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Notizen mit Mehrwert – DFKI und Wacom realisieren individuelles Wissensmanagement

Visualisierung des PoC.  Wacom
Visualisierung des PoC. Wacom

Wacom und DFKI haben ein gemeinsames System entwickelt, welches
handschriftliche Dokumente mit nützlichem Wissen anreichert. Dieses
umfasst neben Informationen aus dem Unternehmensgedächtnis auch
individuelles Wissen und allgemein verfügbare Informationen, die
kontextbezogen referenziert und dem Wissensarbeiter bedarfsgerecht
angeboten werden. Die daraus resultierenden Möglichkeiten im Hinblick auf
zusätzliche Anwendungen und Dienste sind weitreichend.

Die heutige Datenflut führt dazu, dass die vielen uns umgebenden
Informationen für den Einzelnen kaum noch überschau- und handhabbar sind:
Dokumente werden in ausladenden Ordnerstrukturen abgelegt, E-Mails treffen
fast minütlich ein, Notizen zu wichtigen Besprechungsinhalten werden
handschriftlich festgehalten und verschwinden in der Kladde oder im Stapel
Papier. Um dieser Fülle an Informationen Herr zu werden ist ein
Wissensmanagementsystem erforderlich, das die spezifischen Arbeitsmethoden
des Einzelnen berücksichtigt und die individuellen Unterlagen sowohl in
die persönlichen Daten als auch in das Firmengedächtnis einbindet. Darüber
hinaus braucht es eine proaktive Bereitstellung weiterführender
Informationen aus relevanten Quellen, die zum aktuellen Kontext passen
oder aber der Lösung des spezifischen Problems dienen.

Digitale Tinte und Wissensmanagement gehen Symbiose ein

Der japanische Hersteller von Eingabetabletts und digitalen Stiften,
Wacom, und der Forschungsbereich „Smarte Daten & Wissensdienste“ des
Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) widmen
sich gemeinsam dieser Herausforderung. Beide engagieren sich im Digital
Stationery Consortium (DSC), einer Vereinigung, welche die „Digitale
Tinte“ als universelles, offenes und intelligentes Inhaltsformat
etablieren und hierfür gemeinsame Ideen und zukünftige Anwendungen
entwickeln möchte.

In die Kooperation hat Wacom seine Schlüsseltechnologie zur Darstellung
Digitaler Tinte, die „Wacom Ink Layer Language (WILLTM)“ eingebracht. Mit
Hilfe des WILLTM-Standards kann die persönliche, digitale Handschrift
plattform- und applikationsübergreifend aufgezeichnet und abgebildet
werden. Die Technologie, mit der man die zuvor digitalisierten Notizen mit
persönlichem, unternehmenseigenem und öffentlich zugänglichem Wissen
anreichert, basiert auf „Corporate Memory (CoMem)“, einem
Wissensmanagementsystem aus dem DFKI. Die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen und realisieren seit Jahren in Forschungs- und
Industrieprojekten Lösungen, wie man Wissensmanagement effektiv in die
tägliche Arbeit einbinden kann, Wissen kontextbezogen mit wenig Aufwand
gewinnt und bedarfsorientiert bereitstellt.

Proaktive Information statt zeitintensiver Suche

Im gemeinsam mit Wacom entwickelten Proof of Concept (PoC), notiert der
Mitarbeiter Informationen mit einem digitalen Stift. Anschließend erfolgt
die semantische Aufbereitung der Inhalte und Klassifizierung von
Begriffen, die mit dem Personal Information Model (PIMO) und dem
Unternehmensgedächtnis verglichen werden. Auf dieser Basis stellt CoMem
proaktiv Informationen zur Verfügung – wie zum Beispiel Kontaktdaten zu
vermerkten Personen, relevante Einträge aus dem persönlichen Kalender oder
kontextbezogene Dokumente des Benutzers, Teams oder Unternehmens. Das neu
verfasste und digital aufbereitete Dokument wird wiederum in das PIMO des
Benutzers eingebettet und – wenn es gemeinsam genutzt wird – auch Teil des
Unternehmensgedächtnisses. Die Demonstration der Anwendung steht zum Test
bereit unter: https://will3-semantic-demo.wacom.com/

