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Herbst: Zeit der Gastrobibeln – Fluch oder Segen? fragt sich Herbert Huber

Die Küchenbrigade in Aktion

 

Seit Jahrzehnten erscheint der wohl bekannteste und auch «hassgeliebte» Gastroführer – der Gault & Millau. Ebenso benotet der Guide Bleu «la Suisse Gourmande», als ziemlich «wülstiges» Buch mit Beurteilungen und wichtigen Informationen.

Der wohl berühmteste Guide Michelin hat seine Sterne schon im Frühling gesetzt.

Giggerig auf Punkte

Der Weinsommelier präsentiert den edlen Tropfen
Der Weinsommelier präsentiert den edlen Tropfen

«Zäntume» herrscht Spannung, wer was und wo wieder Gewinner oder Sieger, Aufsteiger und Absteiger des Jahres sind. Auch ich war damals zugegeben, jedes Jahr ziemlich «giggerig», ob wir unsere Punkte in der Stanser Linde behalten konnten? Notabene 1982 waren wir mit dem Dallenwiler Giessenhof die ersten im Kanton, welche mit 12 Punkten belohnt wurden. Heute in Pension und emsig mit Schreiben beschäftigt, frage ich mich, sind Sterne in der Gastronomie Fluch oder Segen? Braucht es diese Be-und Verurteilungen überhaupt? Benotungen mit Kommentaren und wohlwollender und bissiger Kritik gespickt?

Rückblick

Es gibt ja auch Restauranttesterinnen
Es gibt ja auch Restauranttesterinnen

Rückblick in meine Kindheit. Lang, lang ist es her: Wenn sich sonntags mein Vater in den Nadelstreifenanzug stürzte und die Krawatte umband, wenn meine Mutter das eleganteste «Jüpli» anzog und die Haare besonders schön frisierte, wenn klein Herbertli anstelle der obligaten Knickerbocker die eleganteren Röhrlihosen anziehen durfte und ein paar ernsthafte Tischmanieren mit auf den Weg bekam – dann war bei Hubers auswärts essen angesagt.

Häufig ging es ins damalige «Orsini» an der Luzerner Hertensteinstrasse, das bis 1976 existierte. Im «Orsini» brutzelte Nonna Mercier wunderbare Güggeli (Mistkratzerli), nach Familienrezept im Ölbad gebacken. Dazu Safranrisotto, weisse Tischtücher und sehr viel kinderfreundliche Italianità. Ein gehöriger Luxus in den 1950ern.

Die Zeit ohne Gastroführer

Das Guide Michelin Männchen
Das Guide Michelin Männchen

Gastroführer, welche mit Punkten und Noten oder gar mit Sternen eine Wirtschaft in den gastronomischen Himmel hieven, gab es in der Schweiz damals nicht. Als Gast willkommen zu sein, aufmerksamer, diskreter Service, spürbare Gastgeber-Emotionen, kompetente Beratung und eine hervorragende Küche, das waren die Prädikate für eine «gute» Wirtschaft.

Und dann leuchten oder verblassen die Sterne

Der Weinsommelier kredenzt den passenden Bordeaux zu den servierten Köstlichkeiten
Der Weinsommelier kredenzt den passenden Bordeaux zu den servierten Köstlichkeiten

Und plötzlich leuchteten Sterne, und mit Noten und Kommentaren wurden Wirte wurden ins Rampenlicht gerückt. Der «Guide Michelin», der prestigeträchtigste Restaurantführer, erstmals 1900 von den Brüdern André und Édouard Michelin in Frankreich herausgegeben. Ursprünglich war der «Guide» ein kostenloses Heft, welches Autofahrern nützliche Informationen wie Karten, Reparaturtipps, Hotellisten und Tankstellen bot.

