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Eisenmangel bei Herzschwäche: Auslöser für Krankenhauseinweisungen

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, Kardiologe.  Foto: Angela Pfeiffer
Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, Kardiologe. Foto: Angela Pfeiffer

Herzstiftung fordert routinemäßige Überprüfung des Eisenstoffwechsels bei
allen Patienten mit Herzschwäche / Eisenmangel gibt es auch ohne Blutarmut
Bislang ist es unüblich, bei Patienten mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
die Laborwerte des Eisenstoffwechsels zu überprüfen, obwohl bei 35 bis 60
Prozent der Betroffenen Eisenmangel als Begleiterkrankung auftritt. Ein
Eisenmangel führt u. a. zu Müdigkeit, Leistungsabfall und
Konzentrationsschwäche und beeinträchtigt die Lebensqualität. Der
Organismus der oftmals von weiteren Herz-Kreislauf-Leiden wie
Bluthochdruck und Rhythmusstörungen zusätzlich belasteten Patienten wird
allgemein anfälliger für Krankheiten.
„In Anbetracht der Häufigkeit und klinischen Folgen des Eisenmangels
sollte bei allen Patienten mit Herzschwäche routinemäßig der
Eisenstoffwechsel überprüft werden“, fordert deshalb Prof. Dr. med. Thomas
Meinertz, Vorstandsvorsitzender der  Deutschen Herzstiftung. Ob auch das
Fortschreiten der Herzschwäche und der vorzeitige Herztod durch
Eisenmangel mitbedingt sind, ist bis heute ungeklärt. „Die experimentellen
Ergebnisse sprechen jedoch dafür“, unterstreicht der Kardiologe aus
Hamburg. Eisenmangel gibt es bei Herzschwäche auch ohne jede Blutarmut,
deshalb sollte Blutarmut nicht als einziger Anlass für eine Überprüfung
des Eisenstoffwechsels gelten. Darauf weist der Experten-Ratgeber „Das
schwache Herz“ (160 S.) der Herzstiftung hin, der kostenfrei unter
www.herzstiftung.de/herzschwaeche-therapie oder per Tel. unter 069
955128400 angefordert werden kann. Herzschwäche zählt zu den häufigsten
Anlässen für eine Krankenhauseinweisung in Deutschland mit über 440.000
stationären Aufnahmen pro Jahr.

Wann liegt ein Eisenmangel vor und was genau ist zu messen?
Gemessen werden sollten in einer Blutprobe Ferritin (Speichereisen),
Transferrin (Transporteisen) und der Hämoglobinwert. Definitionsgemäß
besteht ein Eisenmangel bei einem Ferritin-Wert unter 100 µg/l. Liegt der
Ferritin-Wert zwischen 100 und 300 µg/l besteht ein Eisenmangel dann, wenn
das Transportprotein Transferrin für Eisen zu weniger als 20 % mit Eisen
besetzt ist. Von einer Anämie spricht man, wenn der Hämoglobin-Wert bei
weniger als 15 g/dl liegt. Diese Laboruntersuchungen sollten bei allen
Patienten mit einer systolischen Herzschwäche und einer Auswurffraktion
(Auswurfleistung des Herzens) von weniger als 45 % mit den Zeichen einer
Herzschwäche unter Belastung vorgenommen werden.

Ursache von Eisenmangel können unbemerkte Blutungen im Magen-Darmtrakt
sein
Meistens spielen für Eisenmangel mehrere Ursachen eine Rolle. Wenn
gleichzeitig eine Blutarmut besteht, muss geprüft werden, ob der Patient
bislang unbemerkt Blut über den Magen-Darmtrakt verliert. Die
Blutungsquellen solcher Mikroblutungen sind häufig schwierig zu finden.
Eisen wird bei Patienten mit Herzschwäche vermindert aus dem Darm
aufgenommen und vermehrt im Organismus benötigt. Auch der Herzmuskel
benötigt Eisen und nach experimentellen Befunden ist der Eisengehalt des
Herzmuskels bei Patienten mit Herzschwäche vermindert.