„Die Symbiose aus WILLTM-Technologie und CoMem Wissensmanagementsystem
verwandelt ein rein handschriftliches Dokument in ein Dokument mit echtem
Mehrwert", so Prof. Dr. Andreas Dengel, Leiter des Forschungsbereichs
Smarte Daten & Wissensdienste am DFKI. „Allzu oft geraten Notizen zu
Gedanken, Konzepten oder Besprechungen in Vergessenheit, trotz ihres
immensen Informationsgehaltes. Dem steuert unser gemeinsam entwickeltes
System entgegen: wichtige Inhalte manuell erstellter Dokumente werden in
ein Unternehmensgedächtnis integriert und über einen Wissensgraphen
automatisch mit den Ressourcen verknüpft. Gleichzeitig wird dem Anwender
zur Problemlösung kontextrelevantes und weiterführendes Wissen aus dem
PIMO des Anwenders, dem Unternehmensgedächtnis und frei zugänglichen
Quellen wie Wikipedia angeboten“, so Dengel weiter.

Die zeitintensive Suche nach relevanten Informationen auf Servern,
Desktop-Ordnern oder den unterschiedlichsten Applikationen gehört also
hoffentlich bald der Vergangenheit an.

„Bereicherung“ der Büroarbeit durch CoMem

Die Kooperation mit Wacom erweitert die Integration von CoMem in die
persönliche Arbeitsumgebung der Anwender und folgt damit dem Ansatz des
Semantic Desktop, der das Wissensmanagement in Anwendungen wie E-Mail,
Browser und Dateisystem integriert. So können die bislang in Texteditoren
geschriebenen semantischen Aufzeichnungen nun durch handschriftliche
Notizen – mit Digitaler Tinte auf Papier oder Tablets – erweitert werden
und dadurch weitere Arbeitssituationen von Nutzern abdecken. CoMem wird
bereits als eigenständiges und umfassendes Wissensmanagementsystem
innerhalb des DFKI eingesetzt und findet derzeit seinen Weg in die
Industrie. Weitere Informationen zu CoMem finden Sie unter:
https://comem.opendfki.de

Die gemeinsame Entwicklung wurde erstmalig auf der Samsung Developer
Conference in San Francisco vom 7. bis 8. November 2018 präsentiert. Am
30. November 2018 wird Wacom die Technologie während der Connected Ink
2018 in Tokyo demonstrieren.

Über das DFKI
Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI)
wurde 1988 als gemeinnützige Public-Private Partnership (PPP) gegründet.
Es unterhält Standorte in Kaiserslautern, Saarbrücken, Bremen, ein
Projektbüro in Berlin und Außenstellen in Osnabrück und St. Wendel. Das
DFKI ist auf dem Gebiet innovativer Softwaretechnologien auf der Basis von
Methoden der Künstlichen Intelligenz die führende wirtschaftsnahe
Forschungseinrichtung Deutschlands. In der internationalen
Wissenschaftswelt zählt das DFKI zu den wichtigsten „Centers of
Excellence“. Das Finanzvolumen lag 2017 bei 45,9 Millionen Euro. DFKI-
Projekte adressieren das gesamte Spektrum von der anwendungsorientierten
Grundlagenforschung bis zur markt- und kundenorientierten Entwicklung von
Produktfunktionen. Aktuell forschen ca. 560 Mitarbeiter aus ca. 60
Nationen an innovativen Software-Lösungen mit den inhaltlichen
Schwerpunkten Smarte Daten & Wissensdienste, Cyber-Physical Systems,
Multilinguale Technologien, Planbasierte Robotersteuerung, Educational
Technologies, Interaktive Textilien, Robotik, Innovative Retail,
Wirtschaftsinformatik, Eingebettete Intelligenz, Smart Service
Engineering, Intelligente Analytik für Massendaten, Intelligente Netze,
Agenten und Simulierte Realität, Erweiterte Realität, Sprachtechnologie,
Kognitive Assistenzsysteme und Innovative Fabriksysteme. Der Erfolg: mehr
als 130 Professorinnen und Professoren aus den eigenen Reihen und mehr als
80 Spin-off-Unternehmen mit ca. 2.500 hochqualifizierten Arbeitsplätzen.
Link: https://www.dfki.de/en/web/

