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Gefäßschutz von Kindheit an: Herzstiftung, DGK und Schwiete Stiftung fördern Studie zur Hypercholesterinämie

Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung  Deutsche Herzstiftung
Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung Deutsche Herzstiftung

Familiäre Vorbelastung früh erkennen, behandeln und Herzinfarkte
verhindern – das ist das Ziel der Studie „Vroni im Norden“

In Deutschland sind bis zu 270.000 Menschen Träger des Gendefekts für eine
Familiäre Hypercholesterinämie (FH). Doch ist diese angeborene Störung des
Lipidstoffwechsels nur bei einem von hundert Betroffenen diagnostiziert.
Das kann fatale Folgen haben. Denn das Tückische der FH ist, dass die
damit verbundenen, teils enorm hohen LDL-Cholesterinwerte bereits im
Kindesalter ihre gefäßschädigende Wirkung durch Ablagerungen an den
Gefäßwänden (Arteriosklerose) entfalten können. Auch wenn dieser Vorgang
meist über Jahre schleichend ohne Beschwerden verläuft, liegt darin ein
großes Gefahrenpotential. Unerkannt und unbehandelt kann dies schon im
frühen Erwachsenenalter zu Gefäßverschlüssen, Herzinfarkten und
Schlaganfällen führen. Das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis ist um
das 5- bis 20-fache erhöht. Daher haben die Deutsche Herzstiftung und das
Bayerische Gesundheitsministerium bereits vor zwei Jahren die Vroni-Studie
unter Leitung des Deutschen Herzzentrums München (DHM) mit unterstützt,
bei der solche Risikopersonen für die lebensbedrohliche Erbkrankheit in
der bayerischen Bevölkerung frühzeitig identifiziert werden. In Bayern
sind so schon 15.000 Kinder gescreent und mehr als 120 betroffene Familien
entdeckt worden. „Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland nach wie
vor Todesursache Nummer eins. Und wir sind bei der Lebenserwartung
insgesamt im westeuropäischen Vergleich eher Schlusslicht“, betont
Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der
Deutschen Herzstiftung. „Frühzeitiger als bisher jene Menschen zu
erfassen, die ein erhöhtes Risiko für eine Herzerkrankung und einen
Herztod haben, könnte uns einen guten Schritt weiterbringen, das zu
ändern.“

Ziel: Aufnahme des FH-Screenings in die Regelversorgung
Dazu startet jetzt – aufbauend auf den Erkenntnissen aus Bayern – die
große Studie: „Vroni im Norden“. Daten aus Niedersachsen und Bayern werden
hierbei zusammengeführt. Ziel ist es, so die bisherige Datenlage zu
erweitern und neue wissenschaftlich relevante Fragen zu beantworten. Dies
soll letztlich auch den Grundstein dafür legen, dass ein FH-Screening
künftig in die Regelversorgung in Deutschland aufgenommen wird. Die
Deutsche Herzstiftung finanziert dieses großanlegte Projekt mit 500.000
Euro zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im
Rahmen der Nationalen Herz-Allianz und der Schwiete Stiftung. DGK und
Schwiete Stiftung beteiligen sich zu gleichen Teilen an der Förderung der
Studie. „Wir unterstützen gerne patientennahe Forschungsprojekte, die die
herzmedizinische Diagnostik und Versorgung verbessern helfen“, erläutert
Voigtländer. „Das Projekt `Vroni im Norden´ ist ein gutes Beispiel dafür,
wie in einem strukturierten und standardisierten Verfahren vielen Kindern
und ihren Familien langfristig geholfen werden kann mit einer genetischen
Veranlagung umzugehen, die ein hohes Risiko fürs Herz birgt.“ Prof. Dr.
Holger Thiele, Präsident der DGK ergänzt: „Ein solches systematisches
Screening könnte tatsächlich so etwas wie ein Meilenstein zu Reduktion der
Arteriosklerose werden.“

