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Rheingauer Volksbank Preis 2024 für herausragende Arbeiten der Hochschule Geisenheim im Bereich Weinbau verliehen

In diesem Jahr dürfen sich zwei Preisträger über den Rheingauer Volksbank
Preis freuen: Kira Dreis wurde für ihren innovativen Beitrag zur
Beikrautkontrolle im Steillagenweinbau und Joachim Bumen für wegweisende
Arbeiten zum klimaresilienten Weinbau geehrt. Im Rahmen einer feierlichen
Preisverleihung zeichnete die Bank die Geisenheimer Absolvierenden des
Studiengangs Weinbau und Oenologie für ihre Arbeiten jeweils mit einem
Preisgeld in Höhe von 750 Euro aus.

„Wir verleihen den Rheingauer Volksbank Preis in diesem Jahr gleich an
zwei herausragende Absolventen, denn beide Arbeiten erfüllen den Anspruch
unseres Preises perfekt und doch auf unterschiedliche Weise“, erläuterte
Andreas Zeiselmaier, Vorstandsvorsitzender der Rheingauer Volksbank. Die
Forschungsergebnisse von Frau Dreis bieten einen hohen praktischen Nutzen
im Steillagenweinbau, Herr Bumen hat mit seiner Arbeit einen Meilenstein
für die Entwicklung eines klimaresilienten Weinbaus gesetzt. Der Bank sei
es wichtig, Arbeiten zu würdigen, die nicht nur theoretisch überzeugen,
sondern in der Praxis anwendbar sind und zudem eine Brücke zwischen
Tradition und Innovation schlagen, so Zeiselmaier. Der Preis verkörpere
alles, wofür die Bank stehe: Förderung, Miteinander, Entwicklung und die
Weinbauregion Rheingau.

In ihrer Bachelorthesis führte Kira Dreis „Vergleichende Untersuchungen
zur Beikrautkontrolle im Unterstockbereich in einem Weinberg an der Mosel“
durch. Die Jury hob die Arbeit von Kira Dreis für ihren innovativen
Beitrag zur Beikrautkontrolle im Steillagenweinbau hervor – einem
drängenden Problem in diesem Bereich. Dreis widmete sich der
Herausforderung, Beikräuter im Unterstockbereich wirksam zu bekämpfen, um
Krankheiten zu minimieren und die Traubenqualität zu sichern. Die
ermittelten Resultate ihres umfangreichen Versuchsprogramms liefern
bereits jetzt wichtige Hinweise für Bekämpfungsstrategien, die in den
kommenden Jahren ein bedeutendes Werkzeug für die weinbauliche Beratung
sein werden.

Joachim Bumen widmete sich in seiner Bachelorarbeit der „Anwendung und
Eignung von Rhizoboxen zur Untersuchung der Wurzelarchitektur bei
Unterlagsreben“, was sich nach Einschätzung der Jury zu einer
existenziellen Frage des Weinbaus entwickeln könnte. Das Thema
Wurzelarchitektur wird angesichts des Klimawandels immer wichtiger für den
Weinbau. Bumen baute Wurzelkästen und erstellte eine detaillierte
Arbeitsanweisung samt Kostenaufstellung. Mithilfe eines softwaregestützten
Verfahrens dokumentierte er die Wurzelarchitekturen verschiedener
Unterlagsreben. Die Arbeit bietet zudem einen Ansatz zur Selektion und
Züchtung von Unterlagen für den zukünftigen Weinbau, so die Jury.

„Bereits seit 18 Jahren unterstützt uns die Rheingauer Volksbank dabei,
herausragenden und praxisrelevanten Abschlussarbeiten eine Bühne zu
geben,“ betonte der Präsident der Hochschule Geisenheim Prof. Dr. Hans
Reiner Schultz. „Durch die Förderung dieser zukunftsweisenden Arbeiten
tragen wir gemeinsam zur Weiterentwicklung der Weinbranche bei, indem wir
Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in den Fokus rücken.“