Über das DSC
Das von Wacom gegründete Digital Stationery Consortium ist ein
Zusammenschluss internationaler Unternehmen und Vordenker mit der
gemeinsamen Mission, den Wert der menschlichen Kreativität zu
unterstreichen. Die Schaffung einer neuen Marktkategorie für intelligente
digitale Schreibwarenlösungen soll jedem kreativen Kopf auf natürliche und
intuitive Weise zugute kommen. Der Fokus des Konsortiums besteht darin,
digitale Tinte als universelles, offenes und intelligentes Inhaltsformat
zu etablieren. Der gemeinsame Rahmen dient dem Ideenaustausch und der
Zusammenarbeit auf Grundlage von „WILL™ digital ink“. Weitere
Informationen über DSC und die Vorteile einer Mitgliedschaft finden Sie
unter http://digitalstationeryconsortium.org.

Über Wacom
Das 1983 gegründete Unternehmen mit Sitz in Japan (Tokioter Börse 6727)
ist global tätig. Tochterunternehmen und lokale Büros weltweit sorgen für
Vermarktung und Vertrieb in über 150 Ländern. Die Vision, Mensch und
Technik durch intuitive Eingabetechnologien zusammenzubringen, hat Wacom
zum führenden Hersteller von interaktiven Stifttabletts und Displays und
von digitalen Stiften sowie von Lösungen zur Speicherung und Bearbeitung
digitaler Unterschriften gemacht. Die fortschrittliche Technologie der
intuitiven Eingabegeräte von Wacom half dabei, einige der weltweit
aufsehenerregendsten digitalen Kunstwerke, Filme, Spezialeffekte,
Modekreationen und Designs zu erschaffen, und gibt geschäftlichen und
privaten Nutzern benutzerfreundliche Eingabegeräte in die Hand, mit der
sie ihre Persönlichkeit ausdrücken können.
Die eSignature-Lösungen von Wacom kommen in den verschiedensten
Anwendungsbereichen zum Einsatz, in denen digitale Workflows mit maximaler
Sicherheit entscheidende Bedeutung haben, wie z.B. POS, ePayment,
elektronische Pässe, Versicherungen, Banken und Hotelrezeptionen.
Dank hoher Auflösung und beeindruckender Präzision ist die Technologie von
Wacom ideal für die Erfassung handschriftlicher Signaturen geeignet. In
allen Situationen, in denen Dokumente ausgefüllt, unterzeichnet und
verifiziert werden, sind Wacom Unterschriften-Geräte die ideale Lösung.
Die Kunden können damit ihre Arbeitsabläufe optimieren, schützen und
effizienter gestalten. Millionen von Kunden nutzen die kabel- und
batterielose, drucksensitive digitale Stifttechnologie von Wacom für die
Bedienung ihrer Smartphones, Medien-Tablets oder Desktop-Computer und um
ihre individuelle Kreativität auszudrücken. Zudem bietet das Unternehmen
führenden Herstellern, die Wachstumsmärkte bedienen, seine Produkte als
OEM-Lösungen an. Eine Reihe strategischer Partner implementiert die
patentierte Interface-Technologie „feel IT technologies“ als Bestandteil
der eigenen Produkte. Die meisten Hersteller von Tablet-PCs vertrauen auf
die hochmodernen Funktionen und die Verlässlichkeit der Marke Wacom und
bieten ihren Kunden somit eine verbesserte Interface-Erfahrung.
Weitere Informationen über die Produkte von Wacom Europe finden Sie im
Internet unter http://www.wacom.com

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Zukunft von Arbeiten und Leben in ländlichen Räumen

Die Ortschaft Katlenburg im Landkreis Northeim bietet gute Voraussetzungen für Arbeiten und Leben  Foto: Hans Ulrich Wiese, Bauamtsleiter der Gemeinde Katlenburg-Lindau
Die Ortschaft Katlenburg im Landkreis Northeim bietet gute Voraussetzungen für Arbeiten und Leben Foto: Hans Ulrich Wiese, Bauamtsleiter der Gemeinde Katlenburg-Lindau