Zwei Formen der familiären Hypercholesterinämie
Die Familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine angeborene Störung des
Lipidstoffwechsels, die durch eine ausgeprägte Erhöhung des LDL-
Cholesterins (LDL-C) im Plasma charakterisiert ist. Mit einer geschätzten
Prävalenz von 1:250 ist die FH die häufigste monogen vererbte Erkrankung.
Sie wird autosomal dominant vererbt. Das bedeutet, dass statistisch
mindestens die Hälfte der Kinder eines Genträgers ebenfalls erkranken. Bei
der heterozygoten Form überträgt nur ein Elternteil das für die Krankheit
ursächliche Gen auf das Kind. Bei der – viel selteneren und schwerer
verlaufenden – homozygoten Form stammt das FH-Gen von Mutter und Vater.

Nur weniger als fünf Prozent der Betroffenen mit FH adäquat behandelt
Das Fatale an der FH: Schon von Kindheit an erhöht sich dadurch das Risiko
von Gefäßablagerungen und -schäden – meist tritt dies in Form einer frühen
koronaren Herzerkrankung (KHK) zutage. Häufig kommt es schon vor dem 60.
Lebensjahr zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Bei einer homozygoten
FH sterben Betroffenen oft sogar bevor sie das 20. Lebensjahr erreichen.
Das Gute: Eine FH kann durch molekulargenetische und klinische
Untersuchungen zuverlässig diagnostiziert werden. Bei frühzeitiger
Diagnose kann so frühzeitig mit einer Therapie begonnen werden kann. Bei
Kindern mit einer heterozygoten FH lässt sich dann das Risiko auf das
Niveau der Allgemeinbevölkerung senken. Dennoch werden Schätzungen zufolge
aktuell weniger als fünf Prozent der Betroffenen in Deutschland adäquat
behandelt.

Der Vorläufer: Vroni und Fri1dolin
Die Vroni-Studie erprobt Logistik und den Erfolg der frühzeitigen
Diagnostik einer familiären Hypercholesterinämie (FH) inklusive
genetischer Testung bei Kindern in Bayern im Alter von 5 bis 14 Jahren.
Sie startete Anfang 2021 unter Leitung einer Arbeitsgruppe am Deutschen
Herzzentrum München (DHM) und läuft noch bis 11/2024. Die Untersuchung in
Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Bayern
umfasst eine Blutentnahme (200 Mikroliter Kapillarblut) aus dem Finger der
Probanden im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen U9 bis J1 oder bei jedem
anderen Kinderarztbesuch. Im DHM wird anschließend das LDL-Cholesterin
bestimmt. Bei erhöhten LDL-Werten folgt eine genetische Untersuchung.
Im Rahmen der Fr1dolin-Studie wurde in Niedersachsen ebenfalls ein
pädiatrisches FH-Screening (plus Screening auf Typ-1-Diabetes) bereits
erfolgreich erprobt. Hierbei wurden –koordiniert durch das Diabeteszentrum
im Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der BULT in Hannover in
Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sowie dem
Helmholtz-Zentrum München – Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren
untersucht. Im Blutserum wurden dabei das LDL-Cholesterin und
Diabetesantikörper bestimmt mit dem Ziel, frühzeitig intervenieren und
schulen zu können. Start war im Oktober 2016. Die Studie ist inzwischen
abgeschlossen.

