Neue Perspektiven auf das Einfamilienhaus

Architekturstudent*innen der TU Berlin präsentieren in einer Ausstellung
zukunftsfähige Entwürfe zur Neugestaltung und Umnutzung von
Einfamilienhausgebieten
Das Fachgebiet Architektur der Transformation präsentiert im Rahmen einer
neuen Ausstellung zukunftsfähige Entwürfe zur Neugestaltung und Umnutzung
von Einfamilienhausgebieten. Unter dem Titel „CO-MAKABI Praktiken des
Teilens im Einfamilienhaus“ zeigen Masterstudent*innen unter der Leitung
von Fachgebietsleiterin Prof. Nanni Grau, wie bestehende Wohnstrukturen
sozial, ökologisch und räumlich weiterentwickelt werden können.
Das Einfamilienhaus ist die populärste Wohnform in Deutschland – 53 % der
Menschen wünschen sich, in einem Einfamilienhaus zu leben. Gleichzeitig
ist es auch die häufigste Wohnform: Mehr als 16 Millionen
Einfamilienhäuser machen etwa die Hälfte des gesamten Wohnungsbestandes
aus. Trotz einer durchschnittlichen Belegung von nur 1,8 Personen pro Haus
steigt die Häuserzahl kontinuierlich – in den letzten 20 Jahren um etwa
100.000 pro Jahr.
Doch die Wohnform des Einfamilienhauses steht zunehmend in der Kritik.
Angesichts der Klimakrise, des Wohnraummangels und diverser Lebensentwürfe
werden der hohe Material-, Energie- und Flächenverbrauch sowie die
unflexiblen Raum- und Eigentumsstrukturen hinterfragt. Vor diesem
Hintergrund sieht das Masterstudio Co-MaKaBi der TU Berlin die Zukunft des
Einfamilienhauses nicht im Neubau, sondern im Teilen und Transformieren
des Bestehenden.
Zusammenarbeit mit den Bewohner*innen
In den Berliner Bezirken Mahlsdorf, Kaulsdorf und Biesdorf (MaKaBi), dem
größten deutschen Einfamilienhausgebiet, haben die Student*innen zunächst
die Qualitäten des Gebäudebestandes und alltägliche Praktiken des Teilens
untersucht. In Zusammenarbeit mit den Bewohner*innen wurden neue,
erweiterte Modelle des Zusammenlebens entwickelt, die auf gemeinsamen
Nutzungen und räumlicher Flexibilität basieren. Ziel ist es, neue
Bodenversiegelungen zu vermeiden und energetische Sanierungskonzepte mit
robusten, anpassungsfähigen räumlichen Lösungen zu verbinden. Zudem werden
Alternativen zu privaten Eigentumsmodellen vorgeschlagen, einschließlich
neuer Finanzierungsformen.
Die Student*innen gingen dabei sensibel vor und entwickelten Strategien,
um Gehör bei den Anwohner*innen zu finden. Während einige Projekte durch
persönliche Kontakte und die Unterstützung mit Grundrissen profitieren
konnten, stieß die Idee bei anderen auf Desinteresse. Besonders ältere
Menschen zeigten dabei eine größere Offenheit gegenüber den vorgestellten
Konzepten.
Entwürfe für eine nachhaltige Zukunft
Eines der Projekte, „Mehr-Als-Familienhäuser", untersucht die Straße als
kollektiven Raum und hinterfragt die traditionellen Grenzen zwischen
privatem und öffentlichem Raum. Durch gezielte Interventionen wie die
Umnutzung von Garagen für nachbarschaftliche Zwecke und die Integration
von Balkonen werden neue Begegnungszonen geschaffen. Die Straße wird so
schrittweise zu einem lebendigen Zentrum für die Gemeinschaft.
Mit dem Entwurf „Das Haus im Grünen!" wird die Biodiversität in suburbanen
Gebieten in den Mittelpunkt gestellt. Architektur und Natur verschmelzen:
Durch gezielte bauliche Maßnahmen wie die Öffnung von versiegelten Flächen
und das Schaffen von naturnahen Lebensräumen entsteht eine enge Verbindung
zwischen Wohnraum und Garten, wodurch Mensch und Natur nachhaltig
profitieren.
Kollektive Ansätze für gemeinschaftliches Wohnen
Ein weiteres Beispiel ist der Entwurf „Nabel", der ungenutzte Restflächen
an den Schnittpunkten von bis zu sechs Parzellen in gemeinschaftliche
Räume transformiert. Durch die Neugestaltung der Grundstücksgrenzen
entsteht eine zentrale Gemeinschaftsfläche, die genossenschaftlich
organisiert wird. Hier entstehen multifunktionale Orte wie
gemeinschaftliche Küchen, Co-Working-Spaces oder Wellnessbereiche.
Die „Wohnwerkstatt e.V." erforscht, wie das Einfamilienhaus schrittweise
und bedarfsgerecht transformiert werden kann. Dabei stehen soziale und
finanzielle Nachhaltigkeit im Vordergrund. Die vorgeschlagenen Maßnahmen
reichen von barrierefreien Umbauten bis hin zur Nachverdichtung durch
Aufstockungen und werden in Kooperation mit einem Verein realisiert.
Verglichen mit dem Neubau erfordert eine Transformationspraxis des
Einfamilienhausbestands ein verändertes Instrumentarium an Werkzeugen,
Ideen und Wissen, das im Rahmen der Ausstellung geteilt wird.
„Einfamilienhäuser für alle!" geht als Umbau-Laboratorium der Frage nach:
Wie können bestehende Einfamilienhaussiedlungen zum Modellraum einer
neuen, dringend notwendigen Umbaupraxis und damit auch zum Gegenstand
einer kritischen architektonischen Diskussion und Praxis werden?
Veranstaltungsdetails:
Ort: Architektur Galerie Berlin
Karl-Marx-Allee 96, 10243 Berlin/Germany
Ausstellung: 21. Februar – 21. März 2025
Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag, 14:00 – 19:00 Uhr, Samstag, 12:00 –
18:00 Uhr