In der Schweiz ist der «Michelin» seit 1994 sehr beliebt. Er belohnt Schweizer Restaurants und Hotels mit Sternen. Seit 1997 gibt es zusätzlich die Auszeichnung mit dem «Bip Gourmand». Während die Sterne für aussergewöhnliche kulinarische Erlebnisse stehen, zeichnet der «Bip Gourmand» Restaurants aus, die hochwertige Küche zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Mit Punkten benoten, wie anfangs erwähnt, der sehr beachtenswerte «Gault-Millau» und der Guide «La Suisse Gourmande».

Wie kommen Gastgeber zu «Sternen und Noten»

Auch optisch muss es stimmen
Auch optisch muss es stimmen

Viele Gastronomen pfeifen auf all diese Auszeichnungen, andere wieder sind, eben wie ich damals, sehr erpicht darauf. Einmal hochgelobt, ein anderes Mal in die Pfanne gehauen – damit allerdings müssen Gastgeber leben.

Die Vergabe der Sterne und Noten erfolgt durch anonyme Tester, die anhand strenger Kriterien bewerten: Qualität und absolute Frische der Produkte, Beherrschung der Aromen und Kochtechniken, Persönlichkeit des Küchenchefs, Preis-Leistungs-Verhältnis, Konstanz der kulinarischen Leistung, würdige Präsentation der Speisen. Manchmal auch der Service

Das Auge isst mit
Das Auge isst mit

 

Sterne und Kritiken mit super Kommentaren und hoher Punktezahl können in der Gastronomie Segen, aber auch Fluch sein. Viele Gastronomen empfinden den Erhalt eines oder mehrerer Sterne als Endstation der Glückseligkeit im kulinarischen Nirwana. Eine begehrte Anerkennung, die Prestige und finanzielle Vorteile bringt.

Gleichzeitig aber können der damit verbundene Druck und die hohen Erwartungen bei den auf Sterne-Betriebe und Punkte achtenden Gästen eine massive Belastung für die Gastgeber sein. Leider auch Tragik. Mehrmals wählten Berufskollegen wegen Verlusten von Punkten und Sternen aus lauter Frust den Freitod. Das kann es doch nicht sein.

Ein neues Label – www.labelfaitmaison.ch

Restauranttester in Gourmetlokal
Restauranttester in Gourmetlokal

Weitere wertvolle Sternschnuppen am kulinarischen Himmel ermöglicht das neue Label «Fait maison». Also hausgenacht. Googeln lohnt sich. Aus sehr zuverlässiger Quelle habe ich erfahren, dass das neu das «Culinarium Alpinum» in Stans und das Restaurant Schlüssel in Beckenried damit ausgezeichnet wurden. Eine Label für absolute Frische Garantie und mehr…

Appetitliche Vorspeise bereit zum probieren
Appetitliche Vorspeise bereit zum probieren

Fazit: Sind nun Wirtschaften ohne Sterne schlechter? Sterne allein machen nicht glücklich. Lieber eine Wirtschaft ohne «Star Ambitionen», dafür mit besetzten Stühlen. «Lieber Gäste, welche ihre Sterne mit Worten der Dankbarkeit und dem Weitersagen belohnen», das ist die Meinung vieler engagierter Gastgeber. Und solche Wirtschaften gibt es in der Schweiz viele. Sehr viele. Um sie zu finden, braucht es kein Teleskop.

Text   www.herberthuber.ch

Fotos www.pixelio.de   und von Shutterstock generierte KI Bilder

Homepages der andern Kolumnisten:    www.gabrielabucher.ch    www.leonardwuest.ch www.maxthuerig.ch www.marinellapolli.ch

Restaurants GaultMillau 2025,

Auch optisch muss es stimmen

Die süsse Versuchung will auch bewertet sein

Auch dem Service und der Qualität des Kaffees schenkt der Tester Beachtung

 

 
 
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NS-Raubgut unter den Erwerbungen der Herzog August Bibliothek – Erkenntnisse und Restitutionen

Exlibris von Heinrich und Olga Spiero  Herzog August Bibliothek
Exlibris von Heinrich und Olga Spiero Herzog August Bibliothek

Die Erforschung der Herkunft und der historischen Besitzverhältnisse der
eigenen Bestände gehört zu den Kernaufgaben von Museen, Archiven und
Bibliotheken. Seit vier Jahren untersucht die Herzog August Bibliothek
(HAB), gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, die Provenienzen
ihrer Zugänge.