Neu: Vroni im Norden
Im Norden Deutschlands mit Studienzentrum in Hannover und unter Nutzung
der etablierten Infrastrukturen der Vroni- und Fr1dolin-Studien soll nun
ein neues FH-Screening-Projekt inklusive genetischer Testung etabliert
werden. Zugleich soll damit in Bayern die Vroni-Studie über 11/2024 für
weitere drei Jahre fortgeführt werden. Im wissenschaftlichen Teil der
Studie wird bei einer der Voruntersuchungen U9 bis J1 oder jedem anderen
Kinderarztbesuch Kindern im Alter von 5-14 Jahren ein Screening auf
Familiäre Hypercholesterinämie angeboten. Im ersten Schritt erfolgt über
eine Kapillarblutabnahme die Bestimmung des LDL-Cholesterins in München.
Bei einem Wert ≥130 mg/dl erfolgt direkt eine genetische Analyse. Außerdem
wird bei allen Kindern mit einem LDL-C von ≥130 mg/dl das Lipoprotein (a)
in einer Zweitprobe bestimmt, da neben einer FH-typischen Mutation weitere
genetische Faktoren das Risiko für eine koronare Herzerkrankung vermutlich
erhöhen. Kindern, bei denen pathogene Varianten festgestellt wurden,
werden anschließend durch Kinderkardiologen bzw. Kinderlipidologen
weiterbetreut. Der wissenschaftliche Leiter der Studie, Professor Heribert
Schunkert, Direktor der Klinik für Erwachsenenkardiologie am Deutschen
Herzzentrum München, hofft, mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse nicht
nur die medizinische Expertise zur Diagnostik und Therapie der FH zu
verbessern. „Es ist uns ein großes Anliegen, generell die Aufmerksamkeit
für die Familiäre Hypercholesterinämie durch PR- und Aufklärungskampagnen
zu steigern. Die Untersuchung sollte in absehbarer Zeit Routine in ganz
Deutschland werden,“ bekräftigt der Kardiologe.
In einem zweiten Schritt, der die Versorgungsmedizin im Fokus hat, geht es
darum, Patienten mit Hypercholesterinämie und monogener FH zahlenmäßig
(epidemiologisch) genauer zu erfassen. Ausgehend vom sogenannten
Indexpatienten – dem Kind – soll dazu ein familiäres Kaskadenscreening
eingeleitet werden. So können weitere Angehörige mit FH identifiziert
werden, da eine Weitervererbung mit einer Häufigkeit von 50 Prozent zu
erwarten ist.
Zu den Zielen gehört neben einer Verstetigung des FH-Screenings als
Regelversorgung (z.B. bei der U9-Untersuchung) das Erfassen wichtiger
Registerdaten, die Diagnostik und Therapiesituation verbessern können.
Außerdem soll auf lange Sicht ein FH-Netzwerk von Kinderkardiologen,
Kardiologen und Schulungszentren aufgebaut werden zur leitliniengerechten
Therapie der FHe bei betroffenen Kindern und deren Familien. „Von diesem
Cholesterin-Screening könnten nicht nur die betroffenen Kinder und ihre
Familien profitieren. Das Projekte könnte auch generell das Bewusstsein
für den Risikofaktor Cholesterin in der Bevölkerung verbessern“, hofft
DGK-Präsident Prof. Thiele.
„Mehr Aufmerksamkeit zu schaffen für Herzerkrankungen und für die
Möglichkeiten ihnen vorzubeugen, ist auch ein zentrales Anliegen der
Deutschen Herzstiftung“, begründet Voigtländer die Unterstützung der
Studie. „Dies ist eine Aufgabe, die wir zudem im Rahmen der Nationalen
Herz-Allianz gerne wahrnehmen zusammen mit allen kardiologischen
Fachgesellschaften. Denn eine starke Allianz für mehr Herzgesundheit
entfaltet auch über die Grenzen von Deutschland hinaus Signalwirkung – bei
Herzpatienten wie auch in der Politik, die wichtige Weichenstellen kann in
der Versorgung.“
Die Studien Vroni und Vroni 2 sind wichtige Vertreter einer europaweiten
Initiative zur Früherkennung der FH, die mit der „Prague Declaration“
unter der tschechischen
Präsidentschaft derzeit in der EU verfolgt wird.

