Zum Hauptinhalt springen

Der Tag, an dem mein Computer dachte, er hätte mehr Persönlichkeit als ich

Das Künstlerische Forschungsprojekt „The Answering Machine“ untersucht das
Zusammenspiel von Künstlicher Intelligenz und menschlichen
Improvisationstalent und nutzt dabei die Theaterbühne als Reallabor. Die
erste öffentliche Aufführung findet am 25. März 2023 im Theater der TU
Dresden, DIE BÜHNE, statt.

Alexa, Linda, Siri, TOBi oder Hugo – hinter diesen Namen verbergen sich
bekannte Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI), die uns mittels Sprache
im Alltag helfen, Informationen liefern oder einfach nur unterhalten,
sogenannte Chatbots. Sie sind klug, kreativ und können sogar witzig sein.
Doch wie nehmen wir Menschen diese Art der künstlichen Intelligenz wahr?
Welches Bewusstsein, vielleicht sogar Gefühle, interpretieren wir in diese
Anwendungen?
Dieser und weiteren Fragen möchte ein interdisziplinäres Team aus
Computerlinguistik, Theaterwissenschaft, Medienwissenschaft und
Psychologie im Projekt „The Answering Machine“ auf den Grund gehen. Dafür
wollen die Forschenden die Mensch-Maschine-Interaktion in einem
künstlerisch-wissenschaftlichen Reallabor untersuchen: auf der Bühne. In
einer vierjährigen Reihe von Experimenten und Aufführungen werden Menschen
auf der Bühne und im Labor mit Chatbots interagieren. Ziel des Teams ist
es, emotionale, behaviorale und kognitive Muster zu identifizieren, um die
Bedingungen der Vermenschlichung von KI im Detail zu verstehen.
Nachdem der künstlerische Teil des Projekts ein Jahr lang unter der
Leitung von Dr. Gunter Lösel von der Züricher Hochschule der Künste
entwickelt wurde, ist es nun soweit: Am 25. März 2023 wird die erste
öffentliche Vorstellung des Projekts unter dem Titel „Der Tag, an dem mein
Computer dachte, er hätte mehr Persönlichkeit als ich“ im Theater der TU
Dresden, DIE BÜHNE, gezeigt. Dabei treten Improvisationsschauspieler in
Dialog mit einem Chatbot, und daraus ergeben sich überraschende Dialoge
und Szenen von hoher synthetischer Emotionalität, vollkommen improvisiert,
auch unter Einbezug des Publikums.
Stefan Scherbaum, Professor für Methoden der Psychologie und Kognitive
Modellierung an der TU Dresden, untersucht dabei die psychologischen
Aspekte hinter der Mensch-Maschine-Interaktion, insbesondere auch die
Wirkung auf das Publikum, als Teil des Experiments: „Das Projekt gliedert
sich in unsere Forschungslinie zur Untersuchung sozialer Flexibilität ein
und gibt gleichzeitig neue spannende Impulse, auch im Hinblick auf die
sich ständig weiterentwickelnde Realität, die uns mit Innovationen wie
zuletzt ChatGPT immer wieder vor neue Möglichkeiten und zugleich
Herausforderungen stellt.“ Bei der Vorstellung am 25. März wird Stefan
Scherbaum als Moderator durch den Abend führen, während sein Team
Publikumsreaktionen beobachtet. „Wir sind natürlich auch schon auf den
künstlerischen Aspekt der Mensch-Maschine-Interaktion gespannt und freuen
uns auch auf gute Unterhaltung“.
Neben Stefan Scherbaum und Dr. Gunter Lösel sind der Computerlinguist
Prof. Jonas Kuhn von der Universität Stuttgart sowie die
Medienwissenschaftlerin Prof. Susanne Marschall von der Universität
Tübingen an dem Projekt beteiligt. Die Schauspielenden sind Marcus König
und Lorenz Fischer von den Dresdner Improvisationstheatergruppen „Yes-
Oder-Nie!“ und „Freie Spielkultur“ und Nicole Erichsen von „Stupid Lovers“
aus Karlsruhe. Die drei weiteren öffentlichen Vorstellungen im Rahmen des
Projekts werden in den Städten der Projektpartner stattfinden.
Termin: 25. März 2023 - 19:30 Uhr, DIE BÜHNE (Gebäude am Weberplatz,
Teplitzer Str. 26, 01219 Dresden), TU Dresden
Aufgrund des großen Interesses sind an der Abendkasse nur noch Restkarten
verfügbar.
Mehr Informationen: https://die-buehne.tu-dresden.de/spielplan/der-tag-an-
dem-mein-computer-dachte-er-haette-mehr-persoenlichkeit-als-ich/

