Ist Heilbronn auf dem Weg zur Schwarmstadt? Schwarmstadt-Sammelband mit neuer Studie erschienen

Genau diese Frage beantwortet der neue Sammelband des Herausgeberteams
Prof. Dr. Yvonne Zajontz und Robert Mucha, der in dieser Woche er-schienen
ist. Erstmals im Bereich Regional- und Städteplanung durchleuchtet eine
Publikation am Beispiel der Neckarmetropole Heilbronn das Phänomen
Schwarmstadt aus verschiedenen Perspektiven, von der Stadtplanung über die
Gastronomie hin zur Stabsstelle für Partizipation und Integration. In 21
Kapiteln versammeln Zajontz und Mucha Heilbronns Kreative und Macher und
verschiedene Experten als Gastautoren. Illustrationen von Isabelle Hagner
und Fotografien von Meli Dikta zeigen das Schwarmstadtpotenzial von
Heilbronn in Bildern.
Als Schwarmstadt gelten Städte, die vor allem auf junge Menschen attraktiv
wirken. Ein Ort, an dem sich der Schwarm niederlässt und bleibt.
Schwarmstädte sind Hochschulstädte, oft in Verbindung mit einer hohen
Wirtschafts- und Innovationskraft der Region. Mitautorin und Rektorin der
DHBW Heilbronn, Prof. Dr. Nicole Graf, betont die Rolle der Dualen
Hochschule: „Die DHBW Heilbronn ist eine der Triebfedern in der
Heilbronner Stadtentwicklung. Seit unserer Gründung 2010 haben wir
Projekte wie Heilbronn 2023 und Schwarmstadt Heilbronn initiiert und so
vor allem junge Studierende aktiv an der Stadtgestaltung beteiligt.“ Jahr
für Jahr unterstützen Studierende regionale Vereine, Institutionen und
Firmen in Seminaren und erarbeiteten Lösungen unter anderem für die BUGA,
die Stadtwerke, die HMG, die experimenta und das Württembergische
Kammerorchester.
Expertise aus dem Herz der Stadt
Ob der Chef der Heilbronner Marketing Gesellschaft, die Leiterin der
Stabsstelle für Partizipation und Integration oder der ehemalige BUGA-
Leiter – all diese Persönlichkeiten haben Heilbronn geprägt und werden es
weiter prägen. Oberbürgermeister Harry Mergel freut sich über die
dynamische Entwicklung seiner Stadt: „Heilbronn ist eine der dynamischsten
Städte in Baden-Württemberg. Keine vergleichbare Stadt investiert so
ambitioniert in ihre Zukunft wie Heilbronn. Wohnungsbau, Klimaschutz,
Digitalisierung und Mobilität, vor allem aber auch Bildung und Betreuung
sind die Top-Themen der Stadtentwicklung. Unsere Auszeichnung im Deutschen
Städtebaupreis 2020 zeigt, dass wir bundesweit wahrgenommen werden.“
Mergel betont, dass nicht nur die städtebauliche Entwicklung
vorangetrieben wird: „Wir verstehen Heilbronn als eine Heimat, als Ort mit
gutem Lebensgefühl und wachsender Lebensqualität.“ Das zeigt auch die neue
„Transferstelle Nachtleben“, die die Stadt mit 5.000 Euro unterstützt. Ein
Team aus engagierten ehrenamtlich tätigen Köpfen der Kneipen- und
Clubszene will die Ausgehkultur – und damit das Schwarmstadtpotenzial -
in Heilbronn stärken.
Im Vergleich zu 2017: Touristische Attraktivität erhöht
Es gibt viele Faktoren, die für Heilbronn als Schwarmstadt sprechen: Beim
Dynamikranking der Wirtschaftswoche belegte die Stadt mehrmals einen der
vorderen Plätze, zuletzt Platz drei. Bis auf das Jahr 2006 verzeichnet
Heilbronn ein stetiges Bevölkerungswachstum. Experimenta, Bildungscampus
und nicht zuletzt der Neckarbogen haben das Stadtbild nachhaltig und
positiv verändert. Mit der Gründung des Vereins Wissensstadt Heilbronn
e.V. wurde der Grundstein für ein deutschlandweit einmaliges Konstrukt
gelegt, das den Fokus auf einen zukunftsorientierten Wettbewerbsfaktor
legt:
Wissen und Bildung.
