Prof. Dr. Julia Groß und Prof. Dr. Felix Grassmann
Ein neues Forschungsprojekt der Health and Medical University in Potsdam hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Brustkrebsscreening in Deutschland durch eine individualisierte Risikoberechnung signifikant zu verbessern. Geleitet wird das Projekt von Prof. Dr. Julia Groß, Professur für Biochemie sowie Prof. Dr. Felix Grassmann, Professur für Epidemiologie und Biostatistik.
Ein neues dreijähriges Forschungsprojekt der Health and Medical University in Potsdam unter Leitung von Prof. Felix Grassmann und Prof. Julia Groß zielt darauf ab, das Brustkrebsscreening in Deutschland durch eine individualisierte Risikoberechnung signifikant zu verbessern. Dies könnte die Früherkennung und Behandlung von Brustkrebs verbessern und die Heilungschancen erhöhen. Das durch EU-Gelder des Landes Brandenburg geförderte Projekt wird Blutproben und Daten der umfassenden schwedischen KARMA-Studie nutzen, in der zwischen 2011 und 2013 über 70.000 Frauen rekrutiert, deren Blutproben und Gesundheitsdaten detailliert erfasst und gespeichert wurden.
Während moderne Therapieformen die Überlebenschancen nach einer Diagnose erheblich verbessert haben, bleibt die frühzeitige Erkennung aggressiver Brustkrebsarten eine Herausforderung. Das derzeitige mammografische Screening-Programm, das Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre zur Untersuchung einlädt, hat seine Grenzen: Bei nur wenigen Frauen wird Brustkrebs entdeckt, während viele Teilnehmerinnen unnötigen diagnostischen Belastungen ausgesetzt sind. Eine vielversprechende Ergänzung zu den bisherigen Methoden stellt die Untersuchung extrazellulärer Vesikel dar. Diese winzigen Partikel, die von Krebszellen in die Blutbahn abgegeben werden, enthalten spezifische Proteine und genetische Informationen, die eine genauere und frühzeitigere Erkennung ermöglichen könnten.
Die verbesserte Risikovorhersage ermöglicht eine präzisere Stratifizierung der Frauen basierend auf ihrem Kurzzeitrisiko. Dies könnte zu einem personalisierten Screeningprogramm für Hochrisikopersonen führen, was besonders in ländlichen Gebieten mit begrenztem Zugang zu regelmäßigen Screeningangeboten von Vorteil ist. Durch gezielte Überwachung und individualisierte Prophylaxe könnten fortgeschrittene Brustkrebserkrankungen verhindert werden.
Prof. Dr. Johan Wölber Scientific Director „Dentalhygiene“
Wir freuen uns, Herrn Prof. Dr. Johan Wölber als Scientific Director für unseren Bachelorstudiengang „Dentalhygiene“ begrüßen zu dürfen. Im Interview gibt er Einblicke in seinen Werdegang und seine Vision für die Weiterentwicklung der Dentalhygiene und deren Bedeutung für die zukünftige Zahnmedizin.
Herr Prof. Wölber, wir freuen uns Sie als Scientific Director für den Studiengang “Dentalhygiene (B.Sc.) an der Dresden International University gewonnen zu haben. Können Sie uns etwas über Ihren beruflichen Werdegang erzählen und wie Sie zur Leitung des Bereichs Parodontologie am Uniklinikum Dresden sowie zur Lehre im Bereich Dentalhygiene gekommen sind?