Auch Christian Aßmann, Bürgermeister der Hochschulstadt Geisenheim, sprach
seinen Dank aus: „Die Verleihung des Rheingauer Volksbank Preises an zwei
ausgezeichnete Absolvierende der Hochschule Geisenheim ist ein besonderes
Zeichen für die Bedeutung innovativer Forschung im Weinbau. Ihre Arbeiten
zeigen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch umgesetzt werden
können, um den Herausforderungen des Klimawandels und der
Qualitätssicherung zu begegnen. Es ist großartig, dass die Rheingauer
Volksbank diese jungen Talente unterstützt und ihnen eine Möglichkeit
bietet, ihre Ideen in die Praxis zu übertragen. Zudem freue ich mich, dass
die großen Akteure unserer Hochschulstadt seit vielen Jahren diese
Preisverleihung gemeinsam durchführen.“

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Hinter den Masken: Der große Hype um Halloween

Wissenschaftler der DHBW Karlsruhe erklärt den Brauch aus
neurowissenschaftlicher und marketingstrategischer Sicht

Halloween hat sich in den letzten Jahren zu einem der beliebtesten Events
entwickelt. Doch warum entsteht gerade jetzt ein solcher Hype um
Halloween? Zur Einordnung gibt der Marketingexperte Jan Michael Rasimus,
Leiter des Eye Tracking-Labors der DHBW Karlsruhe, Einblicke in die
Neurowissenschaften.

Halloween ist in den letzten Jahren auch in Europa immer populärer
geworden. Was steckt hinter diesem Trend?

Rasimus: Halloween kombiniert zwei wesentliche Elemente, die tief in uns
Menschen verankert sind: die Faszination für das Unbekannte und den
sozialen Austausch, also die Freude am gemeinsamen Feiern. Aus
neurowissenschaftlicher Sicht löst der Kontrast zwischen Angst und
Belohnung ein besonderes neurochemisches Feuerwerk im Gehirn aus. Grusel
erzeugt eine Stressreaktion, und gleichzeitig bietet eine sichere
Partyumgebung die Möglichkeit, diese Angst auf spielerische Weise zu
erleben.

Ist das Gehirn also darauf programmiert, den Nervenkitzel von Halloween zu
genießen?

Rasimus: So ist es. Dieser Adrenalinschub wird oft als eine Form des
„sicheren Schreckens“ bezeichnet. Unser Gehirn reagiert auf abrupte
Schreck- und Gruselimpulse, weil sie ursprünglich als
Überlebensmechanismus dienten. Nur findet dies auf Partys in einem
sicheren Rahmen statt. Die Kombination aus Schreck und anschließender
Entspannung löst eine Art Euphorie aus. Viele kennen das Gefühl nach einer
bestandenen Mutprobe oder einer Fahrt in der Geisterbahn. Dazu kommt der
soziale Aspekt: Menschen lieben es, diese Erlebnisse gemeinsam zu
durchleben – sei es auf einer Halloween-Party oder beim gemeinsamen
Schauen eines Horrorfilms.

Gibt es noch andere psychologische Gründe, warum Menschen so gerne feiern
und sich verkleiden?

Rasimus: Ja, die gibt es. Ein zentrales Konzept ist hier das Phänomen des
sogenannten „Social Play“, also das spielerische Ausleben sozialer Rollen.
Verkleidungen sind ein spannendes Werkzeug zur Selbstinszenierung und
sozialen Interaktion. Das Eintauchen in eine andere Identität gibt uns die
Möglichkeit, aus dem gewohnten Ich auszubrechen und neue Facetten von uns
selbst zu erkunden. Psychologisch gesehen kann das Tragen eines Kostüms
uns die Freiheit geben, unbewusste Teile unserer Persönlichkeit diskret
auszuleben.

Warum sind Halloween-Partys gerade jetzt so beliebt?

