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Cannabisgesetz gefährdet Tabakprävention

Die Bundesregierung plant die Legalisierung von Cannabis. Der
Gesetzentwurf dazu („Cannabisgesetz“) steht am Mittwoch, 18. Oktober 2023,
auf der Tagesordnung des Bundestags. Die in Deutschland am weitesten
verbreitete Konsumform des Cannabis, das Rauchen, birgt jedoch
Gesundheitsgefahren und konterkariert die Ziele der Tabakprävention.
Präventionsexperten fordern daher, geeignete Präventionsmaßnahmen im
Gesetz zu verankern.

Die in Deutschland am weitesten verbreitete Form des Cannabiskonsums, das
Rauchen, wird im aktuellen Entwurf des Gesetzes „zum kontrollierten Umgang
mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz)
nicht thematisiert.

Das gefährdet die ohnehin äußerst bescheidenen Erfolge Deutschlands bei
der Tabakprävention in den letzten Jahren. Wer Cannabis raucht, setzt sich
sämtlichen Gesundheitsgefahren des Rauchens aus. Wird Cannabis gemischt
mit Tabak geraucht, erhöht dies das Risiko, sowohl von Cannabis als auch
vom Tabak abhängig zu werden. Außerdem befürchten Experten, dass das
Cannabisrauchen die Tabakentwöhnung erschwert. Insbesondere bei jungen
Menschen könnte Cannabisrauchen den Einstieg in eine Raucherkarriere
fördern.

Über 90 Prozent der jugendlichen und rund 80 Prozent der erwachsenen
Cannabiskonsumenten in Deutschland rauchen die Droge – entweder pur oder
vermischt mit Tabak. Diese Form des Konsums von Cannabis ist auch unter
Nichtrauchern verbreitet. Das Rauchen von Cannabis ist die schädlichste
Form des Cannabisgebrauchs.

„Das Rauchen von Cannabis konterkariert das Ziel, Deutschland bis 2040
tabakfrei zu machen, wie es der Europäische Plan gegen den Krebs erfordert
- und wie es über 50 medizinische und zivilgesellschaftliche
Organisationen fordern“, sagt Michael Baumann, der Vorstandsvorsitzende
des Deutschen Krebsforschungszentrums. Rauchen kostet in Deutschland jedes
Jahr rund 127.000 Menschen das Leben.

„Diese Problematik muss dringend Eingang in die im Gesetz verankerten
Präventionsmaßnahmen finden“, sagt Katrin Schaller, kommissarische
Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen
Krebsforschungszentrum. „Die Maßnahmen zur Prävention werden jedoch im
vorliegenden Entwurf des Cannabisgesetzes nicht ausreichend festgelegt.
Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Risiko, dass Cannabisrauchen
den Einstieg Jugendlicher in den Tabakkonsum fördern könnte.“

Zum Schutz der Jugend und um das Rauchen in der Bevölkerung nicht zu
fördern, muss das Cannabisgesetz dem Rauchen von Cannabis durch geeignete
Maßnahmen entgegenwirken. Dazu gehört, dass zumindest vom Rauchen des
Cannabis dringend abgeraten wird. Es gibt keine anerkannt sichere Form des
Cannabiskonsums. Weniger schädlich ist nach derzeitigem Kenntnisstand die
Verwendung medizinische Inhalatoren. Notwendig sind außerdem
Präventionsmaßnahmen, die den Einstieg in den Cannabiskonsum verhindern
und den Ausstieg fördern. Diese Maßnahmen müssen auch die Gefahren des
Cannabisrauchens thematisieren.

Zudem fordern Experten, die Forschung zu den Gesundheitsgefahren des
Cannabisrauchens (mit und ohne Tabak) zu intensivieren sowie die
Entwicklung des Cannabiskonsums und der Konsumarten kontinuierlich zu
beobachten, mit besonderem Fokus auf Jugendliche und junge Erwachsene

Das DKFZ hat zwei Factsheets zum Thema herausgegeben:
Fakten zum Rauchen:
https://www.dkfz.de/de/krebspraevention/Downloads/pdf/FzR
/FzR_2023_Cannabis-und-Rauchen.pdf

Aus der Wissenschaft – für die Politik:
https://www.dkfz.de/de/krebspraevention/Downloads/pdf/AdWfdP
/AdWfdP_2023_Cannabis-und-Rauchen.pdf

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass
Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen
Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt
werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten
Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle
Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu
übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu
verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten
Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland
Translationszentren:

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein
Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen
Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist
Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Halle Lectures: Corine Pelluchon über Ökologie und eine neue Aufklärung

Unter dem Titel „Die Aufklärung heute neu denken. Ökologie, Universalismus
und Demokratie“ hält die Philosophin Prof. Dr. Corine Pelluchon von der
Universität Gustave Eiffel am Donnerstag, 26. Oktober 2023, einen Vortrag
im Rahmen der „Halle Lectures“. Dieser findet um 18 Uhr im Freylinghausen-
Saal der Franckeschen Stiftungen und digital statt. Pelluchon wird für ein
neues Verständnis von Aufklärung plädieren, das nicht mehr den Menschen
und seine Herrschaft über die Natur in den Mittelpunkt stellt.

Die "Halle Lectures" finden in Kooperation der Interdisziplinären Zentren
für Pietismusforschung (IZP) und für die Erforschung der Europäischen
Aufklärung (IZEA), der Alexander von Humboldt-Professur für neuzeitliche
Schriftkultur und europäischen Wissenstransfer und des
Forschungsschwerpunkts "Aufklärung-Religion-Wissen" der Martin-Luther-
Universität Halle-Wittenberg sowie der Franckeschen Stiftungen statt.

Corine Pelluchon: „Die Aufklärung heute neu denken. Ökologie,
Universalismus und Demokratie“
Donnerstag, 26. Oktober 2023, 18 Uhr
Franckesche Stiftungen, Haus 1, Freylinghausen-Saal, Franckeplatz 1
06110 Halle (Saale)

Eine Anmeldung ist bis zum 24.10.2023 unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. möglich
und digital: https://www.francke-halle.de/de/

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Erntezeit Botanischer Garten der HHU im Herbst

Im Botanischen Garten der HHU finden sich Früchte an allen Orten, hier die Bitterorangen (Poncirus trifoliata).  HHU / Arne Claussen
Im Botanischen Garten der HHU finden sich Früchte an allen Orten, hier die Bitterorangen (Poncirus trifoliata). HHU / Arne Claussen

Der Herbst ist in den Botanischen Garten der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf (HHU) eingezogen. Die Blätter färben sich herbstlich, überall
hängen Früchte an Sträuchern und Bäumen und im Nutzpflanzengarten stehen
Kohl & Co. in voller Pracht. Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen
will: Der Botanische Garten hat im Oktober noch täglich geöffnet, ab
November immer montags bis freitags.

Für manche ist er die schönste Jahreszeit, der Herbst. Die Natur wird bunt
und bietet reichhaltige Ernte. So auch der Botanische Garten der HHU, der
gerade jetzt in voller Farbpracht zum Spaziergang einlädt.

Der Herbst ist die Erntezeit, an vielen Bäumen und Sträuchern hängen
Früchte. Der Botanische Garten hat viele klassische einheimische Früchte
wie die Quitte (Cydonia oblonga), Weintrauben (Vitis) oder die
Kornelkirsche (Cornus mas) zu bieten.

In unmittelbarer Nähe von diesen ist der Nutzpflanzengarten, wo zurzeit
Kohlsorten erntebereit warten. Durch ihr kräftiges Violett fällt dort auch
die Feuerbohne (Phaseolus coccineus) schnell ins Auge. Doch bitte nicht
zum Messer greifen! Dazu Dr. Sabine Etges, Wissenschaftliche Leiterin des
Botanischen Gartens: „Wir wollen im Garten auch das Werden und das
Vergehen der Pflanzen zeigen. Darum bitten wir alle Besucherinnen und
Besucher, den Garten und seine Pflanzen so zu belassen, wie sie sie
vorgefunden haben.“

Und da hier viele seltene und kaum bekannte Pflanzen wachsen, sei auch
davor gewarnt, dass viele von ihnen ungenießbar oder sogar sehr giftig
sind. Etges: „Nicht nur den schön anzusehenden, aber hochgiftigen Rizinus
(Ricinus communis) kann man hier kennenlernen.“

Es wachsen auch viele exotische Pflanzen mit Früchten im Garten. Gleich in
der Nähe des Haupteingangs rechts steht ein kleiner Bananenhain, vor allem
mit der Art Musa balbisiana. „Diese Bananen haben in diesem Jahr zum
ersten Mal Früchte angesetzt. Ob sie reif werden, müssen wir noch
beobachten“, sagt Reviergärtner Lars Leonhard.

