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Altersgrenzen in Wissenschaft und Gesellschaft: Präziser und situationsgerechter Umgang gefordert

Professorin Claudia Vogel von der Hochschule Neubrandenburg und Professor Harald Künemund von der Universität Vechta  Foto: Torben Brinkema
Professorin Claudia Vogel von der Hochschule Neubrandenburg und Professor Harald Künemund von der Universität Vechta Foto: Torben Brinkema

Das Alter eines Menschen wird typischerweise anhand des Kalenders
berechnet und dient vor allem zur Orientierung. Mit fortschreitender
Lebenszeit eignet sich die Bestimmung des Alters nach Jahren allerdings
immer weniger, weil soziale, psychische und auch biologische Prozesse mit
unterschiedlichen und wechselnden Geschwindigkeiten ablaufen.
Altersgrenzen und Alterskategorisierungen in Wissenschaft und Gesellschaft
können daher auch als Stereotypisierung und Diskriminierung verstanden
werden – und sind seit Langem in der Diskussion.

Wie mit dieser Kontroverse präziser und situationsgerechter umgegangen
werden könnte, damit setzen sich die beiden Soziologen Professorin Claudia
Vogel von der Hochschule Neubrandenburg und Professor Harald Künemund von
der Universität Vechta intensiv auseinander. Ihre Überlegungen haben die
beiden in einer gemeinsamen Keynote beim Gerontologie- und Geriatrie-
Kongress in Kassel präsentiert.

Viele Altersgrenzen sind als Mindestalters- oder Höchstaltersgrenzen
gesetzlich geregelt, zum Beispiel der Beginn der Schulpflicht oder der
Beginn des Altersrentenbezugs. Darüber hinaus gibt es zahlreiche formell
geregelte Altersgrenzen und solche, die nicht formell geregelt sind, aber
konventionell Anwendung finden: „In der Gerontologie ist das
beispielsweise der Beginn der Hochaltrigkeit beziehungsweise des
sogenannten vierten Lebensalters. Das wird oft willkürlich bei 80 oder 85
Jahren angesetzt“, veranschaulicht Claudia Vogel.

Einerseits werden Altersgrenzen als eine Form der Diskriminierung
diskutiert, weil sie individuelle Handlungsspielräume einschränken und
subjektiv empfundene Ungleichbehandlung bedeuten können. Andererseits
ermöglichen sie Orientierung und Koordination. Wenn Veränderungen der
Altersgrenzen gefordert werden, wie zum Beispiel die Regelaltersgrenze in
der Rentenversicherung, geschieht dies häufig aus wirtschaftlichen
Erwägungen. „Altersgrenzen werden kontinuierlich neu verhandelt und
angepasst. Oft wird aber übersehen, dass sie verschiedene Funktionen haben
wie Orientierung, Legitimation oder den Schutz von Personengruppen“,
ergänzt Vogel.

Es kommt auf die Perspektive des Lebensverlaufs an

Die beiden Wissenschaftler argumentieren, dass Altersgrenzen aus der
Perspektive des Lebensverlaufs betrachtet werden sollten. „Wenn etwa die
Schulpflicht bei sechs Jahren oder die Wahlberechtigung bei 18 Jahren
festgelegt sind, ist Gleichbehandlung gewährleistet, eine Benachteiligung
einzelner Personen wird verhindert“, sagt Harald Künemund. Zudem wurde in
der Keynote dafür plädiert, beispielsweise Forschungsergebnisse nicht mehr
ohne konkrete Begründung nach Alter oder Altersgruppen – wie zum Beispiel
70 bis 75 Jahre – zu kategorisieren. „Stattdessen sollten die konkret
interessierenden Phänomene wie beispielhaft Verwitwung, kognitiver
Leistungsabbau oder Sarkopenie thematisiert werden, ohne bei deren
Beobachtung und Deutung auf das kalendarische Alter zu rekurrieren“,
fordert Künemund.

Über Professorin Claudia Vogel und Professor Harald Künemund

Claudia Vogel ist seit 2021 Professorin für Soziologie und Methoden der
quantitativen Sozialforschung an der Hochschule Neubrandenburg. Von 2017
bis 2021 leitete sie den Deutschen Alterssurvey am Deutschen Zentrum für
Altersfragen in Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen unter
anderem Altersarmut, Engagement sowie Surveyforschung und soziale
Indikatoren. Sie ist Mitglied verschiedener Expertenkommissionen wie
bespielweise in der Sachverständigenkommission zum „Vierten
Engagementbericht“ der Bundesregierung mit dem Schwerpunkt Zugangschancen
zum freiwilligen Engagement (2023 bis 2025). Außerdem ist Claudia Vogel
Vorstand der Sektion Alter(n) und Gesellschaft der Deutschen Gesellschaft
für Soziologie (DGS) und Mitglied zahlreicher Fachgesellschaften.