  • Aufrufe: 1

X-ARTS Festival: Überschneidungen zwischen Kunst und Technologie

Wieso sollte man Audio nicht fühlen können, sie verschieben, sie so
anordnen wie man es mag, sie betrachten? Warum schrieb Antonio Vivaldi
eigentlich auf Papier? Hört bei Clair De Lune noch jemand genau hin oder
spürt man viel mehr?

Anfänge der sparten-übergreifenden Künste wurden unmittelbar durch
Technologie bedingt, anders wahrgenommen und befunden. Es wurden digitale
Mittel der Bearbeitung gefunden, die noch vor ein paar Jahren für
undenkbar gehalten wurden - Inzwischen könnte dieser Text durchaus von
einer Künstlichen Intelligenz verfasst worden sein.

Dieser Thematik stellen sich vom 19. bis zum 24. März rund 60 europäische
Student*innen und Berufseinsteiger*innen aus den Bereichen Forschung,
Medien, Kultur, Ton- und Veranstaltungstechnik in der Technischen
Hochschule Lübeck: Das mit europäischen Mitteln geförderte Projekt X-ARTS
setzt sich mit Themen wie Künstlicher Intelligenz, immersiven Medien sowie
der Verbindung der klassischen Künste mit modernster Technologie
auseinander. Speziell auf junge Berufseinsteiger*innen und Student*innen
ausgerichtet, helfen die Fachvorträge und interaktiven Workshops der
internationalen Schulungsveranstaltung den Teilnehmer*innen aus Dänemark,
den Niederlanden, Dänemark, Frankreich und Deutschland, multi- und
crossmedial weiterzuentwickeln:

„Ich freue mich riesig, die internationalen Kolleg*innen aus Dänemark, den
Niederlanden und Frankreich bei uns an der TH Lübeck zu begrüßen.
Gemeinsam wollen wir jungen Künstler*innen und Studierenden unsere
Begeisterung für immersive Medien weitergeben und ihnen dabei helfen sich
kreativ und technisch auszudrücken, sich professionell zu vermarkten und
die heutigen und zukünftigen medialen Möglichkeiten optimal auf dem Markt
zu nutzen“, so Prof. Dr. Isabella Beyer, die an der TH Lübeck das
ERASMUS+-Projekt X-ARTS leitet.

Alle Veranstaltungen werden dafür in englischer Sprache abgehalten.
Speaker sind Dozent*innen der am Projekt beteiligten (Musik-)Hochschulen –
dem Syddansk Musikkonservatorium, der Hanzehogeschool Groningen, dem
Institut Musical de Formation Professionelle sowie der Technischen
Hochschule Lübeck. Aber auch Expert*innen aus der Praxis geben einen
Einblick in den Arbeitsalltag mit immersiven und experimentellen Medien.
Die Teilnehmer*innen können sich inspirieren lassen von Präsentationen,
welche Artificial Intelligence, Kunst und Kultur vereinen sowie
verschiedene Wahrnehmungskombinationen, Selbstdarstellungsmöglichkeiten
und Künstlerrecht beinhalten.

