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Krieg und Gewalt in der Antike

Ein Interview mit Dr. Lennart Gilhaus, Althistoriker an der Universität
Bonn und Stipendiat der Daimler und Benz Stiftung

Für Gesellschaften der Antike war es völlig normal, Kriege zu führen. Die
männliche Bevölkerung wurde von klein auf darauf vorbereitet. In
bestimmten Kriegssituationen, etwa nach erfolgten Eroberungen, wurden
bisweilen besondere Gewaltdynamiken freigesetzt: Massaker,
Vergewaltigungen, Versklavungen. Aus heutiger Sicht offenbare gerade der
Zusammenhang zwischen Krieg und Gewalt neue Erkenntnisse über antike
Gesellschaften und schärfe den Blick für die damaligen
Gesellschaftsnormen, so Dr. Lennart Gilhaus, Institut für
Geschichtswissenschaft der Universität Bonn. Im Rahmen des
Stipendienprogramms für Postdoktoranden und Juniorprofessoren der Daimler
und Benz Stiftung sollen diese Gewaltdynamiken untersucht und in
unterschiedlichen Kulturen der Vormoderne miteinander verglichen werden.
Das Forschungsprojekt wird über zwei Jahre mit einer Summe von 40.000 Euro
gefördert.

Stiftung: Herr Gilhaus, Ihrer Ansicht nach gehören Gewalt und Krieg zu den
Grundphänomenen der Menschheitsgeschichte. Wie lässt sich diese Ansicht
nachvollziehen?

Gilhaus: Vereinzelte bewaffnete Auseinandersetzungen gab es wohl bereits
zwischen einstigen Gruppen von Jägern und Sammlern. Aber erst mit der
Sesshaftwerdung des Menschen und der Gründung von Siedlungen und Städten
mehren sich archäologische Zeugnisse für organisierte Konflikte, die
mitunter sogar zur kompletten Auslöschung feindlicher Gruppen führten.
Krieg ist also ein kulturelles Phänomen, das insbesondere mit der
Entstehung komplexerer Gesellschaften auftritt und in der
Menschheitsgeschichte seitdem vorkommt.

Stiftung: Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf einer uns näheren Epoche.
Weshalb konzentrieren Sie sich auf Kriegsgewalt in der griechischen
Antike?

Gilhaus: Obwohl es mittlerweile umfangreiche Forschung zur Gewalt in der
Antike gibt, liegt der Fokus meist auf der Darstellung und der Betrachtung
von Gewalt innerhalb von Gesellschaften. Paradoxerweise wird gerade im
Bereich der Kriegsführung die Gewaltthematik ausgeklammert – vielleicht,
weil Krieg und Gewalt als selbstverständlich und zusammengehörig empfunden
werden. Mein Ansinnen ist es, die kulturellen Bedingungen und Folgen von
Gewalt im Krieg zu betrachten und zu verstehen, wie die damaligen
Gesellschaften ihre eigene Kriegsgewalt eingeordnet haben.

Stiftung: Über welche Formen von Gewalt sprechen wir dabei?

Gilhaus: Etwa seit den 1990er-Jahren boomen soziologische und historische
Studien zu Gewaltphänomenen. Dabei werden sehr unterschiedliche
Gewaltbegriffe verwendet: Es gibt psychische, sexualisierte, ritualisierte
Gewaltformen, ebenso Stalking, Mobbing und viele mehr. Ich konzentriere
mich vor allem auf die physische Gewalt, die in Kriegen verübt wurde. Dazu
gehören auch extreme Gewaltszenen, die eine neue Perspektive auf die
damalige Kriegsnormalität eröffnen.

Stiftung: Was ist der wesentliche Unterschied zwischen vormoderner und
moderner Kriegsgewalt – und lässt sich das überhaupt so unterscheiden?

Gilhaus: Der Hauptunterschied ist, dass in der griechischen Antike
Kriegsgewalt buchstäblich Handarbeit der einzelnen Krieger war. Krieg und
Gewalt waren feste Bestandteile des damaligen Lebens. Es gab eine durchweg
starke Mobilisierung, die Männer wurden von Kindheit an mithilfe von
Ritualen und Symboliken darauf vorbereitet. Jeder musste damit rechnen,
später in den Krieg zu ziehen und Feinde zu töten. Mit der Erfindung
automatisierter Waffen in der Moderne und deren stetiger Weiterentwicklung
änderte sich dies. Man kann sagen, dass sich in der westlichen Welt mit
dem ersten Weltkrieg die Einstellung zum Krieg verändert hat.

