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Unstatistik des Monats: Der PSA-Test verringert die Sterblichkeit an Prostata-Krebs um 50 Prozent

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Irreführende Zahlen haben in der Debatte um die Prostatakrebs-
Früherkennung mittels PSA-Tests eine lange Tradition (siehe die
Unstatistik vom August 2014). Davon haben die Zuschauer in der Sendung
„service:gesundheit“ des hr Fernsehens vom 16.11.17 neben vielen richtigen
Informationen auch eine Portion abbekommen – unsere Unstatistik des Monats
November. Dort wurde nämlich behauptet, „die europäische Studie hat
eindeutig gezeigt, dass mit PSA-Testung die Sterblichkeit am Prostatakrebs
um 50 Prozent reduziert werden konnte“ und „wenn man regelmäßig zum PSA-
Messen geht, müsste aus unserer Sicht niemand mehr an Prostata-Krebs
sterben.“

Irreführende Zahlen haben in der Debatte um die Prostatakrebs-
Früherkennung mittels PSA-Tests eine lange Tradition (siehe die
Unstatistik vom August 2014: http://www.rwi-essen.de/unstatistik/34/).
Davon haben die Zuschauer in der Sendung „service:gesundheit“ (http://www
.hr-fernsehen.de/sendungen-a-z/service-gesundheit/sendungen/psa-wert
---prostatakrebs-fruehzeitig-erkennen-,psa-wert-100.html) des hr
Fernsehens vom 16.11.17 neben vielen richtigen Informationen auch eine
Portion abbekommen – unsere Unstatistik des Monats November. Dort wurde
nämlich behauptet, „die europäische Studie hat eindeutig gezeigt, dass mit
PSA-Testung die Sterblichkeit am Prostatakrebs um 50 Prozent reduziert
werden konnte“ und „wenn man regelmäßig zum PSA-Messen geht, müsste aus
unserer Sicht niemand mehr an Prostata-Krebs sterben.“

Der PSA-Test war ursprünglich nicht zum Screening gedacht, sondern zur
Kontrolle bei Männern, die bereits erkrankt waren und behandelt wurden.
Screening richtet sich jedoch an Männer, die keine Anzeichen von
Prostatakrebs haben. Wie gut ist das PSA-Screening? Die Sendung stellte
richtig dar, dass es dazu zwei Studien gibt: eine amerikanische, die keine
Reduktion der Prostatakrebs-Sterblichkeit feststellte, und eine
europäische, welche einen Rückgang berichtete. Die amerikanische Studie
hat Fehler und daher sollte man sich eher auf die europäische verlassen.
Die Aussage, die europäische Studie habe gezeigt, dass die Sterblichkeit
am Prostatakrebs um 50 Prozent reduziert werden konnte, ist jedoch
irreführend. Wie schon im Abstrakt der Studie (Schröder et al, Lancet,
2014) steht, sank die Prostatakrebs-Sterblichkeit um 1,3 pro 1 000 Männer,
die zum Screening eingeladen wurden (von etwas mehr als 6 auf etwas
weniger als 5 von je 1 000 Männern). Wie kommt man von 1,3 pro 1 000 auf
50 Prozent? Mit zwei bewährten Tricks. Der erste besteht darin, die
absolute Reduktion gar nicht zu berichten, sondern nur die relative
Reduktion. Relative Zahlen beeindrucken nämlich mehr. Die relative
Reduktion wird in der Studie mit 21 Prozent angegeben. Nur: Das sind noch
keine 50 Prozent. Der zweite Trick ist, eine von der europäischen Studie –
und anderen Früherkennungs-Studien – abweichende Bezugsgröße zu wählen
(wahrscheinlich statt der 1 000 Männer mit Screening nur jene, die mit
Prostatakrebs diagnostiziert wurden) und damit großzügig „aufzurunden“:
und schon kommt man von 21 auf 50 Prozent.

Das Problem dieser Sendung war, dass sie neben viel bewundernswert klarer
Information auch irreführende Aussagen ungeprüft zugelassen hat. Auch die
Aussage, dass „niemand mehr an Prostatakrebs sterben“ müsste, ist nicht
durch Fakten gedeckt. Denn 1,3 weniger ist eben kein Rückgang auf Null,
genauso wie 21 Prozent weniger nicht so viel wie 100 Prozent weniger sind.

Um informiert zu entscheiden, ob PSA-Screening sinnvoll ist oder nicht,
braucht jeder Mann verständliche und richtige Angaben über den Nutzen und
Schaden. Die Sendung hat über den beträchtlichen Gesundheitsschaden
berichtet, den das Screening anrichtet, wie Inkontinenz und Impotenz als
Folge unnötiger Operationen oder Strahlenbehandlungen. Zwei wichtige
Informationen, welche die Autoren der europäischen Studie (an der keine
deutschen Urologen teilgenommen haben) herausstellten, wurden jedoch nicht
weitergegeben. Erstens, es gab in der europäischen Studie keine Reduktion
der Gesamtsterblichkeit (einschließlich Prostatakrebs). Nach 13 Jahren
waren genauso viele Männer gestorben, ob sie nun zum PSA-Screening gingen
oder nicht. Das heißt, in der Screening-Gruppe starb zwar etwa einer von 1
000 Männern weniger an Prostatakrebs, aber auch einer mehr an einer
anderen Ursache, die nicht geklärt wurde (zum Beispiel Tod an den Folgen
der Operation). Wir haben also keinen Nachweis, dass insgesamt ein Leben
gerettet wird. Das sollte man ehrlich und klar sagen. Zweitens raten auch
die Autoren der europäischen Studie angesichts des Schadens nicht zum PSA-
Screening. Die Website der Sendung sagt dennoch, dass jeder Mann seinen
PSA-Wert einmal bestimmen lassen soll, spätestens mit 50 Jahren. Richard
Ablin, der Arzt, der das PSA entdeckt hat, schrieb dagegen in der New York
Times (http://www.nytimes.com/2010/03/10/opinion/10Ablin.html) vom
10.3.2010: „Der Test sollte auf keinen Fall dazu verwendet werden, die
gesamte männliche Bevölkerung über 50 zu untersuchen. ... Als ich vor vier
Jahrzehnten meine Entdeckung machte, hätte ich nie gedacht, dass sie eines
Tages eine solche von Profitgier getriebene Katastrophe im
Gesundheitswesen heraufbeschwören würde.“