Eisenzufuhr: Körperlich leistungsfähiger und weniger
Krankenhausaufenthalte
Eine Eisenzufuhr führt zu einer Verbesserung der körperlichen
Leistungsfähigkeit, zu einer Verbesserung der Lebensqualität und zu
weniger Krankenhausaufenthalten. Dies ist zumindest in wissenschaftlichen
Studien wie der CONFIRM-HF Studie (2015) gesichert. „Eine Eisenzufuhr über
eisenhaltige Tabletten ist nicht möglich, weil bei Herzschwäche
eisenhaltige Tabletten vom Darm nicht aufgenommen werden können“,
erläutert Prof. Meinertz. Eine effektive Zufuhr ist durch eine wiederholte
intravenöse Gabe von 500–1.000 mg Eisen-Carboxymaltose zu erreichen. In
der Dauertherapie muss diese Injektion etwa alle drei Monate erfolgen.
Wichtig zu merken: Eisenmangel gibt es auch ohne Blutarmut.

Tipp: Weitere Information u. a. zur medikamentösen Behandlung der
Herzschwäche bietet der Ratgeber „Das schwache Herz: Diagnose und Therapie
der Herzinsuffizienz heute“. Der Band kann kostenfrei unter
www.herzstiftung.de/herzschwaeche-therapie oder per Tel. unter 069
955128400 (E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) angefordert werden.

Ein kostenfreies Ärzte-Infopaket mit Info-Material zur Herzinsuffizienz
für die Auslage im Wartezimmer der Klinik oder Praxis kann angefordert
werden unter www.herzstiftung.de/aerzte-paket.html Es enthält das
Herztagebuch für Patienten mit Herzschwäche, den Kleinen Patientenratgeber
(Herzschwäche), ein Wartezimmer-Plakat und den Medikamenten-Pass.

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Arthrose - die rätselhafte Volkskrankheit

Millionen Deutsche sind betroffen - aber grundlegende Erkenntnisse über Ursachen, Vermeidung und vor allem Behandlungsmöglichkeiten für Arthrose fehlen bis heute. Die "Deutsche Initiative Arthroseforschung" will das jetzt ändern.

Die Verschiebung der Alterspyramide macht Arthrose zu einer Volkskrankheit. Jede zweite Frau und ein Drittel aller Männer über 60 Jahre sind von vorzeitigem Gelenkverschleiß betroffen, der oft starke Schmerzen verursacht und die Bewegungsfreiheit einschränkt. Über Ursache und Verlauf der Erkrankung ist bisher wenig bekannt. "Die Arthroseforschung befasste sich in der Vergangenheit hauptsächlich mit der Verbesserung des Gelenkersatzes", sagt Professor Dr. Andrea Meurer von der Orthopädischen Universitätsklinik Friedrichheim in Frankfurt und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Das soll sich jetzt ändern. Im Klinikum Friedrichsheim entstand als Modellprojekt ein neuer Forschungsbereich Arthrose. Ebenfalls neu: die "Deutsche Initiative Arthroseforschung". Sie soll in Zukunft die Arbeit von Kliniken und Ärzten auf diesem Gebiet deutschlandweit koordinieren und den Aufbau von Forschungsnetzwerken unterstützen. Prominente Botschafterin und Schirmherrin der "Deutschen Initiative Arthroseforschung" ist seit Oktober Professor Dr. Rita Süssmuth, die frühere Bundestagspräsidentin.

 

"Der medizinische Wissensstand über Arthrose steht im deutlichen Kontrast zur Bedeutung dieser Krankheit in unserer Gesellschaft", kritisiert Professor Andrea Meurer. "Weder die Ursachen für die Entstehung der Arthrose noch die Veränderungen im Gelenk im Verlauf der Erkrankung sind ausreichend untersucht". Es mangele an Möglichkeiten zur Vorsorge und zur Verhinderung der Krankheit, zur frühen Diagnose und vor allem an wirkungsvollen Therapien.