Zunächst einmal freue mich auch sehr, den Studiengang Dentalhygiene (B.Sc.) an der DIU entwickeln und leiten zu dürfen! Gerne erzähle ich etwas zu meinem Werdegang: Bevor ich 2023 den Ruf auf die Professur für Parodontologie an der Technischen Universität Dresden angenommen habe, war ich ungefähr 23 Jahre in Freiburg im Breisgau. An der dortigen Albert- Ludwig-Universität habe ich Zahnmedizin studiert, mich promoviert und habilitiert. Zudem habe ich mich dort zum Spezialisten für Parodontologie (der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie) weitergebildet und die Zusatzbezeichnung „Ernährungsmediziner (nach DAEM/DGEM)“ erworben. Ich habe in meiner praktischen Tätigkeit und Forschung festgestellt, dass wir durch den Bereich Dentalhygiene unheimlich gute Resultate bei Menschen mit Karies und Zahnfleischentzündungen erreichen und diese Erkrankungen sehr gut vorbeugen können. Dazu gehört neben dem eigentlichen Handwerk eine große Portion Gesundheitspsychologie und modernes Verständnis bei der Entstehung dieser Erkrankungen. Ich freue mich darauf, diese Ideen und Inhalte in dem Studiengang Dentalhygiene (B.Sc.) weiterzugeben!
Als ehemaliger stellvertretender Studiengangsleiter des Studiengangs "Master Parodontologie und Implantattherapie" in Freiburg bringen Sie sicherlich eine Fülle an Erfahrungen mit. Was hat Sie dazu motiviert, Ihre Expertise nun bei uns an der DIU einzubringen und welche besonderen Möglichkeiten sehen Sie in der Ausgestaltung des Studiengangs “Dentalhygiene (B.Sc.)”?
Der Freiburger Masterstudiengang Parodontologie und Implantattherapie ist ein großartiger Masterstudiengang im Bereich Parodontologie und vor allem eine tolle Pionierarbeit im Bereich des Blended-Learnings. Blended- Learning heisst, dass Online- und Präsenzinhalte perfekt aufeinander abgestimmt werden und damit unnötige Reisewege und Ausfallzeiten wegfallen. Ich muss heutzutage zur reinen Wissensvermittlung nicht mehr in einem Hörsaal sitzen, sondern kann diese Inhalte sehr gut über E-Learning oder Webinare mitbekommen. Das fachliche Handwerk muss natürlich in Präsenz vor Ort gewonnen und weiterentwickelt werden. Diese Konzepte habe ich natürlich auch für den Studiengang Dentalhygiene (B.Sc.) an der DIU angelegt und freue mich sehr darauf, moderne und zeitgemäße Weiterentwicklung im Bereich Dentalhygiene mit der DIU zusammen anzubieten.
Die Bedeutung der Dentalhygiene für die allgemeine Gesundheit ist unbestreitbar. Wie sehen Sie die Rolle des Studiengangs “Dentalhygiene (B.Sc.)” in der Förderung von praxisorientierten Fähigkeiten und interdisziplinärem Wissen für zukünftige Fachkräfte in den Zahnarztpraxen?
Der Studiengang Dentalhygiene (B.Sc.) an der DIU ist eine einmalige Möglichkeit eine Vielzahl von Kompetenzen zu gewinnen, von denen sehr viele Patient*innen gesundheitlich profitieren werden und vor allem gar nicht erst krank lassen werden. Diese gesundheitlichen Entwicklungen beim Menschen mitzuerleben, macht glücklich. Zudem ist die Weiterentwicklung eine großartige Möglichkeit, sehr viele Behandlungen und Abläufe in der Zahnarztpraxis eigenständig und eigenverantwortlich zu gestalten. Der/die Dentalhygieniker*in ist dabei eine zentrale Stütze für die Zahnärzt*innen und nimmt ein Schlüssel- und Leitungsfunktion im Team ein. Neben den eigenständigen Therapien und Präventionsmaßnahmen bei Karies, Gingivitis und Parodontitis (und dem größten Teil der nicht-chirurgischen Parodontitistherapie), können Dentalhygieniker*innen alle Altersgruppen (Kinder, Erwachsene, Senioren) betreuen und auch im Praxismanagement Leitungsaufgaben übernehmen.
Inwiefern planen Sie, Ihre Forschungsschwerpunkte “Lebenstil- und Ernährungsmedizin” in die Lehre einzubringen und den Studierenden praxisnahe Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Techniken zu ermöglichen?
