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Hilfe beim Umgang mit Geschlechternormen in den Sozialen Medien

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In den Sozialen Medien tauschen sich Jugendliche mit Freund*innen aus,
konsumieren Inhalte und setzen sich selbst mit Bildern oder Videos in
Szene. Die Darstellung der eigenen Geschlechtsidentität kann dabei
allerdings zum Ziel von Hasskommentaren und Drohungen werden.
Gleichermaßen können betroffene Jugendliche in Sozialen Medien aber auch
Unterstützung finden. Damit Fachkräfte der Offenen Kinder- und
Jugendarbeit junge Menschen besser unterstützen können, hat die TH Köln
gemeinsam mit der Universität zu Köln und der Pädagogischen Hochschule
Zürich ein Handlungskonzept für die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen
erarbeitet. Dieses ist ab sofort frei verfügbar.

„Jugendliche greifen in ihren geschlechtlichen und sexuellen
Orientierungsprozessen häufig auf Soziale Medien zurück. Dort finden sie
Beispiele, wie sie sich präsentieren können, suchen sich teils Vorbilder
und entwickeln eigene Inszenierungsweisen. Weichen sie dabei von
Stereotypen ab, also von vorherrschenden, recht starren
Geschlechterbildern, kann dies zu feindseligen und diskriminierenden
Kommentaren führen. Wir haben daher untersucht, welche Erfahrungen junge
Menschen machen und wie die pädagogische Arbeit mit Sozialen Medien sie
stärken und das Empowerment, also die Selbstermächtigung, fördern kann“,
sagt Prof. Dr. Angela Tillmann vom Institut für Medienforschung und
Medienpädagogik der TH Köln.

Pädagogische Ansatzpunkte geben Orientierung

Das Team analysierte zunächst empirisch die Grundeinstellungen,
Wahrnehmungen, Orientierungen und Motivationen von Jugendlichen in Bezug
auf Gender, Soziale Medien und deren Nutzung. Anschließend wurden die
Ergebnisse in Workshops gemeinsam mit Jugendlichen und Fachkräften aus
drei Kölner Einrichtungen diskutiert und in ein Handlungskonzept
überführt. Dieses gibt Empfehlungen für einen produktiven Umgang mit
heteronormativen Geschlechterbildern und -erwartungen sowie Möglichkeiten
der Darstellung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.

Das Handlungskonzept gibt Fachkräften der Offenen Kinder- und Jugendarbeit
einen Überblick darüber, wie Jugendliche Soziale Medien nutzen und welche
Bedeutung geschlechtliche und sexuelle Vielfalt für Jugendliche hat.
Darüber hinaus werden pädagogische Ansatzpunkte vorgestellt, zum Beispiel
zu den Themen Orientierung und Vernetzung, Selbstdarstellung und
Identitätsarbeit, Hate Speech und Diskriminierungserfahrungen,
sexualisierte Gewalt und Grenzverletzungen sowie Dating und Flirten in den
Sozialen Medien. Ergänzt werden diese Empfehlungen durch weiterführende
Links zu Projekten, Methoden, Fort- und Weiterbildungen, Konzepten,
Broschüren und Social-Media-Kanälen, die sich mit dem Thema Geschlecht und
Soziale Medien befassen.

Hate Speech mit Austausch und Aufklärung begegnen

„Im Bereich Hate Speech empfehlen wir beispielsweise, diese zunächst als
gesellschaftliches Problem zu benennen. Den Jugendlichen soll dadurch
aufgezeigt werden, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine sind und
dass es sich bei Hate Speech nicht um ein individuelles Phänomen oder die
Meinung von Einzelpersonen handelt, sondern um eine Diskriminierungsform“,
sagt Dr. Raik Roth, wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in am Institut für
Medienforschung und Medienpädagogik. In einem weiteren Schritt schlägt das
Handlungskonzept den Austausch mit anderen Betroffenen vor, um daraus
Umgangsweisen zu entwickeln. Zudem weist es auf Möglichkeiten der
Rechtsschutzberatung hin.

„Grundsätzlich geht es darum, Soziale Medien als Teil der Lebensrealitäten
junger Menschen anzuerkennen und den Blick nicht nur auf Risiken, sondern
auch auf die Potenziale von Sozialen Medien zu richten“, so Roth.
Insbesondere Jugendliche, die von Diskriminierungen betroffen seien,
könnten in Sozialen Medien auch Inhalte und Wissen zu geschlechtlicher und
sexueller Vielfalt sowie einen Raum für Austausch und gegenseitige
Unterstützung finden. Dies gelte es ebenfalls in der pädagogischen Arbeit
zu nutzen.

Fachkräfte benötigen institutionelle Unterstützung

„Fachkräfte schauen oftmals kritisch auf Soziale Medien und betonen die
Risiken – auch weil ihnen das Wissen zur Einordnung fehlt. Mit unserem
Konzept wollen wir erste grundlegende Informationen und Impulse für die
Praxis geben. Wir möchten Fachkräfte ausdrücklich dazu ermutigen, sich mit
dem Thema auseinanderzusetzen und ihnen zeigen, dass es dazu zunächst
keiner großen Schritte bedarf“, erklärt Roth. Mit den weiterführenden
Links und Ideen biete das Konzept zudem eine erste Basis für eine
vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema.

Neben den Fachkräften seien aber auch die Träger in der Verantwortung, so
Roth weiter: „Fort- und Weiterbildungen, aber auch die Entwicklung neuer
Ideen für die Praxis kosten Mut und Zeit. Deshalb braucht es eine
institutionelle Unterstützung, die zeitliche Freiräume eröffnet und
Orientierung in ethischen und datenschutzrechtlichen Fragen gibt.“ Ein
weiterer Baustein sei die digitale Infrastruktur, die in vielen
Einrichtungen noch ausgebaut werden müsse.

Über das Projekt

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Decoding Gender in Social Media:
Entwicklung eines geschlechterreflektierenden Handlungskonzepts in der
Jugendarbeit“ wurde vom Institut für Medienforschung und Medienpädagogik
der TH Köln, der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln
und der Pädagogischen Hochschule Zürich durchgeführt. Die
RheinEnergieStiftung Jugend/Beruf, Wissenschaft hat das Projekt im Rahmen
des Schwerpunktthemas „Gesellschaft und digitale Transformation“ über
einen Zeitraum von zwei Jahren gefördert.

Link zum Handlungskonzept: <https://doi.org/10.57683/EPUB-2257>

Die TH Köln zählt zu den innovativsten Hochschulen für Angewandte
Wissenschaften. Sie bietet Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland ein inspirierendes Lern-,
Arbeits- und Forschungsumfeld in den Sozial-, Kultur-, Gesellschafts-,
Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zurzeit sind rund 25.000 Studierende
in etwa 100 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die TH Köln
gestaltet Soziale Innovation – mit diesem Anspruch begegnen wir den
Herausforderungen der Gesellschaft. Unser interdisziplinäres Denken und
Handeln, unsere regionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten
machen uns in vielen Bereichen zur geschätzten Kooperationspartnerin und
Wegbereiterin.