Öffentliche und kostenlose Veranstaltungen

X-ARTS Presentation

Allen Interessierten, die ebenfalls die Überschneidungen zwischen Technik
und Kultur entdecken möchten, werden zudem Veranstaltungen angeboten, die
für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Am Donnerstag, 23.03., berichten
Guillaume Damerval (Directeur général bei SPEDIDAM) & Marc-Olivier Deblanc
– (Gründer von BARNETT) im Bauforum der TH Lübeck von 9:30 bis 11:30 Uhr
in einem spannenden Fachvortrag über das Thema Autorenrechte. Geboten wird
eine spannende Fachdiskussion mit zwei europäischen Experten für
Urheberrechte und ausübende Künstlerrechte. Pierre Bertrand, französischer
Jazzkünstler und Komponist, wird den Workshop moderieren. Das Ziel dieses
Workshops ist es, die Teilnehmer*innen über den Schutz ihrer Rechte
angesichts der neuen Technologien, Web 2.0 und Web 3.0, zu informieren.
Die Experten geben den Teilnehmer*innen hilfreiche Instrumente an die
Hand, mit denen sie ihre Künstlerrechte im neuen digitalen Kontext
stärkten können.

X-ARTS in Concert

Am Donnerstag, 23.03., findet um 19:30 Uhr im Bauforum der TH Lübeck ein
kostenloses Konzert des deutsch-französischen CLASSICAL BEAT Orchesters
mit der Big Band-Formation, unter der musikalischen Leitung des
französischen Jazz-Saxophonisten, Flötisten, Komponisten Pierre Bertrand
statt. Die Besonderheit des Konzertes zeichnet sich vor allem durch das
Zusammenspiel aus Musik, Tanz und digitalen Visualisierungen aus – und
repräsentiert somit die Verschmelzung von Technik und Kunst.

X-ARTS in Exhibition

Am Freitag, 24.03., laden die Teilnehmer*innen und Speaker der Workshops
schließlich von 11:00 bis 14:00 Uhr während der X-ARTS EXHIBITION zur
Präsentation ihrer Workshop-Ergebnisse in die St. Petri Kirche zu Lübeck
ein. Der Besuch der Ausstellung, des Konzertes und des Fachvortrages ist
kostenlos und es ist keine Anmeldung erforderlich.

X-ARTS: über das Projekt

Seit März 2022 erarbeiten unter der Federführung der Stiftung Neue Musik-
Impulse beteiligte Bildungseinrichtungen und Veranstaltungsorganisatoren
das europäische Bildungsprojekt TEDMA. Nach Vorbereitung einer
Schulungskonzeption, die während des Kick-Off-Events „INTERSECTIONS“ in
Groningen präsentiert wurde, werden die Fachthemen des Konzeptes während
der X-ARTS Workshops vom 19.-24. März unter der Leitung von Prof. Dr.
Isabella Beyer mit Leben gefüllt.

Die Möglichkeiten der Kombination von Technologie und Kunst - klassische
Kunst immersiv, visuell oder durch den Einbezug von Elektronik zu
verbinden - erlauben sowohl den Betrachter*innen wie auch den ausführenden
Künstler*innen, mehr (Wahrnehmungs-)Möglichkeiten in der Präsentation
ihrer Kunst. Die Techniken bieten, neben der Erweiterung der Künste, einen
leichteren Zugang zur Kunst, verstärken das eigenständige Lernen oder
können Talente offenbaren. Besteht weiterhin die Relevanz menschlicher
Interaktion - die soziale Komponente - beim Auftreten und der Schaffung
einer veränderten Wahrnehmung von Künsten? Die Akademie der Stiftung Neue
Musik-Impulse setzt mit The European Digital Music Academy neue Impulse
und möchte mit der Academy eine Empfehlung für die künftige Relevanz und
Einbeziehung digitaler Künste zu Ausbildungszwecken entwickeln. Schon
jetzt steht fest, dass Inhalte der Ergebnisse während des CLASSICAL BEAT
Festivals in der Travemünder Woche in einem großen 360°-Dom zu erleben
sein werden.