Auf Basis einer strukturierten Überprüfung der Provenienzen, also der
Herkunftsgeschichte von Zugängen seit 1933, konnten wesentliche
Erkenntnisse über NS-verfolgungsbedingt entzogene Objekte in den
Sammlungen der HAB gewonnen werden. Im Mittelpunkt des seit Dezember 2022
laufenden Projekts „NS-Raubgut unter den Zugängen der Herzog August
Bibliothek 1933–1969“ stand dabei zunächst die Auswertung der
Zugangsbücher aus der NS-Zeit und den unmittelbaren Nachkriegsjahren. Die
Überprüfung bezieht sich auf verdächtige Einträge, wie zum Beispiel von
Lieferant*innen, die selbst NS-verfolgt waren oder nachweislich mit NS-
Raubgut handelten. Hinzu kommen Einträge von Akteuren des
verfolgungsbedingten Entzugs: Gestapo, Finanzämter, Zollstellen und
weiteren „Drehscheiben“ von NS-Raubgut, wie etwa der Preußischen
Staatsbibliothek. Eingehend untersucht werden darüber hinaus unter anderem
Bücher mit geringem Kaufpreis oder Geschenke, Bände die mehr als fünf
Jahre vor Erwerb erschienen sind, Judaica, Sozialistika, freimaurerisches
Schrifttum sowie unikale Materialien. Darüber hinaus wird die Untersuchung
der antiquarischen Zugänge im Hauptbestand abgeschlossen. Dringlich war
auch die Prüfung zweier Sondersammlungsbestände: Die Künstlerbuchsammlung
mit etwa 350 Objekten und die Sammlung Ernst Pepping mit etwa 2.300
Einzeldrucken.

Untersuchungsergebnisse

Bisher wurden 14.000 Nummern aus den Zugangsbüchern, 350 Bände Ars
Librorum und Malerbücher, 909 Bände der Sammlung Pepping, 3.246 Bände mit
sogenannten F-Signaturen und 2.041 Bände mit Numerus-Currens Signatur
überprüft. Dabei weisen die Ars Librorum und Malerbücher vergleichsweise
wenige Provenienzspuren auf. Dieser Umstand ist möglicherweise auf
gezielte Manipulationen, wie Tilgungen, zurückzuführen. Die „Sammlung
Pepping“ weißt eine deutlich erhöhte Frequenz von NS-Raubgut- und NS-
Raubgut-Verdachtsfällen auf: Für die bisher gesichteten Bände 1,8% im
Vergleich zu 0,1% NS-Raubgut- oder NS-Raubgut-Verdacht in den übrigen
geprüften HAB-Beständen. Anhand der Zugangsbücher wird ersichtlich, dass
die HAB auch bei Lieferant*innen gekauft hat, die nachweislich mit NS-
Raubgut gehandelt haben und dort teils NS-Raubgut – auch noch weit nach
der NS-Zeit – erworben hat. Insgesamt tragen durchschnittlich 80% der
gesichteten Bände keine Provenienzspuren, sodass mit einer hohen
Dunkelziffer von NS-Raubgut zu rechnen ist, das nicht als solches
erkennbar ist.

Bisherige und laufende Restitutionen

Seit Projektbeginn im Dezember 2022 konnten insgesamt sieben Bände
restituiert werden. Darunter zwei an die AK Bibliothek Wien für
Sozialwissenschaften als Rechtsnachfolger der „Sozialwissenschaftlichen
Studienbibliothek bei der Arbeiterkammer“ in Wien, ein Band ebenfalls an
die AK Bibliothek Wien, da dort die Privatbibliothek des Juristen Anton
Menger verwahrt wurde, zwei Bände an die Erb*innen des Mainzer
Unternehmers Felix Ganz und dessen Tochter Olga Kreiß, geb. Ganz, ein Band
an die Erbengemeinschaft nach Olga und Heinrich Spiero sowie ein Band an
die Erbberechtigte nach Valeriu Marcu. Weitere sechs Restitutionen an vier
verschiedene Erb*innen und Rechtsnachfolger*innen stehen noch aus.