Um dem Schwarmstadtpotenzial Heilbronns detailliert nachzugehen, wurde
2017 ein kooperatives Forschungsprojekt initiiert. Teil des
Forschungsprojekts war eine erste ausführliche Umfrage, an der sich 1.089
Bürger beteiligten. Mit der Note 3.2 befand sich Heilbronn damals im guten
Mittelfeld. Drei Jahre später wurde die Umfrage wiederholt. Das Ergebnis
hat sich nur leicht verbessert, die BUGA und der neue Neckarbogen haben
nicht den erhofften Schub gebracht. Dass die Umfrage in die Zeit des
Beginns der Pandemie fiel, hat sicher dazu beigetragen. Positiv ist zu
bemerken, dass jetzt mehr Befragte Heilbronn ihren Bekannten als
touristisches Ziel empfehlen würden. Diese Zahl ist um knapp 10
Prozentpunkte gestiegen. Prof. Dr. Yvonne Zajontz lenkt den Blick auf das
Thema Bürgerengagement: „Jetzt gilt es, den Schwung der BUGA mitzunehmen
und mehr Bürger an der Stadtentwicklung zu beteiligen. Die Werte zeigen
es: Unsere Bürger setzen sich zwar kritisch mit ihrer Stadt auseinander,
verstehen es aber eher als Auftrag zur Veränderung. Es ist wichtig, dass
unsere Bürger und Studierenden zu Influencern und Multiplikatoren werden
und die schönen und vielleicht noch verborgenen Seiten Heilbronns nach
außen tragen. Das kann allerdings nur funktionieren, wenn sich noch mehr
Heilbronner mit ihrer Stadt identifizieren.“
Hat Heilbronn Schwarmstadtpotenzial?
Ja, Heilbronn kann Schwarmstadt. Autor, Journalist und kultureller
Stadtentwickler Robert Mucha entwirft im letzten Kapitel denkbare
Szenarien: „Gerade junge Leute wünschen sich ein Szeneviertel für die
junge Generation, ein nach-haltiges Mobilitätskonzept und mehr Teilhabe
junger Menschen an der Stadtgestaltung. Ob ein Audi-Brandhub in den
Böllinger Höfen, das Wollhausgebäude als neuer Space für Pop-up-Stores
oder ein junger Kiez im Bahnhofsviertel – Ideen sind genug vorhanden.
Jetzt kommt es darauf an, gemeinsam diese Vorstellungen in die Tat
umzusetzen.“ Mit dem Verein für Zukunftsvisionen wollen die Vorstände
Mucha und Zajontz die Macher und Entwickler von Heilbronn gemeinsam an den
Tisch bringen. Nach den ersten zwei Schwarmstadt-Workshops sollen weitere
Veranstaltungen folgen.
Die Frage nach der Schwarmstadt Heilbronn kommt in einer Zeit, in der das
Thema Stadtentwicklung ganz neue Fragen aufwirft: Wie geht es weiter mit
dem Handel nach Corona? Wird sich die Gastronomie wieder erholen? Wann ist
Kunst wieder ein Teil des Alltags? Und gerade deshalb ist es wichtig,
jetzt noch mehr als vorher, sich mit der Zukunft von Heilbronn
auseinanderzusetzen. Die Pandemie hat vieles zum Stillstand gebracht, aber
neue Konzepte und Ideen nicht: Kreative und Macher stehen in den
Startlöchern, um die Ideen aus dem letzten Kapitel real werden zu lassen.
Auch die Sehnsucht nach der Rückkehr zu einer Normalität birgt einen
Lichtblick in der Krise: Viele Bürger haben die Angebote von Heilbronn in
der Abwesenheit schätzen gelernt und freuen sich auf einen Neuanfang.
Gekommen um zu bleiben
Kritik ist ein Teil der schwäbischen und deutschen Mentalität. Das zeigt
ein Wert ganz zu Ende der Schwarmstadtstudie. Auf die Frage, ob ein Wegzug
aus Heilbronn wahrscheinlich ist, antworten zwei Drittel der Befragten mit
einem klaren Nein. Trotz aller Kritik, trotz des Mittelmaßes: Alle sind
gekommen, um zu bleiben.
Heilbronn auf dem Weg zur Schwarmstadt?
Eine Perspektivenbetrachtung im Kontext der Stadtentwicklung
Hrsg.: Prof. Dr. Yvonne Zajontz, Robert Mucha
Wissenschaftsverlag Berlin
Juni 2021
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