Optimierte Einsatzplanung kann die Potenziale von Elektro-Lkw deutlich erhöhen und Kosten senken
Eine neue Studie des Fraunhofer ISI und des Technologie- und
Transportunternehmens Einride hat über 38.000 Lkw-Lieferungen des
Lebensmittelkonzerns REWE analysiert. Dabei zeigt sich, dass eine
digitalisierte und optimierte Einsatzplanung eine höhere Elektrifizierung
ermöglicht als der reine Austausch von dieselbetriebenen Fahrzeugen durch
Elektro-Lkw – und zusätzlich die Gesamtkosten senken kann.
Die Elektrifizierung von Lkw-Flotten gilt als zentrale Stellschraube für
die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs. Doch obwohl
batterieelektrische Lkw (kurz: Elektro-Lkw) in vielen Fällen schon
einsetzbar wären, geschieht dies oft nur langsam – und wenn, dann werden
Diesel-Lkw oft 1:1 durch Elektro-Lkw ersetzt, ohne aber bestehende Touren
und Betriebsabläufe grundlegend anzupassen.
Vor diesem Hintergrund hat die Studie »Beyond replacing diesel trucks: how
optimized fleet planning increases electrification and lowers
transportation costs« des Fraunhofer ISI und des schwedischen Unternehmens
Einride untersucht, welche Potenziale durch eine Elektrifizierung von Lkw-
Flotten entstehen, wenn gleichzeitig Touren neu geplant und die
spezifischen Besonderheiten von Elektro-Lkw berücksichtigt werden.
Analyse der Daten von über 200 Diesel-Lkw und 38.000 Lieferungen
Die Untersuchung basiert auf realen Logistikdaten des
Lebensmitteleinzelhändlers REWE aus dem Jahr 2021. Diese umfassen mehr als
38.000 Lieferungen von zwei Verteilzentren zu über 500 Filialen –
durchgeführt von über 200 dieselbetriebenen Lkw in einem Umkreis von 230
Kilometern. Die Studie vergleicht zwei Szenarien: den direkten Austausch
der dieselbetriebenen Fahrzeuge durch ein batterieelektrisches Pendant
sowie eine KI- und softwaregestützte, optimierende Neuplanung bei der
Einsatz- und Ladeplanung – nicht für jedes Fahrzeug separat, sondern auf
Flottenebene koordiniert.
Dr. Fabian Nevries, Head of Transport Innovation & Technik bei REWE,
äußert sich dazu wie folgt: »Die Studie leistet einen wichtigen und
wissenschaftlichen Beitrag, wie sich die Dekarbonisierung des
Straßengüterverkehrs vorantreiben lässt. Als innovationsfreundliches
Unternehmen unterstützt REWE gerne entsprechende Initiativen und
Forschungen. Denn die Wirtschaftlichkeit ist letztlich die wesentliche
Voraussetzung für die nachhaltige Transformation von Lkw-Flotten. Als REWE
begleiten und unterstützen wir daher die Entwicklungen von Technologien
und Lösungen in diesem Einsatzbereich weiterhin eng.«
Deutlich höhere Elektrifizierungsanteile
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass die optimierende Neuplanung
von Touren und Einsatzplänen im Vergleich zum 1:1-Fahrzeugtausch zu
deutlich höheren Elektrifizierungsanteilen führt: So konnten bis zu 85
Prozent der Gesamtnutzlast und 54 Prozent der Gesamtkilometerleistung der
vorher eingesetzten Diesel-Lkw durch Elektro-Lkw bewältigt werden.
Stellt man dem das Szenario eines reinen 1:1-Fahrzeugtausches gegenüber,
schafften die eingesetzten Elektro-Lkw ohne Anpassung der Touren nur 57
Prozent der Gesamtnutzlast beziehungsweise 32 Prozent der
Gesamtkilometerleistung im Vergleich zu den Diesel-Lkw.
Höhere Elektrifizierung und weniger Kosten durch optimierte Tourenplanung
Darüber hinaus zahlt sich die integrierte Betrachtung von Elektro-Lkw in
Kombination mit einer Neuplanung der Touren auch ökonomisch aus: In beiden
Szenarien sinken die Gesamtkosten im Vergleich zu einer rein
dieselbetriebenen Flotte, doch durch die gezielte Tourenoptimierung
reduzieren sich die Betriebskosten auf Flottenebene um acht Prozent
mehr gegenüber reinen Diesel-Flotten. Werden Diesel-Lkw einfach durch
Elektro-Lkw ersetzt, liegen die Kosteneinsparungen bei lediglich drei
Prozent – und sind stark von den Anschaffungskosten und
Investitionszuschüssen abhängig.
Somit kann eine optimierte Tourenplanung die Wirtschaftlichkeit von
Elektro-Lkw insgesamt deutlich verbessern – weil die Reichweite besser
genutzt wird, die Auslastung der Lkw steigt und insgesamt weniger große
Batteriekapazitäten benötigt werden.
Prof. Dr. Patrick Plötz, der am Fraunhofer ISI das Geschäftsfeld
Energiewirtschaft leitet und die Forschungsarbeit des Instituts in der
Studie koordinierte, betont: »Die Ergebnisse unserer Studie verdeutlichen:
Wenn Flottenbetreiber ganz oder teilweise auf Elektro-Lkw umsteigen,
sollten sie auch ihre Touren optimieren, um Kosten zu sparen und den
Betrieb der Lkw-Flotte möglichst effizient zu gestalten. Eine
entsprechende Planung, die Routen- und Ladeplanung auf Flottenebene
integriert, hat eine größere Wirkung als etwa die Erhöhung der
Batteriegrößen oder der unkoordinierte Ausbau von Ladeinfrastruktur.
Entsprechende Softwaresysteme sollten weiterentwickelt und implementiert
werden, um in Zukunft den Betrieb großer gemischter Lkw-Flotten besser
bewältigen zu können.«
Kompetenzaufbau bei Logistikunternehmen erforderlich
Die Auswertung unterstreicht zudem den notwendigen Kompetenzaufbau bei
Logistikunternehmen: Die Planung und Steuerung gemischter Flotten mit
batterie- und dieselbetriebenen Fahrzeugen erfordern neue Ansätze und
Tools. Gleichzeitig gilt es, bestehende Kennzahlen zur Flottenbewertung zu
ergänzen, um der Dynamik und den spezifischen Anforderungen elektrischer
Antriebe gerecht zu werden.
Roozbeh Charli, CEO von Einride, resümiert: »Mit dieser Studie sagen wir
nicht nur, dass KI den Güterverkehr verändern wird – wir belegen es mit
Daten. Die quantifizierbare Wirkung KI-gesteuerter Planung ist ein
entscheidender Fortschritt für die Branche. Indem wir diese Erkenntnisse
schon heute gewinnen, schaffen wir die Grundlage für zukünftige
Entwicklungen, die das nächste Kapitel des nachhaltigen Güterverkehrs
prägen werden.«
Medienkontakt:
Anne-Catherine Jung und Dr. Jacob Leidenberger
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E-Mail:
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen
die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die
gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen.
Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft,
Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für
wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der
fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und
systemischen Forschungsansatz.