Ratgeber zum Thema Hohes Cholesterin: Was tun?
Ausführliche Informationen zu den Ursachen und Folgen hoher
Cholesterinwerte sowie zu den neuen Therapieempfehlungen finden Sie im
Ratgeber „Hohes Cholesterin: Was tun?“, den Sie unter 069 955128-400 oder
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EXIST-Förderung für Bayreuther Innovation in der Biomedizin

v.l.n.r.: Prof. Dr. Dirk Schüler (wissenschaftlicher Mentor des Projekts BioMagnetix), Dr. Marina Dziuba (EXIST-Stipendiatin), Prof. Dr. René Uebe (wissenschaftlicher Co-Mentor), Dr. Frank Mickoleit (EXIST-Stipendiat), Dr. Andreas Kokott (Institut fü  UBT
v.l.n.r.: Prof. Dr. Dirk Schüler (wissenschaftlicher Mentor des Projekts BioMagnetix), Dr. Marina Dziuba (EXIST-Stipendiatin), Prof. Dr. René Uebe (wissenschaftlicher Co-Mentor), Dr. Frank Mickoleit (EXIST-Stipendiat), Dr. Andreas Kokott (Institut fü UBT

BioMagnetix will die Nutzung von Magnet-Nanopartikeln in der Biomedizin
revolutionieren. Dafür gibt es jetzt eine EXIST-Gründerförderung des
Bundeswirtschaftsministeriums. Mit gut 150.000 Euro kann die Idee aus dem
Labor der Universität Bayreuth erste Schritte in den Markt machen.

BioMagnetix nutzt bakterielle Magnet-Nanopartikel als innovative
Materialien für die Biomedizin. Das Gründerteam will qualitativ
hochwertige und hochfunktionale magnetische Nanopartikel für
Bildgebungsverfahren und Therapiezwecke, wie sie beispielsweise in der
Krebsforschung zum Einsatz kommen, entwickeln und stetig verbessern. Ab 1.
September 2023 erhält das Team, das aus dem Lehrstuhl für Mikrobiologie
der Universität Bayreuth hervorgegangen ist, zwölf Monate lang ein EXIST-
Stipendium über insgesamt gut 150.000 Euro. Mit dieser Förderung wollen
die Forscher*innen nun die ersten Schritte in Richtung einer
Kommerzialisierung gehen.

Die Grundlagen von BioMagnetix bauen wissenschaftlich auf den
Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Dirk Schüler, dem Inhaber des Lehrstuhls
für Mikrobiologie an der Universität Bayreuth, auf. So etablierte Schüler
das magnetotaktische Bakterium Magnetospirillum gryphiswaldense als
Modellorganismus und Produktionsstamm für bakterielle magnetische
Nanopartikel (sog. Magnetosomen). Insbesondere die in den letzten Jahren
erzielten wissenschaftlichen Durchbrüche bilden die Voraussetzungen für
das Gründungsvorhaben: So haben sich die beiden Lehrstuhlmitarbeiter*innen
Dr. Frank Mickoleit und Dr. Marina Dziuba zum Ziel gesetzt, bakteriell
hergestellte Magnetosomen für Anwendungen in der (Bio-)Medizin zu nutzen.
Das enorme Potential dieser Magnetosomen kann dabei die bisherige
Anwendung von Magnet-Nanopartikeln im biomedizinischen Kontext
revolutionieren.

Die von BioMagnetix entwickelten Magnet-Nanopartikel werden auf natürliche
Weise von Bakterien gebildet. Hierdurch wird eine nachhaltige und
umweltfreundliche Produktion ermöglicht – im Vergleich zu chemisch
synthetisierten Nanopartikeln, deren Herstellung oft vom Einsatz teilweise
toxischer Substanzen und von extremen Reaktionsbedingungen begleitet wird.
Magnetosomen sind darüber hinaus von einer biologischen Membran ummantelt,
wodurch ein „Verklumpen“ verhindert und somit die Stabilität der
Nanopartikel gewährleistet wird – eine der Grundvoraussetzungen für
(bio)medizinische Anwendungen. Die genetische Manipulierbarkeit des
Bakteriums erlaubt zudem die Herstellung qualitativ hochwertiger, auf die
jeweilige Anwendung zugeschnittener Magnet-Nanopartikel. Dies umfasst
einerseits die Feinjustierung der magnetischen Eigenschaften, andererseits
die Ausstattung mit zusätzlichen Aktivitäten (z.B. Biokatalysatoren, oder
Kopplungsgruppen zum Aufspüren von Tumorzellen).

