Wie emotionale Unterstützung Schmerzen reduzieren kann
Schmerzen hat man nicht allein. Das soziale Umfeld hat einen Einfluss
darauf, wie Betroffene Schmerzen wahrnehmen und erleben. So kann eine
soziale Unterstützung das Wohlbefinden von Menschen mit chronischen
Schmerzen verbessern. Sind Angehörige und Freunde jedoch übermäßig
besorgt, wirkt sich dies negativ auf das Schmerzerleben aus und verstärkt
damit die Beeinträchtigungen. „Soziale Aspekte von Schmerz und
Schmerztherapie“ ist eines der Schwerpunktthemen des diesjährigen
Schmerzkongresses der Deutschen Schmerzgesellschaft und der DMKG. Auf der
Pressekonferenz am 19. Oktober 2023 werden Expertinnen und -experten
Möglichkeiten zur Verbesserung der Schmerzbewältigung und -therapie
vorstellen.
Schmerz ist ein komplexes und individuelles Phänomen, das nicht nur von
körperlichen und psychischen, sondern auch von sozialen Faktoren
beeinflusst wird. Forschungsergebnisse zeigen, dass das soziale Umfeld
eine wichtige Rolle bei der Schmerzwahrnehmung eines Menschen spielen
kann. Laut Studien trägt die Art der Interaktion der Betroffenen mit
Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten sowie mit dem
Freundeskreis oder Angehörigen entscheidend dazu bei, wie stark Schmerzen
empfunden werden (1,2). „Schmerzen und deren Bewältigung hängen stark von
der Anteilnahme ab, sei es durch die Anwesenheit vertrauter Personen oder
durch einfache Gesten wie das Halten einer Hand“, erklärt Dr. Judith
Kappesser, Psychologin an der Universität Gießen.
Obwohl das biopsychosoziale Modell von Schmerz weitgehend anerkannt ist
und die Definition der International Association for the Study of Pain von
2020 den Einfluss sozialer Faktoren betont, wurden soziale Faktoren bisher
nicht ausreichend erforscht. „Das ist aus wissenschaftlicher und
klinischer Perspektive erstaunlich, da das Schmerzerleben in einem
sozialen Kontext stattfindet und die soziale Umgebung maßgeblich
beeinflusst, wem gegenüber wir mit welchen Verhaltensweisen ausdrücken,
dass wir Schmerzen haben“, so Kappesser.
„Das Vorhandensein unterstützender Beziehungen kann Schmerzen subjektiv
weniger intensiv erscheinen lassen, da emotionale Unterstützung Stress und
Angst reduzieren kann. Umgekehrt kann soziale Isolation Schmerzen
verstärken, da Einsamkeit die psychische Belastung erhöhen kann – wie wir
es während der Corona-Pandemie vielfach erlebt haben“, sagt auch Professor
Dr. Thomas Fischer, Präsident des diesjährigen Schmerzkongresses, der die
sozialen Aspekte von Schmerz und Schmerztherapie zu einem Schwerpunktthema
gemacht hat. Während eine positive Unterstützung das Wohlbefinden der
Betroffenen verbessern könne, wirke sich eine übermäßige Besorgnis der
Angehörigen negativ auf das Schmerzerleben aus. (3)
In einer Studie wurde beobachtet, dass allergische Hautreaktionen am
stärksten zurückgingen, wenn Ärztinnen und Ärzte nicht nur fachliche
Kompetenz zeigten, sondern auch empathisch handelten. Dazu gehörten Gesten
wie die Betroffenen mit Namen anzusprechen, sich neben sie zu setzen,
Blickkontakt zu halten und aufmunternd zu lächeln (4).
Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse die zentrale Bedeutung des
sozialen Kontextes für die Wahrnehmung von Schmerzen und deren Behandlung.
„Der soziale Kontext ist ein entscheidender Faktor im gesamten
Heilungsprozess“, sagt Kappesser abschließend (5).
Literatur:
(1) Krahé, C., Springer, A., Weinman, J. A. & Fotopoulou (2013). The
social modulation of pain: others as predictive signals of salience – a
systematic review. Frontiers in Human Neuroscience, 7, 386. doi:
10.3389/fnhum.2013.00386
(2) Hillmer, K., Kappesser, J. & Hermann, C. (2021). Pain modulation
by your partner: an experimental investigation from a social-affective
perspective. PLoS ONE, 16, e0254069. doi: 10.1371/journal.pone.0254069
(3) Nicholas, M. K. (2022). The biopsychosocial model of pain 40 years
on: time for a reappraisal? Pain, 163, S3-S14. doi:
10.1097/j.pain.000000000000265
(4) Howe, L. C., Leibowith, K. A. & Crum, A. J. (2017). When your
doctor “Gets It” and “Gets You”: the critical role of competence and
warmth in the patient-provider interaction. Frontiers in Psychiatry, 10,
475. doi: 10.3389/fpsyt.2019.00475
(5) Wampold, B. E. (2021). Healing in a social context: the importance
of clinician and patient relationship. Frontiers in Pain Research, 2,
684768. doi: 10.3389/fpain.2021.684768
Bei Abdruck Beleg erbeten.
Terminhinweis:
Hybrid-Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses
(18. bis 21. Oktober 2023) der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. und der
Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG)
„Im Team Grenzen überwinden“
Termin: Donnerstag, 19. Oktober 2023, 11.15 bis 12.15 Uhr,
Bruno-Schmitz-Saal, Congress Center Rosengarten Mannheim
Online-Anmeldung:
https://us06web.zoom.us/webina
Anmeldung in Präsenz: schoeffmann@medizinkommunikati
Vorläufige Themen und Referierende:
Der Schmerzkongress 2023 – Highlights und Sitzungsempfehlungen
Professor Dr. rer. cur. Thomas Fischer, Professor für
Pflegewissenschaften, Evangelische Hochschule Dresden und
Privatdozent Dr. med. Lars Neeb, Facharzt für Neurologie, Helios Global
Health Berlin
Kongresspräsidenten des Deutschen Schmerzkongresses 2023
Ein Mann kennt keinen Schmerz – eine Frau umso mehr? Welche
geschlechtsspezifischen Klischees und Aspekte haben Einfluss auf die
Schmerztherapie?
Dr. med. Bianca Raffaelli, Fachärztin für Neurologie, Charité
Universitätsmedizin Berlin, und Mitglied Junge DMKG und
Dr. med. Daniela Rosenberger, Assistenzärztin der Anästhesie,
Universitätsklinikum Münster und Mitglied Junge Schmerzgesellschaft
Ständig (Kopf-)Schmerzen? Wie können VR-Brillen, Smartphone-Apps und
andere digitale Anwendungen helfen?
Professor Dr. Axel Schäfer, Professor für Therapieforschung und
Physiotherapeut, Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst
Hildesheim
Schmerzen hat man nicht alleine – wie das soziale Umfeld das
Schmerzerleben beeinflusst und was Partner, Freunde und Kollegen tun
können
Dr. Judith Kappesser, Psychologische Psychotherapeutin und Spezielle
Schmerzpsychotherapeutin, Justus-Liebig-Universität Gießen
Krankenhausreform: die Zukunft der Schmerztherapie bestmöglich gestalten –
was es jetzt dafür braucht
Professor Dr. med. Frank Petzke, Facharzt für Anästhesiologie, Spezieller
Schmerztherapeut, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin
Göttingen und Designierter Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft
Moderation: Katharina Weber, Thieme Communications