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Politik

Die Nato ist historisch beispiellos"

Das transatlantische Verteidigungsbündnis wird 75 – und besteht damit 35
Jahre nach Ende des Kalten Krieges immer noch. Seit dem russischen Angriff
auf die Ukraine scheint ihre Rolle unerwartet aktuell. Der Zeithistoriker
Prof. Dr. Jan Eckel von der Universität Freiburg spricht im Interview über
Ziele, Krisen und Funktionen der Nato.

Herr Eckel, am 4. April 2024 wird die Nato 75 Jahre alt. Eine
Erfolgsgeschichte?

Es gibt die Nato zumindest noch – das ist nicht selbstverständlich und
deshalb bemerkenswert, weil sich die internationale Politik in den
vergangenen 75 Jahren ja dramatisch verändert hat. Zumal diese
Organisation historisch beispiellos ist: Ein derart dauerhaftes,
weitreichendes und so viele Staaten umfassendes Militär- und
Verteidigungsbündnis hatte es zuvor nicht gegeben – und auch seitdem ist
nichts Vergleichbares entstanden. Als zweite Antwort auf die Frage würde
ich sagen: Gemessen an dem, was die Gründer und frühen Gestalter der Nato
im Sinn hatten, hat sie viele ihrer Ziele erreicht.

Was waren denn die Ziele der Nato bei ihrer Gründung?

Vor allen Dingen, einen Krieg in Europa zu verhindern, was zumindest eine
lange Zeit gelungen ist, und die Sowjetunion in Schach zu halten. Damit
verknüpft war das Ziel, ein enges politisches Bündnis zu schaffen. Das
sollte dafür sorgen, dass einerseits die USA in Europa präsent sind –
sicher auch, um Einfluss auszuüben – , andererseits die Europäer sich aber
auch selbst um ihre eigene Verteidigung kümmern. Es gibt einen berühmten
Satz, von dem niemand weiß, ob der erste Nato-Generalsekretär Lord
Hastings Ismay ihn tatsächlich gesagt hat: Das Ziel des Bündnisses sei es,
„to keep the Russians out, the Americans in and the Germans down“ („die
Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen klein zu
halten“). Gerade am Anfang war die Furcht vor dem Wiedererstarken des
deutschen Militarismus groß. Im Grunde hat die Nato tatsächlich zu diesen
Entwicklungen beigetragen.

Wie hat sich die Rolle der Nato seit der Gründung gewandelt, vor allem
durch das Ende des Kalten Krieges?

Geschichtswissenschaftlich ist vieles zum Innenleben dieser Organisation
noch gar nicht erforscht. Soweit wir Einblick haben, war die Nato aber nie
eine statische Organisation, ihre Geschichte war auch schon während des
Kalten Krieges von Konjunkturen und Krisen geprägt. Zum Teil gab es auf
der amerikanischen Seiten schon damals das Bedürfnis, dass die Europäer
mehr für ihre eigene Verteidigung tun, auch finanziell, es gab die
Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland 1955, den Rückzug der
französischen Streitkräfte unter Charles de Gaulle Ende der 1960er Jahre.
Immer wieder musste mühsam austariert werden, wer innerhalb der Nato
eigentlich entscheiden durfte, die Zusammenarbeit war durchaus nicht
reibungsfrei. Der Nato-Doppelbeschluss Anfang der 1980er Jahre, also die
Entscheidung, die atomare Aufrüstung in Europa zu verstärken, rief in
vielen Ländern massive Proteste der Zivilgesellschaft hervor – in
Deutschland die bis dahin größten Demonstrationen in der Geschichte der
Bundesrepublik. Und in der komplizierten Übergangsphase der 1990er Jahre
führte die Nato in Bosnien, dem Kosovo und Serbien zum erste Mal
tatsächlich Krieg.