Die bisherigen Errungenschaften von BioMagnetix sind beachtlich: Nach der
Verfeinerung des genetischen Tunings der Nanopartikel sowie der
Optimierung der Kultivierungsbedingungen der Bakterien für eine
verbesserte Magnetosomen-Synthese gehen die Forscher bereits die ersten
Schritte zur Massenproduktion. Mögliche Anwendungsfelder für die Medizin
finden sich dabei in der Diagnostik und Therapie. So können Magnetosomen
einerseits als hocheffiziente Kontrastmittel eingesetzt werden. Mittels
magnetischer Hyperthermie (Erzeugung von Wärme in Gegenwart eines
magnetischen Feldes) ist eine gezielte Bekämpfung von Krebszellen möglich.
Darüber hinaus eignen sich die Partikel für den Transport von Wirkstoffen,
welche magnetisch gesteuert am Bestimmungsort freigesetzt werden können.
Das vom Forscherteam etablierte „Toolkit“ zur Erzeugung maßgeschneiderter
Magnetosomen ermöglicht außerdem einen vielfältigen Einsatz für
Forschungszwecke, z.B. in der Molekularbiologie.

Gemeinsam mit den Kollegen Sven Binder und Dr. Mauricio Toro-Nahuelpan,
die ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen beisteuern,
sowie den wissenschaftlichen Mentoren Prof. Dr. Dirk Schüler und Prof. Dr.
René Uebe entschieden sich Mickoleit und Dziuba, zukünftig bakterielle
Magnet-Nanopartikel zu kommerzialisieren, da sie in ihrer
anwendungsorientierten Forschung enormes Potential sehen. „Man sieht, wie
sich das Projekt über die Jahre immer weiter erfolgreich entwickelt, so
dass wir nun auch den nächsten größeren Schritt zur Lösung real
existierender Probleme im medizinischen Bereich gehen möchten“, erklärt
Dr. Frank Mickoleit, der seit 2014 am Lehrstuhl für Mikrobiologie der
Universität Bayreuth forscht.

Unterstützt wird das BioMagnetix-Team auf dem Weg aus dem Labor heraus in
Richtung Unternehmensgründung vom Institut für Entrepreneurship &
Innovation an der Universität Bayreuth. Nach ersten Gesprächen im Sommer
fiel Ende 2022 die Entscheidung, ein Start-Up zu gründen und eine EXIST-
Förderung anzustreben. Dieses Förderprogramm ist eine Initiative des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und soll zu
Existenzgründungen aus der Wissenschaft ermutigen. Weil sich die
Universität Bayreuth auch als „GründerUni“ versteht und Start-Up Ideen
aktiv unterstützt, konnte schnell der Kontakt zum Institut für
Entrepreneurship & Innovation hergestellt werden. Gründungsberater Dr.
Andreas Kokott und Prof. Dr. Rodrigo Isidor, Co-Leiter des Instituts,
stehen BioMagnetix seither mit ihrer Expertise beratend zur Seite.

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Autonome Outdoor-Navigation für Maschinen rund um Ackerbau, Viehzucht und Forst

Der kleine mobile Roboter CURTmini erkennt autonom Untergründe, schätzt diese nach ihrer Befahrbarkeit ein und plant den Pfad entsprechend.  Fraunhofer IPA
Der kleine mobile Roboter CURTmini erkennt autonom Untergründe, schätzt diese nach ihrer Befahrbarkeit ein und plant den Pfad entsprechend. Fraunhofer IPA

Autonome und robuste Navigation ist für Landwirtschaftsroboter oder
Maschinen, die autonomer werden sollen, eine essenzielle Fähigkeit, um
sicher und zuverlässig mobil zu sein. Was technologisch, aber auch
ökonomisch jetzt schon eingesetzt werden kann, zeigt das Fraunhofer IPA
mit seinen Demonstratoren vom 12. bis 18. November 2023 auf der
Landwirtschaftsmesse »agritechnica« in Hannover.

