Dekontaminationsrobotik zum Greifen nah
Das Kompetenzzentrum ROBDEKON hat einem interessierten Fachpublikum seine
Türen in Karlsruhe geöffnet und den aktuellen Forschungsstand im Bereich
der Dekontaminationsrobotik vorgestellt. Rund 80 Teilnehmende, darunter
hochrangige Vertreter*innen der Energie- und Altlastenbranche, konnten
sich am 18. und 19. Oktober 2023 in Live-Demonstrationen aktiv mit den
(teil-)autonomen Robotersystemen vertraut machen und Fragestellungen mit
den ROBDEKON-Partnern diskutieren. In der kommenden Zeit sollen die im
BMBF-geförderten Kompetenzzentrum entwickelten Technologien in realer
Umgebung erprobt und für den Praxiseinsatz ertüchtigt werden.
Im 2018 gestarteten Kompetenzzentrum »ROBDEKON – Roboter für die
Dekontamination in menschenfeindlichen Umgebungen« entwickeln
Forschungseinrichtungen und Unternehmen gemeinsam autonome und
teilautonome Systeme für Aufgaben, die bisher manuell oder mittels
konventioneller Arbeitsmaschinen erledigt werden müssen. Dies kann einen
erheblichen Beitrag zur Arbeitssicherheit für den Menschen schaffen.
Einsatzszenarien sind beispielsweise die Sanierung chemisch verseuchten
Geländes und alter Mülldeponien, die Handhabung von Gefahrstoffen sowie
der Rückbau kerntechnischer Anlagen.
Hersteller und Anwender als Pilotierungspartner gesucht
Auf der diesjährigen Partizipationsveranstaltung unter dem Motto
»Dekontaminationsrobotik 2023« am Fraunhofer-Institut für Optronik,
Systemtechnik und Bildauswertung IOSB trafen und vernetzten sich
Teilnehmende aus Industrie und Anwendung mit den ROBDEKON-Partnern. Die
Teilnehmenden konnten »hands-on« vielfältige Robotersysteme und autonome
Baumaschinen testen und erleben, die für verschiedene Einsatzbereiche
entwickelt werden, etwa für die Messung der Ortsdosisleistung, das
Abfräsen kontaminierter Betonschichten oder für Greif- und
Transportaufgaben von Gefahrgut.
»Wir freuen uns, dass so viele der Einladung zu unserer
Partizipationsveranstaltung gefolgt sind und konkrete Einblicke in unseren
Entwicklungsstand bekommen konnten«, sagt Dr. Janko Petereit,
Wissenschaftler am Fraunhofer IOSB und ROBDEKON-Koordinator. Das biete
gute Anknüpfungspunkte für die bevorstehende Suche nach Praxispartnern:
»Wir sind inzwischen so weit, dass wir die Robotersysteme von ROBDEKON in
Pilotprojekten testen können. Dafür suchen wir Unternehmen, sowohl
Maschinenhersteller als auch Anwender, um die Praxistauglichkeit unserer
Technologien weiter zu optimieren und den Weg in die produktive Anwendung
zu ebnen. « Interessenten können sich jederzeit an das ROBDEKON-
Koordinationsbüro am Fraunhofer IOSB wenden.
Roboter bergen Fässer und greifen auch reflektierende Objekte
In Fachvorträgen und Diskussionen lag ein Fokus auf den technologischen
Verfeinerungen, die das Kompetenzzentrum in letzter Zeit erzielen konnte
und die eine wichtige Grundlage für die Einsatzfähigkeit in der Praxis
bilden: So können humanoide Roboter beim autonomen Handling von
Anlagenteilen nun auch reflektierende oder transparente Objekte erkennen.
Autonome Bagger können nun Fässer aus der Ferne bergen, ohne diese zu
beschädigen. Durch ausgereifte Schnittstellen können die Robotersysteme
sowohl untereinander kommunizieren, um komplexe Dekontaminationsaufgaben
autonom im Team zu lösen, als auch eine intuitive Mensch-Maschine-
Schnittstelle bereitstellen.
Im Einzelnen waren folgende Entwicklungen im Praxiseinsatz zu erleben –
teils am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), teils auf dem Gelände
des Fraunhofer IOSB:
• GammaBot zur Gebäudevermessung kerntechnischer Anlagen (KIT):
Dieser Roboter fährt Räume einer kerntechnischen Anlage autonom ab und
kartiert dabei mittels 3D-Laserscanner die Umgebung. Die dabei
entstehenden hochaufgelösten Punktwolken werden automatisch zu einem
vollständigen Raummodell zusammengesetzt. Zusätzliche Informationen wie
Wärmebilder, Gamma-Spektrogramme oder Messungen der Ortsdosisleistung
werden in zusätzlichen Layern abgelegt.
