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Vermischtes

Die Welt im Krisenmodus: Warum es jetzt eine Postwachstumsstrategie braucht

Postwachstum gehört jetzt auf die Tagesordnung  IÖW
Postwachstum gehört jetzt auf die Tagesordnung IÖW

Pressemitteilung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
und der Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW)

► Am 23. November 2022 diskutieren IÖW und VÖW auf der Tagung
„Ausgewachsen“ über Leben und Wirtschaften in planetaren Grenzen – vor Ort
in Berlin und online im Livestream

► Volkswirt Ulrich Petschow (IÖW): „Die Wachstumsfrage ist in Bewegung.
Immer mehr Institutionen erkennen, dass Klima- und Artenschutz einen
sozial-ökologischen Systemwechsel und Postwachstumsstrategien erfordern.“

► Forschende empfehlen ein praxisnahes Forschungs- und Handlungsprogramm
mit Fokus auf Postwachstum, Suffizienz, soziale Innovationen und
Verteilungsfragen

Berlin, 22. November 2022 – Die Weltklimakonferenz in Ägypten hat zum
Erreichen des 1,5-Grad-Ziels keinen Durchbruch gebracht. Um beim Schutz
von Klima und Biodiversität global gerecht voranzukommen, lenken das
Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die
Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW) den Blick diese
Woche auf das Thema Wachstum: Am Mittwoch geht es bei der Tagung
„Ausgewachsen – Wirtschaften als gäbe es ein Morgen“ darum, wie die
Menschheit zukunftsfähig innerhalb der planetaren Grenzen leben und
wirtschaften kann und warum es dafür eine Postwachstumsstrategie braucht.

Volkswirt Ulrich Petschow vom IÖW betont in seiner Grundsatzrede: „Mehrere
miteinander verwobene Krisen erschüttern Wirtschaft und Gesellschaft. Die
Klimaerwärmung verschärft sich und löst immer mehr Folgekrisen aus. Wir
brauchen jetzt eine Postwachstumsstrategie. Angesichts beispielloser
klimatischer Extreme in diesem Jahr erkennen immer mehr Institutionen,
dass Klima- und Artenschutz einen sozial-ökologischen Systemwechsel
erfordern.“

Die Zusammenkunft findet vor Ort in Berlin und zusätzlich online statt,
Interessierte können sich noch für den Livestream registrieren. Rund 500
Teilnehmende werden erwartet.

Die Welt gefangen in der Polykrise: Resilienz muss gestärkt werden

Transformationsforscher Petschow weist darauf hin, wie ausgeprägt die
Krisen der Gegenwart miteinander verwoben sind. „Wir sind längst im
Zustand einer Polykrise angekommen. Corona und seine Auswirkungen auf die
Weltwirtschaft, geopolitische Spannungen, Inflation und Finanzmarktkrisen,
Klimaerwärmung und Biodiversitätsverluste – die gleichzeitigen Krisen
schaukeln sich gegenseitig hoch“, so Petschow. „Postwachstumsansätze
können die Gesellschaft resilienter machen, wenn Staat, Markt und
Gesellschaft neu austariert werden. Dazu zählen etwa eine erneuerbare,
regionale und wachstumsunabhängige Energieversorgung, eine Stärkung des
öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Sektors sowie eine deutliche
Aufwertung der Care-Ökonomie.“

50 Jahre nach dem Weckruf des Club of Rome „Grenzen des Wachstums“

„Ein halbes Jahrhundert nachdem der Club of Rome in seinem ersten Bericht
die ökologischen ‚Grenzen des Wachstums‘ aufgezeigt hat, sind mehrere
planetare Grenzen weit überschritten. Und die aktuellen Krisen zeigen: Das
fossile System bröckelt. Es hat sich ausgewachsen“, so Thomas Korbun,
Wissenschaftlicher Geschäftsführer des IÖW. „Veränderungen müssen jetzt
bei denjenigen Strukturen ansetzen, die noch immer auf Wachstum fixiert
sind. Vorsorge und Wachstumsunabhängigkeit müssen ins Zentrum der
gesellschaftlichen Debatte rücken.“