Rasimus: Hier kommt eine Mischung aus gesellschaftlichen und
psychologischen Faktoren ins Spiel. Zum einen sehnen sich Menschen,
insbesondere in Zeiten großer Unsicherheit, wie durch die Pandemie und
multipler Krisen, nach sozialen Erlebnissen und kollektivem Feiern.
Halloween bietet eine Gelegenheit, aus der Alltagsroutine auszubrechen.
Dieses Bedürfnis nach Eskapismus, also dem zeitweiligen Ausbrechen aus der
Realität, ist heute vielleicht sogar stärker denn je.
Zum anderen bietet Halloween eine einzigartige Mischung aus Grusel und
Spaß, die für viele Altersgruppen attraktiv ist. Gerade junge Erwachsene
und Jugendliche lieben die Verbindung von Spannung, Abenteuer und sozialem
Zusammenkommen. Halloween-Partys bieten also ein emotionales Erlebnis, das
stark verbindet und gleichzeitig das Bedürfnis nach Zugehörigkeit stillt.

Was macht Halloween aber aus marketingtechnischer Sicht so attraktiv?

Rasimus: Aus Marketingperspektive ist Halloween ein Fest, das sich
hervorragend vermarkten lässt, weil es mit starken visuellen und
emotionalen Reizen arbeitet. Der Gruselcharakter und die symbolträchtigen
Figuren wie Geister, Zombies oder Hexen sind extrem wirkungsvolle Motive,
die viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Für Marken und Unternehmen bietet
Halloween eine ideale Plattform für kreative Kampagnen.

Wie lässt es sich erklären, dass Halloween in Deutschland in den letzten
Jahren so deutlich an Popularität gewonnen hat?

Rasimus: Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen hat die
Globalisierung dazu geführt, dass kulturelle Bräuche weltweit schneller
verbreitet werden. Internationale Filme (z. B. „Beetlejuice Beetlejuice“)
und Serien, aber natürlich auch die Werbeindustrie haben das Bild von
Halloween in den letzten Jahren stark geprägt und es zu einem
wiederkehrenden, attraktiven Ereignis gemacht. Für den Einzelhandel ist
Halloween ein zunehmend wichtiger Umsatztreiber. Der Handelsverband
Deutschland (HDE) rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatz von 540
Millionen Euro. Viele bekannte Marken nutzen Halloween, um mit
aufmerksamkeitsstarken Kampagnen ihre Produkte zu bewerben. Auf Social
Media greifen zudem sehr reichweitenstarke Influencer*innen den Halloween-
Hype auf, um mit ihren Followern in Kontakt zu treten. Schmink-Tutorials,
Verkleidungs- und Party-Tipps sowie Koch- und Backrezepte erzielen derzeit
enorme Interaktionsraten. Aber auch für alle anderen ist Halloween
mittlerweile ein sehr willkommener Anlass, um der eigenen Kreativität
freien Lauf zu lassen, Spaß zu haben und die eigenen Halloween-Erlebnisse
über Social Media zu teilen.

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S3-Leitlinie zum Ovarialkarzinom aktualisiert: neue Therapieempfehlungen bei der Rezidivtherapie

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter Federführung der Deutschen
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) die S3-Leitlinie
„Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren“ aktualisiert.
In der nunmehr sechsten Version wurde das Kapitel „Pathologie“ vollständig
überarbeitet. Zudem wurden aufgrund neuer Studiendaten insbesondere die
Empfehlungen zur Rezidivtherapie angepasst. An der Erstellung der
S3-Leitlinie waren 30 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt.
Finanziert wurde sie von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des
Leitlinienprogramms Onkologie.

Eierstockkrebs verläuft oft lange Zeit symptomfrei für die betroffenen
Frauen. Ovarialkarzinome werden deshalb meist erst in einem
fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert, was mit einer schlechten
Prognose einhergeht: Im Jahr 2020 erkrankten 7.180 Frauen an
Eierstockkrebs und 5.265 starben daran. Nach Brustkrebs ist Eierstockkrebs
somit die zweithäufigste tödliche gynäkologische Krebserkrankung. Das
mittlere Erkrankungsalter liegt bei 68 Jahren. Bis zu 25 Prozent aller an
Eierstockkrebs erkrankten Patientinnen haben eine erbliche Vorbelastung ‒
sie weisen Genveränderungen auf, die das Erkrankungsrisiko erhöhen.