Stiftung: Sie sagen, dass man von kriegerischen Gewaltdynamiken auf
gesellschaftliche Normen der jeweiligen Zeit schließen kann. Könnten Sie
das an einem Beispiel erläutern?

Gilhaus: In der Zeit von 800 bis 300 vor Christus bekriegten sich die
griechischen Poleis – Stadtstaaten ganz unterschiedlicher Größe – vehement
untereinander. Griechen kämpften gegen Griechen. Die Auseinandersetzungen
waren kleinteilig und unterlagen einer unglaublichen Dynamik: Freund-
Feind-Beziehungen unter Stadtstaaten konnten sich dabei schnell ändern. Zu
diesem äußeren Aspekt kommt eine besondere innere Konstitution der
Stadtstaaten. Als weltgeschichtliche Ausnahme kam im alten Griechenland
und insbesondere in Athen erstmals die Vorstellung von der Gleichheit
aller männlichen Bürger auf. Menschliche Beziehungen wurden auf eine
rechtliche Basis gestellt. Prozesse wurden geführt, um Recht
durchzusetzen. Auch das Rachedenken, das für die griechische Kultur
typisch ist, wurde beispielsweise durch den Staat eingehegt und
kanalisiert: Die Beziehungen der Bürger untereinander sollten weitgehend
frei von Gewalt gehalten werden. Die damit gesetzten Normen wiederum
wirkten auf das Verhalten im Krieg. Hinrichtungen in Athen konnten zwar
sehr grausam und entehrend sein, aber sie erfolgten ohne Blutvergießen –
und dieselben Strafen wurden auch im Krieg angewandt.

Stiftung: Inwieweit ist das mit unserem heutigen Verständnis von
Gesellschaft vergleichbar?

Gilhaus: Eher weniger, denn Gewalt war auch in der Polis die Basis der
Macht. Auch die griechischen Eroberer töteten ihre Unterworfenen oder
versklavten sie, aber man schreckte beispielsweise vor Folterungen und
Demütigungen der Feinde eher zurück. Es herrschte auch kein solcher
Triumphalismus wie im alten Rom, wo Stadtbevölkerungen planvoll
massakriert wurden, um Schrecken zu verbreiten, oder Kriegshelden nach
Anzahl der getöteten Feinde gefeiert wurden. An extremen Praktiken kann
man ablesen, wie Gesellschaften funktionieren. So entwickelte sich der
Stadtstaat Athen im fünften Jahrhundert vor Christus zu einer
Ausnahmeerscheinung: Als Zentrum der Demokratie wuchs dieses Imperium und
unterwarf immer mehr andere griechische Städte. Die Athener fühlten sich
nicht mehr wie Gleiche unter Gleichen, die durch ähnliche kulturelle Werte
verbunden waren. Sie tätowierten plötzlich Eulen auf Kriegsgefangene,
hackten Erzfeinden die Daumen ab und griffen zu immer krasseren
Gewaltformen.

Stiftung: Im Rahmen des Stipendienprograms der Daimler und Benz Stiftung
erweitern Sie ihre Forschung auf andere Epochen und Kulturen.

Gilhaus: Wir bleiben in der Vormoderne, nehmen aber weitere Gesellschaften
in den Fokus: die bereits angesprochene römische Republik, das feudale
Japan, das spätmittelalterliche Zentralasien, das Inkareich und das
mittelalterliche Mitteleuropa. Ziel ist es, auch in diesen Kulturen den
Einfluss der Kriegsgewalt auf das Alltagsleben zu verstehen und die
Erkenntnisse dann miteinander zu vergleichen: Wie blickten die Menschen
auf legitime und illegitime Gewalt? Welche Gewalt war im Krieg erlaubt,
welche in den urbanisierten Bereichen?

Stiftung: Welche Quellen nutzen Sie dafür?

Gilhaus: Das ist ganz unterschiedlich, wir stützen uns auf
Geschichtsschreibung, dichterische Quellen, Theaterstücke, philosophische
Schriften, inschriftliche Zeugnisse wie Grabsteine, ikonografische
Zeugnisse wie Vasenmalerei und natürliche auch Waffen- oder Skelettfunde.
Dabei arbeiten wir interdisziplinär zusammen – also Historiker,
Archäologen, Ethnologen und wegen der intensiven Quellenarbeit auch mit
spezialisierten Philologen.

Stiftung: Lassen sich aus den Zusammenhängen von Krieg und Gewalt in
vormodernen Gesellschaften Ableitungen für das Hier und Jetzt treffen?

