Die Bundesregierung plant die Legalisierung von Cannabis. Der Gesetzentwurf dazu („Cannabisgesetz“) steht am Mittwoch, 18. Oktober 2023, auf der Tagesordnung des Bundestags. Die in Deutschland am weitesten verbreitete Konsumform des Cannabis, das Rauchen, birgt jedoch Gesundheitsgefahren und konterkariert die Ziele der Tabakprävention. Präventionsexperten fordern daher, geeignete Präventionsmaßnahmen im Gesetz zu verankern.
Die in Deutschland am weitesten verbreitete Form des Cannabiskonsums, das Rauchen, wird im aktuellen Entwurf des Gesetzes „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz) nicht thematisiert.
Das gefährdet die ohnehin äußerst bescheidenen Erfolge Deutschlands bei der Tabakprävention in den letzten Jahren. Wer Cannabis raucht, setzt sich sämtlichen Gesundheitsgefahren des Rauchens aus. Wird Cannabis gemischt mit Tabak geraucht, erhöht dies das Risiko, sowohl von Cannabis als auch vom Tabak abhängig zu werden. Außerdem befürchten Experten, dass das Cannabisrauchen die Tabakentwöhnung erschwert. Insbesondere bei jungen Menschen könnte Cannabisrauchen den Einstieg in eine Raucherkarriere fördern.
Über 90 Prozent der jugendlichen und rund 80 Prozent der erwachsenen Cannabiskonsumenten in Deutschland rauchen die Droge – entweder pur oder vermischt mit Tabak. Diese Form des Konsums von Cannabis ist auch unter Nichtrauchern verbreitet. Das Rauchen von Cannabis ist die schädlichste Form des Cannabisgebrauchs.
„Das Rauchen von Cannabis konterkariert das Ziel, Deutschland bis 2040 tabakfrei zu machen, wie es der Europäische Plan gegen den Krebs erfordert - und wie es über 50 medizinische und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern“, sagt Michael Baumann, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums. Rauchen kostet in Deutschland jedes Jahr rund 127.000 Menschen das Leben.
„Diese Problematik muss dringend Eingang in die im Gesetz verankerten Präventionsmaßnahmen finden“, sagt Katrin Schaller, kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum. „Die Maßnahmen zur Prävention werden jedoch im vorliegenden Entwurf des Cannabisgesetzes nicht ausreichend festgelegt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Risiko, dass Cannabisrauchen den Einstieg Jugendlicher in den Tabakkonsum fördern könnte.“
Zum Schutz der Jugend und um das Rauchen in der Bevölkerung nicht zu fördern, muss das Cannabisgesetz dem Rauchen von Cannabis durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken. Dazu gehört, dass zumindest vom Rauchen des Cannabis dringend abgeraten wird. Es gibt keine anerkannt sichere Form des Cannabiskonsums. Weniger schädlich ist nach derzeitigem Kenntnisstand die Verwendung medizinische Inhalatoren. Notwendig sind außerdem Präventionsmaßnahmen, die den Einstieg in den Cannabiskonsum verhindern und den Ausstieg fördern. Diese Maßnahmen müssen auch die Gefahren des Cannabisrauchens thematisieren.
Zudem fordern Experten, die Forschung zu den Gesundheitsgefahren des Cannabisrauchens (mit und ohne Tabak) zu intensivieren sowie die Entwicklung des Cannabiskonsums und der Konsumarten kontinuierlich zu beobachten, mit besonderem Fokus auf Jugendliche und junge Erwachsene
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte) Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte) Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Unter dem Titel „Die Aufklärung heute neu denken. Ökologie, Universalismus und Demokratie“ hält die Philosophin Prof. Dr. Corine Pelluchon von der Universität Gustave Eiffel am Donnerstag, 26. Oktober 2023, einen Vortrag im Rahmen der „Halle Lectures“. Dieser findet um 18 Uhr im Freylinghausen- Saal der Franckeschen Stiftungen und digital statt. Pelluchon wird für ein neues Verständnis von Aufklärung plädieren, das nicht mehr den Menschen und seine Herrschaft über die Natur in den Mittelpunkt stellt.
