Baustoffe im Kreislauf halten DBU-Online-Salon zur nachhaltigen Neuorientierung der Bauwirtschaft
Angesichts knapper Rohstoffe, gestiegener Materialkosten und
einer hohen Umweltrelevanz ist die Zeit reif für eine Ressourcenwende in
der Bauwirtschaft. Große Chancen für eine Neuorientierung bietet die
Circular Economy, eine umfassende Kreislaufwirtschaft, bei der
beispielsweise schon vor dem Einsatz von Baustoffen überlegt wird, wie sie
am Ende hochwertig wiederverwendet werden. Ob und wie dem Bausektor ein
solcher Richtungswechsel in eine nachhaltige Zukunft gelingen kann,
diskutiert nächsten Dienstag (21.9.) die Deutsche Bundesstiftung Umwelt
(DBU) mit Fachleuten aus Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer
Reihe DBUdigital. Der Titel des Online-Salons von 14 bis 16 Uhr: „Circular
Economy in der Bauwirtschaft – Vision und Praxis“. Wer will, ist live
dabei: www.dbu.de/@OnlineSalonBauwirt
Sorgsamerer Umgang mit den endlichen Ressourcen der Erde durch Circular
Economy
Der Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde „ist eine
Schlüsselfrage für die Menschheit“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander
Bonde. „Egal ob Energie, Fläche oder Rohstoffe – schon jetzt nutzen wir
mehr als für einen lebenswerten Planeten tragbar ist.“ Das lineare
Geschäftsmuster des Bauwesens – vom Abbau der Rohstoffe über Bau und
Nutzung von Gebäuden bis zum minderwertigen Recyceln im Straßenbau oder
Entsorgen auf der Deponie – sei zwar symptomatisch für viele
Wirtschaftsbranchen. Erforderlich sei aber ein Umdenken. Bonde: „Eine
echte Kreislaufwirtschaft, bei der Wertstoffe so lange wie möglich
aufgearbeitet und hochwertig recycelt werden, hätte einen sorgsameren
Umgang mit den endlichen Ressourcen der Erde zur Folge.“
Bau- und Abbruchabfälle machen mehr als die Hälfte des gesamten
Abfallaufkommens aus
Allein in Deutschland werden nach Angaben des Umweltbundesamtes pro Jahr
mehr als 500 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen und verbaut,
darunter Sand, Kies, gebrochene Natursteine, Kalkstein und Gips. Auch der
jährliche Einsatz an Baustahl in Höhe von 5,5 Millionen Tonnen und Zement
mit 33,7 Millionen Tonnen ist erheblich. Gleichzeitig fallen nach Angaben
des Statistischen Bundesamtes jährlich 230,9 Millionen Tonnen Bau- und
Abbruchabfälle an – mehr als die Hälfte des gesamten deutschen
Abfallaufkommens. Zwar werden von den Bau- und Abbruchabfällen statistisch
gesehen 88 Prozent recycelt, jedoch finden etwa Boden und Steine oft nur
als Auffüllmaterial im Straßen- und Tiefbau Verwendung. Eine echte
Kreislaufwirtschaft würde eine qualitativ gleichwertige Wiederverwendung
in der Produktion bedeuten. Hinzu kommt: Bestehende Gebäude weiter zu
nutzen und zu sanieren ist nach Bondes Worten „die effizienteste Art,
Ressourcen zu schonen“. Die Steigerung der Sanierungsrate werde momentan
vor allem noch unter Gesichtspunkten der Energieeffizienz angestrebt.
Dabei werde häufig vergessen, „dass auch der Materialbedarf einer
Sanierung um bis zu zwei Drittel geringer ist als der eines Neubaus“.
Aus alt mach neu: Neubau der Stadtwerke Neustadt in Holstein
Prof. Ingo Lütkemeyer, Geschäftsführer der „IBUS Architektengesellschaft“
sowie Dozent an der Hochschule Bremen, ist am 21. September live beim DBU-
Online-Salon zu Gast und sieht ebenfalls „großes Potenzial in einer
Bauwende“. Als verantwortlicher Architekt und Leiter eines DBU-geförderten
Projekts begleitete er den Neubau der Stadtwerke Neustadt in Holstein.
Neben eingebautem Holz wurden nach Lütkemeyers Worten „gebrauchte Glas-
Trennwandelemente und Fliesen verwendet, ein Teppichboden aus
Recyclingmaterial eingesetzt und Möbel wiederverwendet“. Die
Herausforderung beginne bei der Planung. „Für die drei neuen Gebäude haben
wir alle Bauteile unter dem Aspekt der Wiederverwendung und
Ressourcenschonung untersucht“, sagt der Architekt. Die Besonderheit: Ein
recyclinggerechter Rückbau ist durch die demontierbare Gesamtkonstruktion
von vornherein in den Planungen berücksichtigt worden. Neben dieser
Konzeption im Sinne einer Circular Economy überzeugt der Komplex
Lütkemeyer zufolge überdies mit seiner Energiebilanz: „Durch einen Mix an
Wärmerückgewinnung, Photovoltaikmodulen, Mini-Blockheizkraftwerk, Sole-
Wasser-Wärmepumpe, guter Dämmung und einigem mehr wird unter dem Strich
mehr Energie produziert als verbraucht.“
Gebäude-Stoffpass regelt nachhaltiges Stoffstrommanagement
Wie ein Wiederverwenden von Materialien in Neu- und Altbau mittels eines
Gebäude-Stoffpasses gelingen kann, erklärt im Online-Salon Architekt
Stephan Ott, Wissenschaftler an der Technischen Universität München:
„Damit Gebäude und ganze Bauteile möglichst hochwertig weitergenutzt
werden können, müssen eine gute Identifizierbarkeit, eine einfache
Trennbarkeit und eine Schadstoffunbedenklichkeit der enthaltenen Stoffe
gewährleistet sein.“ Neben den genannten Beispielen fördert die DBU seit
Langem Forschungsprojekte und innovative Modellvorhaben zur Energie- und
Ressourceneffizienz im Bausektor. Im Online-Salon der Deutschen
Bundesstiftung Umwelt referieren darüber hinaus Annette von Hagel,
geschäftsführende Vorständin der re!source-Stiftung, und Dr. Patrick
Bergmann, Geschäftsführer der Firma Madaster Germany. Eine Diskussion mit
den Teilnehmenden schließt sich an.