaftsgut, das über fehlende Gewährleistung und Aufrechterhaltung unterschiedlicher digitaler Kanäle nicht verschenkt werden dürfe: „... das ist aus Konsumentensicht ärgerlich, aus Unternehmenssicht fahrlässig, da Umsatz verschenkt wird“.

 

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Auszeichnung „Rede des Jahres 2016“ geht an Bundestagspräsident Norbert Lammert

Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen würdigt besonnene
Rede in politisch turbulenten Zeiten

Die Auszeichnung der „Rede des Jahres“ geht in diesem Jahr an Professor
Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, für seine Rede
zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in der Dresdner Semperoper.
Damit zeichnet das Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität
Tübingen eine besonnene Rede inmitten einer meist stürmisch geführten
politischen Debatte aus.

Lammert steht mit seiner Rede vor einer großen Aufgabe: er soll als hoher
Vertreter des Staates eine Festrede halten, während draußen vor dem Saal
Menschen gegen die Staatsvertreter protestieren. Er soll seine Freude über
die Entwicklung Deutschlands ausdrücken, während draußen dessen Niedergang
beschworen wird. Er soll Lob aussprechen im Augenblick der Kritik. Mit
Ehrlichkeit begegnet er dieser Herausforderung: „Rundum fröhlich ist
Dresden auch in diesem Jahr nicht – und Deutschland auch nicht.“ Diese
Offenheit verschafft ihm Glaubwürdigkeit und zeigt, dass er sich als
Redner aufrichtig mit der politischen Gegenmeinung beschäftigen will.
Bereits diese Einstellung hebt seine Rede in positiver Weise von vielen
der politischen Stimmen des Jahres 2016 ab.

Es gehört zu den großen Stärken seiner Rhetorik, deutliche Worte zu
finden, sich jedoch nicht zu aggressiven Tönen verleiten zu lassen, wenn
er „diejenigen, die heute am lautesten schreien und pfeifen und ihre
erstaunliche Empörung kostenlos zu Markte tragen“ direkt anspricht und an
jene Verantwortung erinnert, die sich aus der deutschen Geschichte ergibt.
Mit Blick auf die Demonstranten vor der Semperoper hält er fest, „Man darf
sogar dagegen sein“, um am Ende doch umso stärker zu resümieren,
Einigkeit, Recht und Freiheit seien mindestens „gleich drei gute Gründe
zum Feiern“.

Lammert versteht es durch die gesamte Rede hindurch, seine politischen
Botschaften für die Hörer konkret zu verdeutlichen, um seine Rede nicht zu
einem der oft gesehenen Schauplätze politischer Allgemeinheiten zu machen.
Dies gelingt ihm, indem er beispielsweise den stilistischen Kunstgriff der
Erzählung wählt. Die Entstehung des Schriftzuges „Dem Deutschen Volke“ am
Reichstagsgebäude, verbindet er in seiner Nacherzählung mit dem bewegenden
Einzelschicksal des Widerstandskämpfers Erich Gloeden, der dem Terror des
NS-Regimes zum Opfer fiel. Damit wird der abstrakte Gedanke, die
Volksvertreter mögen dem Deutschen Volke dienen, emotional aufgeladen und
die Notwendigkeit dieser politischen Forderung auf eindringliche Weise vor
Augen geführt. Hierzu trägt der gekonnte Wechsel unterschiedlicher
stilistischer Ebenen bei: Lammert schildert die Situation des zum
Christentum konvertierten Gloeden, der sich in seinem Land sicher gefühlt
habe „- zu sicher“, wie Lammert anfügt. Die so erzeugte Spannung der
Erzählung kontrastiert stilistisch geschickt mit der schockierend
nüchternen Aufzählung der Fakten: „Gloedens Frau, seine Schwiegermutter
und er selbst wurden im November 1944 in Plötzensee durch das Fallbeil
getötet.“ Doch Lammert bleibt nicht einfach bei der historischen
Betrachtung stehen, sondern führt sie wieder zurück zu der drängenden
Frage der Gegenwart – wer und was darf heute als deutsch gelten, und wer
ist eigentlich jenes deutsche Volk, für das sich noch heute die
Parlamentarier unter dem Reichstagsschriftzug versammeln? Dass er diese
unbequeme Thematik explizit anspricht, macht seine Rede mutig und
engagiert.