Die "Halle Lectures" finden in Kooperation der Interdisziplinären Zentren für Pietismusforschung (IZP) und für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA), der Alexander von Humboldt-Professur für neuzeitliche Schriftkultur und europäischen Wissenstransfer und des Forschungsschwerpunkts "Aufklärung-Religion-Wissen" der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg sowie der Franckeschen Stiftungen statt.
Corine Pelluchon: „Die Aufklärung heute neu denken. Ökologie, Universalismus und Demokratie“ Donnerstag, 26. Oktober 2023, 18 Uhr Franckesche Stiftungen, Haus 1, Freylinghausen-Saal, Franckeplatz 1 06110 Halle (Saale)
Eine Anmeldung ist bis zum 24.10.2023 unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. möglich und digital: https://www.francke-halle.de/de/
Im Botanischen Garten der HHU finden sich Früchte an allen Orten, hier die Bitterorangen (Poncirus trifoliata). HHU / Arne Claussen
Der Herbst ist in den Botanischen Garten der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) eingezogen. Die Blätter färben sich herbstlich, überall hängen Früchte an Sträuchern und Bäumen und im Nutzpflanzengarten stehen Kohl & Co. in voller Pracht. Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen will: Der Botanische Garten hat im Oktober noch täglich geöffnet, ab November immer montags bis freitags.
Für manche ist er die schönste Jahreszeit, der Herbst. Die Natur wird bunt und bietet reichhaltige Ernte. So auch der Botanische Garten der HHU, der gerade jetzt in voller Farbpracht zum Spaziergang einlädt.
Der Herbst ist die Erntezeit, an vielen Bäumen und Sträuchern hängen Früchte. Der Botanische Garten hat viele klassische einheimische Früchte wie die Quitte (Cydonia oblonga), Weintrauben (Vitis) oder die Kornelkirsche (Cornus mas) zu bieten.
In unmittelbarer Nähe von diesen ist der Nutzpflanzengarten, wo zurzeit Kohlsorten erntebereit warten. Durch ihr kräftiges Violett fällt dort auch die Feuerbohne (Phaseolus coccineus) schnell ins Auge. Doch bitte nicht zum Messer greifen! Dazu Dr. Sabine Etges, Wissenschaftliche Leiterin des Botanischen Gartens: „Wir wollen im Garten auch das Werden und das Vergehen der Pflanzen zeigen. Darum bitten wir alle Besucherinnen und Besucher, den Garten und seine Pflanzen so zu belassen, wie sie sie vorgefunden haben.“
Und da hier viele seltene und kaum bekannte Pflanzen wachsen, sei auch davor gewarnt, dass viele von ihnen ungenießbar oder sogar sehr giftig sind. Etges: „Nicht nur den schön anzusehenden, aber hochgiftigen Rizinus (Ricinus communis) kann man hier kennenlernen.“
Es wachsen auch viele exotische Pflanzen mit Früchten im Garten. Gleich in der Nähe des Haupteingangs rechts steht ein kleiner Bananenhain, vor allem mit der Art Musa balbisiana. „Diese Bananen haben in diesem Jahr zum ersten Mal Früchte angesetzt. Ob sie reif werden, müssen wir noch beobachten“, sagt Reviergärtner Lars Leonhard.
Nur wenige Schritte weiter steht ein Baum mit einem besonderen Namen: der Westliche Erdbeerbaum (Arbutus unedo). Woher der Name stammt, ist unschwer zu erkennen, denn die reifen Früchte leuchten rot und haben die raue Oberfläche des Namensvetters; mit der Erdbeere ist der Baum – der in Kleinasien beheimatet ist, sich aber auch im Südwesten Irlands findet – aber nicht verwandt.