Aktuelles Problem: Weniger Geld für Gelenkersatz
Noch ist der Austausch der von schwerer Arthrose geschädigten Gelenke für die Patienten die hilfreichste Therapie. Aber auch hier wurden zum Jahresanfang 2017 die Vergütungspauschalen um sechs Prozent gekürzt. "Vor allem spezialisierte Fachkliniken mit hohem Qualitätsniveau werden durch die Kürzung empfindlich getroffen", sagt Prof. Meurer. Die Maßnahmen führten zwangsläufig zu kürzeren Liegezeiten und zur Wahl preiswerter Implantate. Leidtragende seien letztendlich die Patienten. "Zu echter Kostensenkung führt das nicht, weil langfristig die günstigeren Implantate früher ersetzt werden und viele Kliniken wohl vermutlich die Einkommens-verluste durch mehr Operationen ausgleichen", so die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie.

Ziel: Frühere Diagnose, abgeschwächter Verlauf
Der neue Forschungsbereich Arthrose an der Orthopädischen Universitätsklinik in Frankfurt ist hierfür ein erster Ansatz. "Wir suchen nach Wegen, Arthrose früher zu diagnostizieren und ihren Verlauf signifikant zu verlangsamen", sagt Forschungsleiter Professor Frank Zaucke. Der Forschungsbereich Arthrose, der von der direkten Nähe zu den Patienten der Klinik profitiert, wird überwiegend von der Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung finanziert. Die "Deutsche Initiative Arthroseforschung" will hier weitere neue Impulse in Forschung und medizinischer Anwendung geben, Forschungsaktivitäten vernetzen und die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger für das wachsende Problem Arthrose sensibilisieren - auch weil für die Erforschung der Krankheit bisher nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Ende Januar 2018 werden sich Kliniker und Grundlagenwissenschaftler im Rahmen eines ersten Workshops in Frankfurt treffen, um neue interdisziplinäre Forschungsansätze zu diskutieren.



"Der medizinische Wissensstand über Arthrose steht im deutlichen Kontrast zur Bedeutung dieser Krankheit in unserer Gesellschaft", kritisiert Professor Dr. Andrea Meurer, Direktorin der Orthopädischen Universitätsklinik Friedrichheim in Frankfurt und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Foto: Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim


Professor Frank Zaucke ist der Leiter des neuen Forschungsbereichs Arthrose an der Orthopädischen Universitätsklinik in Frankfurt. Foto: Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim

 

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Neue Strukturen und Reformen als Basis für eine nachhaltige (Herz-)Medizin

Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der DGTHG
Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der DGTHG

Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer ist seit 2017 Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und zugleich
Chefarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Städtischen
Klinikum in Braunschweig. Der Herzchirurg sieht in der ärztlich
interdisziplinären und berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit große
Chancen für das Gesundheitswesen und empfiehlt, wieder mehr den Patienten
in den Fokus zu rücken und gleichzeitig für eine nachhaltige
Gesundheitspolitik zu sorgen.

Herr PD Dr. Harringer, welche Entwicklung in der Herzmedizin ist Ihnen
aktuell besonders wichtig?

Mir ist die weitere Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit ein
besonderes Anliegen. Jeder Herzpatient wünscht sich die für ihn
bestmögliche Therapie. In Abhängigkeit von der Schwere und dem Verlauf der
Krankheit nebst Risikoeinschätzung wie auch dem Lebensalter und der
Lebensqualität, gilt es zu entscheiden, welches der zur Verfügung
stehenden Verfahren indiziert und sinnvoll ist, da die verschiedenen
Optionen auch in Ihrer Invasivität variieren. Diesbezügliche Evaluationen
und Entscheidungen müssen, unter Einbeziehung der Patienten, stets im
Herzteam getroffen werden; die verständliche interdisziplinäre Aufklärung
sowie die Einwilligung der Patienten sind dabei unbedingt zu
gewährleisten. So sehen es internationale und bundesweite medizinischen
Leitlinien vor. Dennoch ist ein noch innovativeres Vorgehen denkbar. Ein
gutes Beispiel für einen erfolgreichen Weg ist die seit langem etablierte
Vorgehensweise bei Tumorerkrankungen. Bei diesen sind patientenbezogene
Tumorkonferenzen, sogenannte „Tumor-Boards“, obligat, bei denen Fachärzte
unterschiedlicher Gebiete gemeinsam das Krankheitsgeschehen jedes
einzelnen Patienten diskutieren, bewerten und eine gemeinsame Empfehlung
zur Behandlungsstrategie konsentieren. Mit der konsequenten Fortsetzung
zur Etablierung von Herzteams geht die notwendige Entwicklung sicher in
die richtige Richtung. Differenzierte Patienteninformation, die
verpflichtende Einbindung und der verständliche Dialog mit den Patienten
sind ebenfalls erforderlich. Vorrangig steht im Fokus eines jeden Arztes,
den Menschen zu mehr Gesundheit zu verhelfen.