Die entscheidende Zäsur war aber von heute aus betrachtet das Ende des
Kalten Krieges, denn damals tat sich die Frage auf, was mit einer
Organisation passiert, deren Funktion so stark im Kalten Krieg verwurzelt
war. Von hier führt auch eine Linie bis zum aktuellen Krieg Russlands
gegen die Ukraine: Das Putin-Regime verbreitet ja schon länger das
Narrativ, dass es ein Versprechen des Westens gegeben habe, die Nato
werden nicht nach Osten erweitert. Dieses Versprechen sei gebrochen
worden, was nur den aggressiven und gegen Russland gerichteten Charakter
der Nato beweise. Hier zeigt sich einer der wichtigsten Impulse von Putins
Politik: der nicht verschmerzte Verlust des Imperiums durch das Ende der
Sowjetunion.

Heute kann man mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass es ein irgendwie
förmliches Versprechen nicht gegeben hat. Aber auch in der
wissenschaftlichen Diskussion ist es nach wie vor eine umstrittene Frage,
ob die Politik der USA in den frühen 1990er Jahren sinnvoll und berechtigt
war. Damals ist relativ schnell entschieden worden, dass die Nato bestehen
bleibt, dass das wiedervereinigte Deutschland einbezogen wird. Und ab
Mitte, Ende der 1990er Jahre wurde dann auch klar, dass die Nato um
ostmitteleuropäische Staaten erweitert werden soll und Russland nicht
dazugehören wird. Ob man länger hätte versuchen können, verschiedene
Kooperationsangebote zu machen und Optionen offen zu halten, ist eine
wichtige Frage, die aber eben hypothetisch bleiben muss.

Braucht es die Nato heute, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine,
dringender denn je?

Zumindest bedeuten die Veränderungen der letzten Jahre tatsächlich
dramatische Einschnitte: Einerseits hat Donald Trump in seiner Amtszeit
den Wert dieses Bündnisses grundsätzlich in Frage gestellt – das hat kein
amerikanischer Präsident vor ihm seit 1949 getan. Andererseits ist die
Nato gerade wieder erweitert worden, um Finnland und Schweden. Besonders
für das schwedische Selbstverständnis spielte die Tradition der
Neutralität, die teilweise Jahrhunderte weit zurückgeführt wird, eine ganz
wichtige Rolle. Aber die Gefahreneinschätzung in Schweden hat sich
offenkundig so stark geändert, dass Schweden mit dieser Tradition bricht
und Mitglied der Nato wird. Die baltischen Länder schauen ohnehin schon
seit der russischen Annexion der Krim 2014 anders auf Russland, als es
damals zumindest die Mehrheit der deutschen Politik getan hat. Ich denke,
ein Kollaps oder eine Auflösung der Nato ist in naher Zukunft sicher nicht
zu erwarten; aus meiner Sicht hat sich Putin verkalkuliert: Er wollte eine
schwächere Nato, er hat eine stärkere Nato bekommen. Eine Wiederwahl
Trumps würde aber größere Ungewissheit bringen, wie es weitergeht.

Welche Rolle wird die Nato in nächster Zukunft spielen?

Heute wird über die Nato wieder als kollektives Verteidigungsbündnis gegen
einen bewaffneten äußeren Feind nachgedacht; es geht um
Abschreckungsmechanismen und ihre Wirkweisen. Die internationale Politik
hat sich dramatisch geändert – aber diese Kernsituation des Kalten Krieges
ist in veränderter Form jetzt wieder gegeben. Es werden wieder klassische
Szenarien diskutiert: Was passiert, wenn Putin Atomraketen einsetzt? Was
passiert, wenn er als nächstes ein Nato-Mitglied wie Polen oder die
baltischen Länder angreift? Dann könnte tatsächlich der Bündnisfall
eintreten, bei dem die gesamte Nato einem Mitglied Beistand bei einem
Angriff leistet. Ein Fall übrigens, der während des Kalten Krieges kein
einziges Mal eingetreten ist: Die Nato hat in ihrer 75-jährigen Geschichte
erst einmal den Bündnisfall erklärt, nach den Terrorattacken auf die USA
vom 11. September 2001.

Jan Eckel steht gerne für Medienanfragen zur Verfügung.

•       Prof. Dr. Jan Eckel ist seit 2021 Professor für Neueste Geschichte
und Zeitgeschichte an der Universität Freiburg. Zu seinen
Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte der Geistes- und
Geschichtswissenschaften, der Menschenrechte sowie der internationalen
Politik im 20. Jahrhundert. Eckel wirkt mit an der
Exzellenzclusterinitiative „Constitution as Practice in Times of
Transformation (ConTrans)“ der Universität Freiburg.