Rund 100 Teilnehmende beim 7. Forum Regionalmanagement von HAWK und Uni in
Göttingen
Zum 7. FORUM Regionalmanagement und Wirtschaftsförderung in der HAWK
Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst sind jetzt mehr als 100
Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement
in Göttingen gekommen und haben intensiv über die Zukunft von Arbeiten und
Leben in ländlichen Räumen diskutiert. Prof. Dr. Ulrich Harteisen von der
HAWK und Prof. Dr. Christoph Dittrich, Leiter der Abteilung
Humangeographie des Geographischen Instituts der Universität Göttingen,
die gemeinsam die Veranstaltung durchführten, freuten sich über das volle
Haus und die lebhaften Diskussionen.

Prof. Dr. Ulrike Grabski-Kieron vom Geographischen Institut der
Universität Münster zeigte in ihrem Einführungsvortrag, dass ländliche
Räume schon immer auch ein Ort der Arbeit waren und bis heute sind.
Standortfaktoren haben sich jedoch immer einmal wieder verändert. So waren
die vorindustriellen Gewerberegionen überwiegend in den rohstoff- und
energiereichen Mittelgebirgen angesiedelt, heute oft Räume, in denen
Arbeitsplätze fehlen und die Bevölkerung abwandert.  In der Gegenwart sind
es neben den harten auch die weichen Standortfaktoren, die einen
ländlichen Raum attraktiv zum Leben und Arbeiten machen. Harteisen hatte
in seinen einführenden Worten die Frage gestellt, wie die Digitalisierung
das Leben und Arbeiten in ländlichen Räumen verändern wird. Der Soziologe
Prof. Dr. Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit
und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen griff diese
Fragestellung auf und zeigte, dass die ländlichen Räume aufgrund ihrer
gegenwärtigen Wirtschaftsstruktur sehr unterschiedlich von der
Digitalisierung betroffen sein werden. Das Substituierungspotenzial von
Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung ist im verarbeitenden Gewerbe um
ein Vielfaches größer als im Dienstleistungsgewerbe (hier insbesondere im
Gesundheitssektor), weshalb sich Regionen mit vorherrschendem
verarbeitenden Gewerbe intensiv Gedanken zu ihrer Zukunftsfähigkeit machen
sollten.

Prof. Christoph Dittrich begrüßte am Nachmittag Referenten aus den vier
sehr unterschiedlichen ländlichen Regionen Bodensee-Oberschwaben,
Eichsfeld, Südtirol und Südniedersachsen. Die prosperierende Region
Bodensee-Oberschwaben hat vor allem ein Problem: Es fehlen die Flächen für
die Ansiedlung von Gewerbe und auch für neue Wohnstandorte, so
Verbandsdirektor Wilfried Franke. Für den Geographen Thomas Wieland von
der Universität Karlsruhe ist Südtirol zwar ein regionalökonomisches
Erfolgsmodell, aber auch in Südtirol sind die Grenzen des Wachstums
erreicht, denn die Ressource Fläche und das Potenzial an Fachkräften ist
knapp. Die Region Eichsfeld in Westthüringen zeichnet sich durch die
höchste Rückkehrerquote aus, berichtete Gerald Schneider,
stellvertretender Landrat des Landkreises Eichsfeld. Danach gefragt,
worauf das zurückzuführen sei, wurde auf die starke Bindung der
Eichsfelder an ihre Heimat verwiesen, hinzu kommen attraktive
Arbeitsplätze, die u.a. in neuen Gewerbegebieten entlang der BAB 38 in den
letzten zehn Jahren entstanden sind, machte Christoph Reimann, Leiter des
Wirtschaftsreferates des Landkreises Eichsfeld deutlich.
Den Blick auf Arbeit und Wirtschaft richtet auch das an der HAWK
angesiedelte Forschungsprojekt „Perspektiven für den Wirtschaftsstandort
Dorf“. In neunzehn Dörfern in Südniedersachsen wird aktuell eine
Vollerfassung der vorhandenen Wirtschaftsstrukturen durchgeführt. Dörfer
sind auch heute ein Standort der Wirtschaft, so konnten 728 Unternehmen in
den Dörfern identifiziert werden, an die sich nun die
Unternehmensbefragung richtet, so das HAWK-Forscherteam bestehend aus
Sandra Lindemann, Dr. Tobias Behnen und Marcus Cordier.