Was muss die nächste Bundesregierung Ihrer Meinung nach
gesundheitspolitisch ändern?

Das deutsche Gesundheitswesen weist eine enorme Heterogenität in der
Krankenversorgung auf. Einerseits gilt es, neue Therapieverfahren zu
entwickeln und zu evaluieren, beispielweise in der sogenannten
Hochleistungsmedizin, andererseits die Krankenversorgung bundesweit auf
einem angemessenen Niveau zu gewährleisten. Bei letzterem zeigen sich
bereits seit einigen Jahren - überwiegend in ländlichen Regionen –
Versorgungsengpässe aufgrund von Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Das
erscheint paradox, denn die medizinische Versorgung in Deutschland ist in
einigen Aspekten exzellent und andererseits braucht es grundlegende Re-
Strukturierungsmaßnahmen. Die Gesundheitspolitik sollte genau hier
ansetzen: die schrittweise Beseitigung historisch entstandener
Versorgungssektoren mit ihren ökonomischen Regeln, die vermeintlich einer
freien Marktwirtschaft entsprechen, ist ein vorrangiges Ziel, das
möglichst mittel-, und sicher langfristig erreichbar ist. Dies mit dem
Blick auf eine verantwortungsvolle Gesundheitsvorsorge und
Krankenversorgung der Bevölkerung. Die hierfür notwendigen Finanzmittel
sind sicher aus der bislang vorhandenen Budgetierung generierbar.

Wie könnten diese Aufgaben Ihrer Meinung nach konkret bewältigt werden?

Vorrangig sind neue Personalunionen zu strukturieren, regionale
Versorgungsstrukturen zu vernetzen, und neue Kooperationen zu schaffen,
all dies mit dem Ziel, einen neuen interdisziplinären und
sektorenunabhängigen Austausch zu initiieren. Eine Mammut-Aufgabe, die
angegangen werden muss, um den Herausforderungen im Kontext des
demografischen und gesellschaftlichen Wandels angemessen zu begegnen.
Entsprechend muss der Kompass des deutschen Gesundheitswesens
richtungsweisend und zukunftsorientiert justiert werden, um allen
Patienten einen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen
Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Personelle Strukturen sind insbesondere in dem Kontext Strukturreform
wichtig. Erklären Sie kurz, wieso?

Wir beobachten sowohl einen Fachkräfte- als auch einen Nachwuchsmangel.
Daher müssen wir dringend angemessene und mitarbeiterorientierte
Rahmenbedingungen schaffen, die die vielfältigen Berufe im
Gesundheitswesen wieder attraktiver machen. Menschen, die Berufe in der
Krankenversorgung ausüben, verfügen häufig über besondere
Persönlichkeitsmerkmale wie Empathie, Verantwortungsbewusstsein und
Aufopferungswillen. Dies gilt es zu bewahren und nicht durch
Überlastungen, Stress und kaum erfüllbare Anforderungen zu konterkarieren.
Wünschenswert wäre eine Medizin, die die Patienten, aber auch die sie
versorgenden Menschen der vielfältigen Gesundheitsberufe, wieder in den
Vordergrund stellt.

Die Fachgesellschaft Deutscher Herzchirurgen setzt sich für das Fachgebiet
der Herzchirurgie ein. Was gehört konkret dazu?