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EFI-Kommission mahnt zu rascher Aufholjagd bei künstlicher Intelligenz

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat heute ihr
Jahresgutachten an Bundeskanzler Olaf Scholz und
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger übergeben. Dringenden
Handlungsbedarf sieht die Kommission in Deutschland und Europa bei
künstlicher Intelligenz. Gute Nachrichten hat sie bei der Attraktivität
von Deutschland als Forschungsstandort. Mit Prof. Dr. Carolin Häussler ist
auch eine Wissenschaftlerin der Universität Passau in der Kommission
vertreten.

„China und die USA dominieren im Bereich der KI die
Technologieentwicklung, während Deutschland und die EU zurückfallen“,
stellt Professorin Carolin Häussler von der Universität Passau und
Mitglied der Expertenkommission auf Basis eines internationalen Vergleichs
von wissenschaftlichen KI-Publikationen und von KI-Patenten fest. „Auch
bei der Entwicklung von großen Sprachmodellen und multimodalen Modellen,
die als Grundlagenmodelle für vielfältige KI-Anwendungen dienen, sind
Deutschland und die EU nicht führend“, ergänzt Häussler.

Dass Deutschland im Bereich der KI hinterherhinkt, sieht die
Expertenkommission mit Sorge. „Dadurch besteht die Gefahr, an
technologischer Souveränität einzubüßen“, stellt Häussler fest und
erklärt: „Technologische Souveränität im Bereich KI setzt voraus, dass
Deutschland gemeinsam mit der EU KI-Technologien selbst vorhalten und
weiterentwickeln kann oder über die Möglichkeit verfügt, diese
Technologien ohne einseitige Abhängigkeiten von anderen Wirtschaftsräumen
zu beziehen und anzuwenden.“

Unternehmensbefragung: Bedenken und Unsicherheit hemmen KI-Einsatz

Bei KI handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie, die die
technologische und ökonomische Entwicklung in den kommenden Jahren
entscheidend prägen wird. „KI kann in vielen Technologiebereichen und
Branchen, wie etwa in der Produktionstechnik oder in der pharmazeutischen
Industrie, Innovations- und Wachstumspotenziale eröffnen“, erläutert die
stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission, Professorin Irene
Bertschek vom ZEW Mannheim. „Um die Potenziale der KI nutzen zu können,
muss sie auch in der Breite der Wirtschaft zum Einsatz kommen“, so
Bertschek.

Dass diese Breite noch nicht gegeben ist, zeigt eine im Auftrag der
Expertenkommission durchgeführte repräsentative Umfrage. So haben 2023 in
Deutschland 10 Prozent der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes und 30
Prozent der Unternehmen der Informationswirtschaft KI eingesetzt. Etwa ein
weiteres Viertel der Unternehmen in beiden Bereichen plante den
zukünftigen Einsatz von KI. Eine hohe Wettbewerbsfähigkeit des eigenen
Unternehmens auf dem Gebiet der KI bescheinigten sich nur sehr wenige
Unternehmen, 6 Prozent im Verarbeitenden Gewerbe und 15 Prozent in der
Informationswirtschaft.

Die Studie zeigt auch, dass einem breiteren Einsatz von KI einige hemmende
Faktoren entgegenstehen. „Den Mangel an zeitlichen und persönlichen
Ressourcen nehmen Unternehmen sowohl im Verarbeitenden Gewerbe (72
Prozent) als auch in der Informationswirtschaft (68 Prozent) als größtes
Hindernis wahr. Zudem herrschen bei vielen Unternehmen noch Unsicherheit
über den zu erwartenden Nutzen sowie Bedenken hinsichtlich der Reife und
Zuverlässigkeit von KI. Fehlendes Wissen in den Unternehmen sowie ein
fehlendes Fachkräfteangebot sind weitere Faktoren, die den Einsatz von KI
hemmen“, fasst Bertschek die Befragungsergebnisse zu den Hemmnissen der
KI-Nutzung zusammen.