Die aktuellen Anforderungen an die Landwirtschaft sind geradezu konträr:
Einerseits soll sie immer ertragreicher werden bei möglichst geringen
Kosten. Andererseits werden Nachhaltigkeit und Biodiversität immer
wichtiger. Hinzu kommen regulatorische Vorhaben wie beispielsweise das
vieldiskutierte potenzielle Verbot des Herbizids Glyphosat.
Diesen Anforderungen begegnen zu können, ist herausfordernd. Abhilfe
können autonome Systeme oder Roboter schaffen. So werden bereits Drohnen
eingesetzt, um Informationen über Pflanzenstress wie Dürren oder
Nährstoffmangel zu ermitteln, landwirtschaftliche Flächen präzise zu
vermessen oder Bonituren durchzuführen. Auch bodengebundene Systeme fahren
in sehr kleiner Stückzahl bereits über Felder und unterstützen bei der
(häufig noch konventionellen) Beikrautregulierung. Ernteroboter werden im
Forschungskontext erprobt.

Allen autonomen Systemen ist gemein, dass sie sich selbstständig in ihrer
Umgebung fortbewegen müssen und das unabhängig von der spezifischen
Aufgabe, die sie am Ende ausführen. Um eine solche autonome Fortbewegung
zu ermöglichen und damit Roboter zu ihrer eigentlichen Aufgabe zu
befähigen, entwickelt das Fraunhofer IPA eine Outdoor-Navigation. Sie
erkennt vollautonom ihre Umgebung wie Pflanzreihen oder unterschiedliche
Untergründe und passt die Pfadplanung daran an. Gäste auf der Fachmesse
agritechnica können diese Navigation anhand von zwei live autonom
fahrenden Landwirtschaftsrobotern vom 12. bis 18. November 2023 in
Hannover in Halle 11, Stand C62 erleben.

Indoor-Navigation verlässt die Hallen

In Innenbereichen gelingt es bereits gut, dass mobile Roboter mithilfe von
Sensordaten ihre Umgebung erfassen und ihre Pfadplanung dynamisch daran
anpassen. Diese Technologie kann nun sukzessive in die hochkomplexe und
dynamische Außenwelt überführt werden. Dazu gehören der Ackerbau, aber
auch weitere Anwendungen, die aus technologischer Sicht dazwischenliegen.
Ein Beispiel ist die Intralogistik in Außenbereichen: Hier ist das Umfeld
sehr ähnlich zu Innenbereichen strukturiert. Ställe hingegen sind
komplexer als übliche Innenbereiche und sind für die autonome Navigation
ähnliche anspruchsvoll wie Außenbereiche. Gleiches gilt für Prozesse, die
der Ernte nachgelagert sind.

Die Weiterentwicklung hin zur Outdoor-Navigation ist nicht so einfach: Im
Gegensatz zu Innenräumen weisen viele Außenbereiche meist keine
stationären Strukturen wie Wände oder Regale auf, an denen sich mobile
Roboter dauerhaft auch über Wochen orientieren können. Ganz im Gegenteil:
Mögliche Hindernisse sind in Außenbereichen unterschiedlich beschaffen und
müssen interpretiert werden. Hohes Gras ist flexibel und überfahrbar, ein
Rehkitz darf unter keinen Umständen übersehen werden, egal wie eng es sich
an den Untergrund schmiegt. Die Untergründe selbst können ebenfalls sehr
unterschiedlich sein und verschiedene Befahrbarkeiten aufweisen. Und je
nach Wetterlage sind die Sichtverhältnisse eingeschränkt, was weniger oder
zumindest weniger gute Sensordaten zur Folge haben kann.

IPA-Roboter demonstrieren autonome Pfadplanung

Die am Fraunhofer IPA unter der Leitung von Kevin Bregler entwickelte
autonome Outdoor-Navigation kommt mit all diesen Herausforderungen zurecht
und ermöglicht, Landwirtschaftsroboter beispielsweise zur mechanischen
Beikrautregulierung zu nutzen. Neben der Software-Entwicklung baut die
Forschungsgruppe auch prototypische Landwirtschaftsroboter mit dem Namen
»CURT«. Zwei dieser Roboter machen die Navigation auf dem Messestand
erlebbar.

