Arbeitsmarkt: Nachrichten beeinflussen, welche Einkommensentwicklung Beschäftigte erwarten
Auch auf dem Arbeitsmarkt spielen Erwartungen eine wichtige Rolle für
wirtschaftliche Entscheidungen. Eine neue RWI-Studie zeigt: Beschäftigte
in den USA haben ihre Erwartungen über ihre Einkommensentwicklung und
Jobsuche angepasst, nachdem sie Nachrichten über den Arbeitsmarkt
konsumiert hatten. Positive Nachrichten führten demnach zu einem Anstieg
des erwarteten Einkommens. Infolgedessen erhöhten die Beschäftigten zudem
ihr Konsumniveau. Um die Auswirkungen der Nachrichten auf die Erwartungen
zu ermitteln, wurden Meldungen zu Investitionsplänen bzw. deren späterer
Absenkung analysiert. Für die Studie wurden Umfragedaten der Federal
Reserve Bank of New York ausgewertet.
Das Wichtigste in Kürze:
• Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer passen ihre Erwartungen über ihre
Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Einkommensentwicklung an, nachdem
sie Nachrichten über den Arbeitsmarkt konsumiert haben: Positive
Nachrichten führen zu einem Anstieg des erwarteten Einkommens im aktuellen
Beschäftigungsverhältnis – ohne erkennbare Unterschiede zwischen
Beschäftigten, die optimistisch sind, in Zukunft ein externes Angebot zu
erhalten, und solchen, die dies nicht sind. Im untersuchten Szenario
führen positive Arbeitsmarktnachrichten zu einem erwarteten Anstieg des
eigenen Einkommens um durchschnittlich 3 Prozentpunkte.
• Änderungen des erwarteten zukünftigen Einkommens erhöhen außerdem das
aktuelle Konsumniveau. Die Konsumausgaben der befragten Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in den USA erhöhten sich infolge der positiven
Arbeitsmarktnachrichten um etwa 2,3 Prozentpunkte.
• Beschäftigte passen ihre Erwartungen über ihre Chancen auf dem
Arbeitsmarkt auch bei negativen Arbeitsmarktnachrichten an. Wenn
bestehende Investitionspläne der Unternehmen zurückgenommen oder reduziert
werden, korrigieren die Arbeitnehmer ihre Erwartungen in Richtung der
Basiswerte.
• Um die Auswirkungen von Nachrichten auf die individuellen
Arbeitsmarkterwartungen zu ermitteln, hat RWI-Wissenschaftler Bernhard
Schmidpeter eine unerwartete Ankündigung auf dem amerikanischen Markt
analysiert: Foxconn, einer der größten Auftragsfertiger der Welt, hat im
Jahr 2017 zunächst angekündigt, eine neue Fabrik in Racine County
(Wisconsin) zu bauen. Dadurch sollten bis zu 13.000 Arbeitsplätze mit
einem Durchschnittslohn von etwa 54.000 US-Dollar entstehen. Diese
Investitionspläne wurden 2021 stark reduziert. Zum Vergleich: Zum
Zeitpunkt der Ankündigung im Jahr 2017 lag die Gesamtbeschäftigung vor Ort
bei rund 77.000 Personen – mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen
von ca. 43.000 US-Dollar. Das erwartete Lohnwachstum um etwa 3
Prozentpunkte entspricht einem Anstieg um ca. 20 Prozent. Dieser Anstieg
gleicht der Differenz zwischen dem Durchschnittslohn in Racine County (ca.
43.000 US-Dollar) und dem von Foxconn veröffentlichten Lohn (ca. 54.000
US-Dollar). Das bedeutet: Beschäftigte orientieren sich in ihren
Erwartungen an den veröffentlichten Lohninformationen.
• Für die Studie wurden Daten des New York Fed’s Survey of Consumer
Expectations (SCE) ausgewertet. Dabei handelt es sich um landesweit
repräsentative, internetgestützte Umfragedaten der Federal Reserve Bank of
New York. Sie umfassen etwa 1.300 Haushalte.
„Nachrichten über den Arbeitsmarkt beeinflussen unsere Erwartungen an die
Jobsuche und die Einkommensentwicklung“, sagt RWI-Wissenschaftler Bernhard
Schmidpeter. „Die Veröffentlichung von Informationen kann dazu beitragen,
Einkommen zu erhöhen und Lohnungleichheiten zu verringern. Dabei
entscheidet die Qualität der Informationen über deren Wirksamkeit“, so
Schmidpeter. „Die Lohntransparenzgesetze sollten so angepasst werden, dass
sie eine breitere Öffentlichkeitswirkung entfalten können“, schlägt er
vor.
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