Aufholjagd muss beginnen: KI-Ökosystem kommt Schlüsselrolle zu

Im Bereich der KI gilt es, den Anschluss an die internationale
technologische Entwicklung nicht zu verlieren und nicht noch stärker von
außereuropäischen Anbietern abhängig zu werden. „Für Deutschland und die
EU besteht durchaus noch die Möglichkeit, mit Innovationen eine bedeutende
Rolle in der internationalen Technologieentwicklung zu spielen“, betont
der Vorsitzende der Expertenkommission, Professor Uwe Cantner von der
Universität Jena. Die Innovationsweisen empfehlen, hierzu ein starkes und
europäisch vernetztes KI-Ökosystems mit exzellenter Grundlagenforschung
und einer leistungsfähigen KI-Infrastruktur aufzubauen. Dazu gehöre
Rechenkapazität, an der es derzeit genauso mangle wie an einer
wettbewerbsfähigen Dateninfrastruktur. „Zudem können Initiativen, die die
Open-Source-Entwicklung fördern, zur technologischen Souveränität in
Deutschland und Europa beitragen“, hebt Häussler hervor. Zentral sind
jedoch auch Fachkräfte, die über KI-Kompetenzen verfügen und, so zeigt das
Gutachten, besonders international mobil sind. Auch mit dem Thema, ob und
wie es gelingen kann, Fachkräfte anzulocken, beschäftigt sich die EFI-
Kommission im neuen Gutachten.

Standort Deutschland gewinnt an Attraktivität, aber komplexe und
langwierige Verwaltungsprozesse behindern Fachkräfte-Zuwanderung

Neue Analysen zur Mobilität im Wissenschafts- und Innovationssystem
zeigen, dass sich Deutschland seit dem Jahr 2014, in dem dieses Thema
ebenfalls bearbeitet wurde, auf einem positiven Entwicklungspfad befindet.
Aktuell verzeichnet die Expertenkommission einen Nettozuzug von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Auch Auswertungen von
Patentdaten deuten darauf hin, dass Deutschland als Standort an
Attraktivität gewonnen hat. Unter dem Strich wandern jedoch immer noch
mehr Erfinderinnen und Erfinder ab als zu. „Es wäre allerdings zu kurz
gesprungen, Schlussfolgerungen aus reinen Ab- und Zuwanderungszahlen in
einem bestimmten Zeitraum zu ziehen“, betont Professorin Häussler. „Unsere
Daten zeigen, dass viele Forscherinnen und Forscher nach einem
mehrjährigen Auslandsaufenthalt wieder nach Deutschland zurückkehren.
Grundsätzlich sind solche zirkulären Wanderungsbewegungen sehr
begrüßenswert, da Forscherinnen und Forscher im Ausland wertvolle
Erfahrungen sammeln, ihr Netzwerk erweitern und dann häufig noch
produktiver in ihr Heimatland zurückkehren.“ Deutschland sollte daher die
internationale Mobilität fördern und möglichst attraktive Bedingungen für
Rückkehrerinnen und Rückkehrer schaffen. Dazu müsse endlich am Nadelöhr
der Zuwanderung gearbeitet werden: den komplexen und langwierigen
Verwaltungsprozessen. „Hierfür raten wir dringend ein umfassendes,
digitales System einzuführen, dass alle Teilprozesse der Zuwanderung in
einen Gesamtprozess integriert sowie alle beteiligten Akteure miteinander
verknüpft“, so Häussler.

Quelle: Geschäftsstelle der Expertenkommission Forschung und Innovation

Fünf Fragen an Prof. Dr. Carolin Häussler:

Wo steht Deutschland in der künstlichen Intelligenz?

"China und die USA dominieren im Bereich der künstlichen Intelligenz die
Technologieentwicklung, während Deutschland und die EU zurückfallen. Das
sehen wir in einem internationalen Ländervergleich. Auch bei der
Entwicklung von großen Sprachmodellen und multimodalen Modellen, also
Modellen, die Informationen aus Bildern, Videos und Text verarbeiten
können, sind Deutschland und die EU nicht führend. Das ist
hochproblematisch, da diese Modelle die Grundlagen für vielfältige KI-
Anwendungen sind und somit die Gefahr besteht, an technologischer
Souveränität einzubüßen."

