Notfallmediziner warnen: bei Infarkt-Verdacht nicht zögern, sondern sofort
Notruf 112 absetzen. Notfallmedizinische Versorgung ist trotz angespannter
Lage in Kliniken anzufordern
Notfallmediziner und Kardiologen warnen vor zögerlichem Verhalten bei
Verdacht auf Herzinfarkt. Gerade bei neu auftretenden unangenehmen
Brustschmerzen, die länger als fünf Minuten andauern, denken Betroffene
und Angehörige oft nicht an einen Herzinfarkt und trauen sich womöglich
auch gerade wegen der derzeit angespannten Lage in vielen Krankenhäusern
nicht, mit der Notrufnummer 112 den Rettungsdienst zu alarmieren. Wer aber
stattdessen nur abwartet, ob die Beschwerden wieder von allein
verschwinden, riskiert damit sein Leben. Die derzeit angespannte Situation
in vielen Kliniken wegen Personalengpässen darf bei Betroffenen mit
Verdacht auf Herzinfarkt auf keinen Fall zu dem Fehlschluss führen, dass
eine notfallmedizinische Versorgung nicht möglich sei. „Eine Versorgung
von medizinischen Notfällen ist auch in diesen Zeiten der belasteten
Kliniken gewährleistet“, bestätigt Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Deshalb ist bei
Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall unbedingt sofort der Notarzt
unter der 112 zu rufen.“, so der Kardiologe und Intensivmediziner am
Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt am Main. Nicht nur
der akute Herzinfarkt, sondern auch andere lebensbedrohliche
Komplikationen wie bösartige Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfall sind
„keine aufschiebbaren Krankheitsfälle“, sondern „erfordern eine sofortige
notfallmedizinische Versorgung durch den Notarzt und die Klinik“, wie der
Herzstiftungs-Vorsitzende betont. Die Herzinfarkt-Warnsignale unter
www.herzstiftung.de/herzinfarkt-anzeichen sollte deshalb jeder kennen.
Über Erste Hilfe bei Herzinfarkt und Herzstillstand informiert die
Herzstiftung unter www.herzstiftung.de/herznotfall-verhalten
Risiko für plötzlichen Herztod steigt rasant
„Mit jeder Minute, die man mit Symptomen eines Herzinfarkts abwartet ohne
den Notarzt unter der 112 zu alarmieren und den Herzinfarkt sofort
medizinisch versorgen zu lassen, verlässt man das optimale Zeitfenster für
eine Behandlung des Herzinfarkts in der Klinik“, warnt Voigtländer.
„Dadurch steigt das Risiko eines plötzlichen Herztodes und irreparable
Schäden am Herzen mit dauerhaften Leistungseinbußen werden
wahrscheinlicher. Beim Herzinfarkt zählt deshalb jede Minute nach dem
Prinzip: Zeit ist Herzmuskel.“ Der Herzinfarkt zählt zu den häufigsten
Todesursachen in Deutschland mit über 44.500 Sterbefällen, fast 200.000
Patienten pro Jahr werden wegen Herzinfarkt vollstationär behandelt
(Deutscher Herzbericht 2021).
Infarktverdacht deutlich äußern
Wer die 112 ruft, sollte den Verdacht auf Herzinfarkt deutlich äußern,
damit ein Rettungswagen mit Notarzt geschickt wird. Die infarkttypischen
Alarmzeichen sind: Schwere, länger als fünf Minuten anhaltende Schmerzen
überwiegend im Brustkorb, häufig auch ausschließlich hinter dem Brustbein,
die in Arme, Schulterblätter, Hals, Kiefer und Oberbauch ausstrahlen
können. Bisweilen auch nur im Rücken (zwischen den Schulterblättern) oder
Oberbauch (Verwechslung mit „Magenschmerzen“ möglich). Die Schmerzen sind
flächenhaft, nicht piekend, sondern sie werden als brennend, mit
Engegefühl in der Brust und drückend beschrieben. Schweißausbruch,
Übelkeit und Atemnot sind häufige Begleiterscheinungen.
Achtung: Der Umweg über den Hausarzt oder den Ärztlichen
Bereitschaftsdienst mit der Rufnummer 116 117 („Notdienstnummer“) kann bei
Herzinfarkt gefährlich sein, weil ein Hausarzt und der Ärztliche
Bereitschaftsdienst hier nichts anderes tun können als den Notarzt (112)
zu rufen.
Warum immer den Rettungsdienst (112) bei Herzinfarkt?