Im seinem Abschlussresumee unterstrich Prof. Ulrich Harteisen, dass
ländliche Räume nach wie vor ein bedeutender Standort für die Wirtschaft
sind, oft fehlt es aber an Sichtbarkeit. So besitze beispielsweise die
Ortschaft Katlenburg im Landkreis Northeim gute Voraussetzungen für
Arbeiten und Leben. Die Digitalisierung bietet den ländlichen Räumen
voraussichtlich mehr Chancen als Risiken. Die Chancen müssen aber auch
ergriffen werden und dazu können ganz sicher auch kompetente
Regionalmanager und Wirtschafsförderer beitragen.

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Lucerne Festival, Rezital 2 Sir András Schiff, 19. November 2018, besucht von Léonard Wüst

Sir András Schiff Klavier
Sir András Schiff Klavier

Besetzung und Programm:

Felix Mendelssohn (1809–1847)
Fantasie fis-Moll op. 28 Sonate écossaise
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Klaviersonate Fis-Dur op. 78
Johannes Brahms (1833–1897)
Acht Klavierstücke op. 76
 
Sieben Fantasien op. 116
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Englische Suite Nr. 6 d-Moll BWV 811

 

Rezension:

András Schiff, Sohn eines Arztes, wuchs als Einzelkind in einer musikalisch interessierten Familie auf, begann mit fünf Jahren Klavier zu spielen. Er lernte zunächst bei Elisabeth Vadász und nahm mit 14 Jahren sein Studium an der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest auf, unter anderem bei Ferenc Rados, Pál Kadosa und György Kurtág. Er verbrachte mehrfach seine Sommerferien in England bei Verwandten. Dort schloss er Freundschaft mit dem rund 40 Jahre älteren Dirigenten und Cembalisten George Malcolm (1917–1997), mit dem er zusammen musizierte und der in ihm Verständnis für die Musik Bachs weckte. Schiff erhielt 1987 die österreichische, 2001 die britische Staatsbürgerschaft. 2014 wurde er geadelt und in den englischen Ritterstand erhoben.

Felix Mendelssohn Fantasie fis-Moll op. 28 „Sonate écossaise“

Sir András Schiff Foto Priska Ketterer LUCERNE FESTIVAL
Sir András Schiff Foto Priska Ketterer LUCERNE FESTIVAL

Das in lockerer Sonatenhauptsatzform gehaltene Presto-Finale verweist mit versteckten motivischen Anspielungen auf den Kopfsatz zurück. Der zweite Satz beginnt syntaktisch in der Art eines Satzes, der sich allerdings dergestalt fortsetzt, dass er lediglich sieben Takte umfasst. Der dritte Satz verweist noch eindeutiger auf den ersten zurück. Schon der Beginn (T. 231) nimmt die Dreiklangs Brechung der ersten beiden Takte der Periode im Kopfsatz auf und erscheint später in einer Umkehrung. Schiff startete eher zurückhaltend in die Mendelsohn Fantasie, spielte sich aber souverän in die in Fis Moll geschriebene Partitur. Wie schwierig diese zu spielen ist, äusserte schon die ältere Schwester und Vertraute des Komponisten, die hochbegabte Musikerin Fanny Hensel – Mendelssohn. Für den geadelten Pianisten war das aber scheinbar kein Problem, so souverän meisterte er die technischen Klippen. Mendelssohn stellt hier eine geheimnisvolle, improvisiert wirkende Arpeggio-Klangwelt einem lyrischen Andante gegenüber. Nach dem syntaktisch überraschenden zweiten Satz schliesst das rasante Finale den Zyklus ab, ein demonstrativer Sonatensatz mit Expositionswiederholung, der sich am Schluss in das vom Kopfsatz in Aussicht gestellte Fis-Dur wendet. Das beeindruckte Publikum zeigte sich mit reichlich Applaus für diese Interpretation erkenntlich.