Auch weitere Bäume, die eher in wärmeren Gefilden zu finden sind, stehen im Botanischen Garten. So lohnt sich der Weg zur Bitterorange (Poncirus trifoliata), die aktuell voll mit Früchten hängt. Ebenfalls im Freiland stehen und tragen Samen und Früchte: der Kakibaum (Diospyros kaki), der Ginkgo (Ginkgo biloba) und die Rote Rosskastanie (Aesculus x carnea ‚Briotii‘); deren Früchte unterscheiden sich deutlich von denen der heimischen Gewöhnlichen Rosskastanien (Aesculus hippocastanum). Die Fruchtstände des Amerikanischen Tulpenbaums (Liriodendron tulipifera) wiederum fallen durch ihre besondere Form auf.
Äußerst ungewöhnlich sind die tennisballgroßen Früchte des Milchorangenbaums (Maclura pomifera); sie sehen wie kleine, grüne Gehirne aus. Sabine Etges: „Die Früchte duften leicht nach Orangen, aber sie enthalten einen bitteren Milchsaft, der sie vor Fraßfeinden schützt.“ Mehrere Davidson-Pflaumen (Davidsonia pruriens) stehen in Kübeln in der Nähe der Orangerie; sie haben große Trauben an Früchten ausgebildet.
Schließlich lohnt sich auch wieder ein Gang in das Kuppelgewächshaus. In leuchtendem Rot strahlen dort die Granatäpfel (Punica granatum) und daneben reifen die Feigen (Ficus carica) heran.
Und wer bei seinem Spaziergang durch den Botanischen Garten genug Früchte gesucht und gefunden hat, kann einfach den Blick über die in vielen Farben blühenden Beete und Wiesen des Gartens schweifen lassen. Ein Weg in den Süden Düsseldorfs lohnt sich immer.
Der Botanische Garten der HHU
Der rund acht Hektar große Botanische Garten wurde 1979 eröffnet. Er dient der Bevölkerung ganzjährig als Stätte der Bildung und Erholung, der Pflanzenforschung und der Studierendenausbildung an der HHU. Die umfangreichen, größtenteils öffentlichen Pflanzensammlungen werden als Arbeits- und Anschauungsmaterial für Forschung und Lehre vor allem in der Biologie und der Pharmazie genutzt.
Ein besonderer Schwerpunkt des Düsseldorfer Botanischen Gartens ist die sogenannte Kalthauskultur. In ihrem Zentrum steht das Wahrzeichen des Gartens, das 1.000 Quadratmeter große Kuppelgewächshaus mit einer Höhe von 18 Metern. Es beherbergt Pflanzen des Mittelmeerraums und der Kanaren, aber auch solche aus Ozeanien, Asien und Amerika.
In den Jahren 2004 und 2008 wurde die Einrichtung um drei neue Gebäude erweitert, die Orangerie, das Südafrikahaus und einen Forschungsgewächshauskomplex. Neben dem großen Sammlungs- und Forschungshaus und den Versuchsflächen betreibt der Botanische Garten auch die hochmodernen Forschungsgewächshäuser auf dem Dach des Biologie- Neubaus.
Die im Botanischen Garten zu entdeckende Pflanzenwelt ist äußert vielfältig. Dort finden sich höchst seltene Pflanzen wie die Wollemie, von denen im Ursprungsland Australien nur circa 100 ausgewachsene Exemplare wild in einem sehr kleinen, gut geschützten Gebiet vorkommen. In Düsseldorf wird damit ein Beitrag zur Erhaltung bedrohter Arten und zur Sicherung der Biodiversität geleistet.
Alljährlich besuchen rund 100.000 Bürgerinnen und Bürger den Botanischen Garten. Er ist für die Öffentlichkeit von März bis Oktober täglich und von November bis Februar montags bis freitags geöffnet. Den Besuchenden steht ein kostenfreier Audioguide auf Deutsch und Englisch zur Verfügung, der sie auf Rundgängen zu allen Besonderheiten führt.
Mit einem vielfältigen Vortrags- und Führungsprogramm werden Pflanzeninteressierte jeden Alters an die Geheimnisse, die im Garten zu finden sind, herangeführt und ihre Bedeutung für die menschliche Zivilisation verdeutlicht. Mit diesem Wissenstransfer ist der Botanische Garten in das Selbstverständnis der HHU als Bürgeruniversität eingebunden.
