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Risiko für plötzlichen Herztod: Wie können Warnzeichen bedrohten Menschen helfen?

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So unerwartet der Sekundenherztod eintritt: Das Wissen über die
Risikofaktoren und Warnzeichen kann bei der Identifizierung von
Gefährdeten helfen. Kardiologen sehen zusätzlich Chance in
Laienschulungsprogramm


Jedes Jahr sterben in Deutschland 65.000 Menschen am plötzlichen Herztod.
Das müsste aber nicht sein. So unerwartet der vorzeitige plötzliche
Herztod über Betroffene hereinbricht, so gehen ihm in den meisten Fällen
Herzerkrankungen und andere Risikofaktoren voraus, die auf eine Gefährdung
zumindest hindeuten. „Deshalb ist der vorzeitige Herztod in aller Regel
kein schicksalhaftes Ereignis, von dem es kein Entkommen gibt. Das
medizinische Ziel sollte sein, die entsprechenden Risikopersonen
frühzeitig zu identifizieren, bevor ein bedrohliches kardiales Ereignis
auftritt“, betont Herzspezialist Prof. Dr. med. Tienush Rassaf, Mitglied
des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung, anlässlich der
bundesweiten Herzwochen. „Die Therapie besteht somit im Kern darin, den
vorzeitigen Herztod zu verhindern“, so der Direktor der Klinik für
Kardiologie und Angiologie am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum des
Universitätsklinikums Essen. Die Herzwochen 2023 stehen unter dem Motto
„Herzkrank? Schütze Dich vor dem Herzstillstand!“ mit einem umfangreichen
Informationsangebot unter <https://herzstiftung.de/herzwochen>

Senkung der Sterblichkeit durch plötzlichen Herztod: Suche nach weiteren
Hebeln
Zwar wird der plötzliche Herztod überwiegend durch schnelle
Rhythmusstörungen aus den Herzkammern (Kammertachykardie) oder
Kammerflimmern (schnelle und zusätzlich unkoordinierte Rhythmusstörungen
aus den Kammern) ausgelöst, die das Herz von einer Sekunde auf die andere
komplett aus dem Takt und so zum Stillstand bringen und den Blutfluss zum
Gehirn beenden. Die Ursachen dieser Rhythmusstörungen (als „Trigger“)
liegen jedoch meistens in strukturellen Herzerkrankungen, die im
Herzmuskel Funktionsstörungen des Herzens verursachen und dadurch
Komplikationen wie akuten Herzinfarkt hervorrufen, die zum plötzlichen
Herztod führen. „Sobald eine Herzerkrankung mit Hilfe der Herz-Diagnostik
wie EKG, Ultraschall (Echokardiografie), Computertomografie, kurz CT, oder
mittels Blutuntersuchungen festgestellt wurde, kann eine gezielte Therapie
dabei helfen das Risiko für plötzlichen Herztod zu senken“, erklärt
Rassaf. Dafür stehen Medikamente zur Verfügung, die das Herz schützen,
sowie Therapien zur Behandlung von Herzgefäßverengungen (Stents,
Bypassoperation), implantierbare Defibrillatoren gegen bösartige
Rhythmusstörungen sowie Klappentherapien (Ersatz, Korrektur,
Rekonstruktion). „Zwar konnte mit Hilfe der kardiologischen und
herzchirurgischen Therapien in den vergangenen Jahrzehnten die
Sterblichkeit durch Herzkrankheiten wie KHK und Herzschwäche erheblich
gesenkt werden. Jedoch konnte diese positive Entwicklung den vorzeitigen
Herztod noch nicht eliminieren. Wir müssen daher zusätzlich auf weitere
Hebel wie Prävention, Sensibilisierung für frühzeitige Warnzeichen und
richtiges Verhalten bei Herzinfarkt und beobachtetem Herzstillstand
zurückgreifen“, betont der Essener Kardiologe.