Warum ist das gerade bei der künstlichen Intelligenz so problematisch?

"Bei künstlicher Intelligenz handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie,
die die technologische und ökonomische Entwicklung in den kommenden Jahren
entscheidend prägen wird. KI kann in vielen Technologiebereichen und
Branchen, wie etwa in der Produktionstechnik oder in der pharmazeutischen
Industrie, Innovations- und Wachstumspotenziale eröffnen. Aber dafür muss
sie auch in der Breite der Wirtschaft zum Einsatz kommen. Das ist derzeit
noch nicht der Fall, wie eine im Auftrag unserer Kommission durchgeführte
repräsentative Umfrage ergab. Demnach haben 2023 in Deutschland 10 Prozent
der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und 30 Prozent der Unternehmen
der Informationswirtschaft KI eingesetzt. Als Hemmnis für den Einsatz von
KI wurden hierbei unter anderem fehlende Kapazitäten und Kompetenzen im
Unternehmen genannt."

Können sich Deutschland und die EU überhaupt noch in Stellung bringen?

"Wir haben ja leider keine großen Konzerne, die einfach mal ein paar
Milliarden in ein KI-Modell investieren. Doch wir von der EFI-Kommission
sehen für Deutschland und die EU durchaus noch Möglichkeiten, eine
bedeutende Rolle zu spielen. Dazu bedarf es aber eines starken und
europäisch vernetzten Ökosystems im Bereich der künstlichen Intelligenz.
Damit meinen wir ein Netzwerk, das auf exzellenter Grundlagenforschung,
einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Dateninfrastruktur und Fachkräften
aufbaut, die über KI-Kompetenzen verfügen."

Apropos Fachkräfte – wie attraktiv ist Deutschland als Forschungsstandort?

"Hier befindet sich Deutschland auf einem positiven Entwicklungspfad.
Auswertungen von Publikations- und Patentdaten deuten darauf hin, dass wir
als Standort in den vergangenen zehn Jahren an Attraktivität gewonnen
haben. Allerdings wandern immer noch mehr Erfinderinnen und Erfinder ab
als zu. Positiv sehen wir, dass viele Forscherinnen und Forscher nach
einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt wieder nach Deutschland
zurückkehren. Das ist sehr begrüßenswert, da sie im Ausland wertvolle
Erfahrungen sammeln, ihr Netzwerk erweitern und dann häufig noch
produktiver in ihr Heimatland zurückkehren. Deutschland sollte daher die
internationale Mobilität fördern und möglichst attraktive Bedingungen für
Rückkehrerinnen und Rückkehrer schaffen."

Wie schätzen Sie die Investition in künstliche Intelligenz von Microsoft
in Deutschland ein?

"Es mangelt in Deutschland erheblich an Rechenkapazität, die aber
Voraussetzung für das Trainieren und die Anwendung von KI-Modellen ist.
Das kürzlich angekündigte Milliardeninvestment des US-Technologiekonzerns
zum Aufbau von Rechenkapazität weist auf den Bedarf und das
wirtschaftliche Potenzial hin. Aber wir müssen auf der Hut sein - unsere
Wirtschaft läuft Gefahr, noch mehr im Bereich der Digitalisierung in die
Abhängigkeitsspirale zu gelangen. Kurzum: Die Aufholjagd muss jetzt
beginnen und künstliche Intelligenz in der Breite der Wirtschaft zum
Einsatz kommen - ohne Abhängigkeiten von einigen wenigen außereuropäischen
Anbietern, dafür mit einem starken vernetzten Ökosystem. Wenn uns das
gelingt, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass Deutschland und Europa
vorne mitspielen können."

Zur Person:

Prof. Dr. Carolin Häussler ist Inhaberin des Lehrstuhls für Organisation,
Technologiemanagement und Entrepreneurship an der Universität Passau.
Bereits seit fünf Jahren gehört sie zu den sechs Innovationsweisen der
Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin.
Diese leistet wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung
und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und
technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. In diesem Jahr hat
sich die Kommission mit den Schwerpunktthemen „Neue Technologien für eine
nachhaltige Landwirtschaft“, „Internationale Mobilität im Wissenschafts-
und Innovationssystem“, „Soziale Innovationen“ und „Künstliche
Intelligenz“ befasst. Im Interview stellt Prof. Dr. Häussler die
Empfehlungen der Kommission bei künstlicher Intelligenz vor.