Beim Herzinfarkt wird ein Herzkranzgefäß durch ein Gerinnsel (Thrombus)
verschlossen, sodass ein Teil des Herzmuskels von der Sauerstoffzufuhr
abgeschnitten ist. In dieser Gefahrensituation ist sofort der
Rettungsdienst (112) anzurufen, weil der Herzinfarkt jederzeit eine
bösartige Herzrhythmusstörung (Kammerflimmern) auslösen kann, die in
wenigen Minuten zum Tod führt, wenn nicht sofort reanimiert wird. Nur der
Rettungsdienst kann das Kammerflimmern mit dem Elektroschock eines
Defibrillators beseitigen und so den Patienten vor dem plötzlichen Herztod
schützen. Jede Minute zählt jedoch auch, wenn ein Herzinfarkt nicht in
Herzkammerflimmern übergeht. Dazu Kardiologe Prof. Voigtländer: „Je eher
der Infarktpatient die Klinik erreicht, wo das verstopfte Herzkranzgefäß
per Katheter wiedereröffnet wird, umso mehr Herzmuskel und Pumpkraft des
Herzens können wir erhalten: Mehr Pumpkraft bedeutet mehr Lebensqualität
für den Patienten.“
Chest Pain Units (CPUs) für zögerliche Patienten
Wer sich einfach nicht zum Anruf bei der Rettungsleitstelle unter der 112
durchringen kann, sollte sich in die nächste CPU („Chest Pain Unit“,
Brustschmerzambulanz) fahren lassen (auf keinen Fall selbst fahren!). Die
CPU ist Anlaufstelle für alle Patientinnen und Patienten mit akuten
Brustkorbbeschwerden. Sie benötigen keine Überweisung und müssen sich auch
nicht mit Anmeldeformalitäten aufhalten. Die CPU ist rund um die Uhr
geöffnet und mit allen modernen Geräten für die Notfallversorgung
ausgerüstet. Alternativ können sich diese zögerlichen Patienten auch an
die Ambulanz einer Klinik wenden – im besten Fall verfügt diese über ein
Herzkatheterlabor. Infos zur CPU unter www.herzstiftung.de
/herznotfallambulanz-suche
Zusatz-Information:
Mehr Herzinfarkte an Weihnachten?
Dass es an Weihnachten vermehrt zu Herz-Kreislauf-Komplikationen wie
Herzinfarkt kommen kann, darauf deuten Ergebnisse einer schwedischen
Studie von 2018 – gestützt auf Registerdaten von über 283.000
Klinikaufnahmen wegen Herzinfarkts – hin (Mohammad MA et al., BMJ 2018*).
„Die Ergebnisse lassen auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko an Heiligabend
und an Neujahr besonders bei Menschen, die über 75 oder bereits chronisch
krank sind, schließen“, betont der Vorstandsvorsitzende der Deutschen
Herzstiftung, Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer. Besonders anfällig sind
dieser Studie zufolge Patienten mit Risikofaktoren wie beispielsweise
Diabetes und koronarer Herzkrankheit, weil sie auf externe Auslöser
(Trigger) für einen Infarkt wie Stress (Ausschüttung von Stresshormonen)
reagieren.
Wichtig: Rettungsdienstleitstellen, Chest Pain Units (CPUs,
Brustschmerzambulanzen) und Notaufnahmen der Kliniken stehen auch an
Feiertagen, in der Zeit zwischen den Jahren wie auch am Wochenende oder
nachts rund um die Uhr bereit. „Deswegen besteht auch an den Festtagen
überhaupt kein Grund zur Scheu vor der 112“, versichert Voigtländer.
* Mohammad MA et al., Christmas, national holidays, sport events, and time
factors as triggers of acute myocardial infarction: SWEDEHEART
observational study 1998-2013
BMJ 2018;363:k4811 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.k4811
Service: Ratgeber, Notfall-Set, App zum Herznotfall
Ein Notfallset mit dem Ratgeber „Was tun im Notfall?“ und zwei
Notfallkärtchen fürs Portemonnaie mit Darstellungen der Herzinfarkt-
Alarmzeichen und Erläuterungen zur Laien-Reanimation bietet die
Herzstiftung kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter
www.herzstiftung.de/herznotfall-set an.
Die Herzinfarkt-Anzeichen unter: www.herzstiftung.de/herzinfarkt-anzeichen
Erste-Hilfe: Wie man sich bei Herzinfarkt richtig verhält, wie die
Herzdruckmassage funktioniert und sein persönliches Herzinfarkt-
Risikoprofil ermittelt, zeigt die neue Lebensretter-App der Herzstiftung,
die kostenlos über www.herzstiftung.de/app heruntergeladen werden kann.
Die Schlaganfall-Warnzeichen, bei denen auch sofort der Notarzt (112) zu
alarmieren ist, sind abrufbar unter www.herzstiftung.de/schlaganfall