Alexandra Palzkill, Vorstandsvorsitzende der VÖW fügt hinzu: „Alternative
Ansätze kooperativen und gemeinwohlorientierten Wirtschaftens zeigen
bereits heute, dass Gegenentwürfe zu den wachstumsabhängigen und damit
hochfragilen Organisationsmodellen in unserem Wirtschaftssystem
existieren. Auf diesen Erfahrungsschatz aufzubauen und den Dialog zwischen
den verschiedenen Communities zu fördern, ist Ziel unserer Tagung.“

Auf der Suche nach Postwachstumsstrategien und neuen Indikatoren für
Wohlstand

Die Forschenden weisen darauf hin, dass es in der Debatte ums Wachstum
lange Zeit eine unversöhnliche Kontroverse zwischen verschiedenen
Strömungen gegeben hat, die entweder grünes Wachstum, Postwachstum oder
Degrowth befürworten.

„Es wächst die Erkenntnis, dass wir die Zeit der Theoriedebatten
überwinden und gemeinsam in die Anwendung finden müssen. In jüngster Zeit
diskutieren auch relevante Mainstream-Institutionen darüber, wie Wohlstand
neu gefasst und gemessen werden kann“, so Ulrich Petschow. „Der
Weltklimarat IPCC etwa thematisiert in seinem jüngsten Bericht
Postwachstum und Degrowth erstmals als Ansatzpunkte, um Klimaziele doch
noch zu erreichen. Auf europäischer Ebene reden die Europäische
Umweltagentur oder der Europäische Forschungsrat über Grenzen der
Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch. Die OECD und das
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium sind auf der Suche nach
neuen Indikatoren für Wohlstand, um ihre Politik zukunftsgerichtet steuern
zu können.“

Kritischen Wachstumsdiskurs, Suffizienz und soziale Innovationen
zusammenbringen

Mit der Tagung wollen das IÖW und die VÖW von theoretischen Debatten zu
konkreten Handlungsoptionen kommen. Die Wirtschaftsforscher*innen schlagen
ein praxisnahes Forschungs- und Handlungsprogramm vor, mithilfe dessen für
zentrale Handlungsfelder weitreichende Systemwechsel anstoßen werden
können. In drei Themensträngen diskutieren Teilnehmende und
Referent*innen, wie eine neue Wirtschaftsordnung aussehen kann, wie die
Themen Effizienz und Suffizienz strategisch verbunden werden können und
auf welche Weise zukunftsfähige Wohlstandsmodelle Verteilungs- und
Gerechtigkeitsfragen beantworten können.

„Es ist an der Zeit, dass das Thema Postwachstum mit politischen Ansätzen
für Suffizienz und für soziale Innovationen zusammengebracht wird. Nur so
können kohärente Strategien für eine Transformation entwickelt werden, die
von der Gesellschaft getragen werden“, sagt Just-Transition-Forscherin
Helen Sharp vom IÖW. „Dafür ist es zentral, Verteilungsfragen zu
thematisieren und sozial gerechte Ansätze zu entwickeln. Hier können neue
gesellschaftliche Allianzen wertvolle Beiträge leisten, beispielsweise
Bündnisse aus Sozial-, Umwelt- und Entwicklungsverbänden, die
umsetzungsfähige und sozial ausgewogene Handlungsvorschläge aushandeln.“

Podcast „Raus aus der Depression“ mit Entertainer Harald Schmidt & Prof. Ulrich Hegerl geht in die dritte Rund

Cover des Podcasts
Cover des Podcasts "Raus aus der Depression" von NDR Info in Kooperation mit der Stiftung Deutsche Depressionshilfe M. Simaitis/M. Jehnichen NDR Foto

