Erste universitäre Konfliktakademie wird eröffnet

In der deutschen Gesellschaft schwelen massive Konflikte: Nicht nur die
Politik scheint zerstritten, Terrorangriffe führen zu einer
Migrationsdebatte, die ungelöst bleibt, Klimaaktivismus wird von
Klimaleugner*innen angegriffen, die Spaltung der Gesellschaft ist ein
Topthema. Lösungen werden gerade in Krisenzeiten oft von neuen Konflikten
überlagert. Dabei gibt es an die Wissenschaft hohe Erwartungen, wobei auch
sie angegriffen wird, wie die Pandemie gezeigt hat. Zeit also, sich über
Konflikte besser zu verständigen und innovative Formate für
Konfliktbearbeitung zu entwickeln. Das soll nun mit der ersten
Konfliktakademie an einer deutschen Universität, der „ConflictA“,
gelingen.
Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit
rund acht Millionen Euro als Projekt des Instituts für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Mit einer
Fachkonferenz mit vielen Mitmachelementen wird die ConflictA am 30.
Oktober offiziell eröffnet.
Schon die vergangenen Studien des 1996 gegründeten IKG zeigen eine
kritische gesellschaftliche Entwicklung. „Unsere Daten belegen einen
Anstieg rechtsextremer Einstellungen und Gewalt nicht nur an den Rändern,
sondern auch in der Mitte der Gesellschaft und allein das ist für viele
Menschen wie auch Institutionen eine besondere Herausforderung, die gut
verhandelt werden muss“, sagt Professor Dr. Andreas Zick,
wissenschaftlicher Direktor des IKG und Initiator der ConflictA. „Wie
schützen wir die Demokratie? Wie gelingt in Krisenzeiten eine kluge
Aushandlung von Konflikten, die aus Interessengegensätzen resultieren,
ohne dass Populismus und Extremismus weiter Menschen an sich binden können
und die Konflikte eher stärker werden? Wie bremsen wir politische Gewalt,
die aus Konflikten resultiert?“
ConflictA analysiert Konflikte umfassend und organisiert den Austausch
darüber
Die neu gegründete Akademie soll diesen Entwicklungen entgegenwirken. Sie
soll dazu dienen, bundesweit den Austausch von Wissen und Expertise zu
Konflikten voranzutreiben und zu systematisieren. Das Ziel ist es, Ansätze
zur Konfliktbearbeitung und Handlungsempfehlungen zum Umgang mit
innergesellschaftlichen und demokratierelevanten Konflikten verfügbar zu
machen. „Mit der ConflictA schaffen wir eine Plattform, um
gesellschaftliche Konflikte zu analysieren und Strategien für einen
konstruktiven Umgang zu entwickeln“, sagt Dr. Kerstin Eppert,
wissenschaftliche Leiterin der ConflictA. Die Akademie setzt dabei auf
einen Ansatz, der Forschung, Praxis und Politikberatung verbindet. „Wir
bringen Konfliktanalysen mit Debatten und Lösungsfindungen enger in einem
Haus zusammen“, erklärt Andreas Zick und er nennt das Grundprinzip der
Akademie: „Konflikte beforschen, besprechen, bearbeiten und daraus
lernen.“
Ein Schwerpunkt der Arbeit von ConflictA wird auf der kommunalen Ebene
liegen. Kerstin Eppert: „Viele der Konflikte, mit denen wir uns
beschäftigen, entstehen vor Ort in Städten und Gemeinden, und wirken sich
auf unser Zusammenleben aus. Deshalb ist es entscheidend, dass wir
gemeinsam mit lokalen Akteur*innen daran arbeiten. Unser Ziel ist, die
gemeinsam entwickelten Methoden und Zugänge als Werkzeugkasten für
Konfliktbearbeitung allen Interessierten zur Verfügung zu stellen.“
Konferenz führt in Perspektiven der ConflictA ein
Die Auftaktkonferenz am 30. Oktober macht anschaulich, mit welchen
Ansätzen die ConflictA beitragen soll, gesellschaftliche Spannungen zu
adressieren. Veranstaltet wird sie in der Ravensberger Spinnerei, dem
Historischen Museum und der Hechelei im Ravensberger Park in Bielefeld.
Das Programm reicht von wissenschaftlichen Vorträgen über
praxisorientierte Diskussionen bis zu interaktiven Formaten. Durch die
Veranstaltung führt die Moderatorin Aisha Camara. Auf dem Programm stehen
unter anderem:
• ein Gespräch über Konflikte und Möglichkeiten ihrer konstruktiven
Lösung
• ein Fachpanel „Stadt, Land, Konflikt?“ zu kommunaler
Konfliktbearbeitung
• ein interaktives Podium „Dissens in der Demokratie“ zur
dialogorientierten Konfliktkultur
• eine Diskussionsrunde „Konflikträume in der Gesellschaft – Gewalt
gegen Mädchen und Frauen sichtbar machen“
• ein interaktive Entwicklungsspiel „Szenen eines kommunalen
Konflikts“ am Beispiel des „Bremer Platanenstreits“
„Auf der Konferenz wollen wir nicht nur die ConflictA vorstellen, sondern
auch zeigen, wie wir arbeiten. Deshalb bieten wir einen Raum für
gesellschaftlichen Dialog an und binden alle Teilnehmenden aktiv mit ein“,
erläutert Kerstin Eppert. Zu den Vortragenden der Konferenz gehören unter
anderem Expert*innen für Friedensforschung, Konflikt- und Raumforschung,
Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Soziale Arbeit und
Dialogforschung, außerdem kommunal tätige Konfliktberater*innen,
Expertinnen aus der Frauenberatung, zivilgesellschaftliche Akteur*innen
und Künstler*innen. Zu der Veranstaltung gehört ein kulturelles
Begleitprogramm mit Ausstellungen und Musik auf dem Gelände der
Ravensberger Spinnerei.
ConflictA adressiert drängende Themen
In den kommenden Jahren wird sich die Akademie verschiedenen
Konfliktphänomenen widmen. In drei großen Programmlinien befasst sie sich:
• mit der Auswirkung von globalen Transformationen und Krisen auf
innergesellschaftliche Konflikte
• mit der Frage, welche Kontextfaktoren dazu führen, dass sich
Konflikte destruktiv entwickeln oder wieder eine konstruktive Wendung
nehmen können
• damit, wie politische Rahmung und kulturelle Ressourcen Konflikte
beeinflussen
Die ConflictA verknüpft angewandte Forschung, wissenschaftliche Begleitung
und Beratung sowie die Entwicklung von Bildungs- und Transferangeboten.
Sie erforscht praxisbezogene Konfliktinterventionen für
zivilgesellschaftliche Akteur*innen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge.
Zu letzteren gehören etwa kommunale Dienstleister, Schulen und
Sicherheitsbehörden. Zugleich arbeitet die Akademie daran,
Forschungswissen durch Qualifizierungs- und Professionalisierungsangebote
in die Praxis zurückzuführen. In ihrer Arbeit setzt die ConflictA einen
Schwerpunkt auf Wissenskommunikation und die Vermittlung von
Konfliktsensibilität und -kompetenzen auch in der breiten Bevölkerung.
Langfristiges Engagement
Die Konfliktakademie ist zunächst auf vier Jahre angelegt und wird vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund acht Millionen Euro
gefördert. In der seit Juni 2023 laufenden Aufbauphase bis Dezember dieses
Jahres werden Pilotstudien umgesetzt, deren Ergebnisse die Basis für die
erste Förderphase bis März 2027 bilden.
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