Nur wenige Schritte weiter steht ein Baum mit einem besonderen Namen: der
Westliche Erdbeerbaum (Arbutus unedo). Woher der Name stammt, ist unschwer
zu erkennen, denn die reifen Früchte leuchten rot und haben die raue
Oberfläche des Namensvetters; mit der Erdbeere ist der Baum – der in
Kleinasien beheimatet ist, sich aber auch im Südwesten Irlands findet –
aber nicht verwandt.

Auch weitere Bäume, die eher in wärmeren Gefilden zu finden sind, stehen
im Botanischen Garten. So lohnt sich der Weg zur Bitterorange (Poncirus
trifoliata), die aktuell voll mit Früchten hängt. Ebenfalls im Freiland
stehen und tragen Samen und Früchte: der Kakibaum (Diospyros kaki), der
Ginkgo (Ginkgo biloba) und die Rote Rosskastanie (Aesculus x carnea
‚Briotii‘); deren Früchte unterscheiden sich deutlich von denen der
heimischen Gewöhnlichen Rosskastanien (Aesculus hippocastanum). Die
Fruchtstände des Amerikanischen Tulpenbaums (Liriodendron tulipifera)
wiederum fallen durch ihre besondere Form auf.

Äußerst ungewöhnlich sind die tennisballgroßen Früchte des
Milchorangenbaums (Maclura pomifera); sie sehen wie kleine, grüne Gehirne
aus. Sabine Etges: „Die Früchte duften leicht nach Orangen, aber sie
enthalten einen bitteren Milchsaft, der sie vor Fraßfeinden schützt.“
Mehrere Davidson-Pflaumen (Davidsonia pruriens) stehen in Kübeln in der
Nähe der Orangerie; sie haben große Trauben an Früchten ausgebildet.

Schließlich lohnt sich auch wieder ein Gang in das Kuppelgewächshaus. In
leuchtendem Rot strahlen dort die Granatäpfel (Punica granatum) und
daneben reifen die Feigen (Ficus carica) heran.

Und wer bei seinem Spaziergang durch den Botanischen Garten genug Früchte
gesucht und gefunden hat, kann einfach den Blick über die in vielen Farben
blühenden Beete und Wiesen des Gartens schweifen lassen. Ein Weg in den
Süden Düsseldorfs lohnt sich immer.

Der Botanische Garten der HHU

Der rund acht Hektar große Botanische Garten wurde 1979 eröffnet. Er dient
der Bevölkerung ganzjährig als Stätte der Bildung und Erholung, der
Pflanzenforschung und der Studierendenausbildung an der HHU. Die
umfangreichen, größtenteils öffentlichen Pflanzensammlungen werden als
Arbeits- und Anschauungsmaterial für Forschung und Lehre vor allem in der
Biologie und der Pharmazie genutzt.

Ein besonderer Schwerpunkt des Düsseldorfer Botanischen Gartens ist die
sogenannte Kalthauskultur. In ihrem Zentrum steht das Wahrzeichen des
Gartens, das 1.000 Quadratmeter große Kuppelgewächshaus mit einer Höhe von
18 Metern. Es beherbergt Pflanzen des Mittelmeerraums und der Kanaren,
aber auch solche aus Ozeanien, Asien und Amerika.

In den Jahren 2004 und 2008 wurde die Einrichtung um drei neue Gebäude
erweitert, die Orangerie, das Südafrikahaus und einen
Forschungsgewächshauskomplex. Neben dem großen Sammlungs- und
Forschungshaus und den Versuchsflächen betreibt der Botanische Garten auch
die hochmodernen Forschungsgewächshäuser auf dem Dach des Biologie-
Neubaus.

Die im Botanischen Garten zu entdeckende Pflanzenwelt ist äußert
vielfältig. Dort finden sich höchst seltene Pflanzen wie die Wollemie, von
denen im Ursprungsland Australien nur circa 100 ausgewachsene Exemplare
wild in einem sehr kleinen, gut geschützten Gebiet vorkommen. In
Düsseldorf wird damit ein Beitrag zur Erhaltung bedrohter Arten und zur
Sicherung der Biodiversität geleistet.

Alljährlich besuchen rund 100.000 Bürgerinnen und Bürger den Botanischen
Garten. Er ist für die Öffentlichkeit von März bis Oktober täglich und von
November bis Februar montags bis freitags geöffnet. Den Besuchenden steht
ein kostenfreier Audioguide auf Deutsch und Englisch zur Verfügung, der
sie auf Rundgängen zu allen Besonderheiten führt.