 

Klaviersonate Fis-Dur op. 78 von Beethoven

Als „Das mit sechs Kreuzen verriegelte Tor“ wurde die Sonate auch schon genannt. Schiff hatte dafür den passenden Schlüssel gefunden, spielte Beethovens Suite weit weniger pathetisch als üblich. Sie kam daher klarer, durchsichtiger, weniger verschwommen rüber, nicht so schwelgerisch, wie sie z.B. von Daniel Barenboim üblicherweise gespielt wird. Nichtdestotrotz phrasierte er das Motiv keineswegs weniger schön als dies in üppigeren Interpretationen geschieht, blieb seiner eher distanzierten Linie aber alles in allem trotzdem treu.

Johannes Brahms Acht Klavierstücke op. 76

Während Kritiker von Werken mit viel Eisengehalt, Theodor Adorno gar von mühsam gelöster Stummheit sprachen, sagte die von Brahms so verehrte Clara Schumann: so wundervoll, so innig und schwermütig, dass mir beim Spielen jedes Mal ganz wonnig und warm ums Herz wird. Diese Melancholie bestätigte Brahms gegenüber Clara später folgendermassen: jeder Takt, jede Note muss so klingen, als ob man Melancholie aus jeder einzelnen saugen wollte, mit Wollust und Behagen…

Schiff war denn auch wesentlich wärmer in der Umsetzung der Intentionen Brahms, als noch beim vorherigen Beethoven, also keineswegs „eisenhaltig“. Ob bei den vier vom Komponisten als Intermezzo, oder der vier als Cappricio betitelten Stücken, nie bediente sich der Interpret Effekthaschereien, liess auch übertriebene Gestik weg, arbeitete sparsam mit Pedal, blieb so immer klar, ohne kühl zu wirken. Mit viel Feingefühl für Details, dem Herausschälen der Nuancen wusste Schiff das Publikum im praktisch vollbesetzten Konzertsaal zu fesseln und hielt die atemlose Spannung hoch, bis zu den finalen Tönen, nach denen sich die Spannung des Auditoriums in lautstarkem, langanhaltendem Applaus entlud.

2. Konzertteil mit Brahms und Bach

Johannes Brahms  Sieben Fantasien für Klavier

„Die Farbpalette ist unendlich groß. Da sind sehr viele Pianostellen dabei, die aber sehr polyphon geschrieben sind, das heißt, die Dialoge zwischen den Stimmen finden statt, aber in Bereich des Pianissimos manchmal – und das erfordert eine unglaubliche Arbeit. Sowohl von Pianisten als auch vom Zuhörer. Es ist eine sehr große und spannende Arbeit mit Pedal, er benutzt es sehr sparsam, und so soll es auch gespielt werden. Es ist eine sehr wichtige Linie der Zeit, finde ich – Zeit zwischen den Stücken, die Zeit, die man für die Pausen in dem Stück sich nimmt. Das braucht sehr viel Ruhe…“ (Zitat der Pianistin Anna Gourari). András Schiff schloss sich mit seiner Umsetzung der sieben Stücke der Meinung seiner Pianisten Kollegin an und liess den Zuhörer teilhaben am Genuss der kleinen Kostbarkeiten aus dem in Bad Ischl 1892 entstandenen Spätwerk des Romantikers Brahms, die dieser als „Wiegenlied meines Schmerzes“ bezeichnet hatte.

Englische Suite Nr. 6 d-Moll BWV 811 von J.S- Bach

Das perfekte Werk zum Konzertabschluss für den gebürtigen Ungarn war dann die Suite von Bach. Ursprünglich für Cembalo geschrieben eine recht virtuose Komposition, besonders im Einleitungssatz, der „Prélude“. Diese ging der ausgewiesene Bach Spezialist dann auch voll engagiert und schwungvoll an, zog damit das Auditorium unmittelbar in seinen Bann. Die „Courante“, sonst eher genutzt zur Überführung von der „Allemande „in die folgende „Sarabande“, arbeitete der Pianist als Ganzes heraus, gab dem eigentlichen Zwischenstück dadurch einen ganz eigenständigen Charakter. Bei der Gavotte spielte Schiff dann locker aus dem Handgelenk und, was bei ihm nur sehr selten vorkommt, mit einem sichtlich vergnügten Gesichtsausdruck, ja schon fast mit einem Augenzwinkern. Die abschliessende Fuge diente ihm dann noch als Schaulaufen. Diesen abwechslungsreichen hochklassigen Konzertgenuss honorierte das Auditorium mit stürmischem, langanhaltendem Applaus.