Sharespace bringt Mensch und Avatar durch neue Technologie in einen hybriden virtuellen Raum

Das Projekt Sharespace wird eine neue Technologie entwickeln, die eine
mehrdimensionale Interaktion in einem gemeinsamen virtuellen Raum
ermöglicht. Auf Basis der Erweiterten Realität (eXtended Reality: XR)
werden in sogenannten Shared Hybrid Spaces (SHS) grundlegende
Bewegungsmuster identifiziert. Anders als bei Videokonferenzen wird die
Kommunikation durch die Erkennung und korrekte Wiedergabe der
Körpersprache im digitalen Raum erleichtert und um Aspekte der non-
verbalen Kommunikation bereichert.

Move it – Extended Reality motiviert Menschen zur Bewegung!

Das Projekt Sharespace möchte es Menschen ermöglichen, von
unterschiedlichen Orten in einem gemeinsamen sensomotorischen Raum zu
interagieren, um künftige integrative Hybridgesellschaften mit Avataren zu
schaffen. Die Technologie wird in den Bereichen Gesundheit, Sport und in
der Kunst getestet und soll in Zukunft in verschiedenen Anwendungsfeldern
wie Lernen und Unterhaltung eingesetzt werden.

Bei der Anwendung von Sharespace sehen die Nutzerinnen und Nutzer entweder
Avatare echter Personen oder auch autonome, voll automatisierte Avatare in
einem hybriden Raum (Shared Hybrid Space), mit denen sie interagieren
können. Bei den autonomen Avataren existieren verschiedene Stufen der
Automatisierung, die den Grad der Interaktion beeinflussen. Um die
Interpretation der Gesten zu verstärken, werden die grundlegenden
Bewegungen der Avatare intensiviert und die Kommunikation miteinander
erheblich vereinfacht: „Mit Sharespace möchten wir eine multimodal-
multisensorische Plattform schaffen, die sich an die individuellen Wünsche
der Nutzerinnen und Nutzer anpasst. Eine neue Ebene der Empfindung,
tatsächlich in einem virtuellen Raum zu sein und dort mit anderen zu
kommunizieren, soll erreicht werden“, so Prof. Didier Stricker, Leiter des
DFKI-Forschungsbereichs Augmented Vision/ Erweiterte Realität.

„Unser Kernkonzept besteht darin, soziale und grundlegende Bewegungsmuster
zu identifizieren, zu segmentieren und sie in hybriden Umgebungen
nachzubauen. Mit dieser Vorgehensweise können reichhaltige Erfahrungen
zwischen Mensch und Avatar geschaffen werden“, erklärt er weiter.

Technologie von Sharespace wird XR-Forschung erheblich vorantreiben

Mit dem Projekt Sharespace werden drei wissenschaftlich-technische
Durchbrüche erreicht:

1)    Neuartige kognitive Computerarchitekturen
2)    Ein einzigartiges selbstkalibrierendes Körpersensornetzwerk
3)    Eine vollständig mobile räumliche Augmented Reality (AR) und
virtuelle menschliche Darstellung

Es wird ein Inventar sozialer und grundlegender Bewegungsmuster gesammelt
und dafür genutzt, um KI-basierte Architekturen für die Avatare zu
entwickeln. Die Technologie erfasst die Ganzkörperkinematik, Handhaltung
und Gesichtsausdrücke und überträgt diese Daten in die virtuelle Welt.
Damit wird eine große Chance geboten, neue, ethische und integrative
Kommunikationstools voranzutreiben und die Grenzen zwischen Mensch und
Technologie verschwimmen zu lassen.