Auch in der dritten Staffel des NDR Info
Podcasts „Raus aus der Depression“ kommt Entertainer Harald Schmidt als
Gastgeber mit unterschiedlichen Menschen zusammen, die ihre persönlichen
Erfahrungsberichte mit ihrer Depression teilen: „Die Offenheit meiner
Gäste beeindruckt mich immer wieder – auch wie alle einen Weg aus der
Erkrankung finden und hinterher oft anders auf ihren Alltag schauen.
Ebenso schätze ich die wissenschaftliche Einordnung von Professor Hegerl.
Ich habe auch in der dritten Staffel wieder viel Neues rund um die
Erkrankung gelernt.“

Die neuen Folgen des Wissenschaftspodcasts – eine Kooperation von NDR Info
und der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention – werden
ab Dienstag, 22. November, in der ARD-Audiothek veröffentlicht. Die
wissenschaftliche Expertise kommt auch diesmal wieder von Professor Dr.
Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche
Depressionshilfe und Suizidprävention und Inhaber der Senckenberg-
Professur an der Universitätspsychiatrie der Goethe Universität Frankfurt
a.M. „Eine Depression ist eine schwere Erkrankung. Jeder fünfte
Bundesbürger erkrankt einmal im Leben daran. Der Podcast kann den
Hörerinnen und Hörern zeigen: Du bist mit der Erkrankung nicht alleine und
macht verschiedene, wissenschaftlich fundierte Wege aus der Erkrankung
deutlich“, erklärt Hegerl.
In der ersten Folge begrüßt Harald Schmidt Schauspielerin und Produzentin
Eva Habermann, die über ihre Depression berichtet: „Ich habe mich
geschämt, dass es mir so schlecht ging, weil ich dachte, du hast alles,
was andere Leute haben wollen … Ich fühlte mich immer schuldig dafür, dass
ich trotzdem nicht glücklich war.“ Ihr hat die Stimulation des Gehirns mit
starken Magnetimpulsen geholfen. „Wenn man Depressionen kennt, kann man
das Leben ohne Depression so viel mehr schätzen. Man weiß es so viel mehr
zu würdigen, wenn man aufwacht und nicht mehr das Gefühl hat, die Welt
geht unter.“ Wie wirksam die Therapie mit Magnetimpulsen ist, welche
weiteren Hirnstimulationsverfahren es gibt und wie Alkohol und Depression
zusammenhängen, das erklärt in der zweiten Hälfte des Podcasts Professor
Dr. Ulrich Hegerl.
In den weiteren Folgen von „Raus aus der Depression“ kommen Harald Schmidt
und Prof. Dr. Ulrich Hegerl ins Gespräch mit: Autorin und Schauspielerin
Sophie Passmann (29. November), dem mehrfachen Welt- und Europameister
sowie Paralympics-Silbermedaillengewinner Mathias Mester (6. Dezember)
sowie Autorin und SZ-Redakteurin Barbara Vorsamer (13. Dezember). In der
letzten Folge der dritten Staffel ist am 20. Dezember Kabarettist Torsten
Sträter zu Gast: „Männer sollten auch über Depression reden. Es kann nicht
immer alles ein Muskelfaserriss sein. Vor allem sollten Männer auch einmal
weinen.“

Der Podcast ist ab sofort abrufbar unter www.ndr.de/rausausderdepression,
in der ARD Audiothek und auf den gängigen Plattformen wie Spotify. Zudem
laufen die Folgen jeden Sonntag um 14.34 Uhr im Radioprogramm von NDR
Info.

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HHU-iGEM-Team CosMIC gewinnt Goldmedaille in Paris iGEM-Wettbewerb 2022

Die HHU-iGEM-Team 2022 in Paris auf der „Grand Jamboree“. Hintere Reihe v.l.: Max Denter, Alexa Grebel, Can Karka, Oliver Kraft, Laura Köhler, Florian Hänsel, Robin Teus Vordere Reihe v.l.: Yasemin Baran, Timo Rhiem, Jona Gerhards.  Iman Ayoubi
Die HHU-iGEM-Team 2022 in Paris auf der „Grand Jamboree“. Hintere Reihe v.l.: Max Denter, Alexa Grebel, Can Karka, Oliver Kraft, Laura Köhler, Florian Hänsel, Robin Teus Vordere Reihe v.l.: Yasemin Baran, Timo Rhiem, Jona Gerhards. Iman Ayoubi

Zum siebten Mal traten Studierende der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf (HHU) am jährlichen „international Genetically Engineered
Machine“-Wettbewerb (iGEM) an. Bei der Finalveranstaltung im Oktober, dem
„Grand Jamboree“ in Paris, gewann das HHU-Team mit seinem diesjährigen
Projekt CosMIC eine Goldmedaille.

