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Skills Lab für Hebammen wird an der FH Bielefeld eingerichtet

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Babypuppen, Modelle von Becken und Plazentas, Säuglingsausstattung – die
innovativen Lernräume für den neuen Hebammenstudiengang an der FH
Bielefeld füllen sich. Und sind Zeichen dafür, dass wissenschaftliche
Erkenntnisse künftig noch direkter in die Ausbildung einfließen können.

Bielefeld (fhb). Die gesetzlich verankerte Verlagerung der
Hebammenausbildung an die Hochschulen bedeutet eine neue Qualität in der
Ausbildung, findet Pia Bakker: „Das Hebammenstudium ist nun endlich
wissenschaftsbasiert. Neue, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse können
sofort in die Ausbildung integriert werden. Außerdem lernen die
Studierenden wissenschaftlich zu arbeiten, Studien zu interpretieren und
die eigene Arbeit zu reflektieren.“ Pia Bakker ist ausgebildete Hebamme
und diplomierte Berufspädagogin. Als Lehrkraft für besondere Aufgaben baut
sie zurzeit gemeinsam mit ihren Kolleginnen den neuen Bachelor-Studiengang
Hebammenwissenschaft an der FH Bielefeld auf.

Skills Lab bildet die reale Arbeitsumgebung nach

Die Nähe zur Wissenschaft prägt nicht nur den theoretischen Teil der
Ausbildung, sondern auch den fachpraktischen. Denn: Bevor die Studierenden
in die Praxis gehen, sammeln sie Praktische Erfahrungen an der FH
Bielefeld im sogenannten Skills Lab. Dort können verschiedene
Arbeitsumgebungen wie ein Kreißsaal, eine Hebammenpraxis oder auch ein
Wohnzimmer (für Hausbesuche) realitätsnah nachgebildet werden, inklusive
aller Hilfsmittel. Der erste Teil der Ausstattung ist in diesen Tagen
angeliefert worden.

Vermittlung der anatomischen Gegebenheiten

Große und kleine Pappkartons stapeln sich in einem hellen Raum im
Hauptgebäude auf dem Campus Bielefeld. Gemeinsam mit Marina Müller,
zuständig für die Administration rund um die Bestellung des Equipments,
öffnet Pia Bakker die erste Kiste und packt ein Becken-Modell aus. Es ist
hart und von Muskel-Strängen umgeben, die aus Gummi nachgebildet sind.
„Das brauchen wir für den anatomischen Unterricht“, erläutert die
erfahrene Hebamme. „Wir können hiermit den Aufbau des Beckens und den
Verlauf der Muskel-Stränge anschaulich machen. Wichtig ist das, um
nachvollziehen zu können, wie sich die Muskeln während der Geburt weiten
und an welchen Stellen es Verletzungsrisiken gibt, etwa bei einem Dammriss
oder -schnitt.“ Pia Bakker greift in den Karton und holt noch ein Becken
hervor: Es ist aus Stoff und lässt sich wie ein Polster relativ flexibel
bewegen. Mit diesem Becken lässt sich der Geburtsweg gut nachstellen.

Geburtsvorbereitung – wichtige Infos für angehende Eltern

Nun packt die Hebamme eine kleine, weiche Babypuppe aus. Sie steckt in
einem Beutel aus durchsichtigem Stoff und ist mit diesem durch eine dicke
Kordel verbunden. „Das ist die Fruchtblase samt Plazenta und Nabelschnur“,
erläutert Pia Bakker und demonstriert, wie das Baby aus der Fruchtblase
heraus und durch das Becken hindurch seinen Weg nach draußen findet. Das
Modell kommt unter anderem in Geburtsvorbereitungskursen zum Einsatz, ein
weiteres Arbeitsfeld der Hebammen. Die Studierenden üben damit, wie sie
werdenden Eltern den Geburtsweg vermitteln.