Harald Künemund ist seit 2006 Professor für Empirische Alternsforschung
und Forschungsmethoden am Institut für Gerontologie an der Universität
Vechta. Zuvor war er an der Freien Universität Berlin und hat dort unter
anderem den Alterssurvey durchgeführt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten
zählen die gesellschaftliche Partizipation älterer Menschen,
Generationenbeziehungen, Lebenslauf und Biografie sowie Methoden der
empirischen Sozialforschung. Er ist Wissenschaftlicher Beirat
verschiedener Institutionen, unter anderem in der Landesvereinigung für
Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen. Außerdem ist
Harald Künemund als Wissenschaftlicher Beirat oder auch im Editorial Board
zahlreicher Fachzeitschriften tätig.

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Forschung zu veränderten Bedarfen in der zahnmedizinischen Versorgung

v. l. n. r.: Yola Meisel, Prof. Dr. Henrik Dommisch (Präsident der DG PARO), Prof. Dr. Bernadette Pretzl (Generalsekretärin DG PARO)  Foto: DG PARO / Diego Fontecha
v. l. n. r.: Yola Meisel, Prof. Dr. Henrik Dommisch (Präsident der DG PARO), Prof. Dr. Bernadette Pretzl (Generalsekretärin DG PARO) Foto: DG PARO / Diego Fontecha

Zahnärztinnen räumen bei Preisverleihungen ab
Zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen der Unimedizin Greifswald wurden bei
der 100. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie in
Bonn ausgezeichnet.

Die beiden Doktorandinnen Yola Meisel von der Poliklinik für
Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontologie und Wiebke Könning von
der Inneren Medizin D – Geriatrie konnten mit ihren Studienergebnissen
überzeugen. Ihre Forschungsgebiete beziehen sich auf die Behandlung
entzündeter Zahnimplantate und die Kaufähigkeit gebrechlicher Patienten –
Themen, die insbesondere für die zunehmende Zahl älterer Patienten eine
wesentliche Rolle spielen werden.

„In der Geriatrie stehen wir häufig vor dem Problem einer inadäquaten
Mundgesundheitsversorgung unserer oft gebrechlichen Patienten“, betont
Prof. Maximilian König von der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin D
– Geriatrie. So sei es etwa wichtig, die Kaufähigkeit älterer Patienten zu
erhalten, um einer Unterernährung entgegenzuwirken. Eine interdisziplinäre
Zusammenarbeit von Geriatrie und Zahnmedizin sei daher unabdingbar. Vor
diesem Hintergrund wurde jetzt die Mundgesundheit von 150 Patienten des
Altersmedizinischen Zentrums des Kreiskrankenhauses Wolgast von einer
interdisziplinär zusammengesetzten Forschungsgruppe genauer unter die Lupe
genommen. Mit dabei waren u.a. Prof. Maximilian König aus der
Geriatrie/Versorgungsforschung, PD Dr. Birte Holtfreter aus der Poliklinik
für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, Präventive Zahnmedizin
und Kinderzahnheilkunde und Doktorandin Wiebke Könning.

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass eine abnehmende Zahnzahl sowie
zunehmende Gebrechlichkeit oftmals mit einer schlechteren Kaueffizienz und
schlechteren Lebensqualität einhergehen. Die Eigenverantwortlichkeit und
Mundhygienefähigkeit der älteren Patienten verschlechterten sich mit
zunehmender Gebrechlichkeit. Ebenso war eine große Diskrepanz zwischen
subjektivem und objektivem Behandlungsbedarf erkennbar. „Wir konnten
feststellen, dass bei der derzeitigen Versorgung noch viel Luft nach oben
ist und die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Geriatern und
Zahnmedizinern weiter ausgebaut werden muss“, so König.
Die Ergebnisse präsentierte die Doktorandin und Zahnärztin Wiebke Könning
auf dem Gerontologie- und Geriatrie-Kongress in Kassel und erhielt dafür
den Posterpreis. Kurz darauf konnte sie bei der 100. Tagung der Deutschen
Gesellschaft für Parodontologie in Bonn die mit 5.000 € dotierte DG PARO
Forschungsförderung 2024 entgegennehmen.