Zugleich beweist Lammert besonderes Geschick, seine Zuhörer zu
überraschen, ohne durch diese Effekte den Ernst der Thematik zu übertönen:
Das lange Zitat eines Flüchtlingsberichts, der klingt wie die Flucht einer
Frau aus dem Nahen Osten über das Mittelmeer, entpuppt sich als Bericht
einer Kriegsflüchtigen des zweiten Weltkrieges. Doch dieser Spannungsbogen
steht ganz im Dienst des eigentlichen Anliegens Lammerts: Damals wie
heute, so seine Botschaft, ist die Idee einer staatlichen Einheit in
Frieden in vielen Teilen der Welt bedroht. Und der anschließende
Flüchtlingsbericht einer jungen Frau aus Syrien verdeutlicht, wie groß die
Verantwortung Deutschlands ist, sich vor diesen Dramen nicht zu
verschließen. Diesen dramaturgisch gekonnten Redeaufbau nutzt Lammert
erneut, um sein Anliegen zum Festtag hervorzubringen: „Dieser Staat,
dessen Einheit wir heute feiern, unsere Gesellschaft, kann und will
Möglichkeiten eröffnen, ein Leben in Frieden und Freiheit zu führen.“

Dabei gehört es zur besonderen Charakteristik der Rede, dass sich Lammert
als Redner auch selbst von Emotionen bewegen lässt, etwa, wenn er von der
Bombardierung des letzten Krankenhauses in Aleppo berichtet. Er steht
durch seine persönliche Ergriffenheit für die Integrität seiner Worte,
wirkt wohlwollend und klug, energisch und charmant. Nicht zuletzt dieser
Umstand trug zu dem großen Medienecho bei, welches auf die Rede folgte.
Damit wird sie zu einem bemerkenswerten Dokument politischer Rhetorik in
einem Jahr, welches in vielerlei Hinsicht von öffentlicher Rede und
Gegenrede geprägt war. Im Gegensatz zum herrschenden Ton des Diskurses
rund um Einheit und Spaltung Deutschlands in den vergangenen Monaten,
setzt Lammert ein Zeichen für die überlegte Rede, die den schrillen
Auftritt vermeidet und auf die Stärken der demokratischen Gegenwart setzt.
Denn Deutschland ist „sicher nicht perfekt, aber gewiss in besserer
Verfassung als jemals zuvor.“

Zu der herausragenden rednerischen Qualität Lammerts zählt auch die
Verbindung seines ruhigen und gefassten Vortragsstils mit einer deutlichen
und kraftvollen Sprache am Ende der Rede: „Vieles ist uns gelungen,
manches offenbar besser als anderen“ – mit diesen markanten Worten kann er
seinen Stolz auf die Einheit Deutschlands ausdrücken, ohne einem dumpfen
Nationalismus das Wort zu reden. Und zugleich formuliert er jene prägnante
Mahnung, die seine Rede sprachlich so eindringlich macht: „Das Paradies
auf Erden ist hier nicht.“ Aber weil doch viele Menschen in Not das
Paradies in Deutschland suchen, so seine kluge Argumentation, haben wir
alle eine besondere Verantwortung, den Gedanken von Einheit in Frieden
hochzuhalten. Lammert gibt damit ein Vorbild für jene differenzierte
Betrachtungsweise, die die politische Debatte der letzten Monate rund um
die Identität dieses Landes allzu oft vermissen ließ. Seine Einheits-Rede
wird so zu einem exzellenten Beispiel politischer Festrede.

Jury: Simon Drescher, Pia Engel, Dr. Gregor Kalivoda, Prof. Dr. Joachim
Knape, Sebastian König, Prof. Dr. Olaf Kramer, Severina Laubinger,
Viktorija Romascenko, Frank Schuhmacher, Prof. Dr. Dietmar Till, Dr.
Thomas Zinsmaier
www.rhetorik.uni-tuebingen.de

Hintergrund „Rede des Jahres“
Die Auszeichnung "Rede des Jahres" wird seit 1998 vom Seminar für
Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen vergeben und ging seitdem
unter anderem an Marcel Reich-Ranicki, Joschka Fischer und Papst Benedikt.
Mit diesem Preis würdigt das Seminar für Allgemeine Rhetorik jährlich eine
Rede, die die politische, soziale oder kulturelle Diskussion entscheidend
beeinflusst hat. Neben das Kriterium der Wirkungsmächtigkeit treten bei
der Auswahl weitere Bewertungsmaßstäbe wie argumentative Leistung und
stilistische Qualität der Rede. Ziel ist es, das gesamte rhetorische
Kalkül des Redners zu betrachten und zu bewerten.

