Zum Hauptinhalt springen

Pandemie verstärkte anti-asiatische Diskriminierung

Pin It

Mannheimer Soziologinnen und Soziologen belegen mit der Studie CILS4COVID,
dass sich Menschen mit asiatischen Wurzeln in Deutschland in der
Anfangsphase der Covid-19-Pandemie häufiger ausgegrenzt gefühlt haben.
Insbesondere in von der Pandemie stark betroffenen Gebieten scheint die
Diskriminierung gestiegen zu sein.

Die Covid-19-Pandemie hat die Diskriminierung asiatisch-stämmiger Menschen
in Deutschland verstärkt. Dies belegen die Ergebnisse der Studie
CILS4COVID von Soziologinnen und Soziologen des Mannheimer Zentrums für
Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim. Das
Forschungsteam hat von April 2020 bis Januar 2021 mehr als 3.500 junge
Erwachsene in ganz Deutschland befragt.

„Bereits vor der Pandemie fühlten sich Menschen mit Migrationshintergrund
aus der Türkei, Asien, Afrika und dem mittleren Osten häufiger aufgrund
ihrer Herkunft benachteiligt als andere Gruppen. Die Frage, ob sich daran
seit Beginn der Pandemie etwas geändert hat, bejahten Menschen mit einem
asiatischen Migrationshintergrund besonders häufig“, erklärt Dr. Jörg
Dollmann vom Studienteam des MZES. Etwa die Hälfte der rund 80 Personen
mit asiatischem Migrationshintergrund gab in der Erhebung an, sich seit
Beginn der Pandemie häufiger diskriminiert zu fühlen als vorher.

Asiatisch-Stämmige normalerweise eher weniger diskriminiert:

Gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Dr. Irena Kogan hat Jörg Dollmann die
Ergebnisse der Befragung nun in einer internationalen Fachzeitschrift
veröffentlicht. Die Resultate decken sich nach Angaben des Forschungsteams
mit vorläufigen Befunden aus Deutschland, aber auch aus anderen
europäischen Ländern. Insgesamt sei “COVID-19–associated discrimination
(CAD)“, also Diskriminierung, die mit COVID-19 in Zusammenhang zu stehen
scheint, aber noch wenig erforscht. Als mögliche Ursache für mehr
Anfeindungen und Ausgrenzungen sehen die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, dass vor allem zu Beginn der Pandemie Asien
beziehungsweise China als Ursprungsregion des Virus sehr im öffentlichen
Fokus stand. „Asiatisch-Stämmige sind im Vergleich zu anderen Gruppen in
Deutschland normalerweise nicht überdurchschnittlich von Diskriminierung
betroffen. Auch in dieser Hinsicht scheint Covid-19 das Zusammenleben der
Menschen in Deutschland also beeinträchtigt zu haben“, erläutert Irena
Kogan. Offenbar seien vermeintlich aus Asien stammende Personen in der
Öffentlichkeit als potenzielle Verbreiter des Virus oder gar als
verantwortlich für die Pandemie eingestuft worden. Denn insbesondere in
stark von der Pandemie betroffenen Gegenden berichteten Menschen
asiatischer Abstammung von gestiegener Diskriminierung. „Es scheint
naheliegend, dass eine besorgniserregende Entwicklung der
Ansteckungszahlen sich auch auf das Ausmaß der Alltagsdiskriminierung
auswirkte. Die Infektionsgefahr und der Pandemiestress haben das
diskriminierende Verhalten tendenziell verstärkt“, so Kogan.

Auch andere Gruppen sind betroffen – aber nur in Gebieten mit hohen
Inzidenzen:

Ganz alleine sind die Asiatisch-Stämmigen mit ihren Erfahrungen nicht.
Denn in stark von der Pandemie betroffenen Gebieten berichteten laut
Studie auch Menschen mit Wurzeln auf dem amerikanischen Kontinent oder in
der ehemaligen Sowjetunion von mehr Diskriminierung. Dass ausgerechnet
diese Gruppen mehr Diskriminierung erlebten, andere dagegen nicht oder
kaum, könnte nach Ansicht des Forschungsteams auf die jeweilige
Entwicklung der Pandemie in diesen Regionen und die Berichterstattung
darüber zurückzuführen sein. So sei das Infektionsgeschehen etwa in den
USA, Südamerika oder Russland während der Erhebungsphase teilweise
besonders dynamisch gewesen. „Möglicherweise hat das die Diskriminierung
dieser Menschen in Deutschland etwas verstärkt – insbesondere, wenn in
ihrer hiesigen Umgebung die Fallzahlen gleichzeitig ebenfalls nach oben
gingen“, fasst Dollmann zusammen.

In diesem Zusammenhang warnt das Team aber vor einer Überinterpretation
der Studie: „Unsere Ergebnisse sind nach wissenschaftlichen Standards
robust. Allerdings sind die Fallzahlen von Menschen mit Abstammung aus
Asien, Amerika oder der ehemaligen Sowjetunion mit jeweils unter 200
relativ gering. Auch zielte unsere Befragung ausschließlich auf junge
Erwachsene ab. Um mehr über Diskriminierung im Zusammenhang mit Covid-19
zu lernen, würden wir daher noch breiter angelegte Folgestudien begrüßen.“

CILS4COVID: Zusatzstudie der Langzeiterhebung CILS4EU:

Für die Langzeitstudie „Children of Immigrants Longitudinal Survey in Four
European Countries“ (CILS4EU) befragt ein Team des MZES seit 2010
regelmäßig tausende junge Menschen vielfältiger sozialer und ethnischer
Hintergründe zu so verschiedenen Themen wie beruflicher Werdegang,
Religion und Freundschaften. Gefördert wird CILS4EU vom Europäischen
Fördernetzwerk NORFACE und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Da
immer dieselben Menschen befragt werden, ist es möglich, Änderungen in
ihrer Lebenssituation und ihren Einstellungen über die Zeit hinweg zu
analysieren. 2020 wurden die jungen Erwachsenen – nun zwischen 24 und 26
Jahre alt – wie im Studiendesign vorgesehen zum achten Mal befragt.
Zusätzlich wurden sie aus gegebenem Anlass aber auch zum Thema Corona
befragt. An der CILS4COVID-Umfrage nahmen von April 2020 bis Januar 2021
mehr als 3.500 junge Erwachsene in ganz Deutschland teil.