Sharespace bringt Bewegungstherapie nach Hause

Chronische Rückenschmerzen können eine große Belastung für die Betroffenen
sein. In vielen Fällen ist eine Gruppentherapiesitzung ein wichtiger
Bestandteil der Behandlung und tägliche Bewegung meist der einzige Weg für
eine Verbesserung des Gesundheitszustands. Es kann jedoch schwierig sein,
regelmäßig an Präsenzterminen teilzunehmen. Der Veranstaltungsort kann zu
weit weg vom eigenen zu Hause entfernt sein, was einen hohen täglichen
Aufwand zur Folge hat oder es kann schlichtweg die Motivation fehlen. Hier
kommt die neue Technologie von Sharespace ins Spiel. Durch die Verwendung
der eXtended Reality (XR) in Shared Hybrid Spaces (SHS) können
Patientinnen und Patienten mit der XR-Ausrüstung von zu Hause aus an
Gruppensitzungen teilnehmen und von der Motivation der anderen
Teilnehmerinnen und Teilnehmer profitieren. Dadurch wird der Trainingsplan
ideal auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
abgestimmt. Ein ausgebildeter Physiotherapeut leitet die Sessions und kann
die Bewegungen der Patientinnen und Patienten anleiten und gegebenenfalls
korrigieren. So wird es den Betroffenen von chronischen Rückenschmerzen
erheblich erleichtert, ihre Therapie kontinuierlich durchzuführen und eine
Verbesserung ihres Gesundheitszustands zu erzielen.

Das Projekt Sharespace („Embodied Social Experiences in Hybrid Shared
Spaces”) ist ein von der Europäischen Kommission gefördertes Projekt und
hat eine Laufzeit vom 1.01.2023 bis zum 31.12.2025. Das Deutsche
Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ist der
Projektkoordinator und arbeitet mit weiteren Partnern aus Wirtschaft und
Wissenschaft zusammen.

Partner:

Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
(Projektkoordinator)
Universite de Montpellier (UM), France
CRDC Nuove Tecnologie per le Attivita Produttive Scarl, Italy
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Germany
Ale International (ALE), France
Universitat Jaume I de Castellon (UJI), Spain
Golaem Sa (Golaem), France
Sie Lightspace Technologies (LST), Latvia
Cyens Centre of Excellence (Cyens), Cyprus
Ricoh International BV (Ricoh), Netherlands
Institut National de Recherche en Informatique et Automatique (Inria),
France
Ars Electronica Linz GmbH & Co KG (AE), Austria
Fundacio Hospital Universitari Vall D’Herbon -Institut de Recerca (VHIR),
Spain

  • Aufrufe: 4

Depressionen bei Kindern häufiger als Eltern glauben

Stiftung Kindergesundheit informiert über Warnsymptome und Risiken
depressiver Störungen

Die Jahre der Kindheit und Jugend werden von Erwachsenen gern als
„fröhlich und unbeschwert“ verklärt. Doch nicht jedes Kind erlebt sie so:
Die oft als „sorgenfrei“ gepriesene Kindheit erweist sich in Wirklichkeit
häufig als von psychischen und emotionalen Problemen belastet. Selbst
schwere Depressionen kommen schon bei Kindern und Jugendlichen vor:
Mindestens jeder zehnte Jugendliche erlebt bis zum Erreichen der
Volljährigkeit wenigstens eine depressive Episode, berichtet die Stiftung
Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme.

Kinder- und Jugendärzt*innen, Kinderpsychiater*innen und
Kinderpsychotherapeut*innen haben in den letzten Jahren eine Zunahme von
depressiver Symptomatik bei jungen Menschen registriert. Allerdings ist es
im Kindes- und Jugendalter nicht immer leicht, eine Depression von den
üblichen, „normalen“ Verhaltensweisen abzugrenzen: Erst ab dem
Grundschulalter können Kinder ihre gedrückte Stimmungslage und emotionale
Niedergeschlagenheit selbst einigermaßen in Worte fassen. Sie sind traurig
oder unglücklich, weil sie sich ungeliebt, nicht geborgen oder
vernachlässigt fühlen. Wenn sie sich äußern, beklagen sie sich zum
Beispiel mit Sätzen wie: „Niemand hat mich lieb“, oder: „Keiner will mit
mir spielen,“ oder sogar: „Ich wünschte, ich wäre tot“.