Aus der aktuellen Wissenschaft wissen wir, dass Karies und parodontale Erkrankungen maßgeblich durch Lebensstile und weniger durch Genetik hervorgerufen werden. Doch während man lange Jahre den Zahnbelag (bzw. Biofilm) an sich als Ursache für diese Erkrankungen betrachtet hat, wissen wir mittlerweile, dass es Lebenstilfaktoren wie Ernährung, Rauchen, körperliche Inaktivität und chronischer Stress sind, die die eigentliche Ursache für Karies und parodontale Entzündungen sind. Während es immer noch zentral ist, den Biofilm zu entfernen und Menschen dabei zu unterstützen, dies im Rahmen der häuslichen Mundhygiene zu machen, müssen wir die genannten Lebensstile stärker in den Fokus nehmen – wenn die Therapie und Prävention nachhaltig und lange funktionieren soll. Im Studiengang Dentalhygiene (B.Sc.) werden den Teilnehmer*innen diese Faktoren und vor allem die gesundheitspsychologische Beeinflussung vermittelt. Die Erfolge diese Vorgehens sind beeindruckend und es macht einfach Freude zu sehen, wie z.B. Patienten nicht nur weniger Entzündungen haben, sondern auch noch Gewicht verlieren.
Abschließend, wie würden Sie potenzielle Studierende dazu ermutigen, sich für den Bachelorstudiengang “Dentalhygiene (B.Sc.)” an der DIU zu entscheiden? Welche Vorteile sehen Sie für die Absolvierenden und den Einfluss auf die Praxis, in denen die angehenden Dentalhygieniker:innen dann tätig sind?
Potentiellen Studierenden kann ich nur sagen, dass wenn Sie Lust haben auf persönliche Weiterentwicklung, Eigenständigkeit und -verantwortung in der Praxis, mehr Gehalt, mehr Mund- und Allgemeingesundheit und glückliche und zufriedene Patient*innen, dann ist der Studiengang „Dentalhygiene (B.Sc.)“ genau das richtige für Sie! Es ist eine wirklich lohnende Investition. Der Studiengang ist durch sein Blended-Learning und das praxisorientierte Konzept zudem so ausgerichtet, dass Sie sehr viele Inhalte in der jetzigen Praxis vollziehen können und minimalen Praxisausfall und Reisekostenaufwand haben. Das spart einiges und macht diesen Studiengang auch besonders familienfreundlich.
Für die Chefinnen und Chefs der potentiellen Studierenden kann ich nur sagen: Nutzen Sie die Chance und unterstützen Sie die Weiterentwicklung Ihrer Angestellten! Ihre Praxis wird nicht nur inhaltlich und therapeutisch profitieren, sondern auch mehr Patient*innen ansprechen und für hohe Qualität stehen. Ein*e Dentalhygieniker*in kann Sie in zentralen Aufgaben entlasten und bietet Ihnen die Möglichkeit, sich wieder mehr Ihrer eigenen Profession zuzuwenden. Ein Win-Win für die gesamte Praxis!
Willkommen im Team der DIU, Herr Professor Wölber. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.
Langjährige Zusammenarbeit: Die Hochschulleitungen der INDIGO-Mitgliedshochschulen, Mitbegründer des Netzwerks INDIGO sowie Steuerkreismitglieder feierten das 10-jährige Bestehen des Netzwerks INDIGO Julia Drahan/UR
Die Konferenz beleuchtete Chancen und Herausforderungen künstlicher Intelligenz und feierte das 10-jährige Bestehen des Netzwerks INDIGO.
Am 25. September 2024 fand an der Universität Regensburg bereits zum sechsten Mal die Transferkonferenz TRIOKON statt. In den Fokus rückten nicht nur die technologischen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), sondern auch die damit verbundenen Herausforderungen und Grenzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft nutzten die Gelegenheit zum Austausch, während der vom Netzwerk INDIGO und der Universität Regensburg organisierten Tagung, die in diesem Jahr unter dem Motto „Was kann KI wirklich?“ stand. Ein besonderer Anlass: die Feier des 10-jährigen Bestehens des Netzwerks INDIGO, das die Zusammenarbeit der sechs ostbayerischen Hochschulen – OTH Amberg-Weiden, TH Deggendorf, Hochschule Landshut, Universität Passau, Universität Regensburg und OTH Regensburg – fördert.