Auswirkungen der aktualisierten WHO-Klassifikation von Ovarialkarzinomen
auf die Pathologie

Im Jahr 2020 hat die WHO die Klassifikation von Tumoren der weiblichen
Reproduktionsorgane aktualisiert. In Bezug auf Ovarialkarzinome wurden
frühere Einteilungen durch ein Konzept von fünf großen, pathogenetisch
unabhängigen, histologisch und molekular unterschiedlichen Gruppen der
Ovarialkarzinome abgelöst. „Diese WHO-Aktualisierung brachte Veränderungen
für die Pathologie, die wir in der vorliegenden Leitlinie berücksichtigt
haben. Sie betreffen u.a. einzelne histologische Typen der
Ovarialkarzinome. Neben umfassenden Details zur Charakterisierung der
Tumoren haben wir außerdem Angaben zur molekularen Aufarbeitung
integriert“, erläutert Prof. Dr. Uwe Wagner vom Universitätsklinikum
Marburg. Er ist Koordinator der S3-Leitlinie.

Operative und medikamentöse Therapie mit Neuerungen in der Rezidivtherapie

Als Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms wird in der
Regel eine Operation durchgeführt, an die sich eine platinhaltige
Chemotherapie anschließt. Je nach Tumorstadien kommen auch
Kombinationstherapien zur Anwendung. Nach Abschluss der Chemotherapie
sollte bei Patientinnen mit weitfortgeschrittenen Stadien von
Eierstockkrebs (III–IV) eine zusätzliche Erhaltungstherapie erfolgen.
Hierbei kommen zwei Wirkstoffklassen zum Einsatz: Antikörper, die die
Neubildung von Blutgefäßen und damit das Tumorwachstum hemmen oder PARP-
Inhibitoren, die DNA-Reparaturmechanismen bei durch Zytostatika
vorgeschädigten Krebszellen hemmen – in manchen Fällen auch eine
Kombination davon.

Bei Rezidiven von Ovarialkarzinomen gibt es Neuerungen in den
Therapieempfehlungen. Wagner erläutert dazu: „Nach Vorliegen der Daten zur
DESKTOP III Studie* haben wir die Empfehlungen zur operativen
Rezidivtherapie aktualisiert. Denn bei Patientinnen mit einem ersten
Rezidiv des Ovarialkarzinoms führt die chirurgische komplette Entfernung,
gefolgt von einer Chemotherapie zu einer Verbesserung des
Gesamtüberlebens. Ziel einer solchen OP ist die makroskopische
Komplettresektion.“ Zugleich führen diese Studienergebnisse auch zu
Empfehlungsänderungen in der medikamentösen Rezidivtherapie: Vor dem
Einsatz einer Systemtherapie im ersten Rezidiv soll die Möglichkeit einer
operativen vollständigen Rezidivresektion in einem Gynäko-Onkologischen
Zentrum geprüft werden.

Eine neue Behandlungsoption gibt es für Frauen, die an einem serösen low-
grade Karzinom erkrankt sind. Diese Karzinome bilden eine seltene
Subgruppe der Ovarial-, Tuben- und Peritonealkarzinome, die durch eine
geringere Aggressivität charakterisiert sind. Bei Patientinnen mit
mindestens einer Platin-basierten Vorbehandlung und Rezidiv eines low-
grade serösen Ovarialkarzinoms kann eine Behandlung mit einem MEK-
Inhibitor erfolgen, der in einen Signalweg im Zellzyklus eingreift.

Die aktualisierte S3-Leitlinie ist auf dieser Webseite abrufbar:
https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ovarialkarzinom.

Zudem sind die Inhalte in der kostenfreien Leitlinien-App integriert.
Android-Smartphone- und iPhone-Nutzer können die Leitlinien-App hier
herunterladen: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/app

* Quelle: N Engl J Med. 2021 Dec 2;385(23):2123-2131. doi:
10.1056/NEJMoa2103294.