Restitution an die Erbberechtigten nach Heinrich Spiero

Ein Ex Libris auf dem vorderen Buchspiegel des Buches „Luise. Ein
Ländliches Gedicht In Drei Idyllen“ von Johann Heinrich Voß, lies es der
Privatbibliothek von Heinrich (1876-1947) und Olga Spiero (1877-1960)
zuordnen. Heinrich Spiero war der antisemitischen Verfolgung durch das NS-
Regime ausgesetzt und wurde mehrfach verhaftet. Seit 1935 war er mit einem
Schreib- und Publikationsverbot belegt. Die drohende Deportation von
Heinrich und Olga Spiero konnte durch ihren nicht-jüdischen Schwiegersohn
knapp verhindert werden. Heinrich und Olga Spiero überlebten die
nationalsozialistische Herrschaft in Berlin. Der Umfang der Spieroschen
Privatbibliothek wird auf etwa 20.000 Bände geschätzt. Durch das
Berufsverbot in finanzielle Not geraten, musste Spiero über 250 Blätter
seiner umfangreichen Autographensammlung verauktionieren. Ab 1938 sah sich
Heinrich Spiero zudem gezwungen, große Teile seiner Privatbibliothek zu
veräußern. Der Band mit dem Exlibris von Heinrich und Olga Spiero gelangte
1985 als Teil der Privatbibliothek des Komponisten und Hochschullehrers
Ernst Pepping (1901–1981) in den Bestand der HAB.

Die Erbengemeinschaft nach Olga und Heinrich Spiero entschloss sich, wie
auch die Erbengemeinschaft nach Felix Ganz und Olga Kreiß, geb. Ganz, nach
der Restitution die ihren Vorfahren NS-verfolgungsbedingt entzogenen
Drucke der HAB zu schenken. Wir bedanken uns für dieses Vertrauen und
betrachten es als unsere Aufgabe, die Biografie der rechtmäßigen
Eigentümer*innen und die Objektgeschichten in Erinnerung zu halten. Dazu
zählt unter anderem die Dokumentation der Vorprovenienzen im
Bibliothekskatalog.

Ein Blick in die Zukunft

Aufgrund der hohen Frequenz von Provenienzmerkmalen und des entsprechend
deutlich höheren Rechercheaufwands innerhalb der Sammlung Pepping wurde
eine Projektverlängerung bis zum 31.12.2025 beim Deutschen Zentrum
Kulturgutverluste beantragt und auch bewilligt. Bis dahin soll die
autoptische Prüfung, die Provenienzrecherche und Provenienzerschließung
der Sammlung Pepping, Tiefenrecherchen zu NS-Raubgut-Verdachtsfällen und
Erstellung entsprechender Einzelfalldossiers sowie die Restitutionen
abgeschlossen werden.

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TH Deggendorf eröffnet Bioengineering Lab

Das Bioengineering Transformation Lab ist eröffnet: Prof. Peter Schmieder (3.v.l.), Prof. Dr. Jeff Wilkesmann (5.v.l), Dr. Richard Janissen (6.v.l.), Wissenschaftsminister Markus Blume (3.v.r.), MdL Josef Zellmeier und OB Ewald Seifert.  THD
Das Bioengineering Transformation Lab ist eröffnet: Prof. Peter Schmieder (3.v.l.), Prof. Dr. Jeff Wilkesmann (5.v.l), Dr. Richard Janissen (6.v.l.), Wissenschaftsminister Markus Blume (3.v.r.), MdL Josef Zellmeier und OB Ewald Seifert. THD

Im Beisein des bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kultur,
Markus Blume, wurde am 30. September in Oberschneiding das »Bioengineering
Transformation Lab« der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) feierlich
eingeweiht. In einem interdisziplinären Team der Bio-, Material- und
Ingenieurswissenschaften soll dort in den kommenden Jahren unter der
wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Jeff Wilkesmann sowie der
Forschungs- und Laborleitung durch Dr. Richard Janissen geforscht und
entwickelt werden. Die Ziele sind dabei hoch gesteckt.