Ein oft unterschätztes Problem
„Depressive Symptome bei Kindern und Jugendlichen sind häufiger als Eltern
annehmen. Gerade in den letzten Jahren ist die Zahl neudiagnostizierter
depressiver Störungen deutlich angestiegen ", sagt die Münchner Fachärztin
für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie Priv.-Doz. Dr. med.
Katharina Bühren, ärztliche Direktorin des kbo-Heckscher-Klinikums und
stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung Kindergesundheit.
„Bereits vor der Coronapandemie war fast jedes fünfte Kind und Jugendliche
in Deutschland von psychischen Auffälligkeiten betroffen. Im Jahr 2019
benötigten rund 823 000 Kinder und Jugendliche psychotherapeutische Hilfe,
104 Prozent mehr als im Jahr 2009. Im Verlauf der Pandemiejahre hat sich
dann ihr Wohlbefinden und ihre psychische Gesundheit weiter
verschlechtert: Depressive und psychosomatische Symptome, Ängste und auch
Essstörungen kommen zurzeit insbesondere bei Mädchen wesentlich häufiger
vor als vor Corona“.

Wie die Pandemie die Kinder belastet
Besonders die Corona-bedingten Schulschließungen haben die Kinder und
Jugendlichen stark belastet: Laut einer neuen Studie des Bundesinstituts
für Bevölkerungsforschung (BiB) wiesen junge Menschen während der
Schulschließungen zu 75 Prozent häufiger allgemeine Depressionssymptome
auf als vor Ausbruch der Pandemie.

Die Kinder waren während dieser Zeit nicht nur von der zeitweisen
Schließung von Spielplätzen, Kitas und Schulen betroffen: Gleichzeitig
wurden ihre sozialen Kontakte zu Freunden, Mitschülern und selbst zu den
Großeltern zwangsläufig eingeschränkt.

„Besonders die Kinder und Jugendlichen aus bildungsfernen Familien , mit
Migrationshintergrund und beengten räumlichen Verhältnissen zeigten mehr
depressive Symptome als Gleichaltrige“, berichtet Priv.-Doz. Dr. Katharina
Bühren.

Wie sich die Symptome mit der Zeit verändern
Depressive Kleinkinder (1 bis 3 Jahre) zeigen sehr unspezifische Symptome.
Sie können still und zurückhaltend sein oder durch Spielunlust auffallen.
Nicht selten sind sie aber auch unruhig, weinen und schreien oft, essen
und schlafen schlecht oder wiederholen bestimmte Bewegungen immer wieder.

Bei Kindern im Vorschulalter (3 bis 6 Jahre) äußert sich eine Depression
oft mit einem traurigen Gesichtsausdruck und mit verminderter Gestik und
Mimik. Das Kind ist häufig bedrückt und kann sich über nichts mehr so
richtig freuen, bewegt sich ungern und zeigt psychosomatische Beschwerden
wie Kopf- oder Bauchschmerzen. Nicht selten sind diese Kinder leicht zu
irritieren, schlafen schlecht ein und haben oft Albträume.

Im Schulkindalter (7 bis 13 Jahre) zeigt sich eine Depression häufig durch
leichte Reizbarkeit und gedrückte Stimmung, Lustlosigkeit,
Unkonzentriertheit und Leistungsabfall in der Schule. Die Betroffenen
beschreiben Selbstzweifel und auch Selbstmordgedanken.

Depressive Jugendliche (14 bis 18 Jahre) sind niedergestimmt, ziehen sich
zurück und neigen zu Grübeleien. Es können auch Stimmungsschwankungen und
Appetitstörungen sowie psychosomatische Beschwerden dazu kommen.
Schlafstörungen, eine Verschlechterung der Schulleistungen, aber auch ein
Gefühl der Leere und Lustlosigkeit werden häufig berichtet. Umso
ausgeprägter die depressive Symptomatik ist, desto eher kommen auch
Suizidgedanken dazu. Mit zunehmendem Alter können Todeswünsche und
-vorstellungen die Gedanken gefährlich verdüstern: Selbsttötungen stellen
mit 12 Prozent der Todesursachen bei Jugendlichen nach Verkehrsunfällen
die zweithäufigste Todesursache dar.

Zu oft übersehen und zu spät erkannt
Depressionen werden bei Kindern und Jugendlichen nicht selten übersehen
und nicht behandelt, selbst wenn deutliche Anzeichen vorhanden sind, sagt
Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. Katharina Bühren: „Auch ernste Symptome
einer Depression wie Freudlosigkeit oder Niedergeschlagenheit werden bei
Kindern im Teenageralter häufig als eine Phase fehlinterpretiert, die zur
Pubertät gehört“.

