Nach einer Begrüßung durch Präsident Johann Stooß und den hafenpolitischen
Sprecher der SPD in der Hamburger Bürgerschaft, Dr. Joachim Seeler, ging
das Hamburger Kreuzfahrtevent EBC Cruise Talk in seine bereits sechste
Runde. Und auch in diesem Jahr fanden sich mit den beiden Themen
„Hafenplanung – wie viel Kreuzfahrt will Hamburg?“ und
„Expeditionskreuzfahrt – Bringt der Bau-Boom den Markt durcheinander?“
wieder zwei Fragestellungen, welche die Kreuzschifffahrtsbranche
umtreiben.
Moderator Oliver Schmidt eröffnete die Diskussion mit einem kurzen
Rückblick auf seine erste in Hamburg startende Kreuzfahrt vor gut 30
Jahren und schilderte, dass man damals den Eindruck gehabt hätte, dass des
nachts am Terminal noch schnell die Getreidesäcke zur Seite geräumt
würden, um noch vor dem Eintreffen der Kreuzfahrer pünktlich den roten
Teppich auszurollen. Ganz so stelle sich die Situation heute nicht mehr
dar, seit mit der AIDA die Kreuzschifffahrt in Hamburg eine im besten
Sinne „dramatische Entwicklung“ hingelegt hätte, so Prof. Norbert Aust,
Vorsitzender des Hamburger Tourismusverbandes.
Terminals, Emissionen, Energie
Drei Themen stellten sich im Verlauf der Diskussion als die am
kontroversesten diskutierten Fragestellungen heraus – erstens die Frage,
wie sich die Situation der Terminals besser lösen ließe, zweitens die
zunehmende Belästigung durch Emissionen der Schiffe und drittens – damit
zusammenhängend - die Energieversorgung der Schiffe.
Zur Infrastruktur des Hamburger Hafens befragt, betonte Ralf Niedmers,
Fachsprecher für Hafenwirtschaft der CDU-Bürgerschaftsfraktion, dass die
Stadt es als ihre Kernaufgabe ansehen müsse, infrastrukturelle
Voraussetzungen zu schaffen, damit die Wirtschaft im Anschluss tätig
werden könne. So forderte er einen konkreten Wachstumsplan, um dem Hafen
als wesentlichem Wirtschaftsfaktor der Stadt gerecht zu werden.
Dr. Joachim Seeler setzte dem entgegen, dass immer mehr Reedereien Hamburg
anlaufen würden und diese Entwicklung nicht stattgefunden hätte, wenn die
Stadt nicht die notwendigen Rahmenbedingungen dazu geschaffen hätte. Das
Problem sei vielmehr, dass der Hafen wegen seiner herausragenden Stadtlage
enorm beliebt sei, diese Lage aber gleichzeitig das Problem mit sich
bringe, dass die Emissionen der Schiffe die Luft in der Stadt belasteten.
Bezüglich der Stromversorgung sah er die Verantwortlichkeit eher bei den
Reedereien, deren Schiffe oftmals den von der Stadt bereitgestellten Strom
nicht abnehmen könnten. Welche der drei angebotenen Strom-Techniken
(Landstromversorgung am Terminal Altona, LNG Versorgung am Terminal
Steinwerder und mobile Stromversorgung durch die Power Barge) sich
letztendlich durchsetze, werde der Markt zeigen, so Seeler.
Fjordreisen ohne Hamburg?
EBC-Absolvent und Buchautor Alexander Holst war sich sicher, dass die
Reedereien die Stadtlage des Hamburger Hafens und die Lage der Terminals
unterschiedlich beurteilen würden. Der von seinen Vorrednern gelobten
Stadtlage setzte er entgegen, dass diese auch nachteilig sein könne, da
viele Reedereien ihre Landausflüge verkaufen wollten und die kurze
Entfernung zur Innenstadt ein solches Landgang-Paket in Hamburg
überflüssig mache. Zudem hätte Hamburg mit einer hohen Verkehrsbelastung
zu kämpfen, so dass am Flughafen ankommende Kreuzfahrttouristen oft im
Stau steckenblieben, bevor sie es überhaupt auf ihr Schiff schafften. Dies
stelle die Reedereien vor logistische Herausforderungen.
Mit einem zwinkernden Auge fragte Moderator Schmidt im Anschluss, welche
Meinung Hardy Puls, Country Manager von Costa Kreuzfahrten dazu hätte, da
diese Reederei Hamburg schließlich nur fünf Mal im Jahr anlaufe. Dieser
betonte, dass es nicht an der Stadt läge, sondern die Reederei vielmehr
Geschichten erzählen wolle und man daher im Einzelfall entscheiden müsse,
wie viel Stadt man in einer „Fjord-Reise für Italiener“ unterbringen
könne. Auch die Situation der weit verstreut liegenden Terminals sah er
als nicht abschreckend an, man kenne das schließlich von
Mittelmeerkreuzfahrten oder selbst von Städten wie Göteborg, wo man im
Containerhafen liege. Eine bessere Anbindung durch den öffentlichen
Nahverkehr, konkret eine Bushaltestelle, fände jedoch auch er interessant,
betonte aber, dass dies nur ein Puzzlestück im großen Ganzen sei.
Perspektiven für den Wirtschaftsfaktor Hafen
Wie man diese Situation lösen könne, dazu hatte sich auch schon
Tourismusverbandsvorsitzender Prof. Aust Gedanken gemacht. Er präferierte
eine Fährverbindung auf die andere Elbseite, wo man das Terminal
entsprechend groß ausbauen und so den Ansprüchen einer modernen
Kreuzschifffahrt gerecht werden könne. Beispiele finde man z.B. in
Amsterdam, wo dieses Konzept hervorragend funktioniere. Diese Lösung
erfordere jedoch eine attraktivere Anbindung an die Nordseite, da der alte
Elbtunnel für die Zukunft ungeeignet sei. Außerdem warf er ein, dass
möglicherweise die bekannte Parole „Niemand fasst den Hafen an“ überdacht
und eine Perspektive für die nächsten 20 Jahre entwickelt werden müsse.
„Ich bin mir sicher, dass sich der Hafen drastisch verändern wird“ so der
langjährige Touristiker. Investitionen und Weiterentwicklung seien nötig,
denn immerhin sei der Tourismus mit über 100.000 Beschäftigten in der
Stadt einer der größten Wirtschaftsfaktoren.
Nach der Möglichkeit befragt, ob sich noch einmal die Chance auftue, die
gesamte Kreuzschifffahrt an einem Terminal zu bündeln, fiel die Antwort
von Ralf Niedmers von der CDU eindeutig aus. Die ursprünglich für Olympia
geplanten Flächen am kleinen Grasbrook seien immer noch Hafenfläche und
blieben weiterhin für eine spezifische Hafennutzung erhalten. Die Chance
für den großen Wurf sei also da, der Plan dazu müsse einfach mal
ausgearbeitet werden.
Der Traum von „overnight“ in Hamburg
Zum Ende der Diskussion durften alle Teilnehmer ihre Wünsche für die
Zukunft des Hafens formulieren. Für Aust stand dabei die Etablierung
Hamburgs als Wechselhafen an erster Stelle, statt als Zielhafen, wie es
aktuell der Fall ist. So betonte er, dass es kaum eine schönere Einfahrt
in einen Hafen gäbe, als den nach Hamburg – höchstens vergleichbar mit
Venedig oder New York. Ein Verbleiben „overnight“ der Kreuzfahrtschiffe
und eine Umwandlung des Hafens in einen Erlebnishafen würde die
Attraktivität der Stadt noch sichtbarer machen. Insgesamt solle die
Kreuzfahrt einen noch größeren Stellenwert in der Stadt einnehmen und auch
politisch eine größere Wahrnehmung erfahren, da sie einer der größten
Wirtschaftsfaktoren mit enormen Zuwachsraten sei.
FDP-Sprecher Kruse brachte seine Wünsche an die Verantwortlichen nochmal
zum Ausdruck, indem er einen konkreten Hafenentwicklungsplan forderte, der
auch die Kreuzfahrt einschließe, denn diese fehle im aktuellen
Entwicklungsplan. Mit der Hafenentwicklung der nächsten fünfzehn Jahre im
Blick, in die man gleichermaßen die Kreuz- wie auch die
Containerschifffahrt miteinbeziehe, wünschte er sich statt vieler
Einzelschritte einen umfassenden Plan, der Zwischenlösungen wie das
Terminal in Steinwerder, mit dem man sich nur etwas Zeit erkauft hätte,
überflüssig mache. Eine Clearingstelle, die sowohl Wirtschafts- als auch
Umweltbehörden im Blick habe, könne an dieser Stelle als „Projektleiter“
auftreten.
SPD-Abgeordneter Seeler forderte, dass man sich nicht ständig auf
Probleme, sondern endlich mal auf Chancen fokussieren solle. Sich Fragen
zu stellen wie „Wieso liegt Hamburg nicht an der Nordsee“ bringe nichts.
Die Kreuzfahrt sei integraler Bestandteil des Tourismuskonzeptes in
Hamburg und man könne sehen, dass sich der Markt für die Stadt und den
Hafen entschieden habe.
Luxusschiffe am Nordpol
Nach einer kurzen Teepause wechselte das Thema vom hohen Norden in die
Arktis. Mit der Frage nach den immer spektakulärer gestalteten
Expeditionskreuzfahrten und der damit einhergehenden Ausstattung der
Schiffe, wurde ein weiteres aktuelles Thema an diesem Nachmittag lebendig
diskutiert.
Nike Hornbostel von der Kreuzfahrtagentur GoCruise erklärte, dass der
Wunsch nach Exklusivität bei Expeditionskreuzfahrten weit oben stünde. Bei
wachsenden Passagierzahlen stünde man vor der Problematik, dass bis dato
exklusive Gebiete in Folge der größer werdenden Schiffe an Attraktivität
einbüßen würden. Zusammengefasst formulierte sie: „Je größer die Schiffe,
desto unexklusiver die Ziele.“
Der Geschäftsführer des auf Luxusreisen spezialisierten Anbieters Vista
Travel Mathias Moldenhauer setzte dem entgegen, dass seiner Kenntnis nach
die Exkursionsschiffe nicht signifikant in ihrer Größe wachsen würden,
sondern lediglich veraltete Schiffe durch neue ersetzt würden. Es seien
zwar 30 neue Exkursionsschiffe angedacht, wie viele davon jedoch jemals
umgesetzt würden, stehe in den Sternen.
Erhebungen des Institutes für Transportation Design in Braunschweig
schätzten die Entwicklungen im Markt anders ein, so Mehdi Mozuni,
Doktorand am Institut. Ab dem Jahr 2030 würde sich der Trend zu immer
größeren Schiffen umkehren, die Gäste würden dann Wert auf kleine, agile
Schiffe legen, die flexibel auf die mitunter auf See schnell auftretenden
Veränderungen reagieren könnten.
Wunsch nach Flexibilität und Einbindung
Dem pflichtete Talkgast Kapitän Klaus Mewes bei: „Die Gäste wollen heute
verstärkt kleine Schiffe, ohne Dauer-Animation. Ein guter persönlicher
Service, ein nahbarer Kapitän mit teils sogar geöffneter Brücke, das sind
die Dinge, die die Zielgruppe heute erwartet. Die Gäste wollen integriert
werden, das zeigen auch unsere Ratings.“ Zudem betonte er die von Mozuni
bereits erwähnte Flexibilität: „Kleine Schiffe sind viel
anpassungsfähiger. Wenn klimatische Bedingungen es erfordern, und die
geplante Route nicht befahrbar ist, kann ein kleines Schiff schnell
umdisponieren und z.B. auch eben mal die Seine hochfahren - das können die
Kreuzfahrtriesen nicht.“
Kleine Schiffe und begrenzte Passagierzahlen befürwortete auch Prof. Dr.
Helmut Gärtner, Professor für Umweltbildung an den Universitäten Hamburg
und Erfurt: „Gäste die auf Exkursionskreuzfahrt gehen, wollen etwas
lernen. Ich hatte um die 300 Personen an Bord bei den Vortragsreihen
‚Umweltbezogene Allgemeinbildung auf Kreuzfahrten an Seetagen‘, in dieser
Größenordnung fühlen sich die Menschen wohl“.
Nike Hornbostel gab zu Bedenken, dass sich ab einer gewissen Größe
tatsächlich die Frage abzeichne, ob das überhaupt noch als Exkursion zu
bezeichnen sei. In der Arktis dürfe ohnehin nur eine begrenzte Menge von
Gästen an Land, so dass übergroße Schiffe hier gar keinen Sinn machten.
Allgemein sei auch die Nachfrage nach „leichter Exkursion“ mit circa 1.000
Teilnehmern viel größer, als die nach tatsächlicher Expedition, die sich
auf circa 200 Personen beschränke.
Die Exklusivität von kleinen Schiffen sah auch Vista Travel-
Geschäftsführer Moldenhauer vorn. Dies sei auch im Luxussegment gewünscht.
Zwar erhöhe sich die Tonnage der Schiffe, da die Schiffe sich zu kleinen
Luxusschiffen mit Hubschrauber und U-Boot an Bord hin entwickelten, die
Passagierzahlen blieben jedoch fast konstant.
Die Zukunft heißt Umweltverträglichkeit, Innovation und Digitalisierung
Abschließend gab Mehdi Mozuni einen Ausblick auf das, was die Forschung im
Kreuzfahrtmarkt momentan vorne sieht – die Top-Themen seien Green
Cruising, Pressure to innovate sowie Digitalisierung. Dies seien die
Dinge, die sich Passagiere heute von Reedereien wünschen.
Der EBC Cruise Talk schloss mit einem formlosen Get together in der Lounge
und auf der Dachterrasse der Hochschule und bot zahlreiche Gelegenheiten
für den Austausch unter Studierenden, Branchenprofis und Gästen.
Über die EBC Hochschule:
Die EBC Hochschule ist eine private Hochschule mit den Standorten Hamburg,
Berlin und Düsseldorf und bietet wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge
mit hohem Sprach- und Praxisanteil. Kurze Studienzeiten, Fremdsprachen,
integrierte Praktika und Auslandssemester führen zu internationalen und
staatlich anerkannten Abschlüssen, die die idealen Voraussetzungen für
einen erfolgreichen Berufsstart schaffen. Mehr Informationen unter www
.ebc-hochschule.de.