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Einordnungen zum Nahost-Konflikt

Im Podcast blicken Dr. Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in
München und PD Dr. Antje Nötzold von der TU Chemnitz auf die historische
Dimension sowie aktuelle Entwicklungen des Nahost-Konflikts

Am 7. Oktober 2023 startete die Hamas vom Gaza-Streifen einen Angriff auf
Israel, bei dem nach Medienberichten auf der Basis offizieller Angaben
über 1.400 Menschen getötet und rund 3.000 verletzt wurden. Zudem wurden
mehrere hundert Geiseln genommen. Israel hat darauf mit einer
Gegenoffensive geantwortet.

Aus diesem aktuellen Anlass blicken Moderator Wieland Mikolajczyk und
seine beiden Gäste in der aktuellen Episode (https://www.tu-
chemnitz.de/tu/pressestelle/tucscicast.php#s5) des „TUCscicast“ sowohl auf
die historische Dimension als auch auf aktuelle Entwicklungen des Nahost-
Konflikts. Zu Gast ist zum einen Dr. Jan Busse, Wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Professur für Internationale Politik und
Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr in München, der
kürzlich gemeinsam mit Dr. Muriel Asseburg die überarbeitete Auflage von
„Der Nahostkonflikt: Geschichte, Positionen, Perspektiven“ herausgegeben
hat. Mit ihm spricht zum anderen PD Dr. Antje Nötzold, die am Institut für
Politikwissenschaft der Technischen Universität Chemnitz derzeit die
Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich vertritt. Nötzold
forscht u. a. zu den Umbrüchen in der arabischen Welt und zur
geopolitischen Strategie der USA und Europas mit Blick auf den Nahen
Osten.
Der Podcast kann auf verschiedenen Wegen gehört werden:

- im Web-Player der TU Chemnitz (https://www.tu-
chemnitz.de/tu/pressestelle/tucscicast.php#s5),
- in jeder Podcast-App über unseren RSS-Feed (https://www.tu-
chemnitz.de/rektorat/rektor/tucscicast.rss),
- auf Spotify, Deezer und Apple Podcast.

TU-Forschung, die ins Ohr geht

Der Podcast „TUCscicast“ ist ein innovatives Format der
Wissenschaftskommunikation an der TU Chemnitz, das bei seinem Start 2018
der einzige laufende Gesprächs-Podcast einer deutschen Universität war.
Inzwischen ist der „TUCscicast“ fest in der Podcast-Welt etabliert und
sowohl selbst Gegenstand von Berichterstattung als auch Quelle für
journalistische Recherchen. Fanden die Folgen der ersten Staffel
durchschnittlich bereits über 3.000 Hörerinnen und Hörer pro Episode, so
stiegen die Zugriffe auf die Episoden der vierten Staffel zwischen
Dezember 2021 und August 2022 auf fast 600.000 Abrufe insgesamt.

Für die technische Redaktion zuständig ist der Medienpartner
podcastproduzenten.de in Leipzig, Schwester-Firma des Online-Radios
detektor.fm, das seit 2009 hochwertige Podcasts für Wirtschaft, Medien,
Gesellschaft und Forschung produziert.

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Was sich aus historischen Friedensschlüssen für heute lernen lässt

Wissenschaftlerinnen & Wissenschaftler diskutieren historische und
aktuelle Friedensfragen – Vom Westfälischen Frieden vor 375 Jahren bis zur
gegenwärtigen Lage in Israel und der Ukraine – Symposium „Den Frieden
gewinnen von 1648 bis heute“ am Montag in Münster

Was sich angesichts aktueller Kriege aus historischen Friedensschlüssen
lernen lässt, diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am
Montag in Münster. Dabei geht es auch um die internationale
Sicherheitslage und Herausforderungen für künftige Friedensordnungen,
insbesondere angesichts der Situation in der Ukraine und in Israel, wie
die Historikerinnen PD Dr. Claudia Kemper vom Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL) und Prof. Dr. Ricarda Vulpius vom Exzellenzcluster
„Religion und Politik“ der Universität Münster ankündigten. Zum Symposium
„Den Frieden gewinnen von 1648 bis heute“ am 16.10. laden das LWL-Institut
für westfälische Regionalgeschichte, der Exzellenzcluster und die Stadt
Münster im Jubiläumsjahr „375 Jahre Westfälischer Frieden“ ein.