Wichtige Hinweise für Nachsorge und Baby-„Handling“

Eine wesentliche Aufgabe vor allem für freiberufliche Hebammen ist die
Nachsorge. Sie wird ebenfalls im Skills Lab eingeübt. Neben der Betreuung
der Mutter geht es dabei auch um die Pflege und Versorgung des Säuglings.
Pia Bakker vermisst etwas: „Wir haben noch keine Babykleidung.“ Marina
Müller notiert den Posten auf der Einkaufsliste und schaut in einen
Beutel: „Guck‘ mal, hier ist schon eines angezogen. Sogar mit
Unterbuchse!“ Pia Bakker holt die Babypuppe heraus. „Komm mit, Mäuschen.“
Sie greift die Puppe, die unerwartet schwer ist. „Oh, dich muss man ja
richtig anfassen!“ Behutsam stützt die Hebamme das Köpfchen und trägt das
Baby zum Tisch. Mit 3,7 Kilogramm und 56 Zentimetern hat es realistische
Säuglingsmaße. Die Studierenden können damit üben, wie man Babys richtig
puckt, also ein Baby eng in eine Decke wickelt, oder wie man es im
Tragetuch hält, denn das sollen sie später den Eltern vermitteln. Dazu
gehört auch hier die wissenschaftliche Basis: Warum ist das Tragen aus
entwicklungspsychologischer Sicht sinnvoll? Worauf muss man beim Pucken
aus welchen Gründen achten? Welche Forschungslücken gibt es? Pia Bakker:
„Unsere Studierenden sollen ihre Empfehlungen später nicht aus dem Bauch
heraus geben, sondern weil sie sie wissenschaftlich begründen können.“

Eines der ältesten Hilfsmittel der Geburtshilfe

Ein hohes Paket wird in den Raum geschoben. Marina Müller packt mit an,
und heraus kommen drei weiche Gummimatten mit Aussparungen. Da hinein
passen die ebenfalls gelieferten Hocker, deren Sitzfläche aus einem
halben, gepolsterten Ring besteht. Pia Bakker nimmt probeweise Platz. „Man
sitzt wie auf einer Toilette.“ Bei den Sitzgelegenheiten handelt es sich
um Gebärhocker, die der Frau eine aufrechte Geburtsposition ermöglichen.
Sie gehören zu den ältesten Hilfsmitteln in der Geburtshilfe, gerieten
aber in Vergessenheit, als die liegende Gebärposition zum medizinischen
Standard wurde. „Liegt die Gebärende auf dem Rücken, ermöglicht das den
Helferinnen zwar eine gute Kontrolle, und es ist bequemer für sie – diese
Position ist für den Geburtsfortschritt aber oft wenig förderlich.“

Neue Leitlinie Vaginale Geburt am Termin

Als erfahrene Hebamme schätzt Pia Bakker die Vorteile der aufrechten
Haltung bei der Geburt. Sie bietet mehr Bewegungsfreiheit und macht sich
die Schwerkraft zu Nutze. Wissenschaftliche Schützenhilfe kommt von der
erst 2020 veröffentlichten neuen „Leitlinie Vaginale Geburt am Termin“: In
diesem Text werden Handlungsempfehlungen für normal verlaufende Geburten
nach neuestem Wissensstand gegeben. Danach sollen Frauen dabei unterstützt
werden, in der Endphase der Geburt möglichst nicht auf dem Rücken zu
liegen, sondern sich eine eigene Position zu suchen und sich aufrichten zu
können. Für Pia Bakker ist die Leitlinie ein Beispiel dafür, wie
wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse die Arbeit der Hebammen gestalten
können. Denn zum einen beziehen sich die Empfehlungen auf die „normale“
Geburt, und zum anderen war an der Ausarbeitung neben ärztlichen
Fachgesellschaften erstmals die 2008 gegründete Deutsche Gesellschaft für
Hebammenwissenschaft beteiligt. „Einen Meilenstein“, nennt Pia Bakker
deshalb die Leitlinie für die Geburtshilfe.

Ein Meilenstein auf dem Weg zur wissenschaftlich basierten Hebammenarbeit
ist auch die Lehre an der FH und im Skills Lab. Bald treffen die „Mütter“
der schon vorhandenen Babys ein: spezielle Hightech-Simulationspuppen (s.
Pressemitteilung vom 06.08.2021). Mit ihnen lassen sich sogar Geburten
realistisch nachstellen. Die Studierenden können die Umsetzung der
Leitlinie also gleich einüben.