Unterstützt wird die Arbeit durch den Freundeskreis des Botanischen Gartens der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf e.V., mit dessen Hilfe bereits viele Projekte realisiert werden konnten.
Ebenso ist der Botanische Garten eine Ausbildungsstätte für bis zu zehn zukünftige Gärtnerinnen und Gärtner in der Fachrichtung „Staudengärtnerei“. Dort lernen sie auch die Besonderheiten eines wissenschaftlich orientierten Gartens kennen.
Für die Klimatransformation wird Europas Wirtschaft künftig große Mengen an klimaneutralem Wasserstoff benötigen. Viele Länder, darunter Deutschland, planen hohe Investitionen in die Entwicklung und in den Hochlauf der dafür benötigten Wasserstoffindustrie. Eine Studie des Fraunhofer ISI, RIFS Potsdam und der Deutschen Energie-Agentur (dena) im Forschungsprojekts HYPAT gibt fünf Empfehlungen an die EU und die Mitgliedstaaten und zeigt: Beim Verhältnis der Investitionsmengen und bei den Potenzialen zur günstigen Wasserstoffherstellung der einzelnen europäischen Regionen besteht ein großes Ungleichgewicht. Und: Trotz aller Anstrengungen wird Deutschland künftig ein Wasserstoff-Importland sein.
Wind- und sonnenreiche Länder mit hohem Potenzial für die Produktion von günstiger erneuerbarer Energie könnten künftig den europäischen Bedarf nach Wasserstoff weitgehend decken und den Wasserstoff in die europäischen Gegenden liefern, wo wirtschaftliche Potenziale im Vergleich zur künftig erwartbaren Nachfrage nicht ausreichend vorhanden sind, wie in Deutschland oder den Niederlanden. Doch die dort getätigten Investitionen sind aktuell im Vergleich zu Deutschland gering. Stärkere Kooperation auf EU-Ebene könnte helfen, die Investitionen in die richtige Richtung zu lenken.
Die Studie vergleicht zwei Szenarien für verschiedene Anwendungsbreiten von Wasserstoff in Europa mit den regionalen Potenzialen für eine möglichst günstige Produktion von grünem Wasserstoff. Bei der Analyse fokussiert sich die Studie auf die Politikmaßnahmen der EU sowie auf Daten zur Förderung von Wasserstoffproduktion und -Anwendungen in EU-Ländern. Fragen zur Infrastruktur (Lagerung und Transport) waren nicht Teil dieser Untersuchung.
Europa hat das Potenzial, sich künftig mit Wasserstoff selbst zu versorgenUngleichgewicht in Europa: Kooperation zwischen Ländern kann Versorgungslücken von Staaten mit hoher Wasserstoffnachfrage reduzieren. Technisches Erzeugungspotenzial erneuerbarer Elektrizität nach Kosten und Nachfrage im Jahr 2050 (ausgewählte Länder) Fraunhofer ISI
Die Analyse zeigt, dass Europa seinen künftigen Wasserstoffbedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen größtenteils aus heimischer Produktion decken könnte. Somit besteht die Chance, die europäische Industrie unabhängiger von Importen aus Drittstaaten zu machen. Laut Studie ist das technische Potenzial für die Produktion von erneuerbarem Strom in Europa (EU plus Norwegen, Schweiz und Großbritannien) im Jahr 2050 bei Kosten von bis zu 40 Euro pro MWh selbst bei breiter Anwendung von Wasserstoff hoch genug, um die gesamte Elektrizitätsnachfrage einschließlich der Elektrizitätsnachfrage zur Wasserstoffherstellung zu decken.
Besonders Regionen mit hohem Potenzial für Solar- und Windenergie wären bei der Wasserstoffproduktion von zentraler Bedeutung. Die größten Potenziale für die Produktion von erneuerbarer Energie im Jahr 2050 haben hier Norwegen (über 1900 TWh), Spanien (über 1760 TWh), Frankreich (über 1700 TWh). Diese Staaten haben selbst bei starker heimischer Nutzung von Wasserstoff mehr Potenzial als sie selbst für ihre eigene Nachfrage benötigen würden. Länder mit höherem Bedarf als eigenem Potenzial, also einem Defizit, müssen den benötigten Wasserstoff importieren.
