Rheuma und Psyche: Frühzeitige und ganzheitliche Behandlung ist essenziell
Bis zu 40 Prozent der Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis (RA) und bis
zu 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit juveniler idiopathischer
Arthritis (JIA) leiden an einer depressiven Störung oder Angsterkrankung.
Ursache sind neben chronischen Schmerzen auch fehlende gesellschaftliche
Teilhabe aufgrund der individuellen Einschränkungen. Anlässlich des Welt-
Rheuma-Tages am 12. Oktober weisen die DGRh und die Gesellschaft für
Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) auf die Notwendigkeit hin,
möglichen psychischen Belastungen der Patientinnen und Patienten mehr
Aufmerksamkeit zu schenken und dafür ausreichend Raum in den
Versorgungsstrukturen zu schaffen.
Sie finden diese Meldung auch online unter:
https://dgrh.de/Start/DGRh/Pre
/Pressemitteilung-Nr.-18-2024.
Rheumatisch-entzündliche Erkrankungen verlaufen in den meisten Fällen
chronisch. Das bedeutet, dass viele Betroffene dauerhaft mit Schmerzen und
Einschränkungen leben müssen. Diese kontinuierliche Belastung hat nicht
nur körperliche Auswirkungen, sondern führt auch zu einer erhöhten
Anfälligkeit für psychische Probleme. „Insbesondere Depressionen und
Angststörungen treten bei Menschen mit Rheuma deutlich häufiger auf als in
der Allgemeinbevölkerung“, erklärt Professor Dr. med. Ulf Wagner,
Präsident der DGRh und Leiter des Bereichs Rheumatologie an der Klinik für
Endokrinologie, Nephrologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums
Leipzig (UKL).
Früherkennung senkt das Risiko für psychische Probleme bei Rheuma
Vor allem in den ersten Jahren nach der Diagnose sei das Risiko für eine
Depression besonders hoch, zum Beispiel bei rheumatoider Arthritis. Von
ihr sind rund 700 000 Erwachsene in Deutschland betroffen. „Psychische
Begleiterkrankungen können von Anfang an zum Beispiel das Schmerzempfinden
stark beeinflussen und so zu einer gestörten Schmerzwahrnehmung führen.
Damit sind sie nicht nur belastend für Betroffene, sondern auch ein
Risikofaktor in der Therapie. Deshalb ist es wichtig, dass Ärztinnen und
Ärzte nicht nur die körperlichen Beschwerden behandeln, sondern auch die
psychische Gesundheit der Betroffenen im Blick haben“, betont Professor
Wagner. Eine regelmäßige Abfrage von psychischen Symptomen, wie Anzeichen
von Angst oder Depression, sollte daher zum Standard bei der Rheuma-
Behandlung gehören, so der DGRh-Präsident.
Kinder und Jugendliche besonders betroffen
Auch Kinder und Jugendliche mit Rheuma haben im Vergleich mit Gesunden
häufiger Depressionen, Angst, weniger soziale Kontakte, eine verstärkte
Müdigkeit und häufiger Schlafstörungen. Etwa bei der juvenilen
idiopathischen Arthritis (JIA) leiden über 30 Prozent der Betroffenen
unter psychischen Begleiterkrankungen, auch weil die JIA die Teilnahme am
Schulleben und anderen sozialen Aktivitäten erheblich beeinträchtigen
kann. Dies führt oft zu Isolation und einem verminderten Selbstwertgefühl.
„Junge Menschen leiden besonders, wenn sie vom vermeintlich normalen
Alltag – dem Schulbesuch und altersüblichen Freizeitaktivitäten –
zeitweise ausgeschlossen sind. Psychologische Unterstützung sollte daher
frühzeitig und niedrigschwellig in die Regelversorgung integriert werden,
um psychische Störungen frühzeitig zu erkennen und aufzufangen“, forderte
auch Dr. med. Prasad Thomas Oommen, Leiter des Bereichs Pädiatrische
Rheumatologie und des Psychosozialen Dienstes am Universitätsklinikum
Düsseldorf und Kongresspräsident der Gesellschaft für Kinder- und
Jugendrheumatologie.
Ganzheitliche Versorgung bei rheumatischen Erkrankungen notwendig
Die DGRh ruft anlässlich des Welt-Rheuma-Tages dazu auf, psychische
Belastungen bei Rheuma nicht zu unterschätzen: „Die psychosoziale
Begleitung muss von Anfang an ein fester Bestandteil der Behandlung sein.
Nur eine ganzheitliche Betreuung, die sowohl die körperlichen als auch die
seelischen Aspekte einer Erkrankung berücksichtigt, kann eine optimale
Versorgung sicherstellen“, betont Professor Wagner. Doch dafür benötige
man ausreichend Zeit, sagt Wagner, und verweist auf das unlängst
veröffentlichte Memorandum der DGRh. Darin betont die Fachgesellschaft,
dass deutlich mehr Rheumatolog:innen in Deutschland notwendig seien, um
eine umfassende Versorgung sicherzustellen. Dies sei zu erreichen, wenn
die Politik die Weichen für eine verstärkte rheumatologi-sche Aus- und
Weiterbildung stellt.
Bei Abdruck Beleg erbeten.
Quellen:
Baerwald, C., Seifert, O. Mental Comorbidity in Rheumatic Diseases.
Aktuelle Rheumato-logie 2021; 46(03): 249–257. doi: 10.1055/a-1404-3089
Linsmayer, D., Neidlinger, PK. & Braus, D.F. Rheuma und Psyche – Eine
Kurzübersicht. Der Orthopäde 2019; 48, 957–962. doi: s00132-019-03812-8
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