Mit einem vielfältigen Vortrags- und Führungsprogramm werden
Pflanzeninteressierte jeden Alters an die Geheimnisse, die im Garten zu
finden sind, herangeführt und ihre Bedeutung für die menschliche
Zivilisation verdeutlicht. Mit diesem Wissenstransfer ist der Botanische
Garten in das Selbstverständnis der HHU als Bürgeruniversität eingebunden.

Unterstützt wird die Arbeit durch den Freundeskreis des Botanischen
Gartens der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf e.V., mit dessen Hilfe
bereits viele Projekte realisiert werden konnten.

Ebenso ist der Botanische Garten eine Ausbildungsstätte für bis zu zehn
zukünftige Gärtnerinnen und Gärtner in der Fachrichtung
„Staudengärtnerei“. Dort lernen sie auch die Besonderheiten eines
wissenschaftlich orientierten Gartens kennen.

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Europa schöpft Wasserstoff-Potenziale nicht hinreichend aus – Studie empfiehlt stärkere Kooperation der EU-Länderr

Für die Klimatransformation wird Europas Wirtschaft künftig große Mengen
an klimaneutralem Wasserstoff benötigen. Viele Länder, darunter
Deutschland, planen hohe Investitionen in die Entwicklung und in den
Hochlauf der dafür benötigten Wasserstoffindustrie. Eine Studie des
Fraunhofer ISI, RIFS Potsdam und der Deutschen Energie-Agentur (dena) im
Forschungsprojekts HYPAT gibt fünf Empfehlungen an die EU und die
Mitgliedstaaten und zeigt: Beim Verhältnis der Investitionsmengen und bei
den Potenzialen zur günstigen Wasserstoffherstellung der einzelnen
europäischen Regionen besteht ein großes Ungleichgewicht. Und: Trotz aller
Anstrengungen wird Deutschland künftig ein Wasserstoff-Importland sein.

Wind- und sonnenreiche Länder mit hohem Potenzial für die Produktion von
günstiger erneuerbarer Energie könnten künftig den europäischen Bedarf
nach Wasserstoff weitgehend decken und den Wasserstoff in die europäischen
Gegenden liefern, wo wirtschaftliche Potenziale im Vergleich zur künftig
erwartbaren Nachfrage nicht ausreichend vorhanden sind, wie in Deutschland
oder den Niederlanden. Doch die dort getätigten Investitionen sind aktuell
im Vergleich zu Deutschland gering. Stärkere Kooperation auf EU-Ebene
könnte helfen, die Investitionen in die richtige Richtung zu lenken.

Die Studie vergleicht zwei Szenarien für verschiedene Anwendungsbreiten
von Wasserstoff in Europa mit den regionalen Potenzialen für eine
möglichst günstige Produktion von grünem Wasserstoff. Bei der Analyse
fokussiert sich die Studie auf die Politikmaßnahmen der EU sowie auf Daten
zur Förderung von Wasserstoffproduktion und -Anwendungen in EU-Ländern.
Fragen zur Infrastruktur (Lagerung und Transport) waren nicht Teil dieser
Untersuchung.

Europa hat das Potenzial, sich künftig mit Wasserstoff selbst zu versorgen

Ungleichgewicht in Europa: Kooperation zwischen Ländern kann Versorgungslücken von Staaten mit hoher Wasserstoffnachfrage reduzieren. Technisches Erzeugungspotenzial erneuerbarer Elektrizität nach Kosten und Nachfrage im Jahr 2050 (ausgewählte Länder)  Fraunhofer ISI
Ungleichgewicht in Europa: Kooperation zwischen Ländern kann Versorgungslücken von Staaten mit hoher Wasserstoffnachfrage reduzieren. Technisches Erzeugungspotenzial erneuerbarer Elektrizität nach Kosten und Nachfrage im Jahr 2050 (ausgewählte Länder) Fraunhofer ISI

Die Analyse zeigt, dass Europa seinen künftigen Wasserstoffbedarf zu
wettbewerbsfähigen Preisen größtenteils aus heimischer Produktion decken
könnte. Somit besteht die Chance, die europäische Industrie unabhängiger
von Importen aus Drittstaaten zu machen. Laut Studie ist das technische
Potenzial für die Produktion von erneuerbarem Strom in Europa (EU plus
Norwegen, Schweiz und Großbritannien) im Jahr 2050 bei Kosten von bis zu
40 Euro pro MWh selbst bei breiter Anwendung von Wasserstoff hoch genug,
um die gesamte Elektrizitätsnachfrage einschließlich der
Elektrizitätsnachfrage zur Wasserstoffherstellung zu decken.

