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Wie Berlin klimaneutral werden kann: Studie empfiehlt über 50 Maßnahmen und fordert mehr Verbindlichkeit

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► Für Berlins Klimaziele sind rasche Senkungen der Emissionen in den
zwanziger Jahren entscheidend

► Forschende wenden restriktionsbasierten Szenarioansatz an, um
Hindernisse auf dem Weg zur Klimaneutralität besser aufzuzeigen

► Studienleiter Prof. Bernd Hirschl (IÖW): „Um emissionsfrei zu werden,
braucht es endlich Entschlossenheit und Aufbruchsstimmung in allen
Sektoren.“

Berlin, 14. September 2021 – Seit dem Jahr 2015 gibt das Pariser
Klimaabkommen die Marschroute beim Klimaschutz vor. Um möglichst das
1,5°-Ziel zu erreichen oder mindestens deutlich unterhalb von 2° zu
bleiben, müssen nicht nur der Bund, sondern auch alle Länder und Kommunen
ihre Klimaschutzziele deutlich verschärfen. In der neuen Studie „Berlin
Paris-konform machen“ im Auftrag des Senats von Berlin zeigt das Institut
für ökologische Wirtschaftsforschung gemeinsam mit Partnern, dass das Land
Berlin noch nicht auf dem Zielpfad ist. Daher empfiehlt die Studie dem
Land, in den fünf Sektoren Energieversorgung, Gebäude, Verkehr, Wirtschaft
und Konsum nun zusätzliche und verschärfte Maßnahmen für die
Klimaneutralität verbindlich festzusetzen.

„Berlin muss die Verbindlichkeit erhöhen und die Steuerung verbessern: Das
Land braucht eine neue Klima-Governance, die das Ziel der Klimaneutralität
in allen Sektoren und Ressorts hoch priorisiert und Probleme aktiv
beseitigt“, sagt Energieexperte und Studienleiter Professor Bernd Hirschl
vom IÖW. „Um emissionsfrei zu werden, braucht es endlich Entschlossenheit
und Aufbruchsstimmung in allen Sektoren. Ambitionierte Sektorziele und die
Einführung eines Klimasenats sind wichtige Bausteine. Zudem sollten
Stakeholder sowie Bürgerinnen und Bürger mehr beteiligt werden, denn neben
technischen Fortschritten brauchen wir auch soziale Innovationen. In
unserer Studie empfehlen wir für alle Handlungsfelder insgesamt über 50
Maßnahmen, die nun sehr schnell und konsequent angegangen werden müssen.“

Klimaschutz: Die zwanziger Jahre sind entscheidend

Die Studie zeigt, dass ein „Weiter so“ Berlin nicht auf einen Pfad zur
Klimaneutralität führt. Die CO2-Emissionen der letzten Jahre gehen
langsamer zurück, bei den Gebäuden stagnieren sie und beim Verkehr steigen
sie sogar an. Einzig im Energiesektor konnten sie überproportional
reduziert werden, dank des begonnenen Kohleausstiegs auf Berliner wie auf
Bundesebene. Ernüchternd bleibt aber der mit 92 Prozent enorm hohe Anteil
der fossilen Energieträger an der Primärenergiebilanz auch im Jahr 2020 –
bundesweit liegt der Anteil hier bereits bei 83 Prozent. Um die Pariser
Klimaschutzziele zu erreichen, müssen insbesondere im nächsten Jahrzehnt
die Emissionen sehr stark gesenkt werden. Nur dann ist es möglich,
langfristig den Primärenergieverbrauch fast zu halbieren und die
Emissionen bei Strom und Wärme auf null zu senken.