Deutschland wird trotz hoher Elektrolyse-Ausbauziele auf Wasserstoffimporte angewiesen sein
Frankreich plant aktuell sechseinhalb Gigawatt Elektrolyse-Kapazität bis 2030, Spanien erhöhte sein Ausbauziel erst kürzlich von vier Gigawatt auf elf Gigawatt und nimmt somit aktuell den Spitzenplatz in Europa ein. Die nationale Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung sieht bis 2030 eine Elektrolyse-Kapazität zur Herstellung von Wasserstoff in Höhe von zehn Gigawatt vor. Trotz dieser Ziele wird Deutschland seinen Bedarf nicht allein decken können.
Das deutsche Potenzial für den Ausbau erneuerbarer Energien ist laut der Studie nicht einmal halb so groß wie die künftige Nachfrage. Im Jahr 2050 könnte Deutschland innerhalb der EU das Defizitland mit der größten absoluten Versorgungslücke sein: Hier würden sogar bei geringer Anwendungsbreite über 550 TWh an erneuerbarer Energie fehlen, so die Forschenden (siehe Grafik). Fazit: Deutschland ist langfristig auf Importe von Energie und Wasserstoff angewiesen, um die heimische Wirtschaft zu versorgen. Weitere Länder mit größeren Versorgungslücken sind die Niederlande, Belgien, und Tschechien.
Investitionen in Wasserstoff sind nicht optimal verteilt
Die Europäische Union schöpft das von der Studie aufgezeigte Potenzial nicht voll aus, um die Ziele für die Produktion von grünem Wasserstoff zu erreichen. Die Investitionen in Wasserstoffproduktion und -anwendungen lassen einige der vielversprechendsten Regionen außen vor, so die Forschenden. Deutschland, Frankreich und Großbritannien investieren aktuell am stärksten in den Aufbau einer Wasserstoffindustrie. Zwar sind auch in Spanien aktuell einige Projekte geplant, beim Investitionsvolumen auf nationaler Ebene fällt das sonnenreiche Land hier aber weit hinter seinem Potenzial zurück. Die Studie bemängelt außerdem, dass die aktuellen Förderprogramme der EU wie z.B. der EU-Innovationsfonds dieses Ungleichgewicht noch verstärken würden.
Die Studie zeigt eine Reihe an Vorschlägen auf, die helfen könnten, die Investitionen in Europa besser zu verteilen und den Markthochlauf der Wasserstoffindustrie in den Ländern mit hohem Potenzial gezielter zu fördern:
- Empfehlung 1: Höhere EU-Subventionen für Wasserstoffprojekte etablieren, sowohl bezogen auf Produktion als auch auf Anwendungen (beispielsweise grüne Produktionsmethoden für Chemieprodukte auf Wasserstoff-Basis statt fossiler Energieträger). Dabei sollte eine Kumulierung mit nationalstaatlichen Fördermitteln vermieden werden, wie es bei der bald startenden EU-Wasserstoffausschreibung bereits umgesetzt wurde.
- Empfehlung 2: Grenzüberschreitende Auktionen für grünen Wasserstoff ermöglichen. Das Auktionsmodell »Auctions-as-a-Service« (AaaS), welches die EU als zusätzliche Option im Rahmen ihrer Wasserstoffausschreibungen propagiert, sollte um bilaterale, grenzüberschreitende Auktionen der Mitgliedstaaten erweitert werden, um so gezielt die wettbewerbsfähigsten Projekte und den innereuropäischen Wasserstoffhandel zu unterstützen.
- Empfehlung 3: Nationale Ausbauzielpfade für Elektrizität aus erneuerbaren Energien in allen EU-Staaten etablieren. Darüber kann die EU sicherstellen, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien für die Wasserstoffproduktion nicht die Dekarbonisierung der nationalen Energiesysteme verlangsamt und gleichzeitig besonders ambitionierte Regionen zusätzlich unterstützen, beispielsweise durch vereinfachte Nachweispflichten bei der Vermarktung von erneuerbarem Wasserstoff.