Besonders Regionen mit hohem Potenzial für Solar- und Windenergie wären
bei der Wasserstoffproduktion von zentraler Bedeutung. Die größten
Potenziale für die Produktion von erneuerbarer Energie im Jahr 2050 haben
hier Norwegen (über 1900 TWh), Spanien (über 1760 TWh), Frankreich (über
1700 TWh). Diese Staaten haben selbst bei starker heimischer Nutzung von
Wasserstoff mehr Potenzial als sie selbst für ihre eigene Nachfrage
benötigen würden. Länder mit höherem Bedarf als eigenem Potenzial, also
einem Defizit, müssen den benötigten Wasserstoff importieren.

Deutschland wird trotz hoher Elektrolyse-Ausbauziele auf
Wasserstoffimporte angewiesen sein

Frankreich plant aktuell sechseinhalb Gigawatt Elektrolyse-Kapazität bis
2030, Spanien erhöhte sein Ausbauziel erst kürzlich von vier Gigawatt auf
elf Gigawatt und nimmt somit aktuell den Spitzenplatz in Europa ein. Die
nationale Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung sieht bis
2030 eine Elektrolyse-Kapazität zur Herstellung von Wasserstoff in Höhe
von zehn Gigawatt vor. Trotz dieser Ziele wird Deutschland seinen Bedarf
nicht allein decken können.

Das deutsche Potenzial für den Ausbau erneuerbarer Energien ist laut der
Studie nicht einmal halb so groß wie die künftige Nachfrage. Im Jahr 2050
könnte Deutschland innerhalb der EU das Defizitland mit der größten
absoluten Versorgungslücke sein: Hier würden sogar bei geringer
Anwendungsbreite über 550 TWh an erneuerbarer Energie fehlen, so die
Forschenden (siehe Grafik). Fazit: Deutschland ist langfristig auf Importe
von Energie und Wasserstoff angewiesen, um die heimische Wirtschaft zu
versorgen. Weitere Länder mit größeren Versorgungslücken sind die
Niederlande, Belgien, und Tschechien.

Investitionen in Wasserstoff sind nicht optimal verteilt

Die Europäische Union schöpft das von der Studie aufgezeigte Potenzial
nicht voll aus, um die Ziele für die Produktion von grünem Wasserstoff zu
erreichen. Die Investitionen in Wasserstoffproduktion und -anwendungen
lassen einige der vielversprechendsten Regionen außen vor, so die
Forschenden. Deutschland, Frankreich und Großbritannien investieren
aktuell am stärksten in den Aufbau einer Wasserstoffindustrie. Zwar sind
auch in Spanien aktuell einige Projekte geplant, beim Investitionsvolumen
auf nationaler Ebene fällt das sonnenreiche Land hier aber weit hinter
seinem Potenzial zurück. Die Studie bemängelt außerdem, dass die aktuellen
Förderprogramme der EU wie z.B. der EU-Innovationsfonds dieses
Ungleichgewicht noch verstärken würden.

Die Studie zeigt eine Reihe an Vorschlägen auf, die helfen könnten, die
Investitionen in Europa besser zu verteilen und den Markthochlauf der
Wasserstoffindustrie in den Ländern mit hohem Potenzial gezielter zu
fördern:

- Empfehlung 1: Höhere EU-Subventionen für Wasserstoffprojekte etablieren,
sowohl bezogen auf Produktion als auch auf Anwendungen (beispielsweise
grüne Produktionsmethoden für Chemieprodukte auf Wasserstoff-Basis statt
fossiler Energieträger). Dabei sollte eine Kumulierung mit
nationalstaatlichen Fördermitteln vermieden werden, wie es bei der bald
startenden EU-Wasserstoffausschreibung bereits umgesetzt wurde.

- Empfehlung 2: Grenzüberschreitende Auktionen für grünen Wasserstoff
ermöglichen. Das Auktionsmodell »Auctions-as-a-Service« (AaaS), welches
die EU als zusätzliche Option im Rahmen ihrer Wasserstoffausschreibungen
propagiert, sollte um bilaterale, grenzüberschreitende Auktionen der
Mitgliedstaaten erweitert werden, um so gezielt die wettbewerbsfähigsten
Projekte und den innereuropäischen Wasserstoffhandel zu unterstützen.

