"Systematische ökonomische Bewertungen von Ökosystemleistungen müssen Aufgabe aller Ressorts werden"

Interview mit Ökonom Burkhard Schweppe-Kraft (BfN) zum Endbericht von
<<Naturkapital Deutschland - TEEB.DE
Was bringt Naturschutz ökonomisch? Und wie teuer ist es, auf Naturschutz
zu verzichten? Sechs Jahre nach Start des Projektes und verschiedenen
Fachberichten von über 300 Expertinnen und Experten hat "Naturkapital
Deutschland - TEEB DE“ seinen Endbericht vorgelegt. Der Ökonom Dr.
Burkhard Schweppe-Kraft (BfN), Mitglied der Projektkoordinierungsgruppe,
erzählt im Interview, wer mit ökonomischen Argumenten überzeugt werden
soll, bei welchen politischen Entscheidungen die Berichte von TEEB
Deutschland helfen können und wo die Grenzen liegen.
Intakte Ökosysteme haben für Deutschland einen großen ökonomischen Wert,
ihre Beeinträchtigung verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten. Das
sind die Kernaussagen des Abschlussberichts von "Naturkapital Deutschland
- TEEB DE“, der deutschen Nachfolgestudie der internationalen TEEB-Studie
(The Economics of Ecosystems and Biodiversity), die den Zusammenhang
zwischen den Leistungen der Natur, der Wertschöpfung der Wirtschaft und
dem menschlichen Wohlergehen aufzeigen soll. Finanzierte wurde das Projekt
vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und
vom Bundesamt für Naturschutz, die Studienleitung lag am Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung – UFZ.
Aus der Zusammenarbeit von mehr als 300 Autorinnen und Autoren sowie über
150 Gutachterinnen und Gutachtern aus Wissenschaft, Verbänden und Politik
sind seit 2012 fünf Fachberichte und Broschüren entstanden, etwa für den
urbanen Raum, für ländliche Räume und zu den Zusammenhängen von
Naturschutz und Klimaschutz. Der Endbericht wurde im September vorgestellt
und spannt anhand ausgesuchter Beispiele aus den verschiedenen Berichten
einen ökonomischen Argumentationsrahmen für Naturschutz in Deutschland
auf. Ein Beispiel für die ökonomische Bedeutung des Naturerhalts: Produkte
im Wert von 1,1 Milliarden Euro hängen in Deutschland von der
Bestäubungsleistung durch Insekten - und damit von der Erhaltung ihrer
Lebensräume - ab.
„Die ökonomische Perspektive soll die Potenziale und Leistungen der Natur
sichtbarer machen, damit sie besser in Entscheidungsprozesse einbezogen
werden können“, heißt es im Vorwort des Berichtes. Doch um wessen
Entscheidungen geht es dabei und wie gut funktioniert das?
„Eine klar abgrenzbare Zielgruppe für die Naturkapital-Berichte gibt es
eigentlich nicht“, sagt Dr. Burkhard Schweppe-Kraft im NeFo-Interview. Er
ist Ökonom am Bundesamt für Naturschutz, Mitautor der Berichte und
Mitglied der Koordinierungsgruppe von Naturkapital Deutschland - TEEB.DE.
„Wir wollen zum einen Unternehmer erreichen, die sich generell in einer
stark ökonomisch geprägten Welt bewegen, oder Akteure in der Klimapolitik,
die weitere kostengünstige CO2-Einsparmöglichkeiten suchen, aber auch
Bürger, die tagtäglich über knappe Güter entscheiden.“
Die in den Berichten zusammengetragenen ökonomischen Naturschutzargumente
sollen aber auch dazu beitragen, dass der Wert der Natur und ihrer
Leistungen für die Gesellschaft nicht nur im Umweltressort sondern in
allen Politikbereichen berücksichtigt wird; sei es in der Landwirtschaft,
in Verkehr und Infrastruktur, aber auch im Finanz- und Gesundheitswesen.
„Ich denke, es fällt anderen Ressorts deutlich schwerer,
Ökosystemleistungen außeracht zu lassen, wenn wissenschaftlich fundierte
Studien gezeigt haben, dass diese wesentlich zum Gemeinwohl beitragen“,
meint Schweppe-Kraft.
Dass die Argumente aus den Berichten bereits in der Politik aufgegriffen
werden, lasse sich bspw. im Bereich der Städteplanung erkennen. Hier kam
der Naturkapital Stadtbericht gerade zur rechten Zeit. „Das
Ökosystemleistungskonzept war in der Diskussion über die Förderung von
Stadtgrün präsent und trug zu Konzepten wie dem Weißbuch „Grüne Stadt“
bei“, erzählt Schweppe-Kraft. Ähnlich verhalte es sich bei der naturnahen
Umgestaltung von Bundeswasserstraßen, wo im Rahmen des „Bundesprogramms
Blaues Band Deutschland“ Bundesumweltministerium und
Bundesverkehrsministerium zusammenarbeiten.
Schwieriger wird es im Sektor Landwirtschaft, der allerdings den größten
Einfluss auf die Artenvielfalt in Deutschland haben dürfte. So hat das
Bundesumweltministerium jüngst einen Entwurf für einen Aktionsplan
Insektenschutz vorgelegt, der jedoch noch vom Bundeskabinett angenommen
werden muss. Unter anderem geht es hier um größeren Strukturreichtum in
der Agrarlandschaft, um Lebensraum, Nahrung und Nistplätze für Tiere zu
schaffen. Betriebswirtschaftliche Argumente, um Agrarpolitik und
Landwirtschaftsverbände zu überzeugen, wären hier wichtig. Leider gibt es
hierzu aber kaum Untersuchungen. Es gäbe inzwischen zwar eine Reihe von
ökonomischen Studien zur Bedeutung kohlenstoffreicher Böden für den
Klimaschutz, die bräuchte es aber dringend auch zu anderen
Ökosystemleistungen, etwa in Verbindung mit Kleinstrukturen und
Insektenschutz, meint Schweppe-Kraft. Daran solle auch das
Bundeslandwirtschaftsministeri
allein vom Umweltministerium finanziert werden.“
Eines der Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie lautet, bis 2020
Ökosystemleistungen zu erfassen, zu quantifizieren und auch in die
volkswirtschaftlichen Rechnungssysteme zu integrieren. Da gäbe es noch
einiges zu tun, so Schweppe-Kraft. Die ersten Berichte dazu werden EU und
Mitgliedsstaaten voraussichtlich 2020 vorlegen.
Der Naturkapital-Endbericht liefert exemplarisch ökonomische Argumente für
den Naturschutz in verschiedenen Ökosystemtypen und zeigt, wo bereits
Methoden, Studien und Daten für eine ökonomische Bewertung bestehen. Was
die Inhalte der Naturkapital-Deutschland-Beric
können, ist, als Leitfaden für konkrete Politikentscheidungen auf lokaler
Ebene zu fungieren. „Sollte ich das Baugebiet wirklich ausweisen und wenn
ja, wo? Das sind die Entscheidungen, die letztendlich zu den Veränderungen
von Ökosystemen und deren Leistungen führen“, meint Schweppe-Kraft. Solche
Werkzeuge seien dringend nötig, allerdings schwer zu erstellen. Dafür
bedürfe es unter anderem noch weiterer Methodenentwicklung.
Zum NeFo-Interview http://www.biodiversity.de/pro
/endbericht-naturkapital-deuts
Originalpublikation:
"Werte der Natur aufzeigen und in Entscheidungen integrieren: Eine
Synthese" http://www.biodiversity.de/pro
aufzeigen-entscabschlussberich
- Aufrufe: 118