Das Leitlinienprogramm Onkologie
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für
Leistungserbringer und Patient*innen zur angemessenen Vorgehensweise bei
speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument
zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar.
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die
Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten
Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung
und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und
praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen.
Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm 34 S3-Leitlinien, die zu einem
großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen.
Mehr unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/home

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG)
ist eine der großen wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland.
Sie hat sich der Stärkung der Fachgebiete der Frauenheilkunde und
Geburtshilfe verschrieben und fördert das gesamte Fach und seine
Subdisziplinen, um die Einheit des Faches Frauenheilkunde und Geburtshilfe
weiterzuentwickeln. Als medizinische Fachgesellschaft engagiert sich die
DGGG fortwährend für die Gesundheit von Frauen und vertritt die
gesundheitlichen Bedürfnisse der Frau auch in diversen politischen
Gremien.
Mehr: https://www.dggg.de/

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Kämpferin für die Rechte Behinderter: EvH Bochum verabschiedet Prof. Dr. Theresia Degener in den Ruhestand

Sie ist eine Aktivistin der ersten Stunde, eine Rebellin und Vorreiterin:
Prof. Dr. Theresia Degener setzt sich seit mehr als 40 Jahren für die
Rechte und die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung ein. Die
Juristin war maßgeblich an der Entstehung der UN-
Behindertenrechtskonvention beteiligt und gründete das Bochumer Zentrum
für Disability Studies (BODYS), das unter ihrer Führung zu einer wichtigen
Institution in der Forschung und Lehre im Bereich der Behindertenrechte
wurde. Nun geht Prof. Degener nach 26 Jahren an der Evangelischen
Hochschule Bochum (EvH Bochum) in den Ruhestand.

„Als eine herausragende Persönlichkeit in den Bereichen Recht und
Disability Studies, hat Theresia Degener nicht nur die akademische
Landschaft in Deutschland geprägt, sondern auch auf internationaler Ebene
bedeutende Impulse gesetzt“, sagte EvH-Rektorin Prof. Dr. Dr. Sigrid
Graumann in ihrer Festrede. „Sie ist eine beeindruckende Persönlichkeit,
die es stets verstanden hat, die wissenschaftliche Perspektive mit ihrem
Engagement in der Behindertenrechtsbewegung zu verbinden. Den Studierenden
hat sie die Möglichkeit gegeben, sich direkt an den Prozessen zu
beteiligen. Davon haben alle enorm profitiert.“

Theresia Degener forschte zu internationalen Menschenrechten, Gender und
Disability Studies, sowie Anti-Diskriminierungsrecht. In ihrer
Abschiedsvorlesung reflektierte sie, wie sich Behindertenforschung in
Deutschland verändert hat und mit welchen Hürden behinderte Forschende in
der akademischen Welt konfrontiert werden. Mit Blick auf die EvH Bochum
sagte sie anerkennend: „Was mich besonders erfreut, ist die zunehmende
Barrierefreiheit. Während ich für meine Antrittsvorlesung die
Gebärdensprachdolmetschung noch selbst organisieren musste, übernimmt das
heute die Hochschule aus einem Topf, der eigens dafür eingerichtet wurde.
Auch baulich hat sich einiges getan.“

In ihrer letzten Vorlesung betonte Degener die besondere Bedeutung der UN-
Behindertenrechtskonvention (UN BRK), an der sie maßgeblich mitgewirkt hat
– zunächst als Co-Autorin der Hintergrundstudie, dann als unabhängige
Sachverständige und Vertreterin Deutschlands bei der Ausarbeitung des
internationalen Übereinkommens. Von 2011-2018 hat sie sich als Mitglied
und später Vorsitzende im Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte
von Menschen mit Behinderungen für die Rechte von Menschen mit
Behinderungen stark gemacht. Die UN BRK bietet eine gesetzliche Grundlage,
um die Rechte behinderter Menschen in den verschiedenen Ländern
umzusetzen.