Eine weitere Kollegin von der Greifswalder Poliklinik für Zahnerhaltung,
Parodontologie und Endodontologie konnte sich auf der Jubiläumstagung in
Bonn ebenso freuen: die Doktorandin und Zahnärztin Yola Meisel, die den
mit 350 € dotierten Posterpreis entgegennahm. Unter den über fünfzig
Posterbeiträgen belegte sie mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit den
dritten Platz. Die Nachwuchswissenschaftlerin beschäftigt sich mit der
Entzündung von Zahnimplantaten. „Die Therapie der sogenannten
Periimplantitis ist heute eine der größten Herausforderungen im Bereich
der Zahnheilkunde“, erklärt Oberarzt und Projektleiter Dr. Lukasz
Jablonowski. Die Forschenden testeten zwei neu entwickelte
Medizinprodukte. „Die von Yola Meisel nun präsentierten Ergebnisse
verdeutlichen, dass der innovative Ansatz einer mechanischen Reinigung von
betroffenen Implantatoberflächen und die anschließende Funktionalisierung
mittels Plasma zu nachweislich besseren Reinigungsleistungen führt, als
bisherige Methoden“, so Jablonowski weiter.

„Der Vorstand gratuliert sehr herzlich zu diesem Erfolg“, so der Ärztliche
Vorstand Prof. Uwe Reuter. „Diese Auszeichnungen unterstreichen die Rolle
der Universitätsmedizin Greifswald als Forschungsstandort in der
Zahnheilkunde in Deutschland.“ Zudem zeigen die Forschungsergebnisse, wie
wichtig die interdisziplinäre Zusammenarbeit für eine optimale
Patientenversorgung sind.

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Weltweit erste agile Batteriezellfertigung eröffnet

Pilotlinie einer agilen, modular aufgebauten Batteriezellfertigung in der Karlsruher Forschungsfabrik.  Amadeus Bramsiepe  KIT
Pilotlinie einer agilen, modular aufgebauten Batteriezellfertigung in der Karlsruher Forschungsfabrik. Amadeus Bramsiepe KIT

Um Batteriezellen – etwa für die Elektromobilität oder Elektrowerkzeuge –
künftig flexibler herstellen zu können, haben Forschende des Karlsruher
Instituts für Technologie (KIT) eine agile Batteriezellfertigung
aufgebaut. Auf Basis einer hochflexiblen roboterbasierten Automatisierung
haben sie einen Flexibilitätsgrad erreicht, der bisher nur in der
manuellen Zellfertigung realisierbar war. Dies ermöglicht es Unternehmen,
sich schneller an neue Technologien und volatile Märkte anzupassen und
kann die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland als Industriestandort
stärken. Bund und Land förderten den Aufbau mit insgesamt knapp 19
Millionen Euro.

Batteriezellen gewinnen laut Bundesministerium für Wirtschaft und
Klimaschutz als vielseitige und effiziente Energiespeicher zunehmend an
Bedeutung. So sind sie etwa die treibende Kraft hinter der
fortschreitenden Elektrifizierung der Mobilität. Für produzierende
Unternehmen ist diese Schlüsseltechnologie von hoher strategischer und
wirtschaftlicher Relevanz. Derzeit wird die Nachfrage vor allem durch
kostengetriebene Massenproduktion in Asien und Nordamerika gedeckt, was
auch Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau hat. „Wir haben in
Deutschland nicht die Voraussetzungen, um in der rein kostengetriebenen
Massenfertigung von Zellen und dem dazugehörigen Maschinenbau
wettbewerbsfähig zu sein“, sagt Professor Jürgen Fleischer, Leiter des wbk
Institut für Produktionstechnik am KIT. „Die Eröffnung der weltweit ersten
agilen Batteriezellfertigung in der Karlsruher Forschungsfabrik zeigt, wie
wir uns mit einer hochflexiblen und ressourceneffizienten Produktion vom
Weltmarkt differenzieren und gezielt das margenstarke Premiumsegment und
Nischenmärkte adressieren können .“