Ganz konkret wollen wir als kompetente Partner stets ansprechbar sein, das
Fachgebiet der Herzchirurgie fördern, Qualitäts-Standards in der
Herzmedizin definieren, evaluieren und weiterentwickeln, wie auch die
kardiovaskuläre Forschung voranbringen. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir
jedes Jahr die DGTHG-Leistungsstatistik veröffentlichen, in Kooperationen
für das Deutsche Aortenklappen-Register und die nationale
Qualitätssicherung angeborene Herzfehler verantwortlich sind, den
Deutschen Herzbericht mitgestalten und über diverse Themen der
Herzmedizin, wie beispielsweise die Organtransplantation, umfassend
aufklären. Praktisch heißt das auch, dass die Mitglieder der DGTHG die
Patienten mit Herz-, Thorax- und Gefäßerkrankungen wissenschaftlich
begründet, nach ethischen Grundsätzen und in kollegialer Zusammenarbeit
untersuchen, beraten und behandeln. Oder kurz: Mit Herz, Verstand und Hand
für Patienten.

Herr Privatdozent Dr. Harringer, vielen Dank für das Gespräch

Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V.
(DGTHG) mit Sitz in Berlin ist eine gemeinnützige medizinische
Fachgesellschaft, deren Ziele u.a. der Förderung der Wissenschaft und
Weiterentwicklung von Therapien auf dem Gebiet der Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie sind. Zu weiteren Hauptaufgaben zählen die Durchführung von
Weiter- und Fortbildungsprogrammen, Erstellung medizinischer Leitlinien,
Förderung von Nachwuchskräften und die Ausrichtung medizinischer
Fachtagungen. Als Vertretung der über 1.000 in Deutschland tätigen und in
der DGTHG organisierten Thorax-, Herz- und Kardiovaskularchirurgen stehen
die Verantwortlichen der Fachgesellschaft für einen Dialog mit der
Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft zur Verfügung.

Weitere Informationen unter www.dgthg.de und unter

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Unstatistik des Monats: Der PSA-Test verringert die Sterblichkeit an Prostata-Krebs um 50 Prozent

Irreführende Zahlen haben in der Debatte um die Prostatakrebs-
Früherkennung mittels PSA-Tests eine lange Tradition (siehe die
Unstatistik vom August 2014). Davon haben die Zuschauer in der Sendung
„service:gesundheit“ des hr Fernsehens vom 16.11.17 neben vielen richtigen
Informationen auch eine Portion abbekommen – unsere Unstatistik des Monats
November. Dort wurde nämlich behauptet, „die europäische Studie hat
eindeutig gezeigt, dass mit PSA-Testung die Sterblichkeit am Prostatakrebs
um 50 Prozent reduziert werden konnte“ und „wenn man regelmäßig zum PSA-
Messen geht, müsste aus unserer Sicht niemand mehr an Prostata-Krebs
sterben.“

Irreführende Zahlen haben in der Debatte um die Prostatakrebs-
Früherkennung mittels PSA-Tests eine lange Tradition (siehe die
Unstatistik vom August 2014: http://www.rwi-essen.de/unstatistik/34/).
Davon haben die Zuschauer in der Sendung „service:gesundheit“ (http://www
.hr-fernsehen.de/sendungen-a-z/service-gesundheit/sendungen/psa-wert
---prostatakrebs-fruehzeitig-erkennen-,psa-wert-100.html) des hr
Fernsehens vom 16.11.17 neben vielen richtigen Informationen auch eine
Portion abbekommen – unsere Unstatistik des Monats November. Dort wurde
nämlich behauptet, „die europäische Studie hat eindeutig gezeigt, dass mit
PSA-Testung die Sterblichkeit am Prostatakrebs um 50 Prozent reduziert
werden konnte“ und „wenn man regelmäßig zum PSA-Messen geht, müsste aus
unserer Sicht niemand mehr an Prostata-Krebs sterben.“