Eines der grundlegenden Prinzipien dabei sei das Motto „Nichts ohne uns
über uns“ sowohl in kollektiver als auch individueller Hinsicht, so
Theresia Degener. Das erfordere auch ein Umdenken in der Forschung, „denn
menschenrechtsbasierte Forschung stellt die herkömmlichen
Machtverhältnisse zwischen Forschenden und Beforschten in Frage.“

Diesen Gedanken griff auch Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung
für die Belange von Menschen mit Behinderungen, in seinem Grußwort auf:
„Theresia Degener hat uns verständlich gemacht, dass die Umsetzung der
Rechte behinderter Menschen nicht etwa eine Nettigkeit ist, sondern dass
es dabei um die Frage geht, in welchem Land wir leben wollen. Leider
erleben wir, dass Leute, die Probleme mit Demokratie haben, auch häufig
Probleme mit Inklusion haben."

Wurzeln in der Protestbewegung

Bereits in frühen Veröffentlichungen zeigte Prof. Degener ihre
emanzipatorische Einstellung – etwa als Mitverfasserin des ersten Buches
von behinderten Frauen in Deutschland mit dem Titel „Geschlecht behindert,
besonderes Merkmal Frau“ (1985). Sich feministisch zu engagieren, blieb
bis zum Ende ihrer beruflichen Laufbahn eine Herzensangelegenheit. „Ich
muss noch einmal hervorheben, wie wichtig es ist, die Schnittstellen
zwischen Geschlecht und Behinderung zu betrachten und die spezifischen
Herausforderungen, denen behinderte Frauen gegenüberstehen, sichtbar zu
machen.“

Neben Forschung, Lehre und Networking hat die Wissenschaftlerin nie ihre
Wurzeln in der Behindertenrechtsbewegung vergessen, mit der sie 1981 ihren
ersten großen öffentlichen Auftritt als Mit-Anklägerin im sogenannten
„Krüppeltribunal“ hatte. Zu dessen Jubiläumsfeiern lud Degener
Mitstreitende an die EvH Bochum, sodass Studierende der Hochschule immer
wieder die Gelegenheit bekamen, Zeitzeug_innen der Geschichte der
Behindertenbewegung zu treffen. 2013 brachte Prof. Degener die UN-
Behindertenrechtskonvention auch „nach Hause“, nach Bochum und an die EvH.
Gemeinsam mit Sigrid Graumann organisierte sie die erste barrierefreie,
internationale Tagung der Hochschule mit dem Titel „Menschenrecht
Inklusion“.

Werdegang:
Prof. Dr. Theresia Degener studierte Rechtswissenschaften in Frankfurt am
Main und in Berkeley, USA. In Frankfurt a.M. legte sie 1986 das Erste
Juristische Staatsexamen und 1993 das Assessorexamen ab. 1992 promovierte
sie zum Thema „Das ambulante Pflegerechtsverhältnis als Modell eines
Sozialrechtsverhältnisses“ an der juristischen Fakultät der Johann-
Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, an der sie von 1995 bis 1998 auch
als Wissenschaftlerin (C1) wirkte.

Außeruniversitäre berufliche Erfahrungen sammelte sie als Juristin bei
verschiedenen Behindertenorganisationen im In-und Ausland. (fib e.V.
Marburg, DREDF, Berkeley). 1998 wurde Theresia Degener Professorin für
Recht, Verwaltung und Organisation am Fachbereich Heilpädagogik der EvH
Bochum. 2010 wechselte sie als Professorin für Recht und Disability
Studies an den Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Diakonie.
Nebenberuflich war sie als Sachverständige und Beraterin zahlreicher
staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen tätig. Sie beriet den
Deutschen Bundestag und die Deutsche Bundesregierung, die Vereinten
Nationen, die Europäische Kommission und die Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa, ebenso wie Disabled Peoples‘ International,
die Open Society Foundation oder das Europäische Behindertenforum. Als
Gastprofessorin lehrte sie an juristischen Fakultäten in den USA,
Südafrika, und den Niederlanden.

Theresia Degener gilt auch als Mitbegründerin der deutschsprachigen
Disability Studies. Das Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS)
leitete sie seit 2015.
Informationen zum Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS):
Nach dem Ausscheiden von Prof. Dr. Theresia Degener in den Ruhestand
übernehmen Prof. Dr. Kathrin Römisch und Prof. Dr. Stefan Schache die
kommissarische Leitung von BODYS. Sie werden dabei von Gudrun Kellermann
und Prof. Dr. Karin Tiesmeyer unterstützt.

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