Weil sich aber eine Depression ohne Behandlung verstärken und zu weiteren
Störungen führen kann, sollten depressive Symptome immer ernst genommen
werden, betont die Expertin der Stiftung Kindergesundheit mit großem
Nachdruck: „Wer schon als junger Mensch psychisch erkrankt, hat auch als
Erwachsener ein höheres Risiko für eine psychiatrische Erkrankung. Über
die Hälfte der psychischen Störungen entsteht vor dem neunzehnten
Lebensjahr“. Die Häufigkeit von Depressionen steigt von unter zwei Prozent
bei Kindergartenkindern auf etwa neun Prozent während der Pubertät bis auf
20 Prozent bis zum 18. Lebensjahr an.

Psychische Gesundheit von Kindern stärken!
Zur Stärkung der psychischen Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen
empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit folgende Maßnahmen:

•       Verbesserung der ambulanten und stationären kinder- und
jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Versorgung durch
Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen
•       dauerhafte Förderung psychotherapeutischer und psychiatrischer
Angebote, die niedrigschwellig an Schulen angebunden sind, sowie Angebote
der Jugendhilfe in besonders belasteten Wohnquartieren, und
•       Schulfach „Gesundheit“ einführen, um die Gesundheitskompetenz von
Kindern und Jugendlichen zu verbessern und so auch das Risiko für
psychische Erkrankungen zu verringern.

Düstere Gedanken? Reden kann Schlimmeres verhüten
Häufig ist es allerdings nicht leicht, an ein Kind oder einen Jugendlichen
mit Depressionen heranzukommen, räumt die Stiftung Kindergesundheit ein.
Manchmal möchten sich Betroffene am liebsten in einem Loch verkriechen und
vermeiden es, über ihre Gefühle zu sprechen. Dabei wäre es wichtig, dass
sie ihre Empfindungen in Worte fassen und mit anderen teilen können.

Deshalb sollten Eltern die Gefühle ihres Kindes ernst nehmen und auch
ansprechen. Offene Gespräche schaffen Vertrauen und helfen psychische
Probleme frühzeitig wahrzunehmen.

Zur Behandlung einer depressiven Störung bei Kindern und Jugendlichen
stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: Ob das Kind mit einer
Psychotherapie oder zusätzlich mit Medikamenten behandelt werden soll,
muss von Fall zu Fall individuell entschieden werden.

Wenn Kinder und Jugendliche, ihre Eltern selbst oder andere Angehörige
depressive Gedanken haben oder sogar überlegen, sich das Leben zu nehmen,
sollten sie unbedingt versuchen, mit jemandem darüber zu sprechen, ganz
gleich ob aus der Familie oder aus dem Freundeskreis, betont Priv.-Doz.
Dr. Katharina Bühren: „Außerdem sollten sie sich an Menschen werden, die
sie professionell unterstützen können. Erste Ansprechpartner können
Beratungsstellen, Hausärzte und Hausärztinnen, Kinderärztinnen oder
Kinderärzte sein, die dann die Eltern mit ihrem Kind in eine Kinder- und
Jugendpsychiatrische Praxis überweisen können.“

Hier finden Familien Rat und Hilfe
Geschulte Gesprächspartner*innen, die in psychischen Lebenskrisen eine
Hilfe anbieten können, erreichen Betroffene telefonisch:

•       bei der Telefonseelsorge (Evang.: 0800-111 0 111, Kath.: 0800-111
0 222),
•       im Notfall bei der Polizei (110) oder dem Rettungsdienst (112),
•       bei der „Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche“ unter
Tel. 116 111, oder
•       bei der „Nummer gegen Kummer für Eltern“ unter Tel. 0800-111 0
550.

Eine weitere umfangreiche Liste von möglichen Hilfen bietet die
Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention unter
www.suizidprophylaxe.de.