Der PSA-Test war ursprünglich nicht zum Screening gedacht, sondern zur
Kontrolle bei Männern, die bereits erkrankt waren und behandelt wurden.
Screening richtet sich jedoch an Männer, die keine Anzeichen von
Prostatakrebs haben. Wie gut ist das PSA-Screening? Die Sendung stellte
richtig dar, dass es dazu zwei Studien gibt: eine amerikanische, die keine
Reduktion der Prostatakrebs-Sterblichkeit feststellte, und eine
europäische, welche einen Rückgang berichtete. Die amerikanische Studie
hat Fehler und daher sollte man sich eher auf die europäische verlassen.
Die Aussage, die europäische Studie habe gezeigt, dass die Sterblichkeit
am Prostatakrebs um 50 Prozent reduziert werden konnte, ist jedoch
irreführend. Wie schon im Abstrakt der Studie (Schröder et al, Lancet,
2014) steht, sank die Prostatakrebs-Sterblichkeit um 1,3 pro 1 000 Männer,
die zum Screening eingeladen wurden (von etwas mehr als 6 auf etwas
weniger als 5 von je 1 000 Männern). Wie kommt man von 1,3 pro 1 000 auf
50 Prozent? Mit zwei bewährten Tricks. Der erste besteht darin, die
absolute Reduktion gar nicht zu berichten, sondern nur die relative
Reduktion. Relative Zahlen beeindrucken nämlich mehr. Die relative
Reduktion wird in der Studie mit 21 Prozent angegeben. Nur: Das sind noch
keine 50 Prozent. Der zweite Trick ist, eine von der europäischen Studie –
und anderen Früherkennungs-Studien – abweichende Bezugsgröße zu wählen
(wahrscheinlich statt der 1 000 Männer mit Screening nur jene, die mit
Prostatakrebs diagnostiziert wurden) und damit großzügig „aufzurunden“:
und schon kommt man von 21 auf 50 Prozent.

Das Problem dieser Sendung war, dass sie neben viel bewundernswert klarer
Information auch irreführende Aussagen ungeprüft zugelassen hat. Auch die
Aussage, dass „niemand mehr an Prostatakrebs sterben“ müsste, ist nicht
durch Fakten gedeckt. Denn 1,3 weniger ist eben kein Rückgang auf Null,
genauso wie 21 Prozent weniger nicht so viel wie 100 Prozent weniger sind.

Um informiert zu entscheiden, ob PSA-Screening sinnvoll ist oder nicht,
braucht jeder Mann verständliche und richtige Angaben über den Nutzen und
Schaden. Die Sendung hat über den beträchtlichen Gesundheitsschaden
berichtet, den das Screening anrichtet, wie Inkontinenz und Impotenz als
Folge unnötiger Operationen oder Strahlenbehandlungen. Zwei wichtige
Informationen, welche die Autoren der europäischen Studie (an der keine
deutschen Urologen teilgenommen haben) herausstellten, wurden jedoch nicht
weitergegeben. Erstens, es gab in der europäischen Studie keine Reduktion
der Gesamtsterblichkeit (einschließlich Prostatakrebs). Nach 13 Jahren
waren genauso viele Männer gestorben, ob sie nun zum PSA-Screening gingen
oder nicht. Das heißt, in der Screening-Gruppe starb zwar etwa einer von 1
000 Männern weniger an Prostatakrebs, aber auch einer mehr an einer
anderen Ursache, die nicht geklärt wurde (zum Beispiel Tod an den Folgen
der Operation). Wir haben also keinen Nachweis, dass insgesamt ein Leben
gerettet wird. Das sollte man ehrlich und klar sagen. Zweitens raten auch
die Autoren der europäischen Studie angesichts des Schadens nicht zum PSA-
Screening. Die Website der Sendung sagt dennoch, dass jeder Mann seinen
PSA-Wert einmal bestimmen lassen soll, spätestens mit 50 Jahren. Richard
Ablin, der Arzt, der das PSA entdeckt hat, schrieb dagegen in der New York
Times (http://www.nytimes.com/2010/03/10/opinion/10Ablin.html) vom
10.3.2010: „Der Test sollte auf keinen Fall dazu verwendet werden, die
gesamte männliche Bevölkerung über 50 zu untersuchen. ... Als ich vor vier
Jahrzehnten meine Entdeckung machte, hätte ich nie gedacht, dass sie eines
Tages eine solche von Profitgier getriebene Katastrophe im
Gesundheitswesen heraufbeschwören würde.“

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