Gilhaus: Es ist immer schwierig, einen direkten Nutzen zu formulieren.
Vielleicht können wir mit dem Wissen über vormoderne Gesellschaften aber
ein besseres Verständnis für die Verschiedenheit menschlichen Daseins
entwickeln und daraus lernen: Wie funktionieren Mechanismen in fremden
Kulturen, wie funktioniert der Mensch als kulturelles Konstrukt?

Stiftung: Gewalt und Kultur gehören in menschlichen Gesellschaften also
zusammen?

Gilhaus: Auf jeden Fall. Daher ist es wichtig, die emotionalen und
psychischen Mechanismen eskalierender Gewaltsituationen und -exzesse zu
ergründen und die Phänomene in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext zu
verstehen. Heutige westliche Gesellschaften verstehen sich als gewaltfrei
und thematisieren daher vor allem Gewalt in den zwischenmenschlichen
Beziehungen und Institutionen, zum Beispiel die physische Gewalt in
Familien während der Covid-19-Pandemie. Aber wir sehen auch Bilder der
Bürgerkriege in Syrien, Libyen oder anderen Ländern. Im Gegensatz zur
Antike werden im heutigen Europa jedoch nicht die politischen Sieger in
den Blick genommen, sondern vor allem die Opfer von Kriegsgewalt.
Allerdings sehen wir Kriegsgewalt als etwas Fremdes an, das unser Leben
nicht tangiert. Gleichzeitig findet bei uns durch die mediale Omnipräsenz
von Bildern leidender Menschen aus entfernten Ländern eine gewisse
Abstumpfung statt.

Stipendienprogramm für Postdoktoranden
Die Daimler und Benz Stiftung vergibt jedes Jahr zwölf Stipendien an
ausgewählte Postdoktoranden mit Leitungsfunktion und Juniorprofessoren.
Ziel ist, die Autonomie und Kreativität der nächsten
Wissenschaftlergeneration zu stärken und den engagierten Forschern den
Berufsweg während der produktiven Phase nach ihrer Promotion zu ebnen. Die
Fördersumme in Höhe von 40.000 Euro pro Stipendium steht für die Dauer von
zwei Jahren bereit und kann zur Finanzierung wissenschaftlicher
Hilfskräfte, technischer Ausrüstung, Forschungsreisen oder zur Teilnahme
an Tagungen frei und flexibel verwendet werden. Durch regelmäßige Treffen
der jungen Wissenschaftler dieses stetig wachsenden Stipendiatennetzwerks
in Ladenburg fördert die Daimler und Benz Stiftung zugleich den
interdisziplinären Gedankenaustausch.

Daimler und Benz Stiftung
Die Daimler und Benz Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung. Dazu
richtet sie innovative und interdisziplinäre Forschungsformate ein. Ein
besonderes Augenmerk legt die Stiftung durch ein Stipendienprogramm für
Postdoktoranden sowie die Vergabe des Bertha-Benz-Preises auf die
Förderung junger Wissenschaftler. Mehrere Vortragsreihen sollen die
öffentliche Sichtbarkeit der Wissenschaft stärken und deren Bedeutung für
unsere Gesellschaft betonen.

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Pandemie verstärkte anti-asiatische Diskriminierung

Mannheimer Soziologinnen und Soziologen belegen mit der Studie CILS4COVID,
dass sich Menschen mit asiatischen Wurzeln in Deutschland in der
Anfangsphase der Covid-19-Pandemie häufiger ausgegrenzt gefühlt haben.
Insbesondere in von der Pandemie stark betroffenen Gebieten scheint die
Diskriminierung gestiegen zu sein.

Die Covid-19-Pandemie hat die Diskriminierung asiatisch-stämmiger Menschen
in Deutschland verstärkt. Dies belegen die Ergebnisse der Studie
CILS4COVID von Soziologinnen und Soziologen des Mannheimer Zentrums für
Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim. Das
Forschungsteam hat von April 2020 bis Januar 2021 mehr als 3.500 junge
Erwachsene in ganz Deutschland befragt.

„Bereits vor der Pandemie fühlten sich Menschen mit Migrationshintergrund
aus der Türkei, Asien, Afrika und dem mittleren Osten häufiger aufgrund
ihrer Herkunft benachteiligt als andere Gruppen. Die Frage, ob sich daran
seit Beginn der Pandemie etwas geändert hat, bejahten Menschen mit einem
asiatischen Migrationshintergrund besonders häufig“, erklärt Dr. Jörg
Dollmann vom Studienteam des MZES. Etwa die Hälfte der rund 80 Personen
mit asiatischem Migrationshintergrund gab in der Erhebung an, sich seit
Beginn der Pandemie häufiger diskriminiert zu fühlen als vorher.