• Holodeck zur intuitiven Robotersteuerung (KIT): Mit einem frei im
Raum beweglichen Steuerhebel und einer Hololens-Brille können Benutzer
Maschinen wie etwa Bagger aus sicherer Entfernung steuern bzw.
Bewegungsabläufe vorgeben. Die innovative Schnittstelle unterstützt den
Nutzer dabei intuitiv durch haptisches Feedback. Wie sich das Publikum
selbst überzeugen konnte, macht das System etwa die Kräfte und Widerstände
spürbar, die sich an einem Bagger ergeben, wenn man versucht, Fässer zu
greifen und zu versetzen.
• Der humanoide Roboter ARMAR-DE für die Dekontamination von
Anlagenteilen (KIT) ist für zweihändiges Greifen und Manipulieren
optimiert. Er kann autonom oder teilautonom auch unbekannte Objekte
greifen und einen dafür passenden Griff wählen. Dies gelingt auch in
komplexen Situationen, z. B. bei reflektierenden oder transparenten
Objekten, was in der Praxis eine Herausforderung darstellt. Der Roboter
lernt dabei aus jedem geglückten und nicht geglückten Griff für die
Zukunft.
• Das Multi-Roboter-Team für das Bergen von Gefahrstoffen (FZI)
wurde anhand zweier Roboterhunde demonstriert. Basierend auf dem Robot
Operating System (ROS) erfassen sie die Umgebung visuell, unterstützen den
Bediener beim Greifen von Objekten und bringen die Ladung anschließend
autonom an den gewünschten Zielort.
• Das Leitstandsystem für Shared Autonomy (DFKI) lässt sich flexibel
per LKW, Schiff oder anderen Transportmitteln nahe der Gefahrenzone
positionieren. Von einem sicheren Abstand aus können die Robotersysteme
direkt aus dem Container heraus gesteuert werden. Mit Hilfe der Mastkamera
lässt sich das Manöver und die Umgebung des Robotersystems überwachen.
Zusätzlich steht dem Anwender eine 3D-Darstellung der Situation während
des Einsatzes zur Verfügung.
Durch die hier verwendete, standardisierte ROBDEKON-Softwareschnittstelle
sind alle ROBDEKON-Robotersysteme von allen ROBDEKON-Leitständen bedienbar
und die Sensordaten der Systeme werden entsprechend der Fähigkeiten des
Leitstands angezeigt.
• Autonomer 24-Tonnen-Bagger ALICE (Fraunhofer IOSB). Der Bagger
verfügt über Hard- und Softwaremodule für Lokalisierung,
Umgebungskartierung, Hinderniserkennung und Bewegungsplanung. Er kann sich
selbstständig in unbekanntem, unstrukturiertem Gelände bewegen und
kontaminierte Erdschichten abtragen. In der Demo wurde gezeigt, wie ALICE
den Menschen beim beschädigungsfreien Greifen von Fässern unterstützt und
diese dann autonom im Zielbereich absetzt.
Die nächste ROBDEKON-Partizipationsveranst
Herbst 2024 stattfinden.
HINWEIS: Bilder zu dieser Pressemitteilung (einschließlich Bilder zu allen
demonstrierten Technologien) stehen auf der Seite dieser Pressemitteilung
unter
https://www.iosb.fraunhofer.de
Über ROBDEKON
ROBDEKON ist eins von zwei Kompetenzzentren für Robotersysteme, die im
Rahmen des BMBF-Programms »Forschung für die zivile Sicherheit« seit 2018
gefördert werden. Es wird vom Fraunhofer-Institut für Optronik,
Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe koordiniert.
Forschungspartner sind das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das
Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche
Intelligenz (DFKI), das FZI Forschungszentrum Informatik und die
Hochschule Karlsruhe (Die HKA). Industriepartner im Konsortium sind die
Götting KG, die Kraftanlagen Heidelberg GmbH und die ICP
Ingenieurgesellschaft Prof. Czurda und Partner mbH. Die aktuelle zweite
Förderphase läuft noch bis Ende 2026. Langfristiges Ziel ist, ein sich
selbst tragendes Experten- und Anwendernetzwerk für neue Technologien zur
Dekontamination mittels Robotern aufzubauen. Mehr unter:
https://robdekon.de