Flexible und ressourceneffiziente Batteriezellfertigung

Für die Batteriezellfertigung entwickelten die Forschenden des KIT
gemeinsam mit der Firma Exyte spezielle Roboterzellen. „Diese stellen eine
Weltneuheit auf dem Gebiet dar. Sie dienen als lokale Trockenräume, auch
Microenvironments genannt, zum Schutz der feuchtigkeitsempfindlichen
Batteriematerialien“, so Fleischer. Im Vergleich zu konventionellen
Trockenräumen sei das zu entfeuchtende Raumvolumen deutlich kleiner. Daher
biete diese Technologie ein besonders hohes Energieeinsparpotenzial. Vier
solcher Microenvironments stellen mit ihren zugehörigen Prozessmodulen den
physischen Aufbau der agilen Batteriezellfertigung in der Karlsruher
Forschungsfabrik des wbk dar.

Darüber hinaus bauten die Projektbeteiligten einen „digitalen Zwilling“,
also ein virtuelles Abbild des Produktionssystems, auf. So können die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler softwarebasiert Skaleneffekte
durch die Vervielfachung einzelner Microenvironments untersuchen und
produktionstechnische Größen wie etwa die optimale Losgröße ermitteln.
Diese Simulation lässt sich auch für die Produktionsplanung der agilen
Batteriezellfertigung nutzen. Die reale Anlage ist an eine Datenbank
angebunden, um zukünftig alle Prozesse KI-basiert anpassen und verbessern
zu können.

Enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie

Die Batteriezellfertigung haben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler im Forschungsprojekt AgiloBat zusammen mit mittelständisch
geprägten Maschinen- und Anlagenbauern entwickelt. Diese sollen so in die
Lage versetzt werden, gemeinsam eine wettbewerbsfähige Anlagentechnik
entlang der gesamten Prozesskette anbieten zu können. Das vom KIT
eingebrachte Prozesswissen für eine flexiblere und modularere
Anlagentechnik ermöglicht es den beteiligten Unternehmen zudem künftig
nachhaltig Batteriezellen variantenflexibel, ressourceneffizient und
automatisiert zu fertigen sowie neue Materialsysteme durch industrienahe
Fertigung mit kleinen Materialmengen zu erproben. Die entwickelte
Infrastruktur ergänzt die seit 2011 am KIT aufgebaute
Forschungsinfrastruktur im Bereich der Batteriezellfertigung.

Weitere Informationen zu AgiloBat

Im Forschungsprojekt AgiloBat arbeiten Forschende aus sieben Instituten
des KIT mit Partnern am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-
Forschung Baden-Württemberg und dem Fraunhofer-Institut für Chemische
Technologie zusammen. Aus dem Maschinen- und Anlagenbau sind außerdem die
Coperion GmbH, SAUERESSIG Group, Schunk Group, Herrmann Ultraschalltechnik
GmbH & Co. KG, Siemens AG, DEHOF ingenieur+technik und die Exyte
Technology GmbH beteiligt.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit
14,5 Millionen Euro, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Baden-Württemberg mit 4,5 Millionen Euro. (kla)

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und
vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den
globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie,
Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in
Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften
zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein
forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle
Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die
Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und
Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der
deutschen Exzellenzuniversitäten.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter:
https://www.kit.edu/kit/presseinformationen.php

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Ammoniak: Energievektor für die dezentrale Versorgung mit Wasserstoff

AmmonVektor: grünes Ammoniak als dezentraler, sektorenübergreifender Energievektor für die deutsche Energiewende.  Shutterstock/Composing Fraunhofer UMSICHT
AmmonVektor: grünes Ammoniak als dezentraler, sektorenübergreifender Energievektor für die deutsche Energiewende. Shutterstock/Composing Fraunhofer UMSICHT

In der Wasserstoffwirtschaft spielt Ammoniak eine wichtige Rolle als
Transport- und Speichermedium. Vielversprechende Lösungen für dessen
Einsatz als Energievektor werden aktuell im Fraunhofer-Leitprojekt
AmmonVektor entwickelt. Doch wie groß sind die Potenziale? Und wo liegen
die Grenzen? Der Workshop »Ammoniak – DIE Lieferkette für die
Wasserstoffwirtschaft?!«, am 30. Oktober in Oberhausen, gibt einen
Überblick über die neuesten Technologien und Entwicklungen und liefert
Impulse für die Energiewende.