Asiatisch-Stämmige normalerweise eher weniger diskriminiert:

Gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Dr. Irena Kogan hat Jörg Dollmann die
Ergebnisse der Befragung nun in einer internationalen Fachzeitschrift
veröffentlicht. Die Resultate decken sich nach Angaben des Forschungsteams
mit vorläufigen Befunden aus Deutschland, aber auch aus anderen
europäischen Ländern. Insgesamt sei “COVID-19–associated discrimination
(CAD)“, also Diskriminierung, die mit COVID-19 in Zusammenhang zu stehen
scheint, aber noch wenig erforscht. Als mögliche Ursache für mehr
Anfeindungen und Ausgrenzungen sehen die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, dass vor allem zu Beginn der Pandemie Asien
beziehungsweise China als Ursprungsregion des Virus sehr im öffentlichen
Fokus stand. „Asiatisch-Stämmige sind im Vergleich zu anderen Gruppen in
Deutschland normalerweise nicht überdurchschnittlich von Diskriminierung
betroffen. Auch in dieser Hinsicht scheint Covid-19 das Zusammenleben der
Menschen in Deutschland also beeinträchtigt zu haben“, erläutert Irena
Kogan. Offenbar seien vermeintlich aus Asien stammende Personen in der
Öffentlichkeit als potenzielle Verbreiter des Virus oder gar als
verantwortlich für die Pandemie eingestuft worden. Denn insbesondere in
stark von der Pandemie betroffenen Gegenden berichteten Menschen
asiatischer Abstammung von gestiegener Diskriminierung. „Es scheint
naheliegend, dass eine besorgniserregende Entwicklung der
Ansteckungszahlen sich auch auf das Ausmaß der Alltagsdiskriminierung
auswirkte. Die Infektionsgefahr und der Pandemiestress haben das
diskriminierende Verhalten tendenziell verstärkt“, so Kogan.

Auch andere Gruppen sind betroffen – aber nur in Gebieten mit hohen
Inzidenzen:

Ganz alleine sind die Asiatisch-Stämmigen mit ihren Erfahrungen nicht.
Denn in stark von der Pandemie betroffenen Gebieten berichteten laut
Studie auch Menschen mit Wurzeln auf dem amerikanischen Kontinent oder in
der ehemaligen Sowjetunion von mehr Diskriminierung. Dass ausgerechnet
diese Gruppen mehr Diskriminierung erlebten, andere dagegen nicht oder
kaum, könnte nach Ansicht des Forschungsteams auf die jeweilige
Entwicklung der Pandemie in diesen Regionen und die Berichterstattung
darüber zurückzuführen sein. So sei das Infektionsgeschehen etwa in den
USA, Südamerika oder Russland während der Erhebungsphase teilweise
besonders dynamisch gewesen. „Möglicherweise hat das die Diskriminierung
dieser Menschen in Deutschland etwas verstärkt – insbesondere, wenn in
ihrer hiesigen Umgebung die Fallzahlen gleichzeitig ebenfalls nach oben
gingen“, fasst Dollmann zusammen.

In diesem Zusammenhang warnt das Team aber vor einer Überinterpretation
der Studie: „Unsere Ergebnisse sind nach wissenschaftlichen Standards
robust. Allerdings sind die Fallzahlen von Menschen mit Abstammung aus
Asien, Amerika oder der ehemaligen Sowjetunion mit jeweils unter 200
relativ gering. Auch zielte unsere Befragung ausschließlich auf junge
Erwachsene ab. Um mehr über Diskriminierung im Zusammenhang mit Covid-19
zu lernen, würden wir daher noch breiter angelegte Folgestudien begrüßen.“

CILS4COVID: Zusatzstudie der Langzeiterhebung CILS4EU:

Für die Langzeitstudie „Children of Immigrants Longitudinal Survey in Four
European Countries“ (CILS4EU) befragt ein Team des MZES seit 2010
regelmäßig tausende junge Menschen vielfältiger sozialer und ethnischer
Hintergründe zu so verschiedenen Themen wie beruflicher Werdegang,
Religion und Freundschaften. Gefördert wird CILS4EU vom Europäischen
Fördernetzwerk NORFACE und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Da
immer dieselben Menschen befragt werden, ist es möglich, Änderungen in
ihrer Lebenssituation und ihren Einstellungen über die Zeit hinweg zu
analysieren. 2020 wurden die jungen Erwachsenen – nun zwischen 24 und 26
Jahre alt – wie im Studiendesign vorgesehen zum achten Mal befragt.
Zusätzlich wurden sie aus gegebenem Anlass aber auch zum Thema Corona
befragt. An der CILS4COVID-Umfrage nahmen von April 2020 bis Januar 2021
mehr als 3.500 junge Erwachsene in ganz Deutschland teil.