Das Team aus 14 HHU-Studierenden arbeitete über zehn Monate das Konzept
einer unabhängigen und nachhaltigen Methode aus, um an entlegenen Orten
der Erde und im Weltraum Laborbedarf und Verbrauchsgegenstände herstellen
zu können. Hierbei untersuchten die Studierenden die Möglichkeit,
konventionellen 3D-Druck mit einer eigens konzipierten Biotinte zu
kombinieren, um auf diese Weise kostenintensive und umweltschädliche
Transportwege, z.B. über zusätzliche Versorgungsflüge, vermeiden zu
können.

Das Projekt und die finalen Ergebnisse stellte das Team beim
internationalen Wettbewerbsfinale „Grand Jamboree“ aller iGEM-Teams Ende
Oktober vor, welches in diesem Jahr nach zweijähriger coronabedingter
Onlineveranstaltung wieder in Präsenz stattfand. Zum ersten Mal wurde eine
Messehalle auf der Pariser Expo genutzt. Dort präsentierten über drei Tage
die teilnehmenden Teams an nach Themen in kleinen Dörfern sortierten
Stände ihre Arbeiten Vertretern aus Wissenschaft, Industrie und
interessierter Öffentlichkeit .

Bereits im Vorfeld produzierten die Studierenden ein Promotionsvideo,
welches ihrem Projekt als Trailer diente. Außerdem gestalteten sie eine
Website, auf welcher ihre Arbeit und die Ergebnisse des Jahres ausführlich
beschrieben und einer Fachjury zur Beurteilung vorgelegt wurden.

Die Jury aus sogenannten „Judges“ bewertete jedes Team hinsichtlich
verschiedener Kriterien, nach denen am Ende bestimmte Medaillen und
spezielle Awards verliehen wurden. Bewertet wurde nicht nur die
Laborarbeit, sondern die Kriterien gehen weit darüber hinaus: Von den
Studierenden wurde ebenso die Auseinandersetzung mit Experten und
Interessenten gefordert wie die Diskussion mit der Öffentlichkeit und die
eigenständige Sponsorenakquise.

Und das iGEM-Team der HHU war sehr erfolgreich. Teammitglied Jona Gerhards
freut sich nach dem Finale: „Aus einer verrückten Idee junger Studenten
ist nach Monaten ungebremsten Forschungsdranges ein Gold-prämiertes
Projekt geworden. Wir sind als Team in den vergangenen Monaten immer mehr
zusammengewachsen und haben unfassbar viel erlebt. Besonders stolz bin ich
auf die Kreativität, mit der wir an das Ganze herangegangen sind. Auch die
Jury war begeistert, mit welchen ungewöhnlichen Techniken und Ideen die
neue Generation synthetischer Biologen denkt und arbeitet.“

Team CosMIC

Der Name CosMIC setzt sich aus den Begriffen „Cosmos“ – für den Fokus auf
den Weltraum – und „Microorganisms“ – für die vom Team als Hersteller der
Biotinte genutzten Bakterien – zusammen. In diesem Jahr bestand das HHU-
Team aus 14 Bachelorstudierenden unterschiedlicher Semester – überwiegend
aus der Biologie, aber auch aus Chemie und Informatik. Der iGEM-Wettbewerb
wird an der HHU alljährlich von einer Gruppe von Advisoren begleitet und
von zwei „Principal Investigatoren“ betreut: in diesem Jahr von Prof. Dr.
Guido Grossmann vom Institut für Zell- und Interaktionsbiologie und Prof.
Dr. Matias Zurbriggen vom Institut für Synthetische Biologie.