CURTdiff wird autonom Pflanzreihen zwischen künstlich aufgeschütteten
Dämmen, wie im Kartoffel- oder Spargelanbau üblich, erkennen und diese
vollautonom abfahren. CURTmini, der kleinste Vertreter der Roboter, wird
auf einer Fläche mit unterschiedlich gut befahrbaren Bodenmodulen z. B.
aus Gras, Holz oder Schotter fahren und je nach erkannter Befahrbarkeit
seinen Pfad entsprechend planen und Hindernissen selbstständig und
situationsadaptiv ausweichen. Dieser Parcours ist dank austauschbarer
Bodenmodule interaktiv, sodass die Gäste sich durch das Wechseln der
Bodenmodule von der ad-hoc-Pfadplanung überzeugen können. Darüber hinaus
können die Gäste auch selbst Hindernisse auf die Strecke der Roboter
werfen und sehen, wie der Roboter den Pfad dynamisch umplant. Videos am
Messestand veranschaulichen mögliche Anwendungskontexte wie Wein- oder
Apfelanbau.

Das Entwicklerteam des Fraunhofer IPA adressiert mit seinen Exponaten
insbesondere Hersteller und Anwender von Landmaschinen. Aber die
Navigationssoftware ist auch für eine Vielzahl weiterer autonomer
Maschinen im Innen- und Außenbereich interessant. CURTmini ist zudem als
Forschungsplattform käuflich erwerbbar.

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Statuskonferenz Bioenergie präsentiert vielfältige Forschungsbeiträge zur Energiewende

Podiumsdiskussion im Rahmen der Statuskonferenz Bioenergie 2023  Rico Ehrentraut  © DBFZ, 2023
Podiumsdiskussion im Rahmen der Statuskonferenz Bioenergie 2023 Rico Ehrentraut © DBFZ, 2023

Auf der jüngsten Statuskonferenz Bioenergie in Leipzig kamen mehr als 150
Wissenschaftler:innen aus dem Forschungsnetzwerk Bioenergie mit
Vertreter:innen aus Wirtschaft und Politik zusammen, um das spannende
Potenzial biogener Rest- und Abfallstoffe für die Energiewende zu
diskutieren. In über vierzig Vorträgen, fünf Workshops sowie einer
Postersession präsentierten Forscher:innen und Unternehmen
Forschungserfolge und aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen. Fazit
der dreitägigen Konferenz: Die Bioenergie ist ein wertvolles Puzzlestück
in einem flexiblen und resilienten Energiesystem der Zukunft und leistet
zugleich einen substantiellen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.

Energie aus biogenen Ressourcen ist ein wesentlicher Baustein für die
Energiewende. Als Ergänzung zur wetterabhängigen Solar- oder Windenergie
birgt sie besonderes durch ihre Speicherbarkeit und Flexibilität großes
Potenzial. So können u. a. Hochtemperatur-Wärmebedarfe industrieller
Prozesse gedeckt werden. Bioenergie kann aus den erstaunlichsten Quellen
wie Klärschlamm, Grünschnitt oder Abfällen aus der Lebensmittelproduktion
gewonnen werden. Durch innovative Technologien ist es zudem möglich, neben
der energetischen Nutzung auch Produkte wie Biokohle, CO2 und Nährstoffe
für eine nachhaltige Bioökonomie zu gewinnen.