Neue Szenarien: Fokus auf Restriktionen und deren Überwindung

Wie schnell kann Berlin klimaneutral werden? Realistisch und plausibel?
Dies hat die Studie in mehreren Szenarien untersucht. Während viele andere
Studien überwiegend theoretische oder technisch erforderliche Zielwerte
ermitteln, ohne sich ausreichend um deren Erreichbarkeit und Plausibilität
zu kümmern, wurde hier in allen Handlungsfeldern der Fokus besonders auf
solche limitierenden Faktoren gelegt, die einem schnellen Erreichen der
Klimaneutralität im Wege stehen. Mit diesem restriktionsbasierten Ansatz
nehmen die Forschenden einerseits größtmögliche Ambitionen an,
andererseits berücksichtigen sie aber auch explizit wahrscheinliche
Verzögerungen. Dazu zählen viele eher langsam ablaufende „Hochlaufeffekte“
– etwa bei der energetischen Gebäudesanierung, der Verbreitung von
Geothermieanlagen oder der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff –, aber
auch Genehmigungsprozesse oder der Mangel an Fachkräften und
Verwaltungspersonal. Zudem gibt es Zielkonflikte etwa beim Denkmalschutz
oder der Sozialverträglichkeit. Da viele Hemmnisse auf Bundesebene gelöst
werden müssen, kann dies weiteren Zeitverzug bedeuten.

So werden bis 2030 aufgrund der Lebensdauer noch nicht alle Ölheizungen
ersetzt sein und auch nicht alle Verbrennerautos ausgetauscht. „Dies führt
in Summe dazu, dass Berlin bis 2030 nur rund zwei Drittel seines Wegs bis
hin zur Klimaneutralität wird gehen können – und das obwohl wir in diesem
Szenario den bundesweiten Kohleausstieg und eine weite Verbreitung
klimafreundlicher Technologien bis dahin angenommen haben“, erläutert
Bernd Hirschl. Insbesondere die Überwindung der limitierenden Faktoren,
also die Beseitigung von Hemmnissen und Zielkonflikten, muss jetzt
verstärkt auf die politische Tagesordnung, fordern die Studienautor/innen.
Das Land Berlin muss dafür alle seine Spielräume nutzen, der Bund den
geeigneten Rahmen schaffen – und zudem ist die Kooperation mit Brandenburg
zu intensivieren, etwa beim Thema der Windstromimporte oder bei der
Kreislaufwirtschaft.

Berlin frühestens Anfang der vierziger Jahre klimaneutral

Und bis wann kann Berlin nun klimaneutral sein? Dies halten die
Forschenden nach ihren Szenarioberechnungen in den vierziger Jahren
zwischen 2042 und 2048 für erreichbar. „Um wie in unserem besten Szenario
Anfang der 2040er Jahre klimaneutral werden zu können, muss sich nicht nur
Berlin mächtig ins Zeug legen. Auch der Bund muss dann bereits
klimaneutral sein und insbesondere Flächen- bzw. Partnerländer wie
Brandenburg. Dieser Zusammenhang gilt umso schärfer für jedes Jahr, das
Berlin noch früher klimaneutral werden will“, so Energieexperte Hirschl.

Über die Studie

Die Studie „Berlin Paris-konform machen“ schreibt die Vorgängerstudie
„Klimaneutrales Berlin 2050“ (2014) sowie das Gutachten zur Entwicklung
des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms (2015) fort, an denen das
IÖW bereits maßgeblich mitgewirkt hat. Das IÖW führte das Vorhaben im
Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin
gemeinsam mit mehreren Fachpartnern durch und war verantwortlich für die
Koordination sowie die Handlungsfelder Gebäude, Wirtschaft und Konsum; BLS
Energieplan verantwortete die Bilanzierung und die Energieversorgung, das
Reiner Lemoine Institut (RLI) den Verkehr, Luftbild Umwelt Planung LUP
unterstützte bei Bilanzierung und Gebäudedaten und IFOK beim
Beteiligungsprozess, in dem im Rahmen mehrerer Veranstaltungen und
Workshops Stakeholder aus allen Handlungsfeldern einbezogen wurden.

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Mehr Informationen und Downloads:

► Zur Studie: <www.ioew.de/publikation/berlin_paris_konform_machen>
► Zum Projekt: <wwww.ioew.de/berlin-paris>