Prof. Peter Schmieder, Leiter des Bayerischen Innovations und
Transferzentrums (BITZ) in Oberschneiding und Mitbegründer des
Transformation Labs, will sich in Zukunft mit Innovationen alleine nicht
zufriedengeben. „Das Bioengineering hat enormes Potential, Produkte zu
entwickeln, die tatsächlich Märkte erfolgreich besetzen oder sogar aus den
Angeln heben können. Das ist es, was wir mit Transformation meinen. Wir
wollen an echten Game Changern forschen und auch an deren wirtschaftlicher
Verwertung.“ Heißt: High-End-Innovationen sollen im Transformation Lab
entwickelt, erstmals für die Umsetzung erprobt und schließlich zu
industrialisierungsfähigen Produkten standardisiert werden. Auch
Wissenschaftsminister Blume verwies in seinem Grußwort darauf, dass man
für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung zusätzlich auf neue
Industrien setzen müsse und sich nicht immer nur auf diejenigen verlassen
könne, die es seit 100 oder 150 Jahre gebe.

Seit seinem Amtsantritt im Februar 2022 sei Blume ein Bewunderer der
Tatkraft der THD geworden und bezeichnete das BITZ bei der Veranstaltung
am Montag als „unser niederbayerisches Tor zum Silicon Valley.“ Der
Minister weiter: „Das Bayerische Innovationstransferzentrum BITZ in
Oberschneiding ist eine echte Erfolgsgeschichte. Die TH Deggendorf als
Erfinderin unserer Technologietransferzentren macht hier im Landkreis
Straubing-Bogen vor, wie’s geht: Sie bringt Talente und Technologie
zusammen und setzt starke Impulse für neue Industrien. Das alles mit Know-
how und in enger Kooperation mit Partnern aus dem Silicon Valley. Der neue
Fokus liegt nun auf Bioengineering – einem entscheidenden Zukunftsfeld!“

Letzteres hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass es der THD gelungen
ist, „mit Jeff Wilkesmann und Richard Janissen zwei international absolut
renommierte Wissenschaftler für diese Bioengineering-Mission an den
Standort Oberschneiding zu locken“, wie THD-Präsident Prof. Waldemar Berg
bestätigt. Das Transformation Lab am Standort des BITZ Oberschneiding
werde im Rahmen der Hightech Agenda Bayern und der Hightech Transfer
Bayern-Initiative mit Personal- und Sachmitteln in Höhe von insgesamt bis
zu knapp drei Millionen Euro über eine Laufzeit von fünf Jahren gefördert.
Wenn alles läuft wie geplant, wird Staatsminister Blume seinem
abschließenden Versprechen sicherlich mit Freude Folge leisten: „Ich komme
gerne wieder nach Oberschneiding.“ Einen besonderen Dank richtete der
Minister dabei auch an MdL Josef Zellmeier und Oberschneidings
Bürgermeister Ewald Seifert für ihren unermüdlichen Einsatz für das BITZ.

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Neues Jahresthema am KWI: Guilty Pleasures

Jahresthema Guilty Pleasures  KWI
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Ob exklusive Kreuzfahrten oder die Flugreise zum Spottpreis, binge
watching, Prokrastination oder die Liebe zum Plastik-Pop: Guilty pleasures
sind allgegenwärtig. So vertraut uns das merkwürdige Gemisch aus Lust,
Scham und Reue inzwischen auch erscheinen mag, die Beschäftigung mit ihm
bleibt häufig im Reflexhaften stecken. Das KWI-Jahresthema 2024/25 setzt
sich daher zum Ziel, den Wirkungsweisen dieses zentralen Ideologems der
Gegenwart auf den Grund zu gehen.