Der iGEM-Wettbewerb

Der Wettbewerb wurde in den USA am Massachusetts Institute of Technology
ins Leben gerufen und wird seit 2003 jährlich ausgetragen. iGEM steht für
„international Genetically Engineered Machine“. Der Wettbewerb ermöglicht
studentischen Teams aus der ganzen Welt, ein eigenes Projekt im Bereich
der synthetischen Biologie umzusetzen und beim Finale, der Jamboree im
Oktober eines jeden Jahres, auf der großen Bühne vor einer Fachjury und
Vertretern der Industrie zu präsentieren.

iGEM setzt auf das Prinzip des gemeinsamen Forschens, indem jegliche von
den Teams kreierten genetischen Konstrukte in einer wettbewerbseigenen
Bibliothek gesammelt und den Teams in den Folgejahren zur Verfügung
gestellt werden. In der synthetischen Biologie werden unter Anwendung
gentechnischer Verfahren, durch die Kombination solcher Konstrukte und
Komponenten, unterschiedlichste Organismen mit neuen Mechanismen
geschaffen. Hierbei versuchen die iGEM-Teams, entweder bestehende Probleme
der Industrie, Medizin oder Umwelt zu adressieren, oder neue Verfahren und
Methoden der wissenschaftlichen Arbeit zu entwickeln.

Mit dem Finale in Paris ging das iGEM-Jahr 2022 zu Ende. Die Düsseldorfer
Studierenden gewannen dort zum fünften Mal eine Goldmedaille.

Florian Hänsel für das iGEM2022-Team / Redaktion: Arne Claussen

Richtfest am Holzbaucampus der TU Kaiserslautern: Im Diemersteiner Tal startet eine neue Ära der Holzbauforschung

(v.l.n.r.) Professor Dr.-Ing. Jürgen Graf (t-lab, TUK), Prof. Dr. Werner R. Thiel (TUK-Vizepräsident), Dr. Annette Mechel (Vorsitzende der Stiftung für die TUK), Dr. Erwin Manz (Klimaschutzstaatssekretär) und Professor Stephan Birk (TU München).  Thomas Koziel  TUK, Koziel
(v.l.n.r.) Professor Dr.-Ing. Jürgen Graf (t-lab, TUK), Prof. Dr. Werner R. Thiel (TUK-Vizepräsident), Dr. Annette Mechel (Vorsitzende der Stiftung für die TUK), Dr. Erwin Manz (Klimaschutzstaatssekretär) und Professor Stephan Birk (TU München). Thomas Koziel TUK, Koziel

Wiederverwertbare Bauteile, die sich flexibel wie Legosteine zusammenfügen
lassen und CO2 langfristig speichern: Der Baustoff Holz macht es möglich.
Experimentier- und Entwicklungsraum für das Erforschen des
kreislaufeffektiven Holzbaus hat das t-lab der Technischen Universität
Kaiserslautern (TUK) jetzt im Diemersteiner Tal geschaffen. Dort ist als
erstes Gebäude eine Forschungs- und Werkhalle aus Holz entstanden, die das
nachhaltige Prinzip am eigenen Beispiel verdeutlicht. Das Richtfest am 18.
November 2022 markierte den offiziellen Start für den Holzbaucampus.

„Bauen der Zukunft bedeutet aus unserer Sicht, dass Bauwerke
umweltverträglich, also zerlegbar und ihre Bauteile wiederverwertbar sein
müssen“, so Professor Dr.- Ing. Jürgen Graf, Leiter des „t-lab
Holzarchitektur und Holzwerkstoffe“ an der TUK. „Der Baustoff Holz ist
deswegen so interessant, weil er nachwachsend und damit ressourcenschonend
ist und CO2 speichert, solange die Bauteile bestehen.“