INDIGO feiert 10 Jahre Erfolgsgeschichte Das Netzwerk INDIGO nutzte die TRIOKON 2024 ebenfalls, um sein 10-jähriges Bestehen zu feiern. Seit 2014 fördert das Netzwerk die Kooperation der sechs ostbayerischen Hochschulen im Bereich der Grundlagenforschung sowie angewandten Forschung. Prof. Dr. Susanne Leist, Vizepräsidentin für Digitalisierung, Netzwerke und Transfer der Universität Regensburg, hob in ihrem Grußwort den Nutzen aus der Kooperation zwischen den sechs ostbayerischen Hochschulen hervor, da sie den interdisziplinären Diskurs an einem für die Zukunft so grundlegenden Thema befördert und hieß die Teilnehmenden im Vielberth-Gebäude der Universität willkommen. In seiner Begrüßung hob Prof. Dr. Tomas Sauer, Sprecher des INDIGO-Steuerkreises, die Relevanz des Netzwerks für Ostbayern hervor und stellte dar, wie die Zusammenarbeit die Region als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort in den letzten Jahren gestärkt hat. In einem moderierten Gespräch zwischen Prof. Dr. Burkhard Freitag und Prof. Dr. Wolfgang Baier, beide Mitbegründer des Netzwerks und ehemalige Präsidenten zweier INDIGO- Mitgliedshochschulen, erhielt das Publikum noch einmal einen Überblick zur Entstehungsgeschichte des Netzwerks und den vielseitigen Aspekten der langjährigen Zusammenarbeit. „Gute und kontinuierliche Kommunikation ist ein Muss in einem Verbund und stellt die Basis für das Bestehen des Netzwerks INDIGO“, erläuterte Prof. Freitag. Prof. Baier ergänzte: „Im Hochschulnetzwerk haben wir stets von der vertrauensvollen Zusammenarbeit profitiert, die Abstimmungen und Etablierung von Prozessen erleichtert hat. Der Austausch im persönlichen Gespräch zwischen den Hochschulleitungen hat uns hierbei viele Lösungsmöglichkeiten und neue Ideen eröffnet.“
Fachliche Impulse rund um das Thema künstliche Intelligenz Im Mittelpunkt standen Fragen zu den praktischen Einsatzmöglichkeiten von KI, deren Innovationspotenzial sowie die Grenzen und Risiken dieser Technologien. Dabei wurde deutlich, dass künstliche Intelligenz nicht nur neue Chancen für Unternehmen bietet, sondern auch Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere im Hinblick auf rechtliche und sicherheitsrelevante Aspekte. In seiner Eröffnungskeynote erläuterte Prof. Dr. Stefan Schönig von der Universität Regensburg die Gewährleistung von Cyber-Sicherheit in produzierenden Unter-nehmen und stellte dar, wie KI- Technologien dazu beitragen können, Sicherheitslücken zu identifizieren und proaktive Maßnahmen zur Einhaltung von Sicherheitsstandards zu implementieren. In den folgenden Impulsbeiträgen gab Dr. Elisabeth Moser einen Einblick in die Arbeit der NGO Space-Eye e.V., bei der KI-Methoden die Aktivitäten in der Seenotrettung unterstützen, und Aris Tsakpinis von Amazon Web Services warf einen Blick auf den aktuellen Stand im Bereich der generativen KI aus Perspektive der Forschung und Industrie. Zum Abschluss der Konferenz rundete die Keynote der Bayernwerk AG das Programm ab, indem Jürgen Kandlbinder und Dr. Benjamin Wehner KI als Enabler der Energiewende betrachteten und dem Publikum verschiedene Anwendungsfälle eines Netzbetreibers näherbrachten.
Ein weiteres Highlight war zudem die Podiumsdiskussion, bei der Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und von Hochschulen unter der Moderation von Prof. Dr. Christian Wolff (Universität Regensburg) darüber debattierten, welche Potenziale und Grenzen der Einsatz von künstlicher Intelligenz mit sich bringt. Prof. Dr. Cordula Krinner (TH Deggendorf) und Prof. Dr. Daniel Schnurr (Universität Regensburg) stellten hierbei die Perspektive der Hochschulen dar und führten einen spannenden Austausch mit Christian Volkmer von der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim sowie Dr. Stefan Rameseder vom Unternehmen One Data GmbH.
