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Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. kritisiert, dass in Deutschland noch immer viele PatientInnen mit einer kritischen Ischämie ohne vorherige, leitliniengerechte Diagnostik und Therapie amputiert werden. Hier gil

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Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie –
Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. kritisiert, dass in Deutschland noch
immer viele PatientInnen mit einer kritischen Ischämie ohne vorherige,
leitliniengerechte Diagnostik und Therapie amputiert werden. Hier gilt es
zum Wohle der PatientInnen aufzuklären.

Eine kürzlich im European Journal of Vascular and Endovascular Surgery
veröffentlichte Studie von Makowski et al. (1) vom Universitätsklinikum
Münster zeigt anhand von ca. 40.000 ischämie-bedingten Amputationen der
AOK-Versicherten, dass etwa ein Drittel aller Amputationen auf dem Boden
einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) durchgeführt
wurden, ohne dass ein vorheriger Revaskularisationsversuch zwecks Bein-
Erhalt unternommen wurde. Bei 22% der Amputationen erfolgte noch nicht
einmal eine Bildgebung (intraarterielle DSA, CT- oder MR-Angiographie), um
zu beurteilen, ob eine Revaskularisation möglich und ggf. erfolgreich
gewesen wäre. Dieselbe Arbeitsgruppe hatte bereits 2015 eine ähnliche
Studie anhand der BARMER-Versicherten durchgeführt mit ähnlichen
alarmierenden Zahlen (2).
„Alle nationalen und internationalen Leitlinien zur Behandlung von pAVK
und kritischer Bein-Ischämie propagieren eine rasche Diagnostik - und im
Falle einer relevanten Ischämie - die Durchführung einer
Revaskularisation, sei es endovaskulär oder gefäßchirurgisch“, sagt die
Erstautorin der Studie, Dr. Lena Makowski. Warum das sehr gut evidenz-
basierte und daher in den Leitlinien empfohlene Vorgehen mit adäquater
Diagnostik und Revaskularisation vor einer Amputation nicht konsequent in
die Praxis umgesetzt wird, kann sich Prof. Dr. med. Holger Reinecke,
Direktor der Klinik für Kardiologie I: Koronare Herzkrankheit,
Herzinsuffizienz und Angiologie am Universitätsklinikum Münster, nicht
erklären. „Es ist vorstellbar, dass bei einigen Patienten eine
Revaskularisation nicht möglich oder nicht sinnvoll ist. Wir wissen aber
aus bundesweiten Registern, wie dem CRITISH-Register, dass der Anteil der
primär notwendigen Amputierten <5% beträgt. Und eine erfolgreiche
Revaskularisation kann mittlerweile in Zentren mit hoher
gefäßmedizinischer Expertise bei >95% der Betroffenen erreicht werden, wie
das RECCORD-Register (https://reccord.de/) der Deutschen Gesellschaft für
Angiologie zeigt“, sagt Reinecke.
Die Studie von Makowski et al. zeigt auch einen weiterhin bestehenden
Mangel an sekundär-präventiven Maßnahmen wie die Medikation mit
Plättchenhemmern und Statinen. Beide Substanzen senken nachweislich
kardiale Ereignisse wie Herzinfarkte und Schlaganfälle aber auch Bein-
Ereignisse wie Amputation und wiederholte Eingriffe und sind daher in den
Leitlinien mit dem höchsten Empfehlungsgrad versehen. In der aktuellen
Studie zeigt sich, dass in einem zwei-Jahres-Follow-Up nach ischämisch
bedingter Amputation knapp die Hälfte kein Statin und ca. 30% keinen
Plättchenhemmer erhielten. „Dies zeigt eine dramatische Unterversorgung
der pAVK-PatientInnen, welche zum Teil die schlechte Prognose erklären
können. Hier besteht weiterhin ein dringlicher Aufklärungs- und
verbesserungsbedarf“, schlussfolgert Dr. Makowski.