Der Förderbereich „Energetische Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe“
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bündelt diese
Forschungsansätze, die bei der dreitägigen Statuskonferenz Bioenergie 2023
präsentiert wurden. Das Themenspektrum der Statuskonferenz reichte dabei
von „Effizienter Klärschlammverwertung“ über „Biobasierten Wasserstoff“
bis zu „Emissionsminderung von Biomassefeuerungen“. In seiner Keynote
bezeichnete der Referent für Energieforschungsförderung des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Timo Haase, die
energetische Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe als wertvolles
Puzzlestück für ein resilientes Energiesystem und dankte den Mitgliedern
im Forschungsnetzwerk Bioenergie für ihren wichtigen Input. Die Ergebnisse
flössen auch in das neue Energieforschungsprogramm des BMWK ein, an dem
momentan gearbeitet werde. Zukünftig werde unter anderem die Deckung von
Hochtemperatur-Wärmebedarfen industrieller Prozesse eine wichtige
Entwicklungsaufgabe sein. Daher werde die Förderung von Forschungs- und
Entwicklungsprojekten im Bereich der Bioenergie auf gewohntem Niveau
weitergeführt, so Haase.

In ihrem Resümee zog die Leipziger Wissenschaftlerin Prof. Dr. Daniela
Thrän (UFZ/DBFZ/Uni Leipzig) ein positives Fazit der Veranstaltung sowie
der bisherigen Arbeit im Förderbereich: „Unser Ziel war es, mit der
diesjährigen 11. Statuskonferenz Forschungsergebnisse zu evaluieren,
unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen, Ideen zu entwickeln und
gemeinsam die Zukunft der Bioenergie in der Energiewende zu gestalten. Die
Basis dafür bieten Technologien und Konzepte für biogene Rest- und
Abfallstoffe, die in den letzten Jahrzehnten im Förderbereich des BMWK
entstanden sind und im Forschungsnetzwerk Bioenergie nicht nur intensiv
diskutiert, sondern auch konkret bei der schnellen Markteinführung
unterstützt werden. Mit Veranstaltungen wie der Statuskonferenz haben wir
hierfür eine hervorragende Plattform geschaffen und aus meiner Sicht sehr
gute Ergebnisse erzielt.“ Die nächste Statuskonferenz Bioenergie wird
voraussichtlich im Herbst 2025 stattfinden.

Der Konferenzreader der Statuskonferenz Bioenergie steht als kostenfreier
Download zur Verfügung:

www.energetische-biomassenutzung.de/veranstaltungen/statuskonferenzen
/statuskonferenz-bioenergie-2023/downloads


Förderprogramm „Energetische Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe“

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert seit
2008 die Weiterentwicklung der energetischen Biomassenutzung. Im Fokus des
Förderprogramms stehen zukunftsweisende, effiziente und kostengünstige
Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung und im Verkehrsbereich.
Initiiert wurde die Förderung der Energetischen Biomassenutzung im Jahr
2008 vom Bundesumweltministerium mit dem Programm „Förderung von Forschung
und Entwicklung zur klimaeffizienten Optimierung der energetischen
Biomassenutzung“. 2014 wechselte das Programm in den Verantwortungsbereich
des BMWK. Seit 2016 ist das Programm als Forschungsnetzwerk BIOENERGIE
Teil der Forschungsnetzwerke Energie des BMWK.

Smart Bioenergy – Innovationen für eine nachhaltige Zukunft

Das Deutsche Biomasseforschungszentrum arbeitet als zentraler und
unabhängiger Vordenker im Bereich der energetischen und stofflichen
Biomassenutzung an der Frage, wie die begrenzt verfügbaren
Biomasseressourcen nachhaltig und mit höchster Effizienz und Effektivität
zum bestehenden und zukünftigen Energiesystem beitragen können. Im Rahmen
der Forschungstätigkeit identifiziert, entwickelt, begleitet, evaluiert
und demonstriert das DBFZ die vielversprechendsten Anwendungsfelder für
Bioenergie und die besonders positiv herausragenden Beispiele gemeinsam
mit Partnern aus Forschung, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Mit der Arbeit
des DBFZ soll das Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen einer
energetischen und integrierten stofflichen Nutzung nachwachsender
Rohstoffe in einer biobasierten Wirtschaft insgesamt erweitert und die
herausragende Stellung des Industriestandortes Deutschland in diesem
Sektor dauerhaft abgesichert werden – www.dbfz.de.

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