US-Laienschulungsprogramm „Early Heart Attack Care“: Tauglich für
Deutschland?
Mit dem Ziel, durch öffentliche Aufklärung über Herzinfarkt-Symptome und
Risikofaktoren die Infarktsterblichkeit zu senken, könnten zusätzlich zu
den etablierten bundesweiten Aufklärungskampagnen flächendeckende
Schulungsprogramme effektiv sein. Ein Vorbild dafür könnte das Early Heart
Attack Care (EHAC)-Programm aus den USA sein. „EHAC zielt auf das schnelle
Reagieren Betroffener und ihres Umfelds bereits frühe Symptome des
Herzinfarkts zu erkennen, um Verzögerungen bis zur medizinischen
Versorgung des potenziellen Infarktpatienten auf ein Minimum zu
reduzieren“, erklärt Prof. Dr. med. Frank Breuckmann, Chefarzt der
Abteilung für Kardiologie, Pneumologie, Neurologie und Internistische
Intensivmedizin an der Klinik Kitzinger Land in Kitzingen. „Neben
Herzpatienten schult EHAC auch gesunde Menschen als potenzielle Ersthelfer
darin, die Symptome eines Herzinfarkts erkennen und bewerten zu können und
in der Lage zu sein, eine sofortige medizinische Abklärung in die Wege zu
leiten“, erklärt der Kardiologe Prof. Breuckmann. Kernbotschaften des
EHAC-Programms decken sich auch mit denen der Aufklärungsarbeit der
Deutschen Herzstiftung, beispielsweise:
-       Bei Verdacht auf Herzinfarkt sofort den Rettungsdienst mit dem
Notruf 112 rufen.
-       Niemals Zögern und warten, bis die Symptome wieder verschwinden.
-       Bei Verdacht auf Herzinfarkt zählt jede Minute („Time is Muscle“),
hier kommt es auf die sofortige medizinische Versorgung des
Infarktpatienten an.

Für eine flächendeckende Implementierung eines deutschen EHAC-Programms
mit einheitlicher Zertifizierungs- und Schulungsstruktur – etwa angedockt
an das Netzwerk von Chest Pain Units in Deutschland – sehen Prof.
Breuckmann und Prof. Rassaf zunächst medizinische Fachgesellschaften wie
die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die Deutsche
Herzstiftung als Patientenorganisation gefragt. „Ein Netzwerk speziell
geschulter Laien in Symptomatik und Risikofaktoren von KHK und Herzinfarkt
sowie die flächendeckende Schulung in Maßnahmen zur Wiederbelebung könnten
die Lage maßgeblich verbessern und zahlreiche Leben retten“, betonen die
beiden Herzspezialisten.
Eine Chest Pain Unit (CPU, „Brustschmerzambulanz“) ist eine spezialisierte
Abteilung in einem Krankenhaus, die sich auf die schnelle Diagnose und
Behandlung von Patienten mit akuten Brustschmerzen konzentriert. Die CPU
ist Anlaufstelle für alle Patientinnen und Patienten mit akuten
Brustkorbbeschwerden, sie ist rund um die Uhr geöffnet und mit allen
modernen Geräten für die Notfallversorgung ausgerüstet. „Wesentliche
Aufgabe einer CPU ist akute oder drohende Herzinfarkte zu erkennen und zu
behandeln“, erklärt Prof. Breuckmann. Insgesamt gibt es rund 360
zertifizierte CPUs in Deutschland. Infos unter <https://herzstiftung.de
/herznotfallambulanz-suche>

Diese Vorboten sollten herzkranke Menschen, Angehörige (und ihre Ärzte)
kennen
Herzkrankheiten und ihre Komplikationen können sich Tage bis Wochen vor
dem Infarkt oder Herzstillstand durch Warnzeichen bemerkbar machen. „Für
diese Warnzeichen müssen wir Betroffene mit einer Herz-Kreislauf-
Erkrankung und ihre Angehörigen oder noch weitere Personen im Umfeld wie
den Hausarzt frühzeitig noch mehr sensibilisieren“, so der Essener
Kardiologe Prof. Rassaf. Häufigste Ursache des plötzlichen Herztods sind
Durchblutungsstörungen des Herzmuskels aufgrund von Ablagerungen an den
Wänden der Herzkranzgefäße. Diese sogenannte koronare Herzkrankheit (KHK),
die bei vollständigem Verschluss eines Herzkranzgefäßes zum Herzinfarkt
führt, liegt in ca. 80 Prozent der Fälle eines plötzlichen Herztods vor
(weitere Herzkrankheiten, die zu den häufigsten Ursachen eines plötzlichen
Herztods zählen, sind Herzinsuffizienz, Herzmuskelerkrankungen
(Kardiomyopathien), Rhythmusstörungen, Herzmuskelentzündung (Myokarditis)
und Herzklappenerkrankungen.). Beim Herzinfarkt können Tage bis Wochen vor
dem Infarktereignis folgende Warnzeichen auftreten:
-       Brustschmerzen,
-       Kurzatmigkeit, Übelkeit und Erbrechen,
-       unregelmäßiger Herzschlag bzw. Herzrasen,
-       Schweißausbrüche oder vorahnende Angst.