„Der Friedensschluss von 1648 ist bis heute ein Erinnerungsanker“, sagt
Claudia Kemper. „Die Herausforderungen von Friedensschlüssen sind
aktueller denn je. Nach wie vor ringen Gesellschaften weltweit um
Friedensschlüsse und Nachkriegsordnungen.“ Osteuropa-Historikerin Ricarda
Vulpius fügte an: „Friedensverhandlungen beginnen mit der grundsätzlichen
Akzeptanz des Verhandlungspartners. Solange die russische Regierung diese
Akzeptanz der ukrainischen Seite nicht entgegenbringt, ist nicht einmal
die Minimalbedingung für irgendeine Form von Friedensschluss zur
Beendigung des Krieges gegeben.“

Vorbild Westfälischer Frieden für die Ukraine?

Der Westfälische Frieden sei für die Beilegung heutiger Kriege insofern
ein Vorbild, als er eine dauerhafte neue Sicherheitsordnung schuf, so
Ricarda Vulpius im Interview zum Symposium. Aus 1648 lasse sich lernen,
dass die Bedingung für den Beginn von Verhandlungen ein militärisches Patt
sei. „Damals sah keine Kriegspartei für sich die Chance, noch bedeutsame
Geländegewinne zu erringen. Hinzu kam die Kriegsmüdigkeit.“ Im russisch-
ukrainischen Krieg sei bislang jedoch kein militärisches Patt eingetreten.
„Die russische Seite hat zudem keinerlei Signal ausgesendet, an
Verhandlungen auf der Suche nach einem gerechten Frieden interessiert zu
sein. Das ist der größte Unterschied zum Westfälischen Frieden.“

Die Veranstaltung am 16.10. im LWL-Museum für Kunst und Kultur,
Auditorium, Domplatz 10, 48143 Münster, trägt den Untertitel „Historische
Perspektiven auf den Westfälischen Frieden und unsere Gegenwart“. Sie
beginnt um 14.00 Uhr mit zwei Panels, auf denen Historikerinnen und
Historiker über „1648 als Geschichte und Erinnerungsort“ und „Frieden
schließen in der Moderne“ diskutieren. Am Abend folgt um 19.00 Uhr das
Podium „Den Frieden gewinnen seit 1648 – historische und politische
Perspektiven auf die Gegenwart“. Interessierte können sich anmelden unter:
https://www.lwl-regionalgeschichte.de/de/veranstaltungen/den-frieden-
gewinnen/


Auf dem abendlichen Podium am 16.10. diskutieren Historikerin Prof. Dr.
Ricarda Vulpius, Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Angelika Nußberger von
der Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz, Dr. Aylin Matlé von
der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Osnabrücker
Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Schneckener. Es moderiert
Radiojournalist Dr. Heiner Wember. Eine Einführung am Abend gibt LWL-
Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Zu Beginn des Symposiums
sprechen LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann, Bürgermeisterin Angela Stähler
und Prorektor Prof. Dr. Michael Quante.

Das Symposium am 16.10. ist der vorletzte Teil einer Reihe von
Veranstaltungen des Exzellenzclusters im Jubiläumsjahr „375 Jahre
Westfälischer Frieden“. Zum Abschluss steht am 24.10. der „Westphalian
Peace Summit 2023“ im Theater Münster auf dem Programm, bei dem
internationale Gäste Perspektiven auf eine globale Friedensordnung
diskutieren, darunter die Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee aus
Liberia, die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ummu Salma Bava aus Neu
Delhi und der Direktor des Stockholm International Peace Research
Institute (SIPRI), Prof. Dan Smith. (vvm/fbu/tec)

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