Baustoff Lehm erspart Klimatechnik
Naturmaterialien für erschwinglichen Mietwohnungsbau
Berlin/Darmstadt. Natürliche Baustoffe helfen, den Mietwohnungsbau
erschwinglich zu gestalten und den Treibhausgasausstoß zu verringern: Ein
durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes
Forschungsprojekt zeigt, dass sich Betriebs- und Instandhaltungskosten
verringern lassen, indem durch klimaregulierende Baustoffe wie Holz und
Lehm sowie durch kluge Planung aufwändige Gebäudetechnik verzichtbar wird.
Wie viel Potenzial im Baustoff Lehm steckt, beweist Europas größter
Lehmbau in Darmstadt, der ebenfalls mit DBU-Unterstützung entstanden ist.
Natürliche Baustoffe: Potenziale für energieeffizientes Wohnen und
Kreislaufwirtschaft
Seit Jahren steigen die Baukosten. Laut Arbeitsgemeinschaft für
zeitgemäßes Bauen ist die stärkste Kostenentwicklung im Bereich der
Bauwerkskosten seit dem Jahr 2000 im technischen Ausbau festzustellen,
unter anderem durch die Anforderungen zu mehr Energieeffizienz. „In Zeiten
der Klimakrise muss energieeffizientes Bauen und Wohnen schnell
vorangebracht werden“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Doch
Lüftungs- und Klimatechnik seien kostenintensiv. Erstmals zeigt nach
Bondes Worten ein DBU-gefördertes Projekt, dass bei Einsatz natürlicher
Baustoffe diese Technik reduziert werden kann. „Holz und Lehm puffern
Feuchtigkeit. Zusammen mit intelligenter Haustechnikplanung lässt sich mit
solchen nachhaltigen Materialien ein gutes Raumklima in Gebäuden
unterstützen“, so der DBU-Generalsekretär. Dadurch könne an Klimatechnik
gespart werden. Zudem bieten diese Baustoffe laut Bonde „hervorragende
Möglichkeiten für kreislaufgerechtes Bauen. Bauelemente und Baustoffe wie
Holz und Lehm lassen sich gut wieder- oder weiterverwenden. Das schont
Ressourcen.“ Allein im Jahr 2018 fielen laut Umweltbundesamt aus Bauschutt
und Straßenaufbruch 73,9 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an.
Lehmputzbeschichtung reguliert Raumluft und erspart Reparatur- und
Wartungskosten
Das Institut für Architektur an der TU Berlin forscht schwerpunktmäßig an
sogenannten Low-Tech-Gebäuden. Institutsleiter Prof. Eike Roswag-Klinge
sieht neben der Kostensteigerung ein weiteres Problem der zunehmenden
Technisierung: „Je komplexer die Technik, desto größer ist das
Fehlerrisiko bei der Nutzung.“ Die vergangenen Jahre zeigen nach seinen
Worten, dass die angestrebten Energieeinsparungen im Mietwohnungsbau noch
nicht erreicht werden. Roswag-Klinge: „Die mechanischen Lüftungsanlagen
führen regelmäßig zu sehr trockener Raumluft im Winter.“ Die Folgen: Die
Bewohner stellen die Fenster auf Kipplüftung, um die gefühlt schlechte
Luftqualität zu verbessern. „Das steigert den Energiebedarf und zugleich
die Nebenkosten“, so Roswag-Klinge. Zudem müssten technische Anlagen
gewartet, repariert und relativ oft ausgetauscht werden. Im Vorhaben wurde
erstmals durch Computer-Simulationen nachgewiesen, „dass energieeffiziente
Nutzung auch ohne kostenintensive Klima- und Gebäudetechnik möglich und so
der Mietwohnungsbau erschwinglicher ist“, so Roswag-Klinge. „Denn sowohl
Holz- als auch Ziegelkonstruktionen können mit einer Lehmputzbeschichtung
Raumluftfeuchte und Wärme entsprechend gut aufnehmen und wieder abgeben.“
Kombiniert mit kurzen Stoßlüftungen über die Fenster morgens und abends
könne zudem eine Schimmelbildung sicher ausgeschlossen werden.
Geringerer Treibhausgasausstoß im Bausektor durch Holz, Ziegel und Lehm
Zusätzlich wurde anhand von konzeptionell entwickelten Vergleichshäusern
gezeigt, dass der Bau mit natürlichen Materialien wie Holz, Ziegel und
Lehm den Treibhausgasausstoß im Vergleich zum Wohnungsbaugesellschaft-
Typenhaus aus Beton und Stahl deutlich verringert. „Beim Einsatz von Holz
wird das Haus zum Kohlenstoff-Speicher, der schon während des
Baumwachstums entsteht“, sagt Sabine Djahanschah, Leiterin des DBU-
Referats Zukunftsfähiges Bauwesen. „Beim Typenhaus aus Holz lässt sich
deshalb im Vergleich zur Bauweise mit Beton und Stahl 160 Kilogramm
Kohlendioxid (CO2) pro Quadratmeter einsparen.“ Laut der Statistik-Online-
Plattform Statista betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in
Deutschland im Jahr 2021 rund 92,1 Quadratmeter. Ein Holzbau dieser Größe
würde verglichen zur Bauweise mit Beton und Stahl etwa 14,7 Tonnen
Kohlendioxid einsparen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Pro-Kopf-
CO2-Fußabdruck in Deutschland beträgt laut Bundesumweltministerium 10,5
Tonnen CO2 pro Jahr. „Das Potenzial natürlicher Baustoffe ist enorm“, so
Bonde. „Passt sich der Bausektor schnell an, kann er erheblich zum
Erreichen der nationalen Klimaziele beitragen.“ In einem von der DBU
geförderten Folgeprojekt wird das Institut Architektur der TU Berlin die
Typenhäuser in Holz-Lehm- und Ziegel-Holz-Bauweise bei der Errichtung
begleiten.
Europas größter Lehmbau steht in Darmstadt
Ein bereits errichtetes und in der Konzeption von der DBU gefördertes
Gebäude zeigt, dass Lehm ein echtes Multitalent für nachhaltiges und
modernes Bauen ist. „Beim Geschäftsgebäude der Firma Alnatura in Darmstadt
wurden erstmalig zwölf Meter hohe Bauteile aus sogenanntem Stampflehm
verwendet, in denen eine Dämmebene aus recyceltem Schaumglasschotter
integriert ist“, so Djahanschah. „Während dadurch zum einen zeitgemäße
Dämmwerte erreicht werden, verbessern die innenliegenden Oberflächen
zugleich das Raumklima.“ Das Gebäude – Europas größter Lehmbau –
funktioniere mit maximal natürlicher Belüftung sowie optimiertem
Innenraumkomfort mit geringem Energieverbrauch. Die Fördersumme der
Deutschen Bundesstiftung Umwelt beträgt für alle dargestellten Projekte
insgesamt mehr als 1,1 Millionen Euro.