S3-Leitlinie zum Ovarialkarzinom aktualisiert: neue Therapieempfehlungen bei der Rezidivtherapie
Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter Federführung der Deutschen
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) die S3-Leitlinie
„Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren“ aktualisiert.
In der nunmehr sechsten Version wurde das Kapitel „Pathologie“ vollständig
überarbeitet. Zudem wurden aufgrund neuer Studiendaten insbesondere die
Empfehlungen zur Rezidivtherapie angepasst. An der Erstellung der
S3-Leitlinie waren 30 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt.
Finanziert wurde sie von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des
Leitlinienprogramms Onkologie.
Eierstockkrebs verläuft oft lange Zeit symptomfrei für die betroffenen
Frauen. Ovarialkarzinome werden deshalb meist erst in einem
fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert, was mit einer schlechten
Prognose einhergeht: Im Jahr 2020 erkrankten 7.180 Frauen an
Eierstockkrebs und 5.265 starben daran. Nach Brustkrebs ist Eierstockkrebs
somit die zweithäufigste tödliche gynäkologische Krebserkrankung. Das
mittlere Erkrankungsalter liegt bei 68 Jahren. Bis zu 25 Prozent aller an
Eierstockkrebs erkrankten Patientinnen haben eine erbliche Vorbelastung ‒
sie weisen Genveränderungen auf, die das Erkrankungsrisiko erhöhen.
Auswirkungen der aktualisierten WHO-Klassifikation von Ovarialkarzinomen
auf die Pathologie
Im Jahr 2020 hat die WHO die Klassifikation von Tumoren der weiblichen
Reproduktionsorgane aktualisiert. In Bezug auf Ovarialkarzinome wurden
frühere Einteilungen durch ein Konzept von fünf großen, pathogenetisch
unabhängigen, histologisch und molekular unterschiedlichen Gruppen der
Ovarialkarzinome abgelöst. „Diese WHO-Aktualisierung brachte Veränderungen
für die Pathologie, die wir in der vorliegenden Leitlinie berücksichtigt
haben. Sie betreffen u.a. einzelne histologische Typen der
Ovarialkarzinome. Neben umfassenden Details zur Charakterisierung der
Tumoren haben wir außerdem Angaben zur molekularen Aufarbeitung
integriert“, erläutert Prof. Dr. Uwe Wagner vom Universitätsklinikum
Marburg. Er ist Koordinator der S3-Leitlinie.
Operative und medikamentöse Therapie mit Neuerungen in der Rezidivtherapie
Als Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms wird in der
Regel eine Operation durchgeführt, an die sich eine platinhaltige
Chemotherapie anschließt. Je nach Tumorstadien kommen auch
Kombinationstherapien zur Anwendung. Nach Abschluss der Chemotherapie
sollte bei Patientinnen mit weitfortgeschrittenen Stadien von
Eierstockkrebs (III–IV) eine zusätzliche Erhaltungstherapie erfolgen.
Hierbei kommen zwei Wirkstoffklassen zum Einsatz: Antikörper, die die
Neubildung von Blutgefäßen und damit das Tumorwachstum hemmen oder PARP-
Inhibitoren, die DNA-Reparaturmechanismen bei durch Zytostatika
vorgeschädigten Krebszellen hemmen – in manchen Fällen auch eine
Kombination davon.
Bei Rezidiven von Ovarialkarzinomen gibt es Neuerungen in den
Therapieempfehlungen. Wagner erläutert dazu: „Nach Vorliegen der Daten zur
DESKTOP III Studie* haben wir die Empfehlungen zur operativen
Rezidivtherapie aktualisiert. Denn bei Patientinnen mit einem ersten
Rezidiv des Ovarialkarzinoms führt die chirurgische komplette Entfernung,
gefolgt von einer Chemotherapie zu einer Verbesserung des
Gesamtüberlebens. Ziel einer solchen OP ist die makroskopische
Komplettresektion.“ Zugleich führen diese Studienergebnisse auch zu
Empfehlungsänderungen in der medikamentösen Rezidivtherapie: Vor dem
Einsatz einer Systemtherapie im ersten Rezidiv soll die Möglichkeit einer
operativen vollständigen Rezidivresektion in einem Gynäko-Onkologischen
Zentrum geprüft werden.
Eine neue Behandlungsoption gibt es für Frauen, die an einem serösen low-
grade Karzinom erkrankt sind. Diese Karzinome bilden eine seltene
Subgruppe der Ovarial-, Tuben- und Peritonealkarzinome, die durch eine
geringere Aggressivität charakterisiert sind. Bei Patientinnen mit
mindestens einer Platin-basierten Vorbehandlung und Rezidiv eines low-
grade serösen Ovarialkarzinoms kann eine Behandlung mit einem MEK-
Inhibitor erfolgen, der in einen Signalweg im Zellzyklus eingreift.
Die aktualisierte S3-Leitlinie ist auf dieser Webseite abrufbar:
https://www.leitlinienprogramm
Zudem sind die Inhalte in der kostenfreien Leitlinien-App integriert.
Android-Smartphone- und iPhone-Nutzer können die Leitlinien-App hier
herunterladen: https://www.leitlinienprogramm
* Quelle: N Engl J Med. 2021 Dec 2;385(23):2123-2131. doi:
10.1056/NEJMoa2103294.
Das Leitlinienprogramm Onkologie
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für
Leistungserbringer und Patient*innen zur angemessenen Vorgehensweise bei
speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument
zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar.
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die
Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten
Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung
und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und
praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen.
Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm 34 S3-Leitlinien, die zu einem
großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen.
Mehr unter: https://www.leitlinienprogramm
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG)
ist eine der großen wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland.
Sie hat sich der Stärkung der Fachgebiete der Frauenheilkunde und
Geburtshilfe verschrieben und fördert das gesamte Fach und seine
Subdisziplinen, um die Einheit des Faches Frauenheilkunde und Geburtshilfe
weiterzuentwickeln. Als medizinische Fachgesellschaft engagiert sich die
DGGG fortwährend für die Gesundheit von Frauen und vertritt die
gesundheitlichen Bedürfnisse der Frau auch in diversen politischen
Gremien.
Mehr: https://www.dggg.de/