Wieso konnte Johann Sebastian Bach so technisch schwierige Werke spielen?

Eine Untersuchung des Offenburger Medizintechnik Forschers Prof. Dr. med. Andreas Otte von Röntgenbildern des Skeletts des Komponisten ergab folgendes Ergebnis der Untersuchungen: „Bachs linke Hand hatte auch für heutige Verhältnisse eine außergewöhnliche Länge und Spanne und war gewiss begünstigend für seine Virtuosität. Die rechte Hand konnten wir mangels vieler fehlender Knochen auf dem Foto nicht rekonstruieren. Es ist aber davon auszugehen, dass sie ähnlich groß war wie die linke Hand“, erklärt der Forscher.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch  www.noemiefelber.ch

www.gabrielabucher.ch  Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

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Cantor-Medaille 2019 für die Mathematikerin Hélène Esnault

Die Mathematikerin Hélène Esnault bekommt die Cantor-Medaille der Deutschen Mathematiker-Vereinigung des Jahres 2019  Bernd Wannenmacher
Die Mathematikerin Hélène Esnault bekommt die Cantor-Medaille der Deutschen Mathematiker-Vereinigung des Jahres 2019 Bernd Wannenmacher

Die Cantor-Medaille der Deutschen Mathematiker-Vereinigung des Jahres 2019
geht an Hélène Esnault, Professorin für Arithmetische Geometrie an der
Freien Universität Berlin.
Das beschloss das Präsidium der DMV kürzlich in Berlin. Die Cantor-
Medaille ist die bedeutendste wissenschaftliche Auszeichnung, die die DMV
höchstens alle zwei Jahre vergibt. Das Preisgeld beträgt 4.000 Euro.

„Hélène Esnault ist eine der weltweit profiliertesten Persönlichkeiten in
der Mathematik. Sie hat zutiefst beeindruckende Ergebnisse in der
algebraischen Geometrie und, damit zusammenhängend, der Topologie und
Zahlentheorie erzielt. Ihre Ergebnisse wirken bis in die Physik hinein.
Dank ihrer Ausstrahlungskraft ist Hélène Esnault eine international hoch
geachtete Mathematikerin“, so das DMV-Präsidium zur Begründung. „Ich
schätze die Arbeit von Hélène Esnault sehr und beglückwünsche sie sehr
herzlich zur Cantor-Medaille!“, sagte Michael Röckner, Professor für
Mathematik an der Universität Bielefeld und Präsident der DMV. Die
Medaille wird Hélène Esnault bei einem Festakt auf der DMV-Jahrestagung im
September 2019 überreicht. „Diese große Auszeichnung durch die DMV ehrt
mich – ich danke herzlich!“, sagte Hélène Esnault auf Nachfrage.

Hélène Esnault wurde 1953 in Paris geboren. Ab 1973 studierte sie an der
École Normale Supérieure de Jeunes Filles, erhielt 1975 ihr Diplom (DEA)
an der Universität Paris VII und 1976 ihre Agrégation. Sie wurde in Paris
promoviert und habilitierte sich außer in Paris 1985 auch an der
Universität Bonn, wo sie 1983 bis 1985 Gastwissenschaftlerin am Max-
Planck-Institut für Mathematik war. Von 1990 bis 2012 war sie Professorin
in Essen bevor sie auf die erste Einstein-Professur an der Freien
Universität Berlin berufen wurde, wo sie bis heute wirkt. Im Jahr 2003
erhielt sie den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen
Forschungsgemeinschaft gemeinsam mit Eckart Viehweg. Sie ist
Mitherausgeberin mehrerer Fachzeitschriften und erhielt zahlreiche Preise
sowie mehrere Ehrendoktorwürden. Sie ist Mitglied in vier
Wissenschaftsakademien und war Mitglied des Komitees für die Vergabe der
Fields-Medaillen 2018 der International Mathemat

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