Dieser Rohbau der Forschungswerkhalle verdeutlicht das Prinzip des
kreislaufeffektiven Bauens. Die Tragstruktur besteht aus vorgefertigten
Rahmenelementen. Die Kraftübertragung übernehmen reversible Knotenpunkte
aus Kunstharzpressholz. Ebenso hat das Team von Graf konusförmige Dübel
aus Kunstharzpressholz entwickelt, die in der Wandstruktur die nötigen
Verbindungen schaffen. Diese Außenwände des Gebäudes bestehen aus
Brettsperrholzkonstruktionen plus Dämmschicht und äußerer Verschalung. Die
Dämmelemente mit Konterlattung sind am Tragwerk eingehängt. An der
Konterlattung lässt sich wiederum per Formschluss die äußere Verschalung
aus Holzbrettern einhängen und mit Schrauben fixieren. Auch die
Bodenplatte ist aus Holz, indem das jahrhundertealte Prinzip des
Kriechkellers Anwendung findet. Die Bodenplatte liegt 30 cm über dem
Baugrund auf Stahlträgern auf. Der Clou daran: Alles ist zu 100 Prozent
rückbaubar. Die Bauteile bleiben dem Materialkreislauf dauerhaft erhalten.
Das dafür benötigte Bauholz muss dem Wald nur einmal entnommen werden.
Beton kam beim Bau der Halle, die auf einer Pfahlkonstruktion aus
Mikropfählen steht, fast nicht zum Einsatz.

Mit Einsatz des kreislaufeffektiven Holzbaus könnte die bauliche Zukunft
so aussehen: Nutzungsneutrale, reversible Gebäudetypologien, die sich
standardisiert und präzise, wie etwa im Automobilbau, fertigen und so
idealerweise über Jahrhunderte hinweg einsetzen lassen. „Dafür ist der
Holzbau ideal“, bringt es Graf auf den Punkt, „weil er durch seine
einfache Bearbeitbarkeit schon immer Holzbauwerke hervorbrachte, bei denen
reversible Verbindungstechniken zur Kraftübertragung eingesetzt wurden.
Diese lassen sich mit der heutigen CNC-gesteuerten Fertigung und Robotik
weiterentwickeln.“

Die 360 qm umfassende Forschungs- und Werkhalle im Diemersteiner Tal, die
diese Vision heute schon umsetzt, eröffnet dem t-lab künftig flexible
Nutzungsmöglichkeiten. Veranstaltungen wie Workshops oder Seminare sind
darin ebenso möglich wie der Bau und die Montage von Mock-ups und
Demonstratoren im Rahmen laufender Forschungsprojekte. In den kommenden
Jahren sollen ein Bürogebäude und eine Prüfhalle den Holzbaucampus
komplettieren.

Das Konzept für die Forschungs- und Werkhalle hat Graf gemeinsam mit
Professor Stephan Birk entwickelt, der bis 2021 mit dem Fachgebiet
Baukonstruktion I und Entwerfen einen wissenschaftlichen Motor des t-lab
bildete. Birk lehrt und forscht heute an der Technischen Universität
München (TUM).

Richtfest setzt Zeichen
Beim Richtfest lobte Professor Dr. Werner R. Thiel, TUK-Vizepräsident für
Forschung und Technologie, den Einsatz des gesamten Bauteams: „Dass diese
Forschungs- und Werkhalle steht, verdanken wir dem unermüdlichen Einsatz
vieler. Etwa den Wissenschaftlern unseres t-lab, die hier ihre Vision
umgesetzt haben, der Stiftung für die TUK, die zur Förderung des Projekts
beigetragen hat und den Architektur-Studierenden, die angepackt und
tatkräftig dafür gesorgt haben, dass der Rohbau nun steht. Die Halle ist
Meilenstein in der Geschichte der TUK im Diemersteiner Tal, die mit dem
Erwerb der Villa Denis begonnen hat. Mit dem Holzbaucampus wächst hier nun
ein strahlender Leuchtturm heran, der unsere Forschungsaktivitäten im
nachhaltigen Bauen sichtbar in die Region hineinträgt. Dies passt nicht
zuletzt deswegen so gut, weil wir uns in einem Bundesland befinden, das
maßgeblich von der Forstwirtschaft lebt. Indem wir die Nutzung des Holzes
verstärkt im Bauwesen etablieren, erschließen wir dessen
kreislaufeffektiven Einsatz und tragen zur Bauwende bei.“