Trotz Stellenanstieg fehlen weiterhin Fachkräfte in KiTas

Gemeinsame Stellungnahme der Berliner SAGE Hochschulen (EHB, KHSB, ASH
Berlin) zum aktuellen Kitaentwicklungsplan im Beschluss vom 17. August
2021 des Berliner Senats für Bildung, Jugend und Familie.

Laut Pressemitteilung vom 17. August 2021 hat der Senat von Berlin den von
Senatorin Scheeres vorgestellten Kitaentwicklungsplan beschlossen. In der
Pressemitteilung heißt es unter anderem, dass sich die Fachkräftesituation
weiterhin positiv entwickelt. Seit 2016 ist die Zahl der Kita-Fachkräfte
von rund 22.700 auf rund 28.300 angestiegen, ein jährliches Plus von rund
5 Prozent.

Folgt man den Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung zur Qualitätssicherung
hinsichtlich eines kindgerechten Personalschlüssels vor allem im sensiblen
Krippenbereich und der Verbesserung der Leitungskapazitäten in Kitas dann
fehlen in Berlin laut Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2019
jedoch fast 13.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte. Weitere Fachkräfte
fehlen für die über das Gute-Kita-Gesetz finanzierten zusätzlichen
Anleitungsstunden für neu einsteigendes Personal sowie den Ausbau der
Fachberatung für Berliner Kitas.

Des Weiteren gibt die Pressemitteilung über das Qualifikationsniveau der
Fachkräfte keine Auskunft. Der Länderreport Frühkindliche Bildung 2019
zeigt dagegen, dass in Berlin nur 7 % der pädagogischen Fachkräfte einen
fachlich einschlägigen Hochschulabschluss haben, während sich auf der
anderen Seite fast 11% des Personals noch in Ausbildung befindet. Laut
Deutschem Verein (2020) sollten die Bemühungen um eine akademische
Ausbildung jedoch verstärkt und weiterentwickelt werden und zwar u. a. aus
folgenden Gründen:

- steigende Anforderungen an Team- und Personalentwicklung
- verstärkte Forderung nach reflexiv ausgerichtetem sozialpädagogischem
Handeln
- sich ausdifferenzierende organisatorische, planerische und pädagogische
Aufgabe
- der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder

2020 forderte die BAG-BEK, dass Leitungspositionen von hochschulisch
ausgebildeten Fachkräften besetzt sein müssen.

In Berlin existieren, neben den Ausbildungsgängen an Fachschulen, bereits
seit vielen Jahren Studiengänge der Kindheitspädagogik an der Alice-
Salomon-Hochschule Berlin (ASH Berlin), der Evangelischen Hochschule
Berlin (EHB) und der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin
(KHSB). Diese Studiengänge bieten eine dringend benötigte wissenschaftlich
fundierte und professionelle Ausbildung pädagogischer Fachkräfte für die
Arbeit mit Kindern und ihren Familien. Darüber hinaus verfügen die
Absolvent*innen der kindheitspädagogischen Studiengänge im Besonderen über
Kenntnisse und Fähigkeiten Kinder aus Familien mit prekären
Umgebungsbedingungen, wie beispielsweise Belastungen an ökonomischen und
psychischen Ressourcen oder Schwierigkeiten mit der deutschen
Bildungssprache sowie Kinder mit Entwicklungsbeeinträchtigungen oder in
der Entwicklung bedrohte Kinder im Alter zwischen 0 bis 12 Jahren
kompetent zu begleiten.