Wie entsteht aus individueller Lust öffentliche Scham, die manche
stigmatisiert und von anderen genüsslich ausgestellt wird? Wenn die
Moralisierung des Vergnügens zum Mittel der Beschämung wird, sind
Distinktionsgesten und Klassenkonflikte nicht weit. So gehören guilty
pleasures nur auf den ersten Blick in den Bereich unseres Privatlebens.
Mehr denn je sind sie zu einer Arena gesellschaftlicher und kultureller
Auseinandersetzungen geworden.

Im Rahmen ästhetischer Urteile blicken guilty pleasures auf eine
wechselvolle Geschichte zurück, aber erst als postmodernes Phänomen nehmen
sie ihre heutige Gestalt an: Der Begriff geht auf die 1978 lancierte
Kolumne der Zeitschrift Film Comment zurück, in der Martin Scorsese, Joan
Rivers oder Slavoj Žižek Lieblingsfilme vorstellten, die sich um
Geschmackssicherheit wenig scherten. Mit liebevollem Eifer wandte man sich
dem zu, was andere als zu kitschig, zu kommerziell, zu populär abtaten.
Mittlerweile lässt sich aus solchen stilbewussten Stilbrüchen
beträchtliches kulturelles Kapital schlagen: Wer Science-Fiction dem
Bildungsroman vorzieht, schmückt sich mit dem Nimbus einer vermeintlich
subversiven Haltung, die sich selbstsicher abseits des
bildungsbürgerlichen Kanons bewegt. Vor diesem Hintergrund dürfte es kein
Zufall sein, dass einstige Nischenthemen zum disziplinären Kerngeschäft
der Kulturwissenschaften avanciert sind. Zugleich rückte die Forschung
zusehends von den Pionierarbeiten der britischen Cultural Studies ab, die
sich der vernachlässigten Kultur der working class annahmen.

Mit guilty pleasures ist zudem ein politisches Begehren umschrieben: die
dunkle Seite des Lustprinzips, die sich im Ausleben von
grenzüberschreitenden Affekten und im Genießen von Herrschaft und
Herabsetzung offenbart. Zu guilty pleasures im erweiterten Sinne zählen
auch Weltanschauungen, die Unfreiheit für sich selbst und andere nicht
erleiden, sondern als eine Form „freiwilliger Knechtschaft“ (Étienne de La
Boétie) ersehnen.
Mit dem Jahresthema 2024/25 erkundet das Kulturwissenschaftliche Institut
Essen (KWI) weit mehr als nur den schlechten Ruf des schuldbesetzten
Vergnügens. Wir wollen herausfinden, in welchen Formen, unter welchen
historisch-kulturellen Vorzeichen und mit welchen Funktionen sich Lust-
und Schamvorstellungen miteinander verschränken.

VERANSTALTER
Ein Themenschwerpunkt des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI)

Über das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI):
Das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI) ist ein
interdisziplinäres Forschungskolleg für Geistes- und Kulturwissenschaften
in der Tradition internationaler Institutes for Advanced Study. Als
interuniversitäres Kolleg der Ruhr-Universität Bochum, der Technischen
Universität Dortmund und der Universität Duisburg-Essen arbeitet das
Institut mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seiner
Trägerhochschulen und mit weiteren Partnern in NRW und im In- und Ausland
zusammen. Innerhalb des Ruhrgebiets bietet das KWI einen Ort, an dem die
Erträge ambitionierter kulturwissenschaftlicher Forschung auch mit
Interessierten aus der Stadt und der Region geteilt und diskutiert werden.
Derzeit stehen folgende Forschungsschwerpunkte im Mittelpunkt:
Kulturwissenschaftliche Wissenschaftsforschung, Kultur- und
Literatursoziologie, Wissenschaftskommunikation, Visual Literacy sowie ein
„Lehr-Labor“. Fortgesetzt werden außerdem die Projekte im
Forschungsbereich Kommunikationskultur sowie Einzelprojekte.
www.kulturwissenschaften.de

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