In seinem Grußwort knüpfte Klimaschutzstaatssekretär Dr. Erwin Manz direkt
an seinen Vorredner an: "Der Bau- und Gebäudesektor ist weltweit für rund
40 Prozent der CO2 Emissionen verantwortlich. Deshalb brauchen wir
dringend eine Bauwende. Holz speichert das klimaschädliche Treibhausgas
CO2 statt es freizusetzen, wie dies etwa bei der sehr energieintensiven
Herstellung von Beton und Stahl der Fall ist. Holz ist nicht nur
ressourcenschonend, sondern auch ästhetisch ansprechend und langlebig.
Gerade hier an der Weinstraße sieht man Jahrhunderte alte Häuser, die aus
Holz gebaut wurden. Heute wird rund jedes fünfte Haus in Rheinland-Pfalz
aus Holz gebaut. Diese nachhaltige Bauweise muss für die Architektur in
Zeiten des Klimawandels eine Selbstverständlichkeit werden, ohne dabei den
Fortschritt aus dem Auge zu verlieren. Die TU Kaiserslautern legt hier im
Diemersteiner Tal den Grundstein für diesen Fortschritt. Deshalb haben wir
gern die dem Neubau der Werk- und Forschungshalle vorausgegangenen
mechanischen und thermischen Bauteilversuche und Bauteilprüfungen mit
60.000 Euro aus den Mitteln des ‚Klimabündnis Bauen‘ unterstützt, mit dem
wir das Ziel verfolgen, sowohl klimafreundliche Baustoffe zu verwenden als
auch den Kreislaufgedanken in der Baubranche voranzubringen.“

Als Bauherrin für die Forschungs- und Werkhalle fungierte die Stiftung für
die TUK. „Mit einem großen Vertrauensvorschuss vom rheinland-pfälzischen
Innenministerium und der Ortsgemeinde, dass wir uns mit einem
Wissenschaftszentrum in die Entwicklung des Diemersteiner Tals einbringen,
hat das Projekt vor einigen Jahren begonnen“, sagte die
Stiftungsvorsitzende Dr. Annette Mechel anlässlich des Richtfests. „Die
Idee für den Holzbaucampus ist in Gesprächen mit dem Fachbereich
Architektur herangereift. Eingeworbene Fördermittel, etwa in Form einer
großzügigen Schenkung sowie von Mitteln aus dem LEADER-Programm der
Europäischen Union, haben maßgeblich zur Finanzierung der Forschungs- und
Werkhalle beigetragen.“

Über das t-Lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe
Das t-Lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe wurde 2014 am Fachbereich
Architektur gegründet. In den vergangenen acht Jahren konnten die
Forschungsaktivitäten gemeinsam stetig gesteigert werden. Es sieht sich
gleichermaßen der Forschung sowie der Lehre verpflichtet. Ziel der
interdisziplinären Forschung ist die Erhöhung der Holzbauquote, die
Steigerung von Produktspeicher und stofflicher Substitution. Die Vorhaben
lassen sich grob in drei Themenfelder gliedern: Entwicklung neuer
Bauelemente in Kreislaufwirtschaft, Abbau von Restriktionen und neue
Typologien aus Holz. Das t-Lab hat sich mit einer Reihe an
Forschungsarbeiten, Dissertationen und Projekten (darunter auch der
vielfach ausgezeichnete, partizipative Bau Spinelli in Mannheim) fest in
der Holzbauszene in Deutschland etabliert.

Die Stiftung für die TU Kaiserslautern
Die Stiftung für die TU Kaiserslautern wurde als Bürgerstiftung in der
Amtszeit des ehemaligen TUK-Präsidenten Prof. Dr. Helmut J. Schmidt
gegründet. Ihr hat die TU die Begegnungsstätte Diemerstein zu verdanken
als Stiftungshaus der Universität, bestehend aus dem Ensemble der Villa
Denis, einem Gästehaus und der historischen Burgruine Diemerstein sowie
mehreren Hektar Wald.

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