- Empfehlung 3: Nationale Ausbauzielpfade für Elektrizität aus
erneuerbaren Energien in allen EU-Staaten etablieren. Darüber kann die EU
sicherstellen, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien für die
Wasserstoffproduktion nicht die Dekarbonisierung der nationalen
Energiesysteme verlangsamt und gleichzeitig besonders ambitionierte
Regionen zusätzlich unterstützen, beispielsweise durch vereinfachte
Nachweispflichten bei der Vermarktung von erneuerbarem Wasserstoff.

- Empfehlung 4: Entwicklung von bilateralen oder regionalen
Wasserstoffpartnerschaften zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern. Die
EU-Regulierung erlaubt bei der Zielanrechnung von Wasserstoff und
Wasserstoffderivaten eine flexible Aufteilung zwischen Produktions- und
Nutzungsland. Bilaterale oder regionale Partnerschaften können hier die
Grundlage für eine Kooperation zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern
schaffen.

- Empfehlung 5: Fokus der Wasserstoffnutzung in Defizitländern auf die
Sektoren, die am schwierigsten zu elektrifizieren sind (»hard-to-
electrify«). In gewissen Bereichen der energieintensiven Industrie, des
Flugverkehrs und der Schifffahrt gilt die zukünftige Wasserstoffnutzung
als no-regret-Option. Um die Versorgungslücken der Defizitländer und damit
die Gesamtnachfrage nach Wasserstoff möglichst klein zu halten, können
sowohl nationale als auch EU-weite Förderungen des Markthochlaufs auf
diese Sektoren beschränkt werden.

Ein großes Problem ist die hohe Komplexität der aktuellen EU-Regulierungen
und Unterstützungsprogramme, kritisieren die Forschenden. Im Vergleich
dazu seien die steuerbasierten Förderprogramme der US-Regierung durch den
US Inflation Reduction Act viel attraktiver für Investoren. Studienautor
Prof. Dr. Rainer Quitzow vom RIFS Potsdam sagt dazu: »Die EU kann nicht
die Steuervergünstigungen der US-Regierung replizieren. Mit dem neuen
Auktionskonzept für die Fördermittelvergabe hat die EU ein zugängliches
Instrument geschaffen. Dies muss nun aber auch mit einer umfangreichen
Finanzierung ausgestattet werden. Bilaterale Kooperation zwischen
Mitgliedstaaten könnte weitere Impulse geben, damit die Potenziale in
weniger finanzstarken Mitgliedsländern gehoben werden können.«

Dr. Eva Schmid, HyPat-Projektleiterin bei der Deutschen Energie-Agentur
(dena), bewertet die Situation: »Bis 2030 sollen in Deutschland 10
Gigawatt Elektrolyse-Kapazität installiert sein. Das ist eine enorme
Aufgabe, bei der es keine Zeit zu verlieren gilt. Das betrifft neben
Erzeugung und Transport auch den Aufbau der dafür notwendigen
Wertschöpfungsketten. Außerdem müssen bis zu 70 Prozent des deutschen
Wasserstoffbedarfs importiert werden. Für beide Herausforderungen wird die
Zusammenarbeit mit internationalen und insbesondere auch europäischen
Partnern immer wichtiger. Die vorgestellte HyPat Studie gibt dafür
wichtige neue Impulse.«

Studienautor Dr. Jakob Wachsmuth vom Fraunhofer ISI zieht ein Fazit:
»Wasserstoff wird in den kommenden Jahren ein knappes Gut sein. Um den
Bedarf der europäischen Wirtschaft nach Wasserstoff zu decken, wird mehr
Kooperation zwischen den Ländern nötig sein. Besonders in den großen
Industrieländern wie Deutschland könnte dies ein Problem werden, wenn
nicht frühzeitig die politischen und finanziellen Weichen für
innereuropäischen Handel gestellt werden. Bei der Nutzung von Wasserstoff
kann eine klare Prioritätensetzung auf bestimmte Anwendungsbereiche
helfen, die vorhandenen, begrenzten Potenziale effizient einzusetzen.«

Hintergrund: Das HyPat-Projekt

Das Projekt HyPat wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMBF gefördert und durch den Projektträger Jülich betreut. Neben der
Projektleitung durch das Fraunhofer ISI sind acht weitere Partner am
Projekt beteiligt: Fraunhofer IEG, Fraunhofer ISE, die Ruhr-Universität
Bochum, die Energy Systems Analysis Associates – ESA² GmbH, das German
Institute of Development and Sustainability IDOS, das RIFS Potsdam, die
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie die
Deutsche Energie-Agentur (dena).

Zur Projektseite: <https://hypat.de/>

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