Beim akuten Herzinfarkt sind typische Beschwerden:
-       Plötzlich einsetzende starke Schmerzen, die länger als fünf
Minuten in Ruhe anhalten und die überwiegend im Brustkorb oder häufig auch
ausschließlich hinter dem Brustbein auftreten,
-       in andere Körperteile wie Arme, Oberbauch, Rücken, Hals, Kiefer
oder Schulterblätter ausstrahlen können.
-       Ein massives Engegefühl, heftiger Druck oder ein sehr starkes
Einschnürungsgefühl im Brustkorb („Elefant auf der Brust“),
-        heftiges Brennen im Brustkorb.

Andere Herzinfarkt-Symptome können sein:
-       Kurzatmigkeit und Atemnot,
-       Schwindel oder Schwäche,
-       Kaltschweißigkeit und Herzklopfen.

Weitere Infos zu den Herzinfarkt-Warnzeichen unter
<https://herzstiftung.de/herzinfarkt-anzeichen>

Unspezifische Herzinfarkt-Symptome bei Frauen, älteren Menschen und
Diabetikern
„Nicht alle Herzinfarktpatienten erleben die gleichen Symptome“, betont
der Herzstiftungs-Experte Rassaf. Insbesondere bei Frauen, älteren
Menschen und Diabetikern könnten die Symptome anders oder unspezifisch
sein, „wie etwa Schmerzen im oberen Bauchbereich oder allgemeines
Unwohlsein“. Bei Diabetikern führt die lang bestehende Überzuckerung zur
Störung des Nervensystems und dazu, dass sie die typischen Brustschmerzen
als Folge der Durchblutungsstörung des Herzmuskels nicht spüren. „Dadurch
fehlt ihnen das entscheidende Warnzeichen für ihre lebensbedrohliche
Situation. Die Folge sind stumme Infarkte, Herzrhythmusstörungen oder
plötzlicher Herztod.“ Auch ältere Menschen verfügten nicht selten über ein
verringertes Schmerzempfinden für Herzinfarkt-Symptome. Bei Frauen kommen
Symptome wie Übelkeit und Erbrechen neben Oberbauchbeschwerden hinzu.

Beide Herzstiftungs-Experten weisen darauf hin, dass diese Symptome
einzeln für sich auch auf eine andere Ursache als Herzinfarkt hindeuten
können. „Wenn jedoch eine Kombination dieser Symptome auftritt,
insbesondere bei Menschen mit bekannten Risikofaktoren für
Herzkrankheiten, dann sollte dies Betroffene wie umgebende Personen sofort
sensibilisieren, und es sollte rasch ärztliche Hilfe aufgesucht werden.“
Bei solchem Verdacht auf Herzinfarkt ist sofort der Notruf 112 zu wählen!
(wi)

Service-Tipps zu den Herzwochen
Die Deutsche Herzstiftung informiert in den bundesweiten Herzwochen 2023
(1.-30. November) unter dem Motto „HERZKRANK? Schütze Dich vor dem
HERZSTILLSTAND!“ darüber, wie Vorbeugung, Erkennung und konsequente
Behandlung von Herzerkrankungen helfen, das Risiko auf ein Minimum zu
reduzieren, dass das Herz plötzlich stillsteht. Infos zur Kampagne mit
kostenfreien Präsenz- und Online-Veranstaltungen, Herzseminaren,
Broschüren sowie Podcasts und Video-Clips unter
https://herzstiftung.de/herzwochen und über die sozialen Medien instagram,
facebook, YouTube, Linkedin und X (Twitter).

Der Ratgeber „Herzkrank? Schütze Dich vor dem Herzstillstand!“ (158 S.)
kann kostenfrei per Tel. unter 069 955128-400 (E-Mail:
<Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>) angefordert werden. Leicht verständlich
informieren Herzexperten über die wichtigsten Ursachen des Herzstillstands
und wie Vorbeugung, Diagnose und konsequente Behandlung von
Herzerkrankungen helfen, das Risiko eines plötzlichen Herztods auf ein
Minimum zu reduzieren. Überlebende eines plötzlichen Herztods berichten
eindrücklich in Patientenportraits. Weitere Infos unter
<https://herzstiftung.de/herzwochen>

Experten-Videos und Podcasts zu Themen der Herzwochen bietet die
Herzstiftung unter:
https://herzstiftung.de/herzwochen