Globale Erwärmung treibt Menschen in die Städte
Anteil der Stadtbevölkerung hat sich in armen Ländern in heißen Regionen
seit 1960 zum Teil verdreifacht
Der Klimawandel führt langfristig dazu, dass mehr Menschen aus ländlichen
Regionen in Städte ziehen. Das zeigt eine Studie des Wissenschaftszentrums
Berlin für Sozialforschung (WZB), für die Marc Helbling und Daniel
Meierrieks Daten von 118 Ländern zwischen 1960 und 2016 auswerteten. In
diesem Zeitraum stieg die Temperatur durchschnittlich um ein Grad Celsius,
während sich der Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung fast
verdoppelte: von 33 auf 59 Prozent. Aufgrund der Beständigkeit der
klimabedingten Landflucht im Untersuchungszeitraum erwarten die Autoren,
dass sich dieser Trend fortsetzt.
Das größte Städtewachstum beobachten die Forscher in armen Ländern, die in
heißen Regionen liegen und zudem stark abhängig von der Landwirtschaft
sind. Hier hat sich der Anteil der Stadtbevölkerung zum Teil verdreifacht,
in Nigeria zum Beispiel von 15,4 Prozent (1960) auf 48,7 Prozent (2016).
Landflucht findet verstärkt statt, wenn die Landwirtschaft etwa durch
Ernteausfälle beeinträchtigt ist oder der Bedarf der Menschen an
öffentlicher Gesundheitsversorgung zunimmt, weil sich Krankheiten durch
den Temperaturanstieg stärker ausbreiten. So befinden sich in den
betroffenen Ländern zum Beispiel Fachärzte oder Krankenhäuser fast
ausschließlich in Städten. Dadurch entsteht eine Dynamik, die für ein
andauerndes Wachstum der Städte sorgt und zum Problem für arme Länder
werden kann. Die Forscher stellen in fast allen afrikanischen Ländern
südlich der Sahara (z. B. Burkina Faso und Nigeria), aber auch in
Entwicklungsländern in Lateinamerika und Asien (z. B. Paraguay und
Indonesien) fest, dass die volkswirtschaftlichen Nachteile wie Slumbildung
oder eine Überlastung der Infrastruktur die Vorteile der Verstädterung wie
die örtliche Ballung von Arbeitskräften und geringere Transportkosten
überwiegen.
Nach Einschätzung der Autoren kann eine anhaltend starke Landflucht in
ärmeren Ländern die internationale Migration in reichere Länder
verstärken, da Städte in ärmeren Ländern hierfür wichtige Drehscheiben
sind. Reichere Länder sollten daher Entwicklungs- und Technologiehilfe
leisten, um eine anhaltende Verstädterung in diesen Ländern zu verringern
und die Menschen in den ländlichen Regionen zu unterstützen. Die Forscher
empfehlen, vor allem den Zugang zu öffentlichen Gütern wie etwa zur
Gesundheitsversorgung in den ländlichen Regionen betroffener Länder zu
verbessern. Darüber hinaus müssten weltweit die Treibhausgasemissionen
erheblich reduziert werden, um die Auswirkungen der globalen Erwärmung
einzudämmen.
Die Studie „Global warming and urbanization“ ist im Journal of Population
Economics erschienen und steht als Open-Access-Publikation zur Verfügung.
Daniel Meierrieks ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung
Migration, Integration, Transnationalisierung am WZB. Marc Helbling
forscht als WZB Fellow ebenfalls in der Abteilung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Marc Helbling,
Dr. Daniel Meierrieks,
Originalpublikation:
https://link.springer.com/arti