Der industrielle Bedarf an Strom und Prozesswärme in Deutschland ist
immens und wird ohne Importe nachhaltig erzeugter Energieträger nicht
gedeckt werden können. Ein solcher Energieträger der Zukunft ist
Wasserstoff. Auf dem Weg zu einer Wasserstoffwirtschaft gibt es jedoch
noch viele offene Fragen. Eine davon ist, wie die Versorgung mit grünem
Wasserstoff in der Fläche aussehen kann. Lösungen für die logistischen
Herausforderungen werden im Rahmen von AmmonVektor entwickelt. Das
Fraunhofer-Leitprojekt setzt auf Ammoniak als sogenannten Energievektor,
der sich in seiner flüssigen Form technisch einfach und ohne großen
Energieaufwand transportieren lässt. Ein weiterer Vorteil ist, dass
Ammoniak durch die Düngemittelproduktion bereits über eine weltweite
Transportinfrastruktur verfügt.

Forschende aus den acht Fraunhofer-Instituten ICT, IGB, IKTS, IML, IMM,
IMW, ITWM und UMSICHT betrachten über einen Zeitraum von drei Jahren die
gesamte Wertschöpfungskette: »Es entstehen Reaktoren und Katalysatoren für
eine flexible, energieeffiziente Ammoniak-Synthese. Zudem entwickeln wir
Technologien für die Spaltung von Ammoniak und dessen Nutzung zur
Erzeugung von Strom, Wärme und Bewegung«, erklärt Dr.-Ing. Andreas Menne
von Fraunhofer UMSICHT, das die Projektleitung innehat. Ebenfalls werden
Speicher- und Logistikkonzepte erstellt und Geschäftsmodelle entworfen.
Alles unter der Zielsetzung, in Zukunft Wasserstoff dezentral verfügbar zu
machen.

Die gesamte Wertschöpfungskette

AmmonVektor umfasst insgesamt fünf Teilprojekte. Das erste Teilprojekt
beschäftigt sich mit der Entwicklung von Prozessen, die den Betrieb von
dezentralen Anlagen für die lastflexible und bedarfsorientierte
Ammoniaksynthese ermöglichen. Im zweiten Teilprojekt werden sichere
Logistikalternativen und Szenarien für den Transport und die Speicherung
von Ammoniak untersucht. An der dezentralen Wasserstoffrückgewinnung – dem
Ammoniakcracken – forschen die Beteiligten in Teilprojekt drei. Sie
optimieren Crackkatalysatoren hinsichtlich ihrer Aktivität und Stabilität
für den Betrieb in verschiedenen Reaktoren. Den Blick auf die direkte
Ammoniaknutzung richtet Teilprojekt Nummer vier. Es werden zwei
grundlegende Wege zur Strom- und Wärmebereitstellung betrachtet: die
Umsetzung von Ammoniak in Festoxidbrennstoffzellen-Systemen und die
motorische Verbrennung. Last but not least Teilprojekt fünf, in dem die
zuvor entlang der Ammoniak-Wertschöpfungskette optimierten Technologien
hinsichtlich ihrer Resilienz sowie ökonomischen und ökologischen
Nachhaltigkeit analysiert werden. Andreas Menne: »Auf dieser Basis wollen
wir aussagekräftige Informationen über die Potenziale einer langfristig
erfolgreichen Umsetzung der Technologien im industriellen Maßstab
liefern.«

Workshop: neueste Technologien und Entwicklungen im Themenfeld Ammoniak

Doch wie genau kann diese Umsetzung in der Praxis aussehen? Am 30. Oktober
widmet sich der Workshop »Ammoniak – DIE Lieferkette für die
Wasserstoffwirtschaft?!« bei Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen dem
Themenfeld Ammoniak. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und
Wirtschaft informieren aus verschiedenen Blickwinkeln über dezentrale
Nutzungskonzepte. Es geht um konkrete Anwendungsfälle von Ammoniak als
Wasserstoffspeicher und das Fraunhofer-Leitprojekt AmmonVektor, aber auch
um die Hürden einer Wasserstoffwirtschaft und die Regulatorik. Der
Workshop richtet sich u. a. an Interessierte aus Industrie und
Wissenschaft, Energieversorger, dezentrale Anwender von
Wasserstofftechnologien, Transport- und Logistikunternehmen. Teilnehmende
können sich direkt einbringen und sind eingeladen, gemeinsam mit den
Referentinnen und Referenten zu diskutieren. Am Ende der Veranstaltung
besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer Institutsführung einen Blick
hinter die Kulissen von Fraunhofer UMSICHT zu werfen.

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