- Empfehlung 4: Entwicklung von bilateralen oder regionalen Wasserstoffpartnerschaften zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern. Die EU-Regulierung erlaubt bei der Zielanrechnung von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten eine flexible Aufteilung zwischen Produktions- und Nutzungsland. Bilaterale oder regionale Partnerschaften können hier die Grundlage für eine Kooperation zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern schaffen.
- Empfehlung 5: Fokus der Wasserstoffnutzung in Defizitländern auf die Sektoren, die am schwierigsten zu elektrifizieren sind (»hard-to- electrify«). In gewissen Bereichen der energieintensiven Industrie, des Flugverkehrs und der Schifffahrt gilt die zukünftige Wasserstoffnutzung als no-regret-Option. Um die Versorgungslücken der Defizitländer und damit die Gesamtnachfrage nach Wasserstoff möglichst klein zu halten, können sowohl nationale als auch EU-weite Förderungen des Markthochlaufs auf diese Sektoren beschränkt werden.
Ein großes Problem ist die hohe Komplexität der aktuellen EU-Regulierungen und Unterstützungsprogramme, kritisieren die Forschenden. Im Vergleich dazu seien die steuerbasierten Förderprogramme der US-Regierung durch den US Inflation Reduction Act viel attraktiver für Investoren. Studienautor Prof. Dr. Rainer Quitzow vom RIFS Potsdam sagt dazu: »Die EU kann nicht die Steuervergünstigungen der US-Regierung replizieren. Mit dem neuen Auktionskonzept für die Fördermittelvergabe hat die EU ein zugängliches Instrument geschaffen. Dies muss nun aber auch mit einer umfangreichen Finanzierung ausgestattet werden. Bilaterale Kooperation zwischen Mitgliedstaaten könnte weitere Impulse geben, damit die Potenziale in weniger finanzstarken Mitgliedsländern gehoben werden können.«
Dr. Eva Schmid, HyPat-Projektleiterin bei der Deutschen Energie-Agentur (dena), bewertet die Situation: »Bis 2030 sollen in Deutschland 10 Gigawatt Elektrolyse-Kapazität installiert sein. Das ist eine enorme Aufgabe, bei der es keine Zeit zu verlieren gilt. Das betrifft neben Erzeugung und Transport auch den Aufbau der dafür notwendigen Wertschöpfungsketten. Außerdem müssen bis zu 70 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs importiert werden. Für beide Herausforderungen wird die Zusammenarbeit mit internationalen und insbesondere auch europäischen Partnern immer wichtiger. Die vorgestellte HyPat Studie gibt dafür wichtige neue Impulse.«
Studienautor Dr. Jakob Wachsmuth vom Fraunhofer ISI zieht ein Fazit: »Wasserstoff wird in den kommenden Jahren ein knappes Gut sein. Um den Bedarf der europäischen Wirtschaft nach Wasserstoff zu decken, wird mehr Kooperation zwischen den Ländern nötig sein. Besonders in den großen Industrieländern wie Deutschland könnte dies ein Problem werden, wenn nicht frühzeitig die politischen und finanziellen Weichen für innereuropäischen Handel gestellt werden. Bei der Nutzung von Wasserstoff kann eine klare Prioritätensetzung auf bestimmte Anwendungsbereiche helfen, die vorhandenen, begrenzten Potenziale effizient einzusetzen.«
Hintergrund: Das HyPat-Projekt
Das Projekt HyPat wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF gefördert und durch den Projektträger Jülich betreut. Neben der Projektleitung durch das Fraunhofer ISI sind acht weitere Partner am Projekt beteiligt: Fraunhofer IEG, Fraunhofer ISE, die Ruhr-Universität Bochum, die Energy Systems Analysis Associates – ESA² GmbH, das German Institute of Development and Sustainability IDOS, das RIFS Potsdam, die GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie die Deutsche Energie-Agentur (dena).