Hintergrund „Seminar für Allgemeine Rhetorik“
Das Seminar für Allgemeine Rhetorik der Eberhard Karls Universität
Tübingen ist ein Forschungs- und Lehrinstitut für die Geschichte, Theorie
und Praxis der Rhetorik. Jede Form menschlicher Beredsamkeit, ob sie sich
mündlich, schriftlich oder mit Hilfe von Medien wie Film, Fernsehen und
Internet artikuliert, ist Thema der Forschungsprojekte und
Lehrveranstaltungen des Instituts. Gründliche theoretische und
realitätsnahe praktische Ausbildung sind am Seminar für Allgemeine
Rhetorik eng miteinander verknüpft. Allgemeine Rhetorik wird in Tübingen
im Rahmen des BA-MA-Studiums als Hauptfach und als Nebenfach angeboten.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://Text der Rede:
https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden#url=L3BhcmxhbWVudC9wcmFlc2lkaXVtL3JlZGVuLzIwMTYvMDA0LzQ2MjI5Ng==&mod=mod462012
http://Video der Rede:
https://www.youtube.com/watch?v=Jr1iBELR4kA

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Wildpflanzen-Power lässt Lichterketten leuchten und macht Feldvögel satt

Gehen Spaziergänger in diesen Tagen in der Feldmark spazieren, können sie
nicht nur die frische Winterluft genießen. Es könnte sich ihnen auch ein
außergewöhnliches Naturschauspiel bieten: Die Invasion von Gastvögeln aus
dem hohen Norden.

Denn im Winter bekommen Spatzen, Meisen und Co. in Deutschland
ungewöhnlich viel Gesellschaft. Die Rede ist zum Beispiel von den bunt-
schillernden Seidenschwänzen, die in diesem Jahr in Scharen aus
Nordosteuropa kommen. Grund ist die aktuelle Futterknappheit in ihren
Heimatländern. Doch nicht nur der Seidenschwanz sucht bei uns Nahrung,
auch andere Wintergäste wie Birkenzeisig und Bergfinken wollen bei uns
satt werden.

Leider ist der Tisch auf unseren Feldern alles andere als reich gedeckt:
Wenn im Herbst die letzten Mais- und Zuckerrübenfelder geerntet sind,
dominiert der karge Acker: Seidenschwanz & Co. finden weder Samen noch
Larven als Futter. „Seitdem auf den Feldern immer mehr Mais zur
Stromgewinnung in Biogasanlagen angebaut wird, gibt es immer weniger
Flächen, auf denen die Wintergäste Nahrung finden“, sagt Uta Hennig von
der Deutschen Wildtier Stiftung.

Doch Vogelfutter auf der einen und Strom aus Biomasse auf der anderen
Seite schließen sich nicht aus: Wenn Energie in Form von Wildpflanzen auf
dem Acker wächst, finden die Vögel aus dem hohen Norden und unsere
heimischen Wildtiere was zu Knabbern und ein geschütztes Plätzchen für
kalte Tage. Fenchel, Steinklee, Wilde Möhre und Malve – als Biomasse
vergoren und in Biogasanlagen zu Strom umgewandelt - lassen unsere
Lichterketten leuchten und helfen den Tieren über den Winter. Denn nach
der Ernte im Spätsommer sind die Wildpflanzen bereits im November wieder
kniehoch und bieten Unterschlupf für unsere ackerbewohnende Vogelfauna wie
Rebhuhn, Grauammer oder Bluthänfling. In den im Winter abgestorbenen
Stängeln der staudigen Pflanzen leben Insekten und Spinnen und ihre Eier
und Larven. Das wiederum bietet weiteren Vogelarten wie dem Stieglitz und
dem Neuntöter eine wichtige Nahrungsquelle, die sich bis zu unseren Vögeln
aus dem hohen Norden rumspricht, die jährlich voller Eifer hier nach
Nahrung suchen.

Damit die Rast der Gastvögel bei uns kein Kurzbesuch bleibt, fordert die
Deutsche Wildtier Stiftung gemeinsam mit dem Netzwerk Lebensraum Feldflur
eine finanzielle Unterstützung für den Anbau von Wildpflanzen und deren
Nutzung in Biogasanlagen durch die Agrarpolitik. „Statt Agrarsubventionen
per Gießkanne sollte der Wildpflanzenanbau gezielt gefördert werden, damit
sich Naturschutz finanziell für den Landwirt auch lohnt“, sagt Uta Hennig.
Am Ende würden Mensch und Tier profitieren, wenn mehr Wildpflanzen-Power
aus der Steckdose kommt.

Information
Gemeinsam mit dem Netzwerk Lebensraum Feldflur, ein Zusammenschluss aus
bisher 24 Akteuren des Naturschutzes, der Imkerverbände, der Jagd und der
Energiewirtschaft, setzt sich die Deutsche Wildtier Stiftung u.a. für eine
Förderung von Energie aus Wildpflanzen im Rahmen der Agrarpolitik ein.
Weitere Informationen zum Projekt unter www.Lebensraum-Feldflur.de.


Weitere Informationen finden Sie unter

DeutscheWildtierStiftung.de, www.DeutscheWildtierStiftung.de
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