Plädoyer: Der Berliner Senat wird aufgefordert, nicht nur den Bedarf an
Betreuungsplätzen und die Quantität des pädagogischen Personals in
Kindertageseinrichtungen im Blick zu haben, sondern auch auf das
Qualifikationsniveau des pädagogischen Personals und die Sicherung der
Prozessqualität sowie auf die notwendigen Organisations- und
Personalentwicklungsaufgaben zu achten. Für die Erfüllung, der zunehmend
anspruchsvoller werdenden Aufgaben im Bereich der frühkindlichen Bildung
und Erziehung braucht es gut ausgebildetes und hoch qualifiziertes
Personal, das diese Herausforderungen meistern kann. Die Studiengänge der
Kindheitspädagogik an der ASH, der EHB und der KHSB sind in der Lage, für
solche Schlüsselstellen zu sorgen. Dazu braucht es jedoch die Wahrnehmung
und die Unterstützung der Hochschulen durch den Berliner Senat.

Mit freundlichen Grüßen gez.
(in alphabetischer Reihenfolge)

Prof. Dr. Birgit Behrisch (KHSB), Prof. Dr. Dagmar Bergs-Winkels (ASH),
Jannes Boekhoff (KHSB), Prof. Dr. Michael Brodowski (ASH), Prof. Dr. Rahel
Dreyer (ASH), Prof. Dr. Sidonie Engels (EHB), Ariane Feldhaus (EHB), Prof.
Dr. Claudia Hruška (ASH), Serafina Morrin (KHSB), Prof. Dr. Natascha
Naujok (EHB), Kerstin Nitsche (EHB), Anke Pannier (EHB), Prof. Dr. Corinna
Schmude (ASH), Prof. Dr. Petra Völkel (EHB), Prof. Dr. Anja Voss (ASH),
Prof. Dr. Christian Widdascheck (ASH), Prof. Dr. Anne Wihstutz (EHB)

Bonde dankt BfN-Präsidentin Jessel für hervorragende Zusammenarbeit DBU-Generalsekretär gratuliert Nachfolgerin Riewenherm

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat ab morgen (1.
September) eine neue Präsidentin: Sabine Riewenherm. Die bisherige
Leiterin des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz folgt auf Prof. Dr.
Beate Jessel. Sie stand seit 2007 an der Spitze der Behörde und wechselt
nun als Direktorin an die Eidgenössische Forschungsanstalt Wald, Schnee
und Landschaft (WSL). Das BfN und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
verbindet eine langjährige Zusammenarbeit, vor allem beim Nationalen
Naturerbe.

Dank an scheidende BfN-Präsidentin Jessel

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde dankte Jessel für die langjährige gute
Kooperation etwa bei Vorhaben rund um Naturschutz in Agrarlandschaften.
Der scheidenden BfN-Leiterin sei es auch ein Anliegen gewesen, die
gemeinsam mit DBU und Bundesumweltministerium organisierten
Jugendkongresse für Jugendengagement im Biodiversitätsschutz zu begleiten.
Vor allem aber habe das Bundesamt mit ihr an der Spitze einen Meilenstein
im deutschen Naturschutz mitgeformt: das Nationale Naturerbe. Bonde:
„Prof. Dr. Jessel hat mit dem Nationalen Naturerbe den Wildnisgedanken in
Deutschland befördert und dazu beigetragen, dass sich immer mehr Wald in
unserem Land natürlich entwickelt.“ So würden auch die Wälder auf den 71
DBU-Naturerbeflächen in zehn Bundesländern mittel- bis langfristig
größtenteils sich selbst überlassen.

Bonde: „Wir brauchen einen starken Naturschutz in Deutschland“

Nach Bondes Worten habe Jessel Wert auf Dialog und Kooperation gelegt und
dies unter anderem in der Zusammenarbeit im Naturerbe-Rat unter Beweis
gestellt. „Wir brauchen einen starken Naturschutz in Deutschland, um die
gesteckten Biodiversitätsziele zu erreichen“, so Bonde. Im bundesweiten
Naturschutz gebe es Handlungsbedarf, um das europäische
Schutzgebietssystem Natura 2000 zu stärken und eine bessere Finanzierung
zu etablieren.

DBU-Generalsekretär freut sich auf Zusammenarbeit mit neuer BfN-
Präsidentin Riewenherm

„Sabine Riewenherm ist eine ausgewiesene Naturschutzexpertin. Wir freuen
uns, dass sie die wichtige Arbeit des Bundesamtes weiterentwickeln und
prägen wird“, sagte der DBU-Generalsekretär. Die Herausforderungen durch
den weltweiten Rückgang der Artenvielfalt und den daraus drohenden,
irreparablen Konsequenzen für den Menschen seien vielen noch nicht
bewusst. Bonde: „Wir wünschen der neuen BfN-Präsidentin viel Erfolg und
freuen uns auf die Zusammenarbeit.“