Vielseitige Workshops und Zeit für intensive Vernetzung Neben dem Hauptprogramm hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich in verschiedenen Workshops mit Themen wie „Generative KI im Unternehmen“, „KI im Operationssaal“, „KI für smarte Energiesysteme“, „Predictive Maintenance im Sondermaschinenbau“ oder „KI und die Einhaltung der Anforderungen des AI-Act“ auseinanderzusetzen. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis gaben Einblicke in aktuelle Projekte und diskutierten gemeinsam mit den Teilnehmenden über Best Practices und mögliche Stolpersteine bei der Implementierung von KI. Neben abwechslungsreichen Inhalten rund um das Thema KI gab die Veranstaltung ausreichend Gelegenheit zum Networking. Hierfür boten diverse Messestände der INDIGO-Mitgliedshochschulen sowie weiterer Kooperationspartner des Netzwerks die Möglichkeit, in einer lockeren Atmosphäre Kontakte zu knüpfen und Ideen für zukünftige Kooperationen auszutauschen.
Über das Netzwerk INDIGO Im Netzwerk Internet und Digitalisierung Ostbayern (INDIGO) arbeiten die sechs ostbayerischen Hochschulen – OTH Amberg-Weiden, TH Deggendorf, Hochschule Landshut, Universität Passau, Universität Regensburg und OTH Regensburg – bereits seit 2014 zusammen. Vornehmliches Ziel des Netzwerks ist die dauerhafte Stärkung der Region Ostbayern als exzellenter Wissenschaftsstandort aber auch als Ort von leistungsstarken und erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen. Hierbei fördert das Netzwerk insbesondere die fachübergreifende Kooperation auf dem Gebiet der angewandten Forschung und Grundlagenforschung zwischen den beteiligten Hochschulen. Seit seiner Gründung hat das Netzwerk INDIGO durch vielfältige Aktivitäten eine verstärkte Zusammenarbeit der ostbayerischen Hochschulen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Themenfeld Digitalisierung und darüber hinaus gefördert. Basierend auf der durch INDIGO entstandenen hochschulübergreifenden Bündelung vorhandener wissenschaftlicher Kompetenzen wurden neue Kooperationen innerhalb des Netzwerks sowie mit externen Akteuren angestoßen und erfolgreich Förderanträge im Verbund gestellt. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.indigo-netzwerk.de/
Pasternack / Meinhardt (Hg.) Das Universitätssterben um 1800
Inwiefern ist die Annahme überwiegend einheitlicher oder ähnlicher Ursachen für das Universitätssterben in den deutschen Ländern um 1800 angemessen? Dazu versammelt ein neu erschienener Band vier Perspektiven: die analytische Erschließung der Makro-Ebene der Hochschulentwicklung und -politik sowie dreierlei Arten von Falldarstellungen, nämlich zu um 1800 aufgelösten Universitäten, zu seinerzeit zwar gefährdeten, dann aber dennoch fortbestehenden Universitäten und zur Berliner Neugründung. Das Buch wurde gemeinsam von Reformationsgeschichtlicher Forschungsbibliothek Wittenberg und HoF realisiert.
In der Literatur werden fünf wesentliche Gründe für das Universitätssterben angeführt: mangelnde Leistungsfähigkeit der Universitäten; Verweigerung modernisierender Innovationen durch die Universitäten; Angebotsübersättigung mit der Folge einer Frequenzkrise; eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten der Landesfürsten, schließlich die Kriegs- und Krisensituation Anfang des 19. Jahrhunderts. Jüngst, bei Elizabeth Harding, wurden diese verschiedenen Gründe in einem Erklärungsmodell „Ökonomisierung der Universitäten im 18. Jahrhundert“ zusammengeführt. Allerdings waren im Verlaufe des Vierteljahrhunderts die Umfeldsituationen sehr differenziert, die territorialen Bedingungen uneinheitlich und die internen Potenzen der Hochschulen unterschiedlich.
Marian Füssels liefert eine grundlegende Erörterung der allgemeinen Debatte über die ‚Aufhebung der Universitäten‘. Diese wird in mehreren Beiträgen ergänzt. Die napoleonische Hochschulpolitik ist auf zweierlei Weise ein Thema: über die französische Besetzung des Rheinlandes (bei Tanja Kilzer zur Alten Universität Köln) und über das kurzlebige Königreich Westfalen unter dem Napoleon-Bruder Jérôme (in Stefan Brüdermann zur Universität Rinteln und bei Christina Stehling zur Universität Marburg). Die Hochschulpolitik deutscher Großstaaten wird an den Beispielen Österreich (Sandra Haas), Preußen (Hans-Christof Kraus) und Bayern (Regina Meyer) verhandelt. Dass auch kleinere deutsche Länder hochschulpolitisch ambitioniert waren, lässt sich anhand Badens (Sandra Haas im Zusammenhang mit der Universität Freiburg) und Mecklenburgs (Hans- Uwe Lammel im Zusammenhang mit den Universitäten Bützow und Rostock) nachvollziehen.
Auf der Mikroebene einzelner Universitäten geht es vordergründig um acht Fälle. Darunter sind zwei Universitäten, die gegen zeitweilige Schließungsansinnen ihren Fortbestand sichern konnten (Freiburg und Marburg), während es bei den Universitäten Köln, Rinteln, Bamberg, Bützow, Helmstedt und Wittenberg jeweils auf die Aufhebung hinauslief. Daneben geht Marian Füssel intensiver auf die Göttinger Universität ein, und bei Hans-Christof Kraus kulminiert die preußische Universitätspolitik in der Krise um 1800 darin, dass die Berliner Universität gegründet wurde. Schließlich werden mehrere Konkurrenzgeschichten dargestellt: Köln versus Bonn, Marburg versus Gießen, Bamberg versus Würzburg, Bützow versus Rostock, Freiburg versus Heidelberg. So finden sich in den Texten unterm Strich 15 Universitäten in den Jahren um 1800 verhandelt.
Bedeutsam für die Entwicklungen war die Auffassung, dass es zu viele Universitäten im Reich gebe. Es waren nicht immer Qualitätsaspekte, die für oder gegen eine Universität ausschlugen. Für Wittenberg zum Beispiel müssten Pauschalurteile, die auf eine mangelnde akademische Leistungsfähigkeit der Universität abzielen, zurückgewiesen werden, da aufklärerische Trends und Konzepte in starkem Maße rezipiert wurden, wie Adrian Grave belegt. Indem die Modernisierungserfahrungen der Universität Bützow (1760–1789) nach 1789 in die Rostocker Universität eingeflossen sind, lasse sich durchaus annehmen, dass die Rostocker Universität ohne die vorgängige Anstalt in Bützow nicht überlebt hätte.
Die Universität Köln argumentierte in der Diskussion um ihre Zukunft weitestgehend mit ihrer Geschichte und ihren frühen Erfolgen. Die Universität Freiburg dagegen setzte, neben rechtlichen und konfessionellen Begründungen, vor allem auf ökonomische Argumente, mit denen sie ihre Nützlichkeit für Staat und Gemeinwesen unterstrich. Letzteres entsprach wohl eher dem Denkstil der Experten und Entscheider, die, wie Marian Füssel ausführt, im intellektuellen Klima der Spätaufklärung sozialisiert waren. Entsprechend orientierten sie sich unter anderem an Nützlichkeitsimperativen. Freiburg blieb, Köln wurde geschlossen.
Wolle man den komplexen Vorgang des Universitätssterbens analytisch in den Griff bekommen, so Marian Füssel, gelte es, das Wechselspiel der seinerzeitigen universitätskritischen Diskurse mit lokalen Entscheidungspraktiken in den Ministerien und vor Ort herauszuarbeiten. Dies